TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/1 W211 2219062-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.07.2020
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Entscheidungsdatum

01.07.2020

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W211 2219062-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a SIMMA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA: Syrien, gegen Spruchpunkt I. des Bescheids des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach der Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin, eine syrische Staatsangehörige, reiste mit einem Visum D in Österreich ein und stellte am XXXX .2019 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Sie wurde am XXXX .2019 von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt.

2. Bei der Einvernahme der Beschwerdeführerin am XXXX .2019 durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gab sie zusammengefasst an, aus Qamishli zu stammen und Kurdin zu sein. Sie habe im April 2018 ihren jetzigen Mann, der in Österreich asylberechtigt ist, geheiratet; die Eheschließung habe in Syrien über einen Vertreter ihres Mannes stattgefunden; es habe ein Hochzeitsfest in Erbil im Irak gegeben. Familienangehörige würden nach wie vor in Qamishli leben. Sie habe Syrien verlassen, um mit ihrem Mann zusammen zu leben. Ihr Mann dürfe nicht nach Syrien, wo es auch nur Tragödien und Krieg gebe. Weil sich die Beschwerdeführerin humanitär engagiert habe, sei sie gekündigt worden. Nach ihren Ängsten im Falle einer Rückkehr gefragt, meinte die Beschwerdeführerin, sie habe trotz des Krieges keine Angst, sie wolle bei ihrem Mann hier leben. Sie wolle sich in Österreich ein Leben mit ihrem Mann aufbauen.

3. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der Beschwerdeführerin bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.), ihr gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status einer subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihr eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG erteilt (Spruchpunkt III.).

4. Gegen den Spruchpunkt I. des Bescheides wurde rechtzeitig eine Beschwerde eingebracht, in der zusammengefasst vorgebracht wurde, dass gegenständlich ein Familienverfahren zu führen sowie die Beschwerdeführerin nicht ausreichend betreffend eine Gefährdung wegen ihres Mannes und wegen ihres humanitären Engagements befragt worden sei.

5. Am XXXX .2020 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die arabische Sprache und in Anwesenheit der Beschwerdeführerin, ihres Vertreters und einer Vertreterin der belangten Behörde eine mündliche Verhandlung durch, in deren Rahmen die Beschwerdeführerin zu ihren Fluchtgründen Stellung nehmen konnte, aktuelle Länderberichte ins Verfahren eingebracht und die Rechtsfrage nach der Führung eines Familienverfahrens besprochen wurden.

Weder die Beschwerdeführerin und ihre Rechtsvertretung noch die belangte Behörde machten von der Möglichkeit einer Frist für eine schriftliche Stellungnahme Gebrauch.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Beschwerdeführerin:

Die Beschwerdeführerin ist eine volljährige Kurdin und syrische Staatsangehörige, die in Qamishli lebte. Sie absolvierte nach der Schule ein vierjähriges Wirtschaftsstudium in XXXX , arbeitete danach kurz in Damaskus und kehrte dann nach Qamishli zurück.

Die Beschwerdeführerin arbeitete in Qamishli zuletzt für das syrische XXXX ministerium in einem Zentrum für XXXX . Nebenbei, quasi ehrenamtlich, arbeitete die Beschwerdeführerin zumindest 2015 bis 2016 bei einer Organisation namens XXXX , die Frauen und Kinder humanitär unterstützt. Von 2016 bis November 2018 arbeitete die Beschwerdeführerin bei der Organisation XXXX mit. XXXX ist eine Entwicklungsorganisation mit Hauptsitz in den USA.

Die Eltern, drei Schwestern und der jüngste Bruder der Beschwerdeführerin leben in Qamishli.

Die Beschwerdeführerin heiratete ihren jetzigen Ehemann, einen syrischen in Österreich seit 2012 Asylberechtigten, im April 2018 in Syrien, wobei der Ehemann bei der formellen Eheschließung in Syrien nicht anwesend war. In Erbil, im Irak, fand noch ein Hochzeitsfest unter Anwesenheit des Mannes der Beschwerdeführerin statt. Der Ehevertrag der Beschwerdeführerin wurde bei einem Shariagericht in Qamisli eingereicht bzw. registriert.

1.2. Zur relevanten Situation in Syrien wird festgestellt wie folgt:

1.2.1. Syrien: Situation in kurdisch kontrolliertem Gebiet; Frauen in kurdisch kontrolliertem Gebiet; Sippenhaftung bei Desertion; Ausreise, Einreise, Bewegungsfreiheit:

Übersicht, kurdisches Gebiet: Im Norden bzw. Nordosten Syriens gibt es Gebiete, welche unter kurdischer Kontrolle stehen (SWP 7.2018). Die Partei der Demokratischen Union (PYD) ist die politisch und militärisch stärkste Kraft der syrischen Kurden. Sie gilt als syrischer Ableger der verbotenen türkisch-kurdischen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) (KAS 4.12.2018b). 2011 soll es zu einem Übereinkommen zwischen der syrischen Regierung, der iranischen Regierung und der PKK, deren Mitglieder die PYD gründeten, gekommen sein. Die PYD, ausgestattet mit einem bewaffneten Flügel, den Volksverteidigungseinheiten (YPG), hielt die kurdische Bevölkerung in den Anfängen des Konfliktes davon ab, sich effektiv an der Revolution zu beteiligen. Demonstrationen wurden aufgelöst, Aktivisten festgenommen, Büros des Kurdischen Nationalrats in Syrien, einer Dachorganisation zahlreicher syrisch-kurdischer Parteien, angegriffen. Auf diese Weise musste die syrische Armee keine „zweite Front” in den kurdischen Gebieten eröffnen und konnte sich auf die Niederschlagung der Revolution in anderen Gebieten konzentrieren. Als Gegenleistung zog das Baath-Regime Stück für Stück seine Armee und seinen Geheimdienst aus den überwiegend kurdischen Gebieten zurück. In der zweiten Jahreshälfte 2012 wurden Afrin, Ain al-Arab (Kobane) und die Jazira von PYD und YPG übernommen, ohne dass es zu erwähnenswerten militärischen Auseinandersetzungen mit der syrischen Armee gekommen wäre (BFA 8.2017). Im März 2016 wurde in dem Gebiet, das zuvor unter dem Namen „Rojava“ bekannt war, die Democratic Federation of Northern Syria ausgerufen, die sich über Teile der Provinzen Hassakah, Raqqa und Aleppo und auch über Afrin erstreckte (SWP 7.2018; vgl. KAS 4.12.2018b). Afrin im Nordwesten Syriens ist territorial nicht mit den beiden anderen Kantonen Jazira und Kobane verbunden und steht seit März 2018 unter türkischer Besatzung (KAS 4.12.2018b; vgl. MPG 2018).

Die syrischen Kurden unter Führung der PYD beanspruchen in den Selbstverwaltungskantonen ein Gesellschaftsprojekt aufzubauen, das nicht von islamistischen, sondern von basisdemokratischen Ideen, von Geschlechtergerechtigkeit, Ökologie und Inklusion von Minderheiten geleitet ist. Während Befürworter das syrisch-kurdische Gesellschaftsprojekt als Chance für eine künftige demokratische Struktur Syriens sehen, betrachten Kritiker es als realitätsfremd und autoritär. Das Ziel der PYD ist nicht die Gründung eines kurdischen Staates in Syrien, sondern die Autonomie der kurdischen Kantone als Bestandteil eines neuen, demokratischen und dezentralen Syrien (KAS 4.12.2018a). Die PYD hat sich in den kurdisch kontrollierten Gebieten als die mächtigste politische Partei im sogenannten Kurdischen Nationalrat etabliert, ähnlich der hegemonialen Rolle der Baath-Partei in der Nationalen Front (BS 2018). Ihr militärischer Arm, die YPG sind zudem die dominierende Kraft innerhalb des von den USA unterstützten Militärbündnisses Syrian Democratic Forces (SDF). Der Krieg gegen den IS forderte zahlreiche Opfer und löste eine Flüchtlingswelle in die kurdischen Selbstverwaltungsgebiete aus. Die syrischen Kurden stehen zwischen mehreren Fronten und können sich auf keinen stabilen strategischen Partner verlassen. Diese schwierige Situation führt auch dazu, dass die Kurden wieder vermehrt das Gespräch mit der syrischen Zentralregierung suchen (KAS 4.12.2018b).

Die syrische Regierung erkennt die kurdische Enklave oder Wahlen, die in diesem Gebiet durchgeführt werden, nicht an (USDOS 13.3.2019). Die zwischen der Kurdischen Selbstverwaltung (dominiert von der PYD) und Vertretern der syrischen Regierung im Sommer 2018 und Anfang 2019 geführten Gespräche brachten auf Grund unvereinbarer Positionen betreffend die Einräumung einer (verfassungsgemäß festzuschreibenden) Autonomie, insbesondere für die kurdisch kontrollierten Gebiete sowie hinsichtlich der Eingliederung/Kontrolle der SDF, keine Ergebnisse (ÖB 7.2019).

Sippenhaftung bei Deserteuren: Deserteure werden härter bestraft als Wehrdienstverweigerer. Deserteure riskieren, inhaftiert, gefoltert und getötet zu werden. Repressalien gegenüber Familienmitgliedern können insbesondere bei Familien von „high profile“-Deserteuren der Fall sein, also z.B. Deserteure, die Soldaten oder Offiziere getötet haben oder sich der bewaffneten Opposition angeschlossen haben (Landinfo 3.1.2018).

Frauen in kurdisch kontrollierten Gebieten: Die Situation von kurdischen Frauen in den kurdischen Gebieten im Nordosten Syriens ist in Bezug auf Unabhängigkeit, Bewegungsfreiheit und die Vormundschaftsgesetze der selbsternannten Autonomieregierung besser. Frauen und Männer sind in der Regierung zu gleichen Teilen repräsentiert (BFA 8.2017). Per Gesetz werden alle Regierungseinrichtungen von einem Mann und einer Frau gleichzeitig geleitet und die meisten staatlichen Behörden und Gremien müssen zwischen Männern und Frauen gleich besetzt sein, abgesehen von Einrichtungen, die nur für Frauen sind (TNYT 24.2.2018).

Frauen sind im politischen Leben der kurdischen Gebiete gut repräsentiert. Außerhalb der PYD geführten Strukturen haben sie allerdings nur eingeschränkte Autonomie (FH 1.2018).

Im November 2014 beschloss die Autonomieregierung ein Dekret, das die „Gleichheit zwischen Männern und Frauen in allen Sphären des öffentlichen und privaten Lebens“ vorsieht. Demnach haben Frauen in den Augen des Gesetzes den gleichen Status wie Männer, auch zum Beispiel bezüglich Scheidung und Erbrecht. Polygamie, Ehrenmorde, Zwangsehen, Ehen von Minderjährigen und andere Formen von Gewalt gegen Frauen wurden verboten. Frauenkomitees, Frauenhäuser und Frauenzentren wurden eingerichtet, um Frauen zu schützen und zu vertreten, in den Themen Politik, Wirtschaft, Kultur und Recht weiterzubilden, und ihnen die Möglichkeit zu geben über familiäre und soziale Probleme zu sprechen und Lösungen zu finden. Auch arabische und christliche Frauen nutzen die Zentren (TF 27.8.2017; vgl. TNYT 24.2.2018).

Die Emanzipation der Frauen in Nordsyrien ist ein laufender Prozess. Patriarchale Traditionen sind dort tief eingebettet und mit Religion verbunden (TF 27.8.2017). In Gebieten mit arabischer Mehrheitsbevölkerung, die konservativer sind und in denen tribale Strukturen noch stark verwurzelt sind, ist es schwerer für die kurdischen Behörden Gleichberechtigungsmaßnahmen ohne Widerstand durchzusetzen. So wurde beispielsweise in Kobane Polygamie verboten, von der lokalen Bevölkerung in Manbij gab es jedoch Widerstand durch lokale Stammesführer, was zu einer Ausnahme für Manbij von dieser Regelung führte (TNYT 24.2.2018).

Die zivile Verwaltung der kurdisch kontrollierten Provinzen im Norden des Landes, der sogenannten „Demokratischen Föderation Nordsyrien“ (kurdisch Rojava) hat die Institution der Zivilehe eingeführt, die unabhängig von der religiösen Zugehörigkeit der Nupturienten vor den zuständigen Behörden geschlossen werden kann. Ob eine in den kurdischen Gebieten geschlossene zivile Ehe vom syrischen Staat anerkannt wird, ist jedoch schwer zu beurteilen. Das syrische Familienrecht erkennt eine solche Ehe insbesondere dann nicht an, wenn sie einen Verstoß gegen das Ehehindernis aufgrund von unterschiedlichen Religionszugehörigkeiten der Ehepartner darstellt (MPG 2018).

Einreise, Ausreise, Bewegungsfreiheit: Die syrische Regierung kann die Ausstellung von Reisepässen oder anderen wichtigen Dokumenten aufgrund der politischen Einstellung einer Person, deren Verbindung zu oppositionellen Gruppen oder der Verbindung zu einem geographischen Gebiet, in dem die Opposition dominiert, verweigern. Das syrische Regime verlangt außerdem ein Ausreisevisum und schließt regelmäßig den Flughafen Damaskus und Grenzübergänge, angeblich aus Sicherheitsgründen. Die Regierung verbietet durchgängig die Ausreise von Mitgliedern der Opposition. Viele Personen erfahren erst von einem Ausreiseverbot, wenn ihnen die Ausreise verweigert wird. Grund oder Gültigkeitsdauer werden häufig nicht genannt (USDOS 13.3.2019).

Durch die Wiedereroberung vormals von Rebellen gehaltener Gebiete durch die Regierung, konnten manche wichtige Verkehrswege wieder eröffnet werden. Dies verbessert den Personen- und Warenverkehr in von der Regierung gehaltenen Gebieten. Die Bedingungen sind immer noch schwierig, und an den Straßen befinden sich nach wie vor zahlreiche Checkpoints, an denen Soldaten regelmäßig Bestechungsgelder verlangen sollen. Die Situation ist aber nicht vergleichbar mit anderen Phasen des Krieges, in denen viele Gebiete unerreichbar waren. Es ist jedoch noch immer schwierig von Rebellen gehaltene Gebiete, zum Beispiel in Idlib oder Nordaleppo, zu erreichen (Reuters 27.9.2018).

1.2.2. Eheschließung in Syrien:

In Syrien können Ehen als Vertrag durch die Parteien, aber auch durch ihre VertreterInnen geschlossen werden; die Ehe muss bei einem Shariagericht registriert werden.

1.2.3. Kontrolllage in Qamishli:

Die Provinz Hasaka war grundsätzlich unter der Kontrolle der SDF/YPG und unter amerikanischem Einfluss. Zum Zeitpunkt des Schreibens des Berichts ist die SDF/YPG immer noch die hauptsächliche Kraft in Nordost Syrien. Die syrische Regierung hält in Qamishli eine Enklave.

1.3. Es wird festgestellt, dass die Beschwerdeführerin im April 2018 eine Ehe durch Vertretung mit einem in Österreich seit 2012 asylberechtigten Syrer schloss und nach Österreich gekommen ist, um mit ihrem Mann zu leben. Zu diesem Zwecke reiste die Beschwerdeführerin im Juli 2018 in den Libanon, um ein Visum für die Einreise nach Österreich zu beantragen. Sie reiste aus dem Libanon wieder zurück nach Syrien und Qamishli, um im Dezember 2018 erneut und (soweit) endgültig in den Libanon zu reisen, um nach Österreich zu kommen.

Die Beschwerdeführerin arbeitete in einem syrischen Ministerium in Qamishli. Nicht festgestellt werden kann, dass sie in dieser Position Anfang Dezember 2018 gekündigt wurde. Ebenfalls kann nicht festgestellt werden, dass gegen sie wegen einer unberechtigten Entgeltfortzahlung ein Gerichtsverfahren in Syrien anhängig ist. Eine Bedrohung der Beschwerdeführerin durch das syrische Regime wegen einer Kündigung aus dem XXXX ministerium, einer Mitarbeit bei zwei humanitären Organisationen oder auch wegen einer unberechtigten Entgeltfortzahlung nach ihrer Ausreise kann nicht festgestellt werden.

Es kann weiter nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin wegen ihres nunmehrigen Ehemannes von syrischen Behörden bedroht wurde. Eine Gefährdung der Beschwerdeführerin wegen ihres Ehemannes im Falle einer Rückkehr kann ebenfalls nicht festgestellt werden.

Eine Gefährdung der Beschwerdeführerin wegen ihrer Ausreise aus Syrien kann ebenfalls nicht festgestellt werden.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Beschwerdeführerin, wie ihre Volksgruppenzugehörigkeit, ihre Herkunft und ihre Herkunftsregion, ihre Ausbildung und Berufstätigkeit, ihr ehrenamtliches Engagement, sowie die Informationen zu ihren Familienangehörigen in Syrien und zu ihrer Eheschließung gründen sich auf nicht weiter bestrittene und gleichbleibenden Angaben der Beschwerdeführerin im Laufe des Verfahrens und auf die Dokumente, die im verwaltungsakt aufliegen.

Die Feststellung zur XXXX Organisation beruht auf einer Nachschau auf der Website der Organisation unter XXXX

2.2. Die Feststellungen zur Situation in Syrien beruhen auf den folgenden Quellen:

Zu 1.2.1.: Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien, 04.09.2019, dabei auf folgenden Einzelquellen:

?        BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Syrien - mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak, https://www.ecoi.net/file_upload/5618_1507116516_ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jordanien-libanon-irak-2017-8-31-ke.pdf, Zugriff 13.12.2017

?        FH – Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 – Syria, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2018/syria, Zugriff 10.12.2018

?        KAS – Konrad Adenauer Stiftung [Nils Wörmer] (4.12.2018a): Assads afghanische Söldner, https://www.kas.de/web/die-politische-meinung/artikel/detail/-/content/assads-afghanische-soldner, Zugriff 15.1.2019

?        KAS – Konrad Adenauer Stiftung [Gülistan Gürbey] (4.12.2018b): Zwischen den Fronten – Die Kurden in Syrien, https://www.kas.de/web/die-politische-meinung/artikel/detail/-/content/zwischen-den-fronten-1, Zugriff 15.1.2019

?        Landinfo (3.1.2018): Syria: Reactions against deserters and draft evaders, https://www.ecoi.net/en/file/local/1441219/1226_1534943446_landinfo-report-syria-reactions-against-deserters-and-draft-evaders.pdf, Zugriff 20.2.2019

?        MPG – Max-Planck-Gesellschaft (2018): Familienrecht im Nahen Osten – Zum gegenwärtigen Stand der Rechtsordnung und des Familienrechts in Syrien [Stand Herbst 2018], https://www.familienrecht-in-nahost.de/11318/Syrien-Rechtslage, Zugriff 17.1.2019

?        ÖB – Österreichische Botschaft Damaskus (7.2019): Asylländerbericht Syrien 2019, XXXX , Zugriff 19.8.2019

?        Reuters (27.9.2018): Easier movement in Assad’s Syria brings some economic reward, https://www.reuters.com/article/us-mideast-crisis-syria-economy-transpor/easier-movement-in-assads-syria-brings-some-economic-reward-idUSKCN1M71YD, Zugriff 8.1.2019

?        SWP – Stiftung Wissenschaft und Politik (7.2018): Die Kurden im Irak und in Syrien nach dem Ende der Territorialherrschaft des “Islamischen Staates”, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/studien/2018S11_srt.pdf, Zugriff 9.1.2018

?        TF - Toward Freedom (27.8.2017): The Women’s Revolution in Rojava, https://towardfreedom.com/archives/women/the-women-s-revolution-in-rojava/, Zugriff 22.2.2019

?        TNYT – The New York Times (24.2.2018): Women Are Free, and Armed in Kurdish-Controlled Northern Syria, https://www.nytimes.com/2018/02/24/world/middleeast/syria-kurds-womens-rights-gender-equality.html, Zugriff 22.2.2019

?        USDOS – United States Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 – Syria, https://www.ecoi.net/en/document/2004226.html, Zugriff 19.3.2019

Zu 1.2.2. Die Länderinformation zur Eheschließung in Syrien beruht ua auf:

AB Accord 04.02.2019, a-10868, (unbeschränkt online abrufbar unter https://www.ecoi.net/de/dokument/1457524.html).

Zu 1.2.3. Die Länderinformation zur Kontrolllage in Syrien beruht auf:

EASO, Security Situation Report, Syria, May 2020, pp 134 ff, unbeschränkt online abrufbar unter https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/PLib/05_2020_EASO_COI_Report_Syria_Security_situation.pdf

Zu den Berichten zu 1.2.1. und 1.2.3. gaben die Parteien keine weiteren Stellungnahmen ab und verzichteten auch auf eine Frist für eine schriftliche Stellungnahme dazu. Die AB zu 1.2.2. wurde insbesondere der belangten Behörde nicht zum Parteiengehör vorgelegt; es wird allerdings aufgrund der Möglichkeit, Informationen zum syrischen Personenstandswesen leicht durch öffentlich zugängliche Quellen zu recherchieren, davon ausgegangen, dass die relevanten Informationen der Behörde bekannt sind.

Zu den in der Beschwerde vorgebrachten Berichten ist folgendes zu sagen:

Die zitierten Passagen zu Frauen in Syrien (vgl. S. 5 der Beschwerde) betreffen zum einen das syrisch kontrollierte Gebiet; zum zweiten Absatz wird angeführt, dass im Verfahren eine oppositionelle Haltung der Beschwerdeführerin gegenüber den Kurdinnen und Kurden nicht hervorgekommen ist, weshalb diese Länderinformation nicht relevant ist. Das Zitat aus dem Papier des UNHCR zum Schutzbedarf von Syrerinnen und Syrern (vgl. S. 6f der Beschwerde) lassen einen konkreten Bezug auf die Situation der Beschwerdeführerin vermissen; eine asylrelevante Gefährdung lässt sich zB auch nicht durch den Verweis auf die aktuelle Konfliktsituation mit der Türkei (S. 8 der Beschwerde) begründen. Damit erschließen die in der Beschwerde eingebrachten Berichte keine relevanten und hier zu berücksichtigenden Sachverhalte und Neuerungen und werden daher nicht festgestellt.

2.3. Zum fluchtauslösenden Vorbringen wird vorangestellt, dass die Beschwerdeführerin im Verfahren vor der Behörde, aber auch vor dem BVwG glaubhaft und nachvollziehbar angab, nach Österreich gekommen zu sein, um mit ihrem Mann hier ein Leben aufzubauen. Die Feststellungen zur Visumsbeantragung im Libanon und zu den sonstigen Reisebewegungen gründen sich auf die diesbezüglich unstrittigen und glaubhaften Angaben der Beschwerdeführerin im Verfahren.

Nicht festgestellt werden kann, dass die Beschwerdeführerin von ihrer Stelle im syrischen XXXX ministerium wegen ihres Engagements in humanitären Einrichtungen gekündigt wurde. Während nicht übersehen wird, dass die Beschwerdeführerin eine solche Kündigung bereits beim BFA zur Sprache brachte (AS 27), kann dennoch nicht übersehen werden, dass sie im Beschwerdeverfahren schließlich ein Schreiben ihres ehemaligen Arbeitsgebers vorlegte, wonach sie wegen Absenz von der Arbeitsstelle gekündigt wurde, bzw. das Dienstverhältnis deswegen aufgelöst worden sei. Eine Bestätigung einer davorliegenden Kündigung konnte die Beschwerdeführerin hingegen nicht vorlegen. Wenn sie erklärend meint, die syrische Regierung würde liederliche Motive nicht verschriftlichen, so bleibt ungeklärt, warum eine simple Kündigung, evtl. auch ohne Angabe eines Kündigungsgrundes, für Dezember 2018 nicht auch durch die syrische Regierung ausgestellt hätte werden können; eine Kündigung alleine könnte man der syrischen Regierung wohl nicht zum Vorwurf machen. Aus dem von der Beschwerdeführerin in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vorgelegten Schreiben geht hingegen hervor, dass die Beschwerdeführerin nach Ende eines unbezahlten Urlaubs am XXXX .2018 nicht mehr zur Arbeit erschienen sei; es werde ihr daher ab diesem Datum kein Gehalt mehr gezahlt und das zuviel bezahlte Gehalt rückgefordert. Da damit die Angaben der Beschwerdeführerin dem von ihr vorgelegten Schreiben im Inhalt widerspricht und ein Grund dafür nicht nachvollziehbar im Verfahren hervorgekommen ist, macht die Beschwerdeführerin eine Kündigung Angang Dezember 2018 nicht glaubhaft.

Ob nun wegen einer unberechtigten Entgeltfortzahlung ein Gerichtsverfahren anhängig gemacht wurde, ist ebenfalls nicht belegt. Die reine Weiterleitung einer amtlichen Entscheidung an andere Behörden, wie sie aus dem von der Beschwerdeführerin vorgelegten Schreiben hervorgeht, ist noch kein Hinweis auf die Anhängigkeit eines Gerichtsverfahrens.

Schließlich bleibt auch wenig nachvollziehbar, warum der Arbeitgeber der Beschwerdeführerin erst Ende 2018 von ihrem ehrenamtlichen Engagement erfahren und sich daran gestoßen haben soll. Wenn die Beschwerdeführerin in der Verhandlung vorbringt, sie habe sich dort heimlich engagiert und später sei ihr einmal jemand gefolgt, so bleibt dieses Vorbringen oberflächlich und wenig nachvollziehbar.

Im Ergebnis hat das Verfahren keine Hinweise darauf ergeben, dass der Beschwerdeführerin wegen ihrer ehrenamtlichen Mitarbeit bei XXXX und XXXX durch ihren ehemaligen Arbeitgeber in Qamishli gekündigt wurde bzw. deswegen oder aus anderen Gründen eine Gefährdung drohen würde.

Weiter kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin wegen ihres nunmehrigen Ehemannes in Syrien bedroht wurde: Zum einen muss bereits angemerkt werden, dass die Beschwerdeführerin über Probleme im Zusammenhang mit ihrem Mann bei ihrer Einvernahme durch das BFA nichts erzählte. Wenn sie dazu befragt in der Verhandlung vorbringt, Angst gehabt zu haben, so mag das zwar nachvollziehbar zu sein, muss aber darauf hingewiesen werden, dass die Beschwerdeführerin zum BFA durch ihren Mann begleitet wurde und sie daher auf psychische Unterstützung zählen konnte. Ihr Mann lebt seit 2011 in Österreich und ist daher sicher auch mit der Behördenstruktur und den Abläufen zumindest insoweit vertraut, alsdass er der Beschwerdeführerin ausreichend hätte versichern können, dass ihr wegen ihrer Angaben in der Einvernahme keine Gefährdung drohen würde.

In der Beschwerde selbst wird zu diesem Thema erwähnt, dass 2012 Polizisten zur Familie der Beschwerdeführerin gekommen seien und nach dem Ehemann – damaligen Verlobten der Beschwerdeführerin – gefragt hätten (vgl. S 3 der Beschwerde). Sie selbst gab dann in der mündlichen Beschwerdeverhandlung an, es habe zwei Vorfälle gegeben: einmal, ungefähr 2016, sei der Geheimdienst zur Familie ihres Verlobten gekommen, wo sie auch gewesen sei, und habe gefragt, wer sie denn sei. Der Vater des Verlobten sei dann mitgenommen worden. Im Juni 2018 seien dann auch Personen zu ihrer Familie gekommen und hätten gefragt, wo ihr Mann nun sei.

Das späte diesbezügliche Vorbringen und darüber hinaus auch der Widerspruch zu den Angaben in der Beschwerde deuten darauf hin, dass es sich hierbei um eine Steigerung des Vorbringens handelt, der die Glaubhaftigkeit abgesprochen werden muss.

Von einer darauf resultierenden Gefährdung kann auch deshalb in weiterer Folge nicht ausgegangen werden, da die Beschwerdeführerin auch nach ihrer Eheschließung in der Lage war, legal in den Libanon zu reisen, um das Visum zu beantragen, und auch wieder unbehelligt zurückzukehren, sowie legal endgültig im Dezember 2018 auszureisen. Hinweise darauf, dass die Beschwerdeführerin wegen ihrer Ehe ins Visier der syrischen Behörden geraten ist und durch diese wegen ihm einer Gefahr unterlegen hat und/oder unterliegen würde, kamen damit aus den Verfahrensergebnissen nicht hervor.

Schließlich wird noch angemerkt, dass nach der Länderinformation eine „Reflexverfolgung“ von Familienangehörigen zumindest bei Deserteuren eher auf sog. „high profile“ Deserteure und ihre Familien beschränkt ist.

Die Beschwerdeführerin arbeitete für ein syrisches Ministerium, hatte offenbar keine Probleme, syrische Papiere zu erlangen sowie aus- und wieder ein-, dann wieder auszureisen, und ist das Vorbringen bereits erfolgte Drohungen nicht glaubhaft, weshalb ein Fokus syrischer Behörden auf die Beschwerdeführerin nicht angenommen werden kann.

Da die Beschwerdeführerin nicht illegal ausreiste, ist von einer Bedrohung deswegen im Falle einer Rückkehr nicht auszugehen.

Im Ergebnis können damit weder zu einer konkreten Bedrohung durch ihren ehemaligen Arbeitgeber noch durch das syrische Regime wegen ihres ehrenamtlichen Engagements oder wegen ihres nunmehrigen Ehemannes Feststellungen getroffen werden.

Sonstige Gefährdungssituationen wurden nicht vorgebracht und ergeben sich auch nicht aus den Umständen der Beschwerdeführerin, die in Syrien noch über Familie verfügt, oder aus den Länderinformationen, weshalb keine weiteren Feststellungen mehr zu erfolgen haben.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu A)

Rechtsgrundlagen:

3.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einer Fremden, die in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status einer Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihr im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Flüchtling im Sinne der Bestimmung ist demnach, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb ihres Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

3.1.2. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation der Asylwerberin unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre der Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH, 05.08.2015, Ra 2015/18/0024 und auch VwGH, 12.11.2014, Ra 2014/20/0069). Für eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (vgl. VwGH, 26.02.1997, Zl. 95/01/0454), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH, 18.04.1996, Zl. 95/20/0239), sondern erfordert eine Prognose. Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob die Asylwerberin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Besteht für die Asylwerberin die Möglichkeit, in einem Gebiet ihres Heimatstaates, in dem sie keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine inländische Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt.

3.1.3. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat zurechenbar sein (vgl. VwGH, 18.02.1999, Zl. 98/20/0468). Einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung kommt Asylrelevanz dann zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten. Auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat der Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. unter vielen anderen mwN VwGH, 20.05.2015, Ra 2015/20/0030 und 08.09.2015, Ra 2015/18/0010).

3.2. Anwendung der Rechtsgrundlagen auf die gegenständliche Beschwerde:

3.2.1. Es konnten in Bezug auf die Beschwerdeführerin eine aktuelle und maßgeblich wahrscheinliche Verfolgungsgefahr aus Gründen einer auch nur unterstellten oppositionellen politischen Gesinnung und/oder einer Mitgliedschaft in der bestimmten sozialen Gruppe der Familie nicht festgestellt werden.

So kann gegenständlich nicht von einer Kündigung der Beschwerdeführerin durch das XXXX ministerium wegen ihres Engagements bei zwei humanitären Organisationen ausgegangen werden, wobei eine Kündigung alleine auch jedenfalls keine Asylrelevanz entfalten könnte. Aber auch ein Gerichtsverfahren wegen einer unberechtigten Entgeltfortzahlung aufgrund einer Kündigung wegen ihrer Abwesenheit nach der Ausreise konnte nicht festgestellt werden. Die Annahme, dass sich aus diesen Faktoren daher eine Verfolgungsgefahr wegen einer vom syrischen Regime unterstellten oppositionellen politischen Gesinnung ergeben würde, fand im Verfahren keine Grundlage.

Die Beschwerdeführerin konnte weiter nicht glaubhaft machen, wegen ihres Verlobten und nunmehrigen Ehemanns durch syrische Behörden befragt worden zu sein. Da die Beschwerdeführerin außerdem bei der Organisation ihrer Ausreise aus Syrien durch diese Behörden offenbar nicht behindert wurde, kann von einer von diesen ausgehenden Bedrohung ebenfalls nicht ausgegangen werden.

Da die Beschwerdeführerin das Land nicht illegal verließ, ist eine Verfolgungsgefahr der Beschwerdeführerin wegen einer illegalen Ausreise und damit einer uU verbundenen Unterstellung einer oppositionellen politischen Gesinnung nicht anzunehmen.

Die Beschwerdeführerin verfügt in Syrien über Familienangehörige, die ihr allfällig notwendigen Schutz als Frau zukommen lassen könnten und stammt außerdem aus dem kurdisch kontrollierten Gebiet, in dem Frauen grundsätzlich bereits ein höheres Maß an Gleichstellung zukommt, als im restlichen Syrien. Eine aktuelle und maßgeblich wahrscheinliche Verfolgungsgefahr der Beschwerdeführerin als Mitglied der bestimmten sozialen Gruppe der kurdischen jungen Frauen ist daher ebenfalls nicht anzunehmen.

3.2.2. Ein Familienverfahren war gegenständlich nicht zu führen, da das in Frage stehende Familienleben bzw. die Ehe nicht bereits zum Zeitpunkt der Einreise des Verlobten/Ehemannes der Beschwerdeführerin nach Österreich bestanden hat (vgl. Gachowetz in Gachowetz/Schmidt/Simma/Urban, Asyl- und Fremdenrecht im Rahmen der Zuständigkeit des BFA, S 90), sondern erst sieben Jahre später begründet wurde.

Bereits die 2. RV 952 XXII. GP führt zur Z 22 des § 2 Abs. 1 AsylG aus, dass die Familieneigenschaft bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat (nunmehr vor der Einreise) zu bestehen hat (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschofer, Asyl- und Fremdenrecht, NWV, zu § 2).

§ 10 Abs. 2 AsylG 1997 sah vor, dass eine Asylerstreckung für Ehegatten dann in Frage komme, wenn die Ehe spätestens innerhalb eines Jahres nach der Einreise des Fremden geschlossen wurde, der den ersten Asylantrag eingebracht hat. Demgegenüber wurde die Regelung des AsylG 2005, dass eine Ehe bereits im Herkunftsstaat bestanden haben musste, als Verschärfung angesehen (vgl. Putzer, Asylrecht2, S 253).

Wenn nun auch der dem Familienverfahren zugrundeliegende Sinn, nämlich möglichst effizient und einfach allen Familienangehörigen mit aufrechtem Familienleben den gleichen Schutzstatus zur Fortführung ihres Familienlebens in Österreich zuzuerkennen, mitbedacht wird, muss sich eine klare Lesart dahingehend ergeben, dass mit der Begriffsdefinition des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG in Bezug auf Ehegatten nur gemeint sein kann, dass die Ehe zwischen den Ehegatten bereits vor der Einreise der Person, die den ersten Antrag stellt, bestanden haben muss.

Diese Ansicht wird auch durch VwGH in Ra 2018/20/0464, 28.01.2020, unterstützt, der zu einem Verfahren nach § 35 AsylG ausgesprochen hat, dass kein Zweifel daran bestehen könne, dass mit der „Einreise“ die erstmalige Einreise des/der subsidiär Schutzberechtigten oder des/der Asylberechtigten in das Bundesgebiet gemeint sei. Da die im Sachverhalt dieses Erkenntnisses asylberechtigte Person vor der Asylgewährung bereits im Jahr 1982 nach Österreich eingereist sei, die Ehe aber unstrittig erst im Jahr 1998 geschlossen worden sei, sei die beschwerdeführende Partei nicht als Familienangehörige im Sinne des § 35 Abs. 5 AsylG anzusehen. Im Zusammenhang mit der Übertragbarkeit dieser Rechtsprechung auf die aktuelle Fragestellung wird auf den Kunsttext samt EB AsylG 2005, 28.06.2017, verwiesen, wonach die Änderung des § 2 Abs. 1 Z 22 der Anpassung an die Änderung des § 35 Abs. 5 diene, auf die verwiesen werde. § 35 Abs. 5 AsylG wiederum gibt klar Auskunft darüber, dass die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des/der subsidiär Schutzberechtigten oder des/der Asylberechtigten bestanden haben muss.

Diesen Überlegungen setzte die Vertretung der Beschwerdeführerin in ihren Ausführungen in der Beschwerde, aber auch in der Verhandlung nichts Wesentliches entgegen.

Dementsprechend war und ist in Bezug auf die Beschwerdeführerin und ihren in Österreich asylberechtigten Ehemann kein Familienverfahren nach § 34 AsylG zu führen. Auf die Frage, ob der in Syrien geschlossenen Ehe in Österreich der „ordre public“ entgegen stünde, muss damit nicht weiter eingegangen werden.

Der Vertreter der Beschwerdeführerin stellte im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung den „Antrag auf Zulassung der ordentlichen Revision“, weil es an höchstgerichtlicher Rechtsprechung zu dieser Frage – der Führung eines Familienverfahrens in der gegenständlichen Konstellation – fehle. Im Lichte dessen, dass das BVwG gemäß § 25a Abs. 1 VwGG jedenfalls verpflichtet ist, einen Ausspruch zur Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu treffen, was auch gegenständlich in Spruchpunkt B) des Erkenntnisses passiert ist, bedarf es keinen eigenen Antrags und werden die Anmerkungen des Vertreters der Beschwerdeführerin als inhaltliche Begründung und Unterstützung seines Vorbringens zur Führung eines Familienverfahrens gewertet.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei der erheblichen Rechtsfrage betreffend die Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchpunkt A. wiedergegeben.

Im Lichte des diesbezüglichen Vorbringens des Vertreters der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung ist darauf hinzuweisen, dass es auch in Bezug auf die Auslegung des Begriffs „Familienangehörige“ nach § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG höchstgerichtliche Rechtsprechung gibt, nämlich VwGH, Ra 2018/20/0464, 28.01.2020 (siehe zur Übertragbarkeit oben 3.2.2.), weshalb auch dazu keine erhebliche Rechtsfrage wegen Fehlens einer einschlägigen Rechtsprechung gegeben ist.

Schlagworte

Asylantragstellung asylrechtlich relevante Verfolgung Asylverfahren begründete Furcht vor Verfolgung Familienangehöriger Familienverfahren Fluchtgründe Glaubhaftmachung Glaubwürdigkeit Kündigung mündliche Verhandlung Verfolgungsgefahr Verfolgungshandlung wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W211.2219062.1.00

Im RIS seit

14.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

14.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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