TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/2 W220 1438475-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.06.2020
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Entscheidungsdatum

02.06.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §57
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W220 1438475-3/5E

im namen der republik!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Daniela UNTERER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX , Staatsangehörigkeit Nepal, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.04.2019, Zl.: 821799708-190076700, zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. bis III. des angefochtenen Bescheides wird gemäß §§ 57, 10 Abs. 3 AsylG 2005, § 9 BFA-VG, §§ 52 Abs. 3, 52 Abs. 9 und 46 FPG als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides wird insoweit stattgegeben, als die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 2 und 3 FPG 3 Monate beträgt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer reiste unter Verwendung gefälschter malaysischer Personaldokumente illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 10.12.2012 unter der Identität XXXX , geboren am XXXX , einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich, welcher nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens, in welchem der Beschwerdeführer erklärte, zu seiner Identität falsche Angaben gemacht zu haben und in Wirklichkeit XXXX zu heißen sowie am XXXX geboren zu sein, mit Bescheid des vormals zuständigen Bundesasylamtes – Außenstelle Salzburg vom 16.10.2013 abgewiesen wurde und wurde der Beschwerdeführer unter einem nach Nepal ausgewiesen. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des vormals zuständigen Asylgerichtshofes vom 26.11.2013, ZI.: C10 438475-1/2013, als unbegründet abgewiesen.

Am 16.04.2014 wurde der Beschwerdeführer unter seiner Identität XXXX , geboren am XXXX , zur Datenbefragung vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl – Regionaldirektion Oberösterreich – niederschriftlich einvernommen und füllte ein Antragsformular für einen nepalesischen Reisepass aus.

Am 13.05.2015 wurde für den Beschwerdeführer unter den von ihm im Verfahren zu seiner Datenbefragung angegebenen Identitätsdaten XXXX , geboren am XXXX , ein Antrag auf Ausstellung eines Heimreisezertifikates gestellt und urgiert.

Am 13.04.2017 beantragte der Beschwerdeführer unter der Identität XXXX , geboren am XXXX , die Ausstellung einer Karte für Geduldete gemäß § 46a Abs. 1 Z 3 FPG. Am 13.02.2018 wurde dem Beschwerdeführer seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl – Regionaldirektion Oberösterreich – eine bis 12.02.2019 gültige Karte für Geduldete ausgestellt.

Am 03.01.2019 stellte der Beschwerdeführer unter der Identität XXXX , geboren am XXXX , den gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Besonderer Schutz“ gemäß § 57 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005.

Am 17.01.2019 wurde der Beschwerdeführer seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl aufgefordert, das Formblatt für die Erlangung eines Heimreisezertifikats wahrheitsgemäß auszufüllen und unterfertigt zu retournieren. Am 06.02.2019 brachte der Beschwerdeführer dieses Formblatt mit den Identitätsdaten XXXX , geboren am XXXX , persönlich beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl – Regionaldirektion Oberösterreich – ein.

Am 18.01.2019 und am 25.02.2019 wurde die Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer unter den Identitätsdaten XXXX , geboren am XXXX , bei der nepalesischen Botschaft urgiert.

Am 05.03.2019 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl – Außenstelle Linz – niederschriftlich einvernommen und zu seinen persönlichen Lebensumständen befragt. Zu seiner Identität befragt, gab der Beschwerdeführer zunächst an, XXXX zu heißen und am XXXX geboren zu sein. Er wolle nicht nach Nepal zurück; bis dato habe er keinerlei Schritte gesetzt, um einen Reisepass bzw. ein Heimreisezertifikat zu erlangen und habe er noch nie Kontakt mit der Botschaft oder dem Konsulat seines Herkunftsstaates gehabt. Auf Vorhalt, dass er in seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl – Außenstelle Salzburg – am 14.05.2013 angegeben hätte, in Wirklichkeit XXXX zu heißen und am XXXX geboren zu sein, führte der Beschwerdeführer aus, dass dies sein originaler nepalesischer Name sei und er, als er nach Österreich gekommen sei, einen falschen Namen angegeben habe. Weshalb er eine falsche Identität angegeben habe, wisse er nicht. Der Beschwerdeführer stellte weiters gemäß § 4 AsylG-DV einen Antrag auf Heilung des Mangels der fehlenden Vorlage eines gültigen Reisedokumentes im Original und legte eine auf die Identität XXXX , geboren am XXXX , lautende Geburtsurkunde vor.

Am 05.03.2019 füllte der Beschwerdeführer unter der Identität XXXX , geboren am XXXX , ein neues Formblatt für die Anforderung eines Heimreisezertifikates aus.

Mit oben zitiertem Bescheid vom 01.04.2019 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ vom 03.01.2019 gemäß § 57 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.), erließ gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG gegen den Beschwerdeführer (Spruchpunkt II.) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Nepal zulässig sei (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 wurde die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt IV.).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl stellte im Wesentlichen fest, dass der Beschwerdeführer Staatsangehöriger Nepals sei; seine Identität stehe nicht fest. Der Beschwerdeführer sei ledig und habe keine Kinder; er sei gesund und arbeitsfähig. Der Beschwerdeführer halte sich seit 2012 im Bundesgebiet auf und sei ihm am 13.02.2018 eine bis 12.02.2019 gültige Karte für Geduldete ausgestellt worden. Eine Abschiebung aus tatsächlichen, vom Beschwerdeführer nicht zu vertretenden Gründen erscheine nicht unmöglich; der Beschwerdeführer habe in den Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates bis dato eine falsche Identität verwendet und sei seiner Mitwirkungspflicht nicht in ausreichendem Maß nachgekommen. Der Beschwerdeführer sei in Nepal nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungsgefahr ausgesetzt. Der in Nepal geborene und aufgewachsene Beschwerdeführer verfüge im Herkunftsstaat über Angehörige und könne daher Unterstützung bekommen. Der Beschwerdeführer habe in Nepal die Schule und die Universität besucht. In Österreich habe der Beschwerdeführer keine Familienangehörigen; er nehme an Kursen teil, sei nicht in Vereinen oder ehrenamtlich aktiv und bestreite seinen Lebensunterhalt mit dem Verkauf einer Straßenzeitung sowie mit Unterstützung von Freunden. Ein über das übliche Maß hinausgehende Privatleben habe nicht festgestellt werden können.

Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben und zusammengefasst vorgebracht, dass der Beschwerdeführer erstmals am 16.10.2014 ein Formular zur Erlangung eines Heimreisezertifikates ausgefüllt und so seine Kooperationsbereitschaft signalisiert hätte. Bereits bei der Einvernahme vor dem Bundesasylamt in Salzburg habe der Beschwerdeführer seine richtige Identität angegeben, wobei ihm jedoch gesagt worden wäre, dass er seinen Namen nicht so einfach ändern könne; sowohl auf der Karte während seines laufenden Asylverfahrens als auch auf der Karte für Geduldete sei der Beschwerdeführer mit seinem falschen Namen weitergeführt worden und habe er deshalb seinen Namen auch bei den Anträgen zur Erlangung eines Heimreisezertifikats entsprechend eingetragen. Nach seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl habe der Beschwerdeführer Kontakt zur nepalesischen Botschaft aufgenommen, wo man ihm die Auskunft gegeben habe, dass er ein Dokument mit Foto oder die Nummer eines Reisepasses angeben müsse, damit ein Dokument ausgestellt werden könne. Da der Beschwerdeführer jedoch nur die bereits vorgelegte Geburtsurkunde besitze, sei fraglich, ob ein Heimreisezertifikat erlangt werden könne. Zu seinen in Nepal aufhältigen Familienangehörigen habe der Beschwerdeführer derzeit keinen Kontakt; in Österreich habe sich der Beschwerdeführer gut eingelebt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers und zum Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Nepal; seine Identität steht nicht fest. Er führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX . Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. Er ist gesund und arbeitsfähig. Der Beschwerdeführer beherrscht die Sprache Nepali.

Der Beschwerdeführer ist in Nepal geboren und aufgewachsen und hat dort die Schule sowie ein College besucht. Er verfügt über Familienangehörige in Nepal und hat jedenfalls mit seinem in Kathmandu lebenden Bruder regelmäßig Kontakt, welcher ihm bei der Beschaffung von Dokumenten vor Ort im Herkunftsstaat behilflich sein könnte und den Beschwerdeführer auch im Fall einer Rückkehr unterstützen könnte und würde.

Der Beschwerdeführer reiste unter Verwendung gefälschter malaysischer Personaldokumente am 09.12.2012 in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 10.12.2012 unter Verwendung der falschen Identität XXXX , geboren am XXXX , einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich, welcher nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens, in welchem der Beschwerdeführer erklärte, zu seiner Identität falsche Angaben gemacht zu haben und in Wirklichkeit XXXX zu heißen sowie am XXXX geboren zu sein, mit Bescheid des vormals zuständigen Bundesasylamtes vom 16.10.2013 abgewiesen wurde und wurde der Beschwerdeführer gleichzeitig nach Nepal ausgewiesen. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit rechtskräftigem Erkenntnis des vormals zuständigen Asylgerichtshofes vom 26.11.2013, ZI.: C10 438475-1/2013, als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hält sich seit 09.12.2012 in Österreich auf und kommt seit rechtskräftiger Erledigung seines Verfahrens über seinen Antrag auf internationalen Schutz mit Erkenntnis des vormals zuständigen Asylgerichtshofes vom 26.11.2013 der gegen ihn bestehenden Ausreiseverpflichtung nicht nach.

Der Beschwerdeführer unterfertigte am 16.10.2014 ein Antragsformular für einen nepalesischen Reisepass, lautend auf die von ihm bei Stellung seines Antrages auf internationalen Schutz angegebene und als tatsachenwidrig festgestellte Identität XXXX , geboren am XXXX . Am 03.01.2019 stellte der Beschwerdeführer unter der falschen Identität XXXX , geboren am XXXX , den gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Besonderer Schutz“ gemäß § 57 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005. Am 06.02.2019 brachte der Beschwerdeführer das Formblatt für die Erlangung eines Heimreisezertifikats, welches ihm zuvor mit dem Hinweis, dieses wahrheitsgemäß auszufüllen und zu retournieren, übermittelt worden war, mit den Identitätsdaten XXXX , geboren am XXXX , persönlich beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein. Der Beschwerdeführer hat in dem Wissen, dass dieses Formblatt zur Erlangung eines Heimreisezertifikates seitens der Behörden seines Herkunftsstaates dient, eine falsche Identität angegeben und musste dem Beschwerdeführer bewusst sein, dass er bei den nepalesischen Behörden unter dieser Identität nicht aufscheinen würde. In weiterer Folge wurde auf Basis dieser Angaben des Beschwerdeführers die Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer bei der nepalesischen Botschaft urgiert.

Der Beschwerdeführer ist seinen Mitwirkungspflichten im Verfahren nicht in ausreichendem Maß nachgekommen. Erst am 05.03.2019 füllte der Beschwerdeführer unter seiner als richtig angegebenen Identität XXXX , geboren am XXXX , ein neues Formblatt für die Anforderung eines Heimreisezertifikates aus und legte eine auf die Identität XXXX , geboren am XXXX , lautende Geburtsurkunde vor. Der Beschwerdeführer hat sich während seines Aufenthaltes in Österreich nicht um die Erlangung eines Reisedokumentes bemüht und ist auch sonst nicht in Kontakt mit der Botschaft oder dem Konsulat seines Herkunftsstaates getreten.

Die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nepal erscheint nicht mehr aus tatsächlichen, vom Beschwerdeführer nicht zu vertretenden Gründen unmöglich.

In Österreich hat der Beschwerdeführer Deutschkurse bis zum Niveau B1 besucht; eine Prüfung hat er nicht absolviert. Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich über soziale Anknüpfungspunkte in Form eines Freundeskreises, wobei das Bestehen besonders enger Bindungen nicht hervorgekommen ist, und hat eine in Deutschland lebende Freundin, mit welcher er sich zweimal pro Monat in Österreich trifft. Familiäre Anknüpfungspunkte in Österreich hat der Beschwerdeführer nicht. Der Beschwerdeführer war in den Jahren 2014 und 2015 jeweils rund sechs Monate als Arbeiter beschäftigt. Seinen Lebensunterhalt in Österreich finanziert der Beschwerdeführer derzeit durch den Verkauf einer Straßenzeitung sowie mit Unterstützung von Freunden; er bezieht keine Leistungen aus der Grundversorgung.

Im Strafregister des Beschwerdeführers scheint keine Verurteilung auf.

1.2. Zur Situation in Nepal sowie einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers dorthin:

Der Beschwerdeführer läuft nicht konkret Gefahr, in seinem Herkunftsstaat der Folter, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe beziehungsweise der Todesstrafe unterworfen zu werden oder in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Notlage zu geraten.

Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus dem vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl herangezogenen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 27.03.2018 wiedergegeben:

„1. Politische Lage

Nepal hat ca. 147.181 km² Fläche und ca. 29,5 Mio. Einwohner. Die Hauptlandessprache ist Nepalesisch (AA 2.2018). Regierungsform ist eine parlamentarische Mehrparteien-Demokratie, die nach dem zehnjährigen Bürgerkrieg (1996–2006) entstand. Staatsoberhaupt ist seit 28.10.2015 die Präsidentin Bidya Devi Bhandari (AA 2.2018; vgl. AA 3.2018).

Nepal war 240 Jahre lang ein hinduistisches Königreich. Die ersten freien Parlamentswahlen im Mai 1991 gelten als Geburtsstunde der parlamentarischen Demokratie in Nepal. Die oftmals rasch wechselnden Koalitions- und Minderheitsregierungen konnten die Erwartungen der breiten Bevölkerung jedoch nicht erfüllen. Der Unmut führte schließlich im Februar 1996 zur Aufnahme des bewaffneten Kampfes der maoistischen Rebellenbewegung unter Führung der Unified Communist Party of Nepal (UCPN-M) gegen das bestehende politische System mit dem Ziel der Etablierung einer Volksrepublik. Der Konflikt zwischen Sicherheitskräften und Maoisten eskalierte nach 1999 landesweit und forderte im Verlauf von zehn Jahren rund 13.000 Todesopfer auf beiden Seiten. Mehr als 1.200 Menschen gelten noch immer als vermisst. Die nach dem zehnjährigen Bürgerkrieg (1996 – 2006) Anfang April 2008 gewählte erste verfassungsgebende Versammlung erklärte in ihrer konstituierenden Sitzung Nepal zur Demokratischen Bundesrepublik. Die zweite verfassungsgebende Versammlung wurde in allgemeinen Wahlen am 19.11.2013 gewählt. Die endgültige Staatsform, das Regierungs- und Wahlsystem sowie die künftige föderale Gliederung (sieben Provinzen) regelt die neue Verfassung, die am 16.9.2015 durch die verfassungsgebende Versammlung verabschiedet und am 20.9.2015 verkündet wurde. Mit Verkündung der Verfassung hatte sich die verfassungsgebende Versammlung aufgelöst. Die Funktion übernahm in Folge das Parlament. Das Parlament und die sieben neu eingerichteten Provinzparlamente sind am 7.12.2017 gewählt worden (AA 3.2018).

In den im November und Dezember 2017 abgehaltenen Parlaments- und Provinzwahlen erhielten die Vereinte Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei (CPN-UML) und ihr Bündnispartner, die Kommunistisch-Maoistische Zentrumspartei (CPN-MC), 121 bzw. 53 Sitze im Unterhaus, das über 275 Sitze verfügt. Bei der bislang stärksten Partei Nepali Congress (NC) verfehlten dagegen viele Politiker den Wiedereinzug ins Parlament. In der südlichen Provinz Nr. 2 erhielten zwei Parteien, die die Minderheit der Madhesi vertreten, eine parlamentarische Mehrheit. Das linke Bündnis der Kommunisten verstärkte seine Position noch, indem es eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Senat erhielt. Die CPN-UML und die CPN-MC gewannen dort 27 bzw. 12 Sitze von insgesamt 59. Nach dem überwältigenden Wahlsieg des linken Bündnisses hat der Führer der CPN-UML Khadga Prasad Sharma Oli das Amt des Premierministers Nepals als Nachfolger von Sher Bahadur Deuba angetreten.

Die verfassungsmäßigen Vorschriften und neuen Mehrheitsverhältnisse machen es wahrscheinlich, dass Nepal, anders als in der Vergangenheit, von Premierministern regiert wird, die mehrere Jahre im Amt bleiben werden. Nach den erfolgreichen Wahlen sind jetzt auf der Gemeinde-, der Provinz- und der Bundesebene gewählte Volksvertreter dabei, die Exekutive zu kontrollieren (GIZ 3.2018b; vgl. DS 14.2.2018).

Auf nationaler Ebene wird Nepal ein Bestehen von demokratischen Institutionen attestiert. Doch sind diese instabil, etwas umstritten und wegen fortwährender politischer Kontroversen wenig effektiv (BTI 2018). Diese ersten nationalen, regionalen und lokalen Wahlen, welche unter einer neuen Verfassung mit einer hohen Wahlbeteiligung stattfanden, bedeuten trotz einiger Gewaltmeldungen einen Aufwärtstrend für Nepal (FH 2018).

Quellen:

AA – Auswärtiges Amt (2.2018): Nepal, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nepal-node/nepal/221214, Zugriff 5.3.2018

AA – Auswärtiges Amt (3.2018): Nepal – Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nepal-node/-/221262, Zugriff 26.3.2018

BTI – Bertelsmann Stiftung´s Transformation Index (2018): Nepal Country Report, http://www.bti-project.org/en/reports/country-reports/detail/itc/NPL/, Zugriff 26.3.2018

DS – Der Standard (15.2.2018): Marxist als neuer Ministerpräsident in Nepal vereidigt, https://derstandard.at/2000074349937/Marxist-als-neuer-Ministerpraesident-in-Nepal-vereidigt, Zugriff 5.3.2018

FH – Freedom House (2018): Freedom in the World 2018, Nepal, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2018/nepal, Zugriff 26.3.2018

GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2018b): Nepal – Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/nepal/geschichte-staat/, Zugriff 5.3.2018

2. Sicherheitslage

Die Sicherheitslage bleibt vor allem in urbanen Zentren wie Kathmandu und Pokhara angespannt. Unruhen, Streiks und Anschläge sind zu keiner Zeit auszuschließen (BMEIA 28.3.2018). Nepal befindet sich in einer politischen Übergangsphase. Seit Inkrafttreten der Verfassung am 20.9.2015 haben sich die politischen Spannungen erhöht, da sie nicht von allen politischen Parteien und Gesellschaftsgruppen akzeptiert wird. Zwischen Herbst 2015 und Frühjahr 2016 führten zahlreiche Proteste und Generalstreiks auf nationaler, regionaler und Distrikt-Ebene zu mehrmonatigen Versorgungsengpässen; vor allem die Treibstoffversorgung war stark eingeschränkt. Erneute Ereignisse dieser Art sind jederzeit möglich. Im ganzen Land, einschließlich Kathmandu, werden sporadisch Anschläge mit kleineren Sprengsätzen verübt.

Sie haben vereinzelte Todesopfer und Verletzte sowie Sachschaden verursacht (EDA 18.12.2017). Im jetzigen politischen Umfeld kommt es in Nepal nur noch gelegentlich zu kurzfristig ausgerufenen „Bandhs“ (Zwangsstreiks jedweder Art, auch im Kathmandu-Tal, mit Blockaden/Straßensperren); manchmal werden diese auch gewaltsam durchgesetzt. Letzteres gilt auch für sog. Transportstreiks. Nach den bisherigen Erfahrungen können diese Protestaktionen das öffentliche Leben empfindlich stören. Besonders im Terai ist mit Protestaktionen und gewaltsamen, unter Umständen gefährlichen Auseinandersetzungen zu rechnen (AA 20.3.2018).

Kriminelle Organisationen und andere Gruppierungen erpressen in vielen Landesteilen nationale und internationale Organisationen, Geschäftsleute und Einzelpersonen und setzen Forderungen teilweise mit Gewalt durch. Auf Grund der politischen Instabilität und der Unzuverlässigkeit des Rechtssystems ist eine steigende Gewaltbereitschaft und Kriminalität im ganzen Land feststellbar (AA 20.3.2018).

Bedenken bestehen hinsichtlich Aktivitäten von indischen Grenzsicherheitskräften, welche außerhalb ihrer Zuständigkeitsbereiche agieren. Darüber hinaus sollen chinesische Grenztruppen an der nördlichen Grenze zur Autonomen Region Tibet gelegentlich auf nepalesischem Territorium operieren (BTI 2018).

Quellen:

AA – Auswärtiges Amt (20.3.2018): Nepal – Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nepal-node/nepalsicherheit/221216, Zugriff 26.3.2018

BMEIA – Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (28.12.2017): Reiseinformation – Nepal, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/nepal/, Zugriff 5.3.2018

BTI – Bertelsmann Stiftung´s Transformation Index (2018): Nepal Country Report, http://www.bti-project.org/en/reports/country-reports/detail/itc/NPL/, Zugriff 26.3.2018

EDA – Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (18.12.2017): Reishinweise für Nepal, https://www.eda.admin.ch/content/eda/de/home/laender-reise-information/nepal/reisehinweise-nepal.html, Zugriff 5.3.2017

2.1. Regionale Problemzone Terai

Politische und ethnische Spannungen sind im Terai und in den östlichen Hügelgebieten ausgeprägter als in anderen Teilen des Landes. Im Terai-Gebiet im Süden des Landes agieren zahlreiche bewaffnete Gruppierungen und es kommt häufig zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit den Sicherheitskräften. Es besteht ein Risiko von lokalen Unruhen, Blockaden und Streiks (Bandhs), besonders in Siraha, Sarlahi, Dhanusha, Bara, Kailali, Dang und Kapilbastu, sowie in den östlichen Hügeldistrikten inklusive Jhapa (EDA 18.12.2017; vgl. AA 20.3.2018, BMEIA 28.3.2018).

Am 8.8.2015 einigten sich vier der wichtigsten Parteien darauf, Nepal in der neuen Verfassung als föderale Republik zu definieren und in sieben föderal verwaltete Bundesstaaten aufzuteilen. Ethnische Gruppen im Süden und mittleren Westen von Nepal protestierten gegen die neue Struktur, die ihnen ihrer Meinung nach die politische Repräsentanz verweigerte. In der Folge kam es zu gewalttätigen Protesten in der Region Terai. Die Sicherheitskräfte wendeten bei mehreren Zusammenstößen mit Protestierenden exzessive, unverhältnismäßige oder unnötige Gewalt an. Bis Oktober 2015 waren mehr als 50 Zivilpersonen und Polizeiangehörige bei diesen Auseinandersetzungen ums Leben gekommen (AI 24.2.2016; vgl. BTI 2018). Von Ende August 2015 bis zum Frühjahr 2016 forderten Unruhen im westlichen Terai mehrere Todesopfer und Verletzte und es wurde eine Ausgangssperre verhängt. Erneute Ereignisse dieser Art sind jederzeit möglich (EDA 18.12.2017; vgl. AA 20.3.2018, BMEIA 28.12.2017, AI 22.2.2018).

Im März 2017 kam es im Distrikt Saptari (östliches Terai) zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten der Madhesi und Sicherheitskräften, die mehrere Todesopfer und zahlreiche Verletzte forderten. Während der Untersuchung der Todesfälle wurden Beamte der Nationalen Menschenrechtskommission (NHRC) in ihrem Fahrzeug von Anhängern jener Partei angegriffen, welche die Wahl boykottierten (AI 22.2.2018; vgl. HRW 18.1.2018).

Quellen:

AA – Auswärtiges Amt (20.3.2018): Nepal – Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nepal-node/nepalsicherheit/221216, Zugriff 26.3.2018

AI – Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Nepal, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425587.html, Zugriff 6.3.2018

AI – Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights – Nepal, https://www.ecoi.net/local_link/319778/466805_de.html, Zugriff 5.3.2018

BMEIA – Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (28.3.2018): Reiseinformation – Nepal, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/nepal/, Zugriff 5.3.2018

BTI – Bertelsmann Stiftung´s Transformation Index (2018): Nepal Country Report, http://www.bti-project.org/en/reports/country-reports/detail/itc/NPL/, Zugriff 26.3.2018

EDA – Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (18.12.2017): Reishinweise für Nepal, https://www.eda.admin.ch/content/eda/de/home/laender-reise-information/nepal/reisehinweise-nepal.html, Zugriff 5.3.2018

HRW – Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 - Nepal, https://www.ecoi.net/de/dokument/1422530.html, Zugriff 5.3.2018

3. Rechtsschutz/Justizwesen

Die Gerichtsbarkeit ist unabhängig und gemäß internationalen Maßstäben des Rechtsdenkens ausgerichtet. Das Justizwesen ist jedoch anfällig für politischen Druck, Bestechung und Drohungen. Das Gerichtswesen ist dreistufig: an der Spitze steht der Oberste Gerichtshof, darunter rangieren Berufungs- und Distriktgerichte. Der Oberste Gerichtshof ist für die Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen zuständig (GIZ 3.2018; vgl. USDOS 3.3.2017). Durch den Obersten Gerichtshof wurden mehrere politische Führer wegen Korruption anklagt und mutige Entscheidungen mit Bezug auf Übergangsjustiz, Staatsbürgerschaft und Quoten getroffen (BTI 2018).

Die Behörden setzen Gerichtsbeschlüsse, einschließlich Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs, nicht konsequent um. Der Respekt für die Einhaltung rechtsstaatlicher Normen und das Vertrauen in die bestehenden Rechtsorgane sind erodiert. Die formelle Justiz ist in Nepal für Konfliktparteien oft kaum erreichbar, unzuverlässig und zu teuer. Die weit verbreitete Korruption der Polizeibehörden und der Staatsverwaltung trägt dazu bei, dass die Bevölkerung kein Vertrauen in die bestehenden Rechtsorgane setzt (GIZ 3.2018; vgl. USDOS 3.3.2017).

Unsichere Eigentumsrechte stellen für Einkommensschwache ein besonderes Problem dar, da es diesem Personenkreis oft an einer geeigneten Dokumentation mangelt, um einen Anspruch auf Grund und Boden bei der Verwaltung und bei örtlichen Gerichten durchzusetzen (BTI 2018).

Bei der Umsetzung und Mittelausstattung für die beiden Übergangsmechanismen der Justiz, der Wahrheitskommission (Truth and Reconciliation Commission - TRC) und der Untersuchungskommission für Verschwindenlassen / verschwundene Personen (Commission on the Investigation of Enforced Disappeared Persons - CIEDP), kommt es zu Verzögerungen. Während der Konfliktzeit begangene Verbrechen werden nur ungenügend strafverfolgt (USDOS 3.3.2017).

Die Regierung hat das vom Obersten Gerichtshof in den Jahren 2014 und 2015 angeordnete Gesetz zur Untersuchung von Fällen verschwundener Personen, Wahrheit und Versöhnung nicht abgeändert. Bis Ende des Jahres hatten die TRC und die CIEDP über 60.000 bzw. 3.000 Beschwerden über Menschenrechtsverletzungen wie Mord, Folter und Verschwindenlassen durch staatliche Sicherheitskräfte und Maoisten während des Konflikts von 1996 bis 2006 gesammelt. Effektive Untersuchungen fanden nicht statt. Ein akuter Mangel an Ressourcen und Kapazitäten beeinträchtigt die Fähigkeit der beiden Organe, Aufklärung, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung zu erbringen (AI 22.2.2018; vgl. BTI 2018).

Quellen:

AI – Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Nepal, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425587.html, Zugriff 6.3.2018

BTI – Bertelsmann Stiftung´s Transformation Index (2018): Nepal Country Report, http://www.bti-project.org/en/reports/country-reports/detail/itc/NPL/, Zugriff 26.3.2018

GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2018): Nepal – Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/nepal/geschichte-staat/, Zugriff 5.3.2018

USDOS – US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 – Nepal, https://www.ecoi.net/local_link/337161/479925_de.html, Zugriff 5.3.2018

4. Sicherheitsbehörden

Die Aufgabe der Nepal Police (NP) ist die Durchsetzung von Recht und Ordnung, während die Armed Police Force (APF) für die Terrorismusbekämpfung, für die Gewährleistung der Sicherheit während Ausschreitungen und öffentlichen Unruhen, für die Unterstützung bei Naturkatastrophen und für den Schutz wichtiger Infrastruktur zuständig ist. NP und APF können Fahndungs- und Haftbefehle ohne gerichtliche oder staatsanwaltschaftliche Überprüfung erlassen. Beide Einheiten verfügen, genauso wie die Armee (Nepal Army – NA), über eine Menschenrechtskommission, aber nur die Kommissionen von NP und NA verfügen über unabhängige Ermittlungsbefugnisse. Alle Sicherheitskräfte erhalten eine Menschenrechtsschulung. Von der NP wurde festgestellt, dass die Missbrauchsvorwürfe bezüglich der Zeit des Bürgerkriegs durch die Truth and Reconciliation Commission (TRC) behandelt werden sollten. Die Menschenrechtskommission der Nepal Police berichtete zwischen Juli 2015 und Juli 2016 über drei Beschwerden, die sich alle auf Foltervorwürfe bezogen und zur Bestrafung von zehn Polizeibeamten führten. Sieben Offiziere erhielten offizielle Rügen und drei wurden nicht befördert. Zusätzlich rügte die nepalesische Polizei in drei Folterfälle aus dem abgelaufenen Jahr fünf Beamte und mahnte einen anderen Beamten ab. Die NGO Terai Human Rights Defenders Alliance (THRDA) und das Advocacy Forum (AF) berichten jedoch unabhängig voneinander, dass sie seit August 2016 mehrere Beschwerden wegen Polizeigewalt bei den Bezirksgerichten einreichten, die alle noch anhängig sind. AF informiert weiters, dass es keine Beschwerden mehr an die Menschenrechtskommission der NP richtet, da diese auf keine der über 100 Beschwerden, welche AF seit 2010 eingereicht hat, reagiert hat. Die Polizeikorruption, vor allem bei unterbezahlten niederen Polizeibeamten, und die mangelhafte Bestrafung polizeilichen Missbrauchs bleiben weiterhin Probleme (USDOS 3.3.2017).

Bemühungen, die strafrechtliche Verfolgung von Menschenrechtsverletzungen zu gewährleisten, werden weiterhin dadurch stark untergraben, dass die Polizei die zur Einleitung von Ermittlungen erforderlichen Berichte (First Information Reports) nicht anfertigt, keine Untersuchungen einleitet und gerichtliche Anweisungen nicht befolgt. Dies gilt selbst in Fällen von mutmaßlichen außergerichtlichen Hinrichtungen, Menschenhandel, geschlechtsspezifischer Gewalt sowie von Folter und anderen Misshandlungen (AI 24.2.2016).

Angebliche unangemessene Gewaltanwendung durch die Sicherheitskräfte bei den Protesten zwischen August 2015 und Februar 2016 – besonders in der Region Terai – werden kritisiert und als erhebliches Menschenrechtsproblem betrachtet (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

AI – Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights – Nepal, https://www.ecoi.net/local_link/319778/466805_de.html, Zugriff 3.5.2017

USDOS – US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 – Nepal, https://www.ecoi.net/local_link/337161/479925_de.html, Zugriff 5.3.2018

5. Folter und unmenschliche Behandlung

Obwohl sich sowohl die Interimsverfassung von 2007 als auch die Verfassung von 2015 mit dem Thema Folter befassen, wird diese nicht explizit kriminalisiert und das Gesetz enthält keine klaren Leitlinien zur Bestrafung der Täter. Das Folter-Entschädigungs-Gesetz sieht eine Entschädigung für Folteropfer vor; das Opfer muss eine Beschwerde einbringen und den Fall vor Gericht verfolgen. Die NGO Terai Human Rights Defenders Alliance (THRDA) erklärt, dass Folteropfer wegen der Einschüchterungen durch Sicherheitskräfte und aus Angst vor Repressalien oft zögern, eine offizielle Beschwerde einzureichen. Weiters wurden laut THRDA zahlreiche Folterfälle vom Gericht aufgrund fehlender glaubwürdiger Beweise, insbesondere medizinischer Befunde, zurückgewiesen. In Fällen, in denen die Gerichte dem Opfer einen Schadenersatz zusprachen oder eine Disziplinarmaßnahme gegen die Polizei verordneten, wurden die Urteile nur selten umgesetzt. THRDA verzeichnet eine leichte Steigerung von Misshandlungen. In den ländlichen Teilen der Terai-Region ist gemäß NGO-Angaben keine Verbesserung bezüglich Polizeigewalt feststellbar. Berichten zufolge wird der Polizei im Distrikt Kailali willkürliche Verhaftung, Folter und andere Misshandlungen bzw. erzwungene Geständnisse im Zusammenhang mit der Tötung von Demonstranten und einem Kind in Tikapur im August 2015 vorgeworfen (USDOS 3.3.2017).

Während der Untersuchungshaft kommt es nach wie vor zu Fällen von Folter - etwa um Geständnisse zu erzwingen. Das neue Strafgesetz, welches durch das Parlament im August 2017 verabschiedet wurde, enthält Bestimmungen, welche Folter und andere Misshandlungen unter Strafe stellen und mit einer Höchststrafe von fünf Jahren ahnden. Ein eigenständiges Anti-Folter-Gesetz, welches im Parlament anhängig bleibt, entspricht bei weitem nicht den völkerrechtlichen Anforderungen (AI 22.2.2018).

Die Regierung verhindert gründliche Untersuchungen bzw. das Ergreifen schwerwiegender Disziplinarmaßnahmen gegen Polizisten, die wegen Brutalität und Folter angeklagt wurden. Der UN-Ausschuss gegen Folter stellte fest, dass die Folterung von Verdächtigen in Untersuchungshaft weit verbreitet ist. Amnesty International berichtet von Fällen von Folterung von Frauen und Kindern (FH 27.1.2017).

Gemäß dem Folterbericht von AF waren 17,2% der 1.212 befragten Insassen im Jahr 2015 und 16,2% im Jahr 2014, einer körperlichen Misshandlung ausgesetzt. Der gleiche Bericht weist auf einen leicht erhöhten Anstieg der Folterfälle unter Häftlingen indigener Gruppen hin. Laut der Menschenrechtskommission der Nepal Police (NP) wurde der Großteil der angeblichen Vorfälle nicht offiziell angezeigt oder formell untersucht. Bis August 2016 besuchte die Menschenrechtskommission der NP sieben Haftanstalten in vier Distrikten, und befragte die Häftlinge über die Behandlung in der Haft (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

AI – Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Nepal, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425587.html, Zugriff 5.3.2018

FH – Freedom House (27.1.2017): Freedom in the World 2016 – Nepal, http://www.ecoi.net/local_link/327723/468405_de.html, Zugriff 21.3.2018

USDOS – US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 – Nepal, https://www.ecoi.net/local_link/337161/479925_de.html, Zugriff 5.3.2017

6. Korruption

Das Verwaltungssystem ist marode, voller Korruption und dringend reformbedürftig (BTI 2018). Korruption bleibt auf allen Ebenen der Verwaltung ein Problem (USDOS 3.3.2017).

Wie in den meisten südasiatischen Ländern deuten verschiedene Indikatoren auf eine schwache Leistungsfähigkeit des Staates hin. Während die Verwaltungsstruktur des Staates über die Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung hinausgeht, ist die schwache Verwaltung nicht in der Lage, allen Bürgern einen gerechten Zugang zu Verwaltungsdienstleistungen zu gewähren. Gerade im ländlichen Raum ist die Infrastruktur zu schwach, um eine solide administrative Basis für die politische, soziale und wirtschaftliche Entwicklung zu ermöglichen (BTI 2018).

Obwohl das Gesetz Strafen für Behördenkorruption vorsieht, gibt es weiterhin Berichte darüber, dass korrupte Praktiken ungestraft ausgeübt werden. Es gibt zahlreiche Meldungen über korrupte Handlungen auf allen Regierungsebenen, in politischen Parteien und parteinahen Organisationen. Auch die Gerichtsbarkeit ist von Bestechungen betroffen. Korruption und Straflosigkeit stellen auch innerhalb der Polizei weiterhin ein Problem dar, vor allem in den unteren Rängen (USDOS 3.3.2017).

Nepal liegt im 2017 Corruption Perceptions Index von Transparency International mit einer Bewertung von 31 (von 100) (0=highly corrupt, 100=very clean) auf Platz 122 (von 176) (je höher, desto schlechter) (TI 2018). 2016 lag das Land mit Bewertung 29 auf Platz 131 (von 180) (TI 2016).

Quellen:

BTI – Bertelsmann Stiftung´s Transformation Index (2018): Nepal Country Report, http://www.bti-project.org/en/reports/country-reports/detail/itc/NPL/, Zugriff 26.3.2018

TI – Transparency International (2016): Corruption Perceptions Index, http://www.transparency.org/news/feature/corruption_perceptions_index_2016, Zugriff 5.3.2018

TI – Transparency International (2017): Corruption Perceptions Index, https://www.transparency.org/news/feature/corruption_perceptions_index_2017, Zugriff 5.3.2018

USDOS – US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 – Nepal, https://www.ecoi.net/local_link/337161/479925_de.html, Zugriff 5.3.2018

7. Wehrdienst

und Rekrutierungen

Ein freiwilliger Militärdienst ist im Alter von 18 Jahren möglich, eine Wehrpflicht gibt es nicht (CIA 22.2.2018).

Quellen:

CIA – Central Intelligence Agency (22.2.2018): The World Factbook – Nepal, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/np.html, Zugriff 5.3.2018

8. Allgemeine Menschenrechtslage

Nach dem verheerenden Erdbeben am 25.4.2015 wurde innerhalb weniger Monate eine neue Verfassung verabschiedet, welche im September 2015 in Kraft trat. Sie wies zahlreiche Defizite in Bezug auf den Schutz der Menschenrechte auf und sah eine föderalistische Staatsstruktur vor, die von den ethnischen Gruppen in der Terai-Region abgelehnt wurde. Der Verfassungsänderung folgten gewalttätige Zusammenstöße zwischen Protestierenden und Polizei – besonders in den Gebieten der Terai, und führte von August 2015 bis Februar 2016 zu zahlreichen Toten (AI 22.2.2017; vgl. AI 24.2.2017, AI 22.2.2018, BTI 2018). Im August 2016 genehmigte jedoch die Regierung die Gründung einer unabhängigen Juristischen Kommission, um Menschenrechtsverletzungen während der Unruhen bezüglich der Verfassungsänderung zu untersuchen. Aber seit September wurde die Arbeit noch nicht aufgenommen (USDOS 3.3.2017).

Durch eine ungleiche Verteilung der Katastrophenhilfe nach dem Erdbeben wurden benachteiligte Gruppen diskriminiert; in allen betroffenen Gebieten kam es zu Verzögerungen beim Wiederaufbau (AI 22.2.2017; vgl. AI 24.2.2017). Hunderttausende Überlebende des Erdbebens von 2015 (fast 70% der Betroffenen) leben noch immer in Notunterkünften. Die Regierung hat einen Nachweis des Grundbesitzes als Bedingung für den Erhalt einer Wiederaufbauförderung festgelegt. Da jedoch bis zu 25% der Bevölkerung dieses Kriterium nicht erfüllt haben, sind zehntausende der Überlebenden des Erdbebens nicht förderfähig. Die Situation betrifft vor allem marginalisierte und benachteiligte Gruppen, darunter Frauen, Dalits, wie auch andere ethnische Minderheiten und Kasten (AI 22.2.2018; vgl. BTI 2018).

Weitere Menschenrechtsprobleme sind die Schikanierung von Medien und die Einschränkung der Presse durch Selbstzensur. Die Regierung begrenzte die Versammlungsfreiheit vor allem in den Gebieten, wo die gewalttätigen Proteste gegen die Verfassungsänderung stattfanden. Die Freiheitsrechte von Flüchtlingen, insbesondere tibetischer Herkunft, wurden teilweise eingeschränkt. Die Staatsbürgerschaftsgesetze und –regelungen sind diskriminierend und tragen zur Entstehung von Staatenlosigkeit bei. Früh- und Zwangsehen sowie Vergewaltigung und häusliche Gewalt gegen Frauen, einschließlich Mitgiftmorde, sind nach wie vor ernste Probleme. Es wird weiterhin über Gewalt gegen Kinder, auch in Waisenhäusern, berichtet; die Vorfälle werden jedoch selten gerichtlich verfolgt. Menschenhandel von Kindern und Erwachsenen zu Zwecken sexueller Ausbeutung kommt häufig vor. Personen mit Behinderung und einige ethnische Minderheiten leiden unter Diskriminierung (USDOS 3.3.2017). Jegliche Diskriminierung auf der Basis der Kastenzugehörigkeit ist von der nepalesischen Verfassung verboten. Trotzdem werden Angehörige „unberührbarer Kasten“ (Dalits) vielfach ausgegrenzt (GIZ 3.2018). Die Schikanierung aufgrund von Geschlecht oder Zugehörigkeit zu sexuellen Minderheiten ist nach wie vor verbreitet. Die Arbeitnehmerrechte werden teilweise eingeschränkt. Bei der Bekämpfung von Zwangsarbeit und Schuldknechtschaft gibt es nur geringe Fortschritte. Trotz Verbots sich diese weiterhin gebräuchlich. Bei der Bekämpfung von Kinderarbeit gibt es moderate Fortschritte (USDOS 3.3.2017).

Menschenrechtsorganisationen in Nepal fordern von der Regierung das Schicksal der im Bürgerkrieg verschwundenen, verschleppten und ermordeten Menschen aufzuklären (GIZ 3.2018). Diesbezüglich wurden bereits die ersten Initiativen ergriffen. Die Untersuchungskommission zum erzwungenen Verschwinden von Personen (Commission of Investigation on Enforced Disappeared Persons – CIEDP), hat eine Gesetzesvorlage erarbeitet, die darauf zielt, Verschwindenlassen unter Strafe zu stellen. Daneben möchte die CIEDP auch solche Fälle untersuchen, in denen die Opfer des Verschwindenlassens auch gefoltert wurden oder anderen Verbrechen ausgesetzt waren. Die o.g. Forderungen wurden jedoch bis jetzt von der Regierung ignoriert. Die Regierung hatte die Kommission gebildet, ohne ein entsprechendes Gesetz zu verabschieden, das das Verschwindenlassen von Personen kriminalisiert, womit sie Vorgaben des Obersten Gerichts ignorierte, den Transitional Justice Act entsprechend zu überarbeiten. Sie sah sich deshalb dem Vorwurf von Zivilgesellschaft, Menschenrechtsorganisationen und internationaler Gemeinschaft ausgesetzt, eine zahnlose Übergangsjustiz etablieren zu wollen, bei der die schweren Verbrechen aus der Konfliktzeit nicht mehr strafrechtlich aufgearbeitet würden. Laut CIEDP dienen die Maßnahmen der Regierung nur dazu, die Erlassung der erforderlichen Gesetze und die Bereitstellung der notwendigen Ressourcen verzögern zu können (SAB 1.2016; vgl. THT 26.3.2017).

Bis Juni 2017 erhielt der CIEDP 3.093 Beschwerden über Verschwindenlassen. Eine weitere Aufsichtsbehörde, die Wahrheits- und Versöhnungskommission (Truth and Reconciliation Commission – TRC) nahm trotz fehlender Ressourcen bereits ihre Arbeit auf; sie ist in sieben Provinzen anwesend und bis Juni 2017 erhielt sie 58.000 Beschwerden bezüglich Menschenrechtsverletzungen vor allem aus der Zeit des Bürgerkriegs. Der Vorsitzende der TRC berichtet, dass Gerechtigkeit für die Opfer von außergerichtlicher Tötung, Verschwindenlassen, Vergewaltigung und Folter aufgrund der mangelhaften Gesetzeslage nicht gewährleistet werden kann (THT 8.7.2017).

Quellen:

AI – Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Nepal, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425587.html, Zugriff 5.3.2018

AI – Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights – Nepal, http://www.ecoi.net/local_link/336579/479257_de.html, Zugriff 5.1.2018

AI – Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights – Nepal, https://www.ecoi.net/local_link/319778/466805_de.html, Zugriff 5.1.2018

BTI – Bertelsmann Stiftung´s Transformation Index (2018): Nepal Country Report, http://www.bti-project.org/en/reports/country-reports/detail/itc/NPL/, Zugriff 26.3.2018

GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2018): Nepal – Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/nepal/geschichte-staat/, Zugriff 5.3.2018

SAB – Südasienbüro (1.2016): Nepal: Untersuchungskommission zum erzwungenen Verschwinden von Personen, http://www.suedasienbuero.de/index.php/suedasien-bestellen/99-meldungen/nepal-meldungen/964-1-2016-untersuchungskommission-zum-erzwungenen-verschwinden-von-personen, Zugriff 5.3.2018

THT – The Himalaya Times (8.6.2017): Transnational justice bodies await revision of related acts, https://thehimalayantimes.com/kathmandu/transitional-justice-bodies-await-revision-related-acts/, Zugriff 5.3.2017

THT – The Himalaya Times (26.3.2017): CIEDP handicapped as legally there’s very little it can do, https://thehimalayantimes.com/nepal/commission-of-investigation-on-enforced-disappeared-persons-handicapped-legally/, Zugriff 5.3.2017

USDOS – US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 – Nepal, https://www.ecoi.net/local_link/337161/479925_de.html, Zugriff 5.3.2018

9. Haftbedingungen

Laut Menschenrechtsorganisationen entsprechen die Haftbedingungen nicht internationalen Standards. Nach offiziellen Angaben gab es im August 2016 19.078 Häftlinge verteilt auf 74 Gefängnisse (offizielle Kapazität: 10.978). Dementsprechend wird berichtet, dass Überbelegung ein ernstes Problem ist. Allerdings ist eine gewisse Verbesserung festzustellen, da neue Haftzentren eröffnet wurden. Weiters bemängelt das Büro des Generalstaatsanwalts (OAG) in manchen Haftanstalten das Fehlen von natürlichem Tageslicht, sanitären Einrichtungen, Kücheneinrichtung und Betten. Laut Advocacy Forum (AF) hatten einige Insassen keinen Zugang zu sauberem Wasser und erhielten unzureichendes Essen. Außerdem wurde ein Mangel an Belüftung, Heizung und Bettwäsche festgestellt. Häftlinge in Untersuchungshaft werden generell getrennt von verurteilten Personen untergebracht. Aufgrund des Mangels an Jugendstrafvollzugsanstalten werden jedoch teilweise auch Minderjährige in Einrichtungen für Erwachsene inhaftiert. Kinder dürfen manchmal mit ihren inhaftierten Eltern im Gefängnis bleiben. Nicht alle Haftanstalten verfügen über separate Bereiche für Frauen. Die NGO Child Workers in Nepal berichtet, dass Minderjährige, die in Gefängnissen für Erwachsene untergebracht werden, oft Mobbing durch ältere Insassen ausgesetzt sind, von der Polizei schlecht behandelt und oft gezwungen werden, die Toiletten zu reinigen. Die medizinische Versorgung ist unzureichend (USDOS 3.3.2017; vgl. FH 27.1.2017).

Laut dem Bericht der Nationalen Menschenrechtskommission (NHRC) gibt es Beschwerdemöglichkeiten für Häftlinge nach einem vorgeschriebenen Verfahren. Diese Gelegenheit wird jedoch laut AF von den Insassen aus Angst vor Bedrohung und Einschüchterung nur selten genutzt. Auf Beschwerden, die von NGOs und internationalen Organisationen eingereicht werden, reagieren die Behörden schneller. Es gibt keinen Ombudsmann, um die Beschwerden von Gefangenen zu untersuchen. Es existiert kein institutioneller Mechanismus für die Überwachung der Gefängnisse. Einige unabhängige Menschenrechtsbeobachter, z.B. der UN-Hochkommissar für Menschenrechte und das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (ICRC), dürfen Monitoringbesuche in Haftanstalten durchführen. Einigen NGOs wurden der Zugang oder Gespräche mit den Insassen jedoch verwehrt (USDOS 3.3.2017).

In der Untersuchungshaft kommt es weit verbreitet auch zu Folter (FH 27.1.2017), in der Haft zu körperlichen Misshandlungen (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

FH – Freedom House (27.1.2017): Freedom in the World 2016 – Nepal, http://www.ecoi.net/local_link/327723/468405_de.html, Zugriff 21.3.2018

USDOS – US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 – Nepal, https://www.ecoi.net/local_link/337161/479925_de.html, Zugriff 1.3.2018

10. Todesstrafe

Nepal gehört zu jenen Staaten, die die Todesstrafe völlig abgeschafft haben (AI 4.3.2018)

Quellen:

AI – Amnesty International (4.3.2018): Wenn der Staat tötet, Liste der Staaten mit und ohne Todesstrafe, http://www.amnesty-todesstrafe.de/files/reader_wenn-der-staat-toetet_laenderliste.pdf, Zugriff 26.3.2018

11. Bewegungsfreiheit

Das Gesetz sieht Bewegungs- und Reisefreiheit, aber auch das Recht auf Emigration und Rückkehr vor. Eine Ausnahme bilden Flüchtlinge; diese müssen bezüglich ihrer Bewegungsfreiheit oft gesetzlich geregelte Einschränkungen hinnehmen. Die Einschränkungen der Flüchtlingsbewegungen werden aber nicht einheitlich durchgesetzt. Die Regierung stellt seit 20 Jahren keine Ausweisdokumente für tibetische Flüchtlinge mehr aus. Es gibt Berichte über Vertriebene aus Tibet, die aufgrund fehlender Personaldokumente an Kontrollpunkten von der Polizei schikaniert oder zurückgeschickt werden. Um Frauen vor Menschenhandel oder Misshandlung zu schützen, führte die Regierung für Frauen ein Mindestalter von 24 Jahren für Auslandsreisen zum Zweck der Aufnahme einer Beschäftigung ein. Diese Regelung wird jedoch von NGOs und Menschenrechtsaktivisten als diskriminierend und kontraproduktiv empfunden, da so Frauen auf informellem Weg über die indische Grenze migrieren (USDOS 3.3.2017). Rekrutierungsunternehmen nutzen weiterhin ihren politischen Einfluss, um Ermittlungen, Strafverfolgung und Wiedergutmachungen für Missbrauch und Ausbeutung von Migranten zu verhindern (AI 22.2.2018).

Während Streiks sind Reisen auf dem Landweg nicht oder nur unter schwierigen Bedingungen möglich (AA 20.3.2018).

Quellen:

AA – Auswärtiges Amt (20.3.2018): Nepal – Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nepal-node/nepalsicherheit/221216, Zugriff 26.3.2018

AI – Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Nepal, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425587.html, Zugriff 5.3.2018

USDOS – US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 – Nepal, https://www.ecoi.net/local_link/337161/479925_de.html, Zugriff 1.3.2018

12. Grundversorgung und Wirtschaft

Der zehnjährige Bürgerkrieg hat die wirtschaftliche Entwicklung Nepals deutlich beeinträchtigt. Mit dem 2006 eingeleiteten Friedensprozess haben sich die politischen Rahmenbedingungen für die Wirtschaft bislang nur wenig verbessert. Das gesamtwirtschaftliche Wachstum bewegte sich in den letzten Jahren real zwischen 2% und 4%. Die schweren Erdbeben vom April / Mai 2015 und die innenpolitische Krise nach Verkündung der neuen Verfassung (20.9.2015) haben zu einem weiteren Einbruch der Wirtschaft geführt, von dem sich das Land nur langfristig erholen wird. Mit einem jährlichen Pro-Kopf-Einkommen von 733,7 US-Dollar (GTAI, prognostiziert für 2016) ist Nepal das zweitärmste Land Südasiens und zählt weiterhin zu den 20 ärmsten Ländern der Welt. Ein Viertel der Bevölkerung lebt unterhalb der nationalen Armutsgrenze. Die nepalesische Wirtschaft ist faktisch weitgehend privatwirtschaftlich verfasst, aber auch geprägt durch starre sozialstaatliche Elemente sowie durch privilegierte Staatsunternehmen. Ausgeprägte Bürokratie sowie eine unzureichende Infrastruktur beeinträchtigen das Investitionsklima und damit die wirtschaftliche Entwicklung. Nepal ist noch immer ein weitgehend von der Subsistenzwirtschaft geprägter Agrarstaat. Die Landwirtschaft beschäftigt mehr als die Hälfte der Erwerbstätigen und trägt mehr als ein Drittel zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei. Der Anteil des verarbeitenden Sektors am BIP hingegen ist aufgrund der schwierigen Rahmenbedingungen für Industriebetriebe in den letzten Jahren kontinuierlich zurückgegangen. Der Tourismus im Kathmandu-Tal, im tropischen Regenwald des Terai und im Himalaja ist eine wichtige Deviseneinnahmequelle. Der Dienstleistungssektor profitiert stark vom zunehmenden Fremdenverkehr. Etwa 90% aller Unternehmen des Landes sind Kleinbetriebe, die einen wichtigen Beitrag zur Beschäftigung leisten, aber nur 4% zum BIP beitragen. Die Inflation ist im Vergleich zum Vorjahr gestiegen und liegt aktuell bei etwa 8,5% (IWF, 2015). Ausländische Direktinvestitionen machen nur einen sehr geringen Anteil am gesamten Staatshaushalt aus. Ein Drittel des Budgets wird von der Gebergemeinschaft im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit finanziert (AA 3.2017; vgl. GIZ 1.2018a).

Es existieren keine zuverlässigen Erhebungen zur Arbeitslosigkeit. Die offizielle Erwerbslosenquote ist relativ niedrig (2016: 3.2%), die Unterbeschäftigung ist jedoch weit verbreitet (BTI 2018). In den letzten Jahrzehnten ist die Zahl jener, die das Land aufgrund der politischen Instabilität und der schweren wirtschaftlichen Krise verließen, exponentiell gestiegen. Neben dem traditionellen Zielland Indien sind mit dem Öl-Boom und dem wirtschaftlichen Aufstieg Asiens, Länder am Persischen Golf und in Südostasien zu attraktiven Destinationen geworden. Schätzungen gehen davon aus, dass heute vier bis fünf Millionen Nepalesen im Ausland arbeiten, deren Geldleistungen an die Familien im Heimatland zwischen 25 und 35% des BIP ausmachen. Mit der zunehmenden Emigration ist die Rekrutierung von Arbeitskräften zu einem lukrativen Geschäft geworden. Über 800 sogenannte „manpower companies“ werben über lokale Agenten Arbeitswillige in den Dörfern an und organisieren Transport, Ausreisepapiere und Verträge mit den Arbeitgebern in den Zielländern. Die große Mehrheit der Arbeitsmigranten sind junge Männer. Der Anteil der Frauen hat mit der steigenden Nachfrage nach Hausangestellten in den Golfstaaten im letzten Jahrzehnt zwar zugenommen, Frauen machen aber erst etwa 10% der Arbeitskräfte im Ausland aus und sind besonders gefährdet (GIZ 1.2018b; vgl. AA 3.2017, GIZ 1.2018a, DR 25.4.2017).

Nach zwei schweren Erdbeben, die im April und Mai 2015 Nepal erschüttert und verheerende Schäden im Kathmandu-Tal und den Bergdörfern des Himalaya angerichtet haben, erholt sich das Land nur langsam. Damals kamen fast 9.000 Menschen ums Leben, 3,5 Millionen wurden obdachlos, 400.000 Familien benötigen Hilfe. Der Wiederaufbau läuft auch zwei Jahre später nur schleppend. Laut der Wiederaufbaubehörde wurde bisher erst rund 4.000 Menschen eine zweite Rate der zugesicherten Gelder ausgezahlt, nur 420 bekamen bisher die volle Zahlung. Trotz nationaler und internationaler Unterstützung beklagten die Hilfsorganisationen fehlende Vorgaben der Regierung für den notwendigen Wiederaufbau (DR 25.4.2017; vgl. GIZ 1.2018a).

Nepal verfügt außer den familiären sozialen Netzwerken über kein Wohlfahrtssystem. In bestimmten Fällen sind NGOs bemüht, diese Lücke zu füllen, aber deren Tätigkeit ist sehr stark von dem jeweiligen Standort und von internationalen Spenden abhängig, somit können nicht die gleichen Leistungen im ganzen Land angeboten werden. Es gibt nur vereinzelt Privatinitiativen; die öffentlichen Sozialdienste sind rückständig und unzureichend, obwohl sich die Situation in den letzten Jahren leicht verbesserte (BTI 2018).

Quellen:

AA – Auswärtiges Amt (3.2017): Nepal – Wirtschaft, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nepal-node/-/221218, Zugriff 1.3.2018

BTI – Bertelsmann Stiftung´s Transformation Index (2018): Nepal Country Report, http://www.bti-project.org/en/reports/country-reports/detail/itc/NPL/, Zugriff 26.3.2018

DR – Domradio (25.4.2017): Zwei Jahre nach dem Erdbeben in Nepal – Schleppender Wiederaufbau,

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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