TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/24 W110 2228491-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.06.2020
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Entscheidungsdatum

24.06.2020

Norm

AVG §37
AVG §39 Abs2
AVG §45 Abs2
AVG §46
AVG §73 Abs2
B-VG Art133 Abs4
ORF-G §3 Abs1
ORF-G §3 Abs3
ORF-G §3 Abs4
ORF-G §31
ORF-G §31 Abs1
ORF-G §31 Abs10
RGG §1 Abs1
RGG §2
VwGG §25a Abs1
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs7
VwGVG §8 Abs1

Spruch

W110 2228491-2/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Peter CHVOSTA als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , Teilnehmernummer: XXXX , wegen Verletzung der Entscheidungspflicht der GIS Gebühren Info Service GmbH betreffend den am 4.2.2019 gestellten Antrag auf Vorschreibung von Rundfunkgebühren zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird stattgegeben und der GIS Gebühren Info Service GmbH wird aufgetragen, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der Rechtsanschauung des Bundesverwaltungsgerichts binnen acht Wochen ab Zustellung zu erlassen.

B) Die Revision ist gemäß § 25a Abs. 1 VwGG iVm Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.



Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit seiner am 7.10.2019 der GIS Gebühren Info Service GmbH (als im Folgenden: belangte Behörde) übermittelten Säumnisbeschwerde begehrte der Beschwerdeführer die Entscheidung über seinen Antrag auf „bescheidmäßige Rundfunkgebühren-Vorschreibung“, den er mehrfach und - soweit ersichtlich - jedenfalls erstmals am 4.2.2019 offensichtlich in Reaktion auf eine entsprechende Vorschreibung gegenüber der belangten Behörde gestellt hatte. Den Beschwerdeausführungen ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer die Gebührenvorschreibung als rechts- bzw. verfassungswidrig (u.a. wegen Willkür und wegen Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes) erachtete.

Das 186-seitige Beilagenkonvolut, das der Säumnisbeschwerde beigelegt wurde, enthält zahlreiche höchstgerichtliche Entscheidungen zu verschiedensten Rechtsgebieten und die (dem Rechtsinformationssystem des Bundes entnommenen) konsolidierten Fassungen des AVG, VwGVG und des RGG sowie eine ins Jahr 2016 zurückreichende Korrespondenz des Beschwerdeführers mit der belangten Behörde. Aus diesen Ausführungen geht hervor, dass der Beschwerdeführer einen Bescheid (anstelle der bloßen Gebührenvorschreibung) begehrte, um damit Rechtsschutz beim Bundesverwaltungsgericht sowie den Gerichtshöfen öffentlichen Rechts zu suchen.

2. Mit Verfügung vom 3.4.2020 forderte das Bundesverwaltungsgericht die belangte Behörde auf, binnen zwei Wochen den Bezug habenden Verwaltungsakt vorzulegen und zur Begründung der Säumnisbeschwerde Stellung zu nehmen, wobei darauf hingewiesen wurde, dass sich die belangte Behörde insbesondere zur Frage, ob sie im vorliegenden Fall kein überwiegendes Verschulden an der Verfahrensverzögerung trifft, äußern möge.

Am 4.6.2020 wurde per e-mail bei der belangten Behörde nachgefragt, ob noch eine Stellungnahme bzw. die Vorlage des Verwaltungsaktes zu erwarten sei.

Mit Schriftsatz vom 8.6.2020 gab die belangte Behörde - ohne Vorlage der Verwaltungsakten - eine Äußerung ab, in der sie den Verfahrensverlauf folgendermaßen darlegte: Infolge eines Wohnortwechsels des Beschwerdeführers existiere am neuen Standort eine „Kombimeldung“ für Radio und TV seit 1.1.2019, nachdem der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 29.12.2018 erklärt habe, dass sich in seinem Haushalt ein TV-Gerät befinde, aber keine gesetzliche Melde- oder Gebührenpflicht bezüglich einer Rundfunkempfangseinrichtung bestehe. In seinem Schreiben vom 27.1.2019 habe der Beschwerdeführer die Zulässigkeit der Rundfunkmeldung unter Bezugnahme auf vorhergehende Korrespondenzen mit der Begründung bestritten, dass sein TV-Gerät über kein DVB-T-Empfangsmodul verfügen und er weder über Satellit noch über Kabel die Möglichkeit zum Rundfunkempfang haben würde.

Nach Schilderung der umfangreichen Korrespondenz des Beschwerdeführers einerseits und Darlegung der behördlichen Ermittlungsschritte über die Wohnadresse des Beschwerdeführers andererseits führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer zum einen den Standpunkt eingenommen habe, es würden bereits am Standort Rundfunkgebühren entrichtet werden, dass der Beschwerdeführer jedoch zum anderen keine nähere Auskunft über seinen Standort (insbesondere über die vorhandene Gerätekonstellation) erteile, wenn man von der Übermittlung von Fotos eines TV-Gerätes und einer Stereoanlage absehe. Ob es sich bei diesen Angaben um jene Rundfunkempfangsanlage handle oder vielmehr um die Rundfunkempfangsanlage der Mutter des Beschwerdeführers (befindlich an ihrem Standort), sei nicht erkennbar. Obwohl der Beschwerdeführer weitere Schreiben übermittelt habe, seien bisher noch keine Angaben über den angefragten Standort (des Beschwerdeführers) bei der Behörde eingegangen.

Nachdem die Stellungnahme der belangten Behörde mit Verfügung vom 12.6.2020 dem Beschwerdeführer zwecks Wahrung des Parteiengehörs übermittelt worden war, erstattete der Beschwerdeführer eine Äußerung. Dieser Äußerung war ein Konvolut von Unterlagen angeschlossen, die - ähnlich wie bereits das Konvolut zur Säumnisbeschwerde - die Korrespondenz mit der belangten Behörde zum Gegenstand hatte, ergänzt u.a. um die hg. Verfügung vom 12.6.2020 sowie die Stellungnahme der belangten Behörde vom 8.6.2020. Inhaltlich betonte der Beschwerdeführer, dass zwischen einem „Altsachverhalt“ betreffend seinen früheren Wohnort mit einem lediglich für die Ansicht von DVD’s benützten TV-Gerät (wofür nach seiner Ansicht keine Rundfunkgebührenpflicht bestehe) und einem „Neusachverhalt“ zu unterscheiden sei. Letzterer betreffe die aktuelle Wohnadresse: Obwohl für diesen Standort bereits seine Mutter Rundfunkgebühren entrichte, seien ihm, dem Beschwerdeführer, laufend mittels Zahlschein und Begleitschreiben Gebühren vorgeschrieben worden. Das „provokante, auffallend sorglose und ignorante Vorgehen“ der belangten Behörde sei Beweis für ihre Willkür, unter der der Beschwerdeführer seit „mittlerweile rund 1 ½ Jahren“ leide. Die Behörde vermenge willkürlich „Altsachverhalt“ und „Neusachverhalt“ und damit „zwei voneinander völlig unabhängige Verwaltungsverfahren“. Die gegenständliche Säumnisbeschwerde betreffe ausschließlich den „Altsachverhalt“.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer hat nach einem Wohnortwechsel an der im Spruch genannten Adresse seinen Hauptwohnsitz. Festgestellt wird, dass sich jedenfalls im früheren Haushalt des Beschwerdeführers ein TV-Gerät befand, das der Beschwerdeführer in Verbindung mit einem DVD-Player dazu benützte, DVD’s anzusehen. Die näheren technischen Modalitäten dieses TV-Geräts können nicht festgestellt werden.

Mit Schreiben vom 4.2.2019 stellte der Beschwerdeführer einen „Antrag auf bescheidmäßige Rundfunkgebühren-Vorschreibung“. Die belangte Behörde hat über diesen Antrag bislang noch nicht abgesprochen.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen, die auch ohne vorgelegte Verwaltungsakten getroffen werden konnten, beruhen auf dem Vorbringen des Beschwerdeführers iVm den Angaben der belangten Behörde in ihrer Stellungnahme vom 4.6.2020 sowie auf den vom Beschwerdeführer im Verfahren vorgelegten Unterlagen.

Mangels entsprechend miteinander inhaltlich übereinstimmender Angaben beider Verfahrensparteien konnten Feststellungen zum neuen Standort des Beschwerdeführers nicht getroffen werden, insbesondere was die Existenz eines dort befindlichen TV-Gerätes und die Frage betrifft, ob der Wohnort des Beschwerdeführers mit jenem seiner Mutter einen einzigen Standort iSd § 3 Abs. 1 RGG darstellt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Zur Stattgabe der Beschwerde

3.1 Vor dem Hintergrund der Ausführungen des Beschwerdeführers über die Zulässigkeit seines Antrags auf Erlassung eines Bescheides über die Vorschreibung von Rundfunkgebühren ist zunächst festzuhalten, dass nach ständiger Rechtsprechung bei Meinungsverschiedenheiten über die Verpflichtung zur Entrichtung von Rundfunkgebühren samt verbundener Abgaben und Entgelte der Rundfunkteilnehmer als Mittel zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung Anspruch auf bescheidmäßigen Abspruch über diese Verpflichtung hat (VwGH 3.4.2019, Ro 2017/15/0046).

3.2 Nach § 8 Abs. 1 VwGVG kann eine Säumnisbeschwerde erst erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist, nicht innerhalb dieser entschieden hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der gesetzlich vorgesehenen Stelle eingelangt ist. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

3.2.1 Zweck des Rechtsbehelfs der Säumnisbeschwerde ist es, demjenigen, der durch die Untätigkeit einer Behörde beschwert ist, ein rechtliches Instrument zur Verfügung zu stellen, um eine Entscheidung in der Sache zu erlangen (vgl. VwGH 28.6.2016, Ra 2015/10/0107). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei Verletzung der Entscheidungspflicht der Begriff des „überwiegenden Verschuldens der Behörde“ nach § 73 Abs. 2 AVG bzw. nach § 8 Abs. 1 VwGVG nicht iS eines Verschuldens von Organwaltern der Behörde, sondern insofern "objektiv" zu verstehen, als ein solches "Verschulden" dann anzunehmen sei, wenn die Behörde nicht durch schuldhaftes Verhalten der Partei oder durch unüberwindliche Hindernisse an der Entscheidung gehindert war. So wird beispielsweise ein überwiegendes Verschulden der Behörde darin angenommen, dass diese die für die zügige Verfahrensführung notwendigen Schritte unterlässt oder mit diesen grundlos zuwartet (VwGH 16.3.2016, Ra 2015/10/0063). Der allgemeine Hinweis auf die Überlastung der Behörde kann die Geltendmachung der Entscheidungspflicht nicht vereiteln (VwGH 22.6.2017, Ra 2017/20/0133, und 24.5.2016, Ro 2016/01/0001 bis 0004).

Nach § 37 AVG ist es der Zweck des Ermittlungsverfahrens, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben (vgl. etwa VwGH 23.11.2017, Ra 2016/11/0160; 27.2.2014, 2013/12/0218). Nach § 39 Abs. 2 erster Satz AVG hat die Behörde dabei von Amts wegen vorzugehen und den Gang des Ermittlungsverfahrens zu bestimmen.

Dem Grundsatz der Amtswegigkeit des Verwaltungsverfahrens korrespondiert freilich die Pflicht der Parteien, an der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken. Dessen ungeachtet trifft die Behörde die Pflicht zur Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes; diese kann nicht auf die Partei abgewälzt werden (vgl. VwGH 31.3.2004, 2002/06/0214). So wird es nach der Rechtsprechung nicht als rechtswidrig angesehen, wenn die Behörde in diesem Fall keine weiteren Ermittlungen durchführt, sondern diese Unterlassung gemäß § 45 Abs. 2 und § 46 AVG in die Würdigung der vorliegenden Ermittlungsergebnisse einbezieht. Die Verletzung der Mitwirkungspflicht einer Partei enthebt die Behörde nicht von ihrer Verpflichtung, den entscheidungswesentlichen Sachverhalt überhaupt festzustellen, ebenso wenig wie ihrer Verpflichtung zur Gewährung von Parteiengehör sowie ihrer Begründungspflicht (vgl. VwGH 23.2.2018, Ro 2017/03/0025; 27.1.2011, 2008/09/0189; 4.9.2013, 2011/08/0201; 2.6.1999, 98/04/0111).

3.2.2 Eine Unterlassung der Mitwirkung bzw. eine Verletzung der Mitwirkungspflicht durch den Beschwerdeführer führt demnach nicht dazu, dass die Behörde von ihrer Verpflichtung entbunden wird, über den Antrag des Revisionswerbers innerhalb der in § 73 AVG normierten Entscheidungsfrist einen Bescheid zu erlassen.

Eine allfällige Mitwirkungspflichtverletzung des Beschwerdeführers ist daher nicht als schuldhaftes Verhalten im Rahmen der Abwägung des überwiegenden Verschuldens iSd § 8 Abs. 1 VwGVG zu werten, welches die Behörde an der Entscheidung gehindert hat. Vielmehr hätte die Behörde die unterlassene Mitwirkung des Revisionswerbers würdigen und ihre (aufgrund der fehlenden Mitwirkung allenfalls auch negativ ausfallende) Entscheidung innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Entscheidungsfrist treffen müssen (idS VwGH 20.3.2018, Ra 2017/03/0092; 19.6.2018, Ra 2018/03/0021).

Im vorliegenden Fall ist der Äußerung der belangten Behörde nichts zu entnehmen, das vor dem Hintergrund der soeben referierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darauf hindeutet, dass die Verzögerung der Entscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen wäre.

3.3 Gemäß § 28 Abs. 7 VwGVG kann im Verfahren über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG das Verwaltungsgericht sein Erkenntnis vorerst auf die Entscheidung einzelner maßgeblicher Rechtsfragen beschränken und der Behörde auftragen, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der hiermit festgelegten Rechtsanschauung binnen bestimmter, acht Wochen nicht übersteigender Frist zu erlassen.

Auch wenn das Gesetz keine expliziten Voraussetzungen für die Ausübung dieses Ermessens nennt, ist anzunehmen, dass das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung in erster Linie die Grundsätze der Verfahrensökonomie zu beachten hat (vgl. VwGH 24.10.2017, Ra 2016/06/0023 mwN). Aus verfahrensökonomischer Sicht wird die Erlassung eines "Teilerkenntnisses" vor allem dann in Betracht kommen, wenn neben der Lösung der maßgeblichen Rechtsfragen auch noch der Sachverhalt weiter klärungsbedürftig ist.

Im konkreten Fall ist der Sachverhalt nicht abschließend geklärt. Dem Bundesverwaltungsgericht wurde auch der Verwaltungsakt, der sich noch bei der belangten Behörde befindet, nicht vorgelegt. Vor diesem Hintergrund macht das Bundesverwaltungsgericht von der Ermächtigung gemäß § 28 Abs. 7 VwGVG Gebrauch und trägt der belangten Behörde auf, den versäumten Bescheid innerhalb von acht Wochen unter Zugrundelegung der im Folgenden darzulegenden Rechtsanschauung nachzuholen.

3.4 Soweit der Beschwerdeführer in seinem Schreiben vom 4.2.2019 einen Antrag auf Vorschreibung von Rundfunkgebühren stellte, begründete er dort seine Rechtsauffassung, keiner Rundfunkgebührenpflicht zu unterliegen, u.a. durch den Verweis auf das Schreiben vom 21.2.2016, in welchem er erklärte, dass sein TV-Gerät über kein DVB-T-Empfangsmodul verfüge und er weder über Satellit noch über Kabel die Möglichkeit zum Rundfunkempfang habe.

Für die damit im vorliegenden Verfahren offenen rechtlichen Fragen stellt sich die relevante Rechtslage folgendermaßen dar:

3.4.1 Gemäß Art. I Abs. 1 des Bundesverfassungsgesetzes vom 10.07.1974 über die Sicherung der Unabhängigkeit des Rundfunks, BGBl. 396/1974, ist Rundfunk die für die Allgemeinheit bestimmte Verbreitung von Darbietungen aller Art in Wort, Ton und Bild unter Benützung elektrischer Schwingungen ohne Verbindungsleitung bzw. längs oder mittels eines Leiters sowie der Betrieb von technischen Einrichtungen, die diesem Zweck dienen.

Die §§ 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 RGG lauten folgendermaßen:

„§ 1. (1) Rundfunkempfangseinrichtungen im Sinne dieses Bundesgesetzes sind technische Geräte, die Darbietungen iSd Art. I Abs. 1 des Bundesverfassungsgesetzes über die Sicherung der Unabhängigkeit des Rundfunks BGBl. 396/1974, unmittelbar optisch und/oder akustisch wahrnehmbar machen.

§ 2. (1) Wer eine Rundfunkempfangseinrichtung iSd § 1 Abs. 1 in Gebäuden betreibt (Rundfunkteilnehmer) hat Gebühren nach § 3 zu entrichten. Dem Betrieb einer Rundfunkempfangseinrichtung ist deren Betriebsbereitschaft gleichzuhalten.“

Gemäß § 31 Abs. 1 ORF-Gesetz, BGBl. 379/1984 idF BGBl. I 55/2014 (im Folgenden: ORF-G), ist jedermann zum Empfang der Hörfunk- bzw. Fernsehsendungen des Österreichischen Rundfunks gegen ein fortlaufendes Programmentgelt (Radioentgelt, Fernsehentgelt) berechtigt. Abs. 10 des § 31 lautet:

„(10) Das Programmentgelt ist unabhängig von der Häufigkeit und der Güte der Sendungen oder ihres Empfanges zu zahlen, jedenfalls aber dann, wenn der Rundfunkteilnehmer (§ 2 Abs. 1 RGG) an seinem Standort mit den Programmen des österreichischen Rundfunks gemäß § 3 Abs. 1 terrestrisch (analog oder DVB-T) versorgt wird. Der Beginn und das Ende der Verpflichtung des Programmentgeltes, sowie die Befreiung von dieser Pflicht richten sich nach den für die Rundfunkgebühren geltenden bundesgesetzlichen Vorschriften.“

3.4.2 Der Verfassungsgerichtshof ging in seinem Erkenntnis VfSlg. 17.807/2006 davon aus, dass die Rundfunkgebühr gemäß § 2 Abs. 1 RGG eine Form der (nutzungsunabhängigen) Abgabe auf den Betrieb oder die Betriebsbereitschaft einer Rundfunkempfangseinrichtung ist und unabhängig davon anfällt, ob das Fernsehgerät tatsächlich benützt wird, ob damit ORF-Programme oder ausschließlich Programme privater (ausländischer) Rundfunkanbieter empfangen werden sowie unabhängig von der Nutzung des Fernsehgerätes innerhalb eines bestimmten Zeitabschnittes. Daher sei für die Entstehung der Gebührenpflicht die Wahrnehmbarkeit oder Nichtwahrnehmbarkeit von Rundfunkprogrammen, die verschiedene Ursachen haben kann, nicht maßgeblich. Dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4.9.2008, 2008/17/0059, lag der Sachverhalt zugrunde, dass der Beschwerdeführer jenes Verfahrens an seinem Standort zwar mit digital-terrestrischen Signalen (DVB-T) versorgt wurde, er jedoch über eine Gerätekonstellation verfügte, die einen Empfang dieser Signale nur mit einem entsprechenden Empfangsmodul, etwa einer DVB-T-Set-Top-Box oder einem digitaltauglichen Fernsehgerät, ermöglichte, die der Beschwerdeführer jedoch nicht besaß. Nach damaliger Rechtslage gelangte der Verwaltungsgerichtshof zum Ergebnis, dass ein Programmentgelt nach dem ORF-G nur bei einem Empfang der Hörfunk- bzw. Fernsehsendungen des ORF zu entrichten sei und eine betriebsbereite Rundfunkempfangsanlage nur dann vorliege, wenn diese Anlage die Programme des ORF empfangen könne, was nach dem beschriebenen Sachverhalt jedoch nicht gegeben gewesen sei.

Nachdem der Verwaltungsgerichtshof diese Rechtsauffassung in seinem Erkenntnis vom 15.9.2011, 2009/17/0016, bekräftigt hatte, wurde (wenige Wochen später) der entscheidungswesentliche § 31 Abs. 10 ORF-G geändert, indem am Ende des ersten Satzes eine Wortfolge hinzugefügt wurde, sodass § 31 Abs. 10 ORF-G die aktuell geltende Fassung erhielt. Die eingefügte Wortfolge („jedenfalls aber dann, wenn ...“) sollte sicher stellen, dass entgegen der bis dahin geltenden Rechtslage bzw. der höchstgerichtlichen Rechtsprechung eine Programmentgeltpflicht bereits dann bestehen sollte, wenn der Rundfunkteilnehmer terrestrisch versorgt wird. In der Begründung zum Initiativantrag 1759/A BlgNR XXVII. GP, 2 heißt es dazu:

„Mit der Ergänzung in § 31 Abs. 10 wird klargestellt, dass ein Rundfunkteilnehmer (das ist jedermann, der an einem Standort Rundfunkempfangseinrichtungen im Sinne des § 1 Abs. 1 RGG betreibt oder betriebsbereit hält) dann jedenfalls zur Zahlung des ORF-Programmentgelts verpflichtet ist, wenn sein Standort mit den ORF-Programmen nach § 3 Abs. 1 terrestrisch analog oder digital im Format DVB-T versorgt wird. Dieser Anknüpfungspunkt der Programmentgeltspflicht korrespondiert mit dem in § 3 Abs. 3 und 4 geregelten terrestrischen Versorgungsauftrag des ORF und entspricht daher dem synallagmatischen Charakter des Programmentgelts im Sinne einer Gegenleistung für die erfolgte Bereitstellung der im öffentlich-rechtlichen Auftrag gelegenen Vollprogramme durch den Österreichischen Rundfunk (vgl. VfSlg. 7717/1975). Bei DVB-T gilt ein Standort dann als versorgt, wenn ein stationärer Empfang („fixed antenna reception“) im Sinne des Technischen Berichts des Europäischen Instituts für Telekommunikationsnormen ETSI TR 101 190 V.1.3.2. (Implementierungsleitlinien für terrestrische DVB-Dienste, Übertragungsaspekte), Punkt 9.1.2 und 9.2, möglich ist (vgl für Fernsehen Punkt 9.1.4 „good coverage of a small area“). …

In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob eine Person Rundfunkteilnehmer im Sinne des RGG ist, d.h. an einem Standort (Gebäude) dauerhaft Geräte betreibt oder betriebsbereit hält, die irgendeine Form von Rundfunk (auch z.B. bloßen „ausländischen Rundfunk“ über analogen Satellit) wahrnehmbar machen. Ist dies nicht der Fall, besteht keine Gebühren- und auch keine Entgeltpflicht. Nur wenn jemand tatsächlich eine Rundfunkempfangseinrichtung an einem Standort (Gebäude) betreibt oder betriebsbereit hält, ist für den Fall, dass der Rundfunkteilnehmer nicht ohnedies bereits durch analoge Terrestrik (im UKW Hörfunk) oder über eine digitale Satellitenanlage oder mittels eines Anschlusses an ein Kabelnetz die in § 3 Abs. 1 ORF-G aufgezählten Programme des ORF empfangen kann, in einem zweiten Schritt zu prüfen, inwieweit sein Standort durch digitale terrestrische Übertragung (DVB-T) versorgt wird und daher der Empfang der Fernsehprogramme – so wie bisher etwa durch Anschluss einer Antenne – mittels entsprechender handelsüblicher Endgeräte (Digitaltuner) möglich ist. …

Hinsichtlich des zugemuteten Aufwandes ist festzuhalten, dass derzeit entsprechende DVB-T Tuner (Set-Top-Boxen) bereits zu einem Preis von unter 30,- Euro verfügbar sind und auch ein etwaiges Modifizieren bestehender Antennen und dazugehörige Bauelemente keine unzumutbaren finanziellen Belastungen für den Rundfunkteilnehmer darstellen. Wenn der Empfang nur durch über dieses Ausmaß hinausgehende Maßnahmen seitens des Rundfunkteilnehmers realisiert werden könnte, besteht keine Pflicht zur Zahlung des Programmentgeltes.“

Entsprechend dem Gesetzeswortlaut und den Erläuterungen des Initiativantrages folgerte auch der Verwaltungsgerichtshof im ersten Erkenntnis zur aktuellen Fassung des § 31 Abs. 10 ORF-G, dass nach der nunmehrigen Rechtslage das Programmentgelt – anders als nach der Rechtslage, die im Erkenntnis 2008/17/0059 der Beurteilung zugrunde zu legen gewesen sei – keine Gegenleistung (mehr) für den Empfang, sondern für die Bereitstellung der Programme des ORF, also für die Versorgung des Standortes mit diesen Programmen, darstelle (VwGH 27.11.2014, Ro 2014/15/0040). Damit sei der Gesetzgeber – so der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 27.11.2014 weiter – zur ursprünglichen Konzeption des Programmentgeltes zurückgekehrt, wonach schon die Möglichkeit des Empfanges von ORF-Programmen (nunmehr unter der weiteren Voraussetzung, dass sich die Empfangsmöglichkeit der ORF-Programme ohne größeren Aufwand herstellen lasse) die Pflicht zur Leistung des Programmentgelts begründet.

Mittlerweile kann angesichts der Revisionszurückweisung des Verwaltungsgerichtshofes vom 23.2.2017, Ra 2015/15/0018, von einer gesicherten Judikatur gesprochen werden.

3.4.3 Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass noch zu prüfen sein wird, ob der Beschwerdeführer mit dem von ihm erwähnten TV-Gerät, das er für das Abspielen von DVD’s benützt(e), tatsächlich eine Rundfunkempfangseinrichtung an einem Standort betreibt bzw. betrieben hat oder betriebsbereit hielt bzw. hält. Maßgeblich ist dabei, ob ein Empfang der ORF-Programme ohne weitere (bzw. ohne besonders kostenträchtige) Maßnahmen realisiert werden kann (einher geht ferner die digital-terrestrische Versorgung mit den Programmen des ORF am Standort).

Was die offenen Sachverhaltsfragen betrifft, wird auf die oben unter 3.2.2 gemachten Ausführungen verwiesen.

Was den Themenkreis der aktuellen Wohnadresse anbelangt, genügt obiter ein Hinweis auf die ständige Rechtsprechung zum Begriff des Standortes (VwGH 24.10.2012, 2009/17/0194 insb. unter 2.2 bis 2.4).

3.4 Der belangten Behörde war daher gemäß § 28 Abs. 7 VwGVG aufzutragen, binnen acht Wochen den beantragten Bescheid zu erlassen. Im Hinblick auf die noch durchzuführenden Sachverhaltsermittlungen wurde die in § 28 Abs. 7 VwGVG vorgesehene Frist in vollem Umfang gewährt. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

3.5 Die Revision ist gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt: Die vorliegende Entscheidung bewegt sich im Rahmen der bereits bestehenden verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zur Frage, inwieweit im Einzelfall die Verzögerung in der Erledigung des Antrags iSd § 8 Abs. 1 letzter Satz VwGVG (nicht) auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist. Die einzelfallbezogene Beurteilung ist grundsätzlich nicht revisibel (vgl. etwa VwGH vom 25.4.2014, Ro 2014/21/0033; 16.9.2016, Ro 2016/20/0003). Auch sonst liegen keine Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor (zur Frage des Bestehens der Gebührenpflicht siehe - neben den oben zitierten Entscheidungen - auch VwGH 23.2.2017, Ra 2015/15/0018 mwH).

Schlagworte

Bescheid Bindungswirkung Entscheidungsfrist Entscheidungspflicht Ermessen Ermittlungsverfahren Gebührenbestimmungsbescheid Gebührenpflicht Mitwirkungspflicht Rechtsschutzinteresse Rundfunkempfang Säumnis Säumnisbeschwerde Standort Verschulden Vorschreibung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W110.2228491.2.00

Im RIS seit

14.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

14.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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