Entscheidungsdatum
03.07.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z4Spruch
W146 2215140-1/13E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Stefan HUBER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.01.2019, Zl. 1032733609/170534452, zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der minderjährige Beschwerdeführer reiste unbegleitet und illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 09.10.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Mit Bescheid vom 08.06.2015, Zl 1032733609/140055196, wurde dem Antrag auf internationalen Schutz durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 3 AsylG stattgegeben und dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wurde festgestellt, dass ihm kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom XXXX , AZ XXXX , wurde der minderjährige Beschwerdeführer wegen des Vergehens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Abs 1 Z 1 und 15 StGB sowie wegen des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB unter Anwendung von § 28 Abs 1 StGB, § 5 Z 4 JGG, § 43 Abs 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten unter der Setzung einer Probezeit von drei Jahren rechtskräftig verurteilt.
Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom XXXX , AZ XXXX , wurde der minderjährige Beschwerdeführer wegen schweren Raubes nach §§ 12 dritter Fall, 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB sowie des § 5 Z 4 JGG und unter Bedachtnahme gem §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom XXXX zu AZ XXXX zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt.
Der minderjährige Beschwerdeführer wurde am 16.06.2017 niederschriftlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Rahmen des Aberkennungsverfahrens einvernommen. Auf Vorhalt seines Verhaltens gab der Beschwerdeführer an, dass er ein Problem gemacht und erst jetzt verstanden habe, dass er im Gefängnis sei. Er sei nach Österreich gekommen, damit aus ihm etwas werde. Er habe seine Schulausbildung nachholen und seine Eltern nachholen wollen. Er sei mit falschen Freunden unterwegs gewesen, was dazu geführt habe, dass er im Gefängnis sei. Er habe österreichische Freunde und lerne von ihnen.
Mit Bescheid des BFA vom 24.01.2019, Zl. 1032733609/170534452, wurde dem Beschwerdeführer im Spruchpunkt I. der Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aberkannt und festgestellt, dass diesem die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme. Im Spruchpunkt II. wurde dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG 2005 nicht zuerkannt. Dem Beschwerdeführer wurde kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.). Gleichzeitig wurde gemäß § 8 Abs. 3a AsylG iVm § 9 Abs. 2 AsylG und § 52 Abs. 9 FPG die Abschiebung nach Syrien für unzulässig erklärt (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf zehn Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).
Zur Aberkennung des Status eines Asylberechtigten führte das BFA im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer wegen eines besonders schweren Verbrechens verurteilt worden sei. Auch gebe es eine negative Zukunftsprognose, da der Beschwerdeführer nach der Verurteilung wegen der Begehung von Eigentumskriminalität neuerlich straffällig wurde und sein strafrechtswidriges Verhalten kontinuierlich fortsetzte. Das Verhalten des Beschwerdeführers lasse darauf schließen, dass er nicht gewillt sei, sich in Zukunft an die österreichische Rechtsordnung zu halten. Die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten begründete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl damit, dass der Beschwerdeführer wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt wurde, weshalb die Voraussetzungen für die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten vorlägen und daher der Status nicht zuzuerkennen sei. Zur Rückkehrentscheidung führte das BFA aus, dass der Beschwerdeführer in Österreich keine Familienangehörige habe. Der Beschwerdeführer sei in Österreich nicht integriert und verfüge über starke Bindungen zum Herkunftsstaat. Zum Einreiseverbot führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass der Beschwerdeführer nach Zuerkennung des Status des Asylberechtigten straffällig wurde und durch eine rasche Rückfälligkeit gezeigt habe, dass er kein Interesse habe, die Gesetze Österreichs zu respektieren. Er stelle eine Gemeingefährlichkeit für die Republik Österreich dar. Auch unter Berücksichtigung der familiären und privaten Anknüpfungspunkte des Beschwerdeführers in Österreich überwiege das öffentliche Interesse an Ordnung und Sicherheit die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib in Österreich.
Gegen die Spruchpunkte I. bis IV. und VII. dieses Bescheides erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde. Zusammengefasst wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass kein Ausschlussgrund nach § 6 AsylG vorliege und hinsichtlich des Einreiseverbotes der Beschwerdeführer keine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstelle.
Am 26.06.2020 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht im Beisein des Beschwerdeführers eine mündliche Verhandlung abgehalten. Dabei gab dieser an, dass er nach seiner Haftentlassung in die Wohnung neben seinem Onkel in XXXX gezogen sei, um den Kontakt zu seinen Mittätern zu unterbinden. Der Onkel unterstütze ihn. Der Beschwerdeführer sei nach 2/3 der Haft unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren und Bewährungshilfe entlassen worden. Er arbeite seit 18.06.2020 als Lackierer in einer Kfz-Werkstatt für 1500 Euro laut Kollektivvertrag. Der Beschwerdeführer habe in der Haftanstalt zwei Jahre eine Bäckereiausbildung gemacht, konnte diese aber nicht abschließen, da er aus der Haft entlassen worden sei. In Syrien habe er in der Kfz-Werkstatt seines Vaters Autos lackiert. Der Beschwerdeführer möchte die Lehrausbildung für Autolackierer absolvieren.
Der Beschwerdeführer sei am XXXX geboren, nicht am XXXX , ledig und kinderlos. Der Beschwerdeführer war neun Jahre in Syrien in der Schule und 6 Monate in Österreich in der Mittelschule. Die Absolvierung der Deutschprüfung A1 sei in seinem Fall nicht für notwendig erachtet worden, weil er besser Deutsch spreche. Den Deutschkurs A2 habe er absolviert, aber keine Prüfung abgelegt.
Zu den Verurteilungen sei es gekommen, da der Beschwerdeführer schlechte Freunde gehabt habe. Er sei minderjährig gewesen, habe nicht unterscheiden können zwischen gut und schlecht. Der Beschwerdeführer habe seinen Freunden nicht nein sagen können. Er sei sehr verwirrt und auch nicht intelligent genug gewesen, dass er sich wehren hätte können. Der Beschwerdeführer bereue diese Taten und er möchte ein besserer Mensch werden und sich auf seine Existenz konzentrieren.
Der Onkel des Beschwerdeführers habe einen Supermarkt, dieser habe einen Mitarbeiter, mit dem sei der Beschwerdeführer befreundet. Er habe auch Freundschaften zu seinen vier Cousins, die alle erwachsen und verheiratet seien und Kinder hätten.
Der Beschwerdeführer fürchte um sein Leben, wenn er nach Syrien zurückkehren sollte. Er habe keinen Militärdienst abgeleistet und möchte auch keinen ableisten, deswegen möchte er nicht nach Syrien zurück.
Vorgelegt wurden vom Beschwerdeführer ein SV-Auszug seiner aktuellen Arbeitstätigkeit, ein Nachweis des Bezugs von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe, mit dem Vorbringen, dass diese Ansprüche durch seine Tätigkeit als Bäcker in der Justizanstalt erworben worden seien. Weiters wurde ein Bericht der Bewährungshilfe vorgelegt, wonach das Gericht aufgrund der bedingten Entlassung des Beschwerdeführers offenbar von keiner Gefahr für die Sicherheit und Ordnung in Österreich durch den Beschwerdeführer ausgehe. Der Beschwerdeführer halte die Termine weitgehend zuverlässig ein und präsentiere sich kooperativ und offen und sei bereit, sich mit seinem Deliktsverhalten intensiv auseinanderzusetzen. Der Beschwerdeführer wirke sehr bemüht aus begangenen Fehlern zu lernen. Sein großes Engagement bei der Arbeitssuche und die guten Deutschkenntnisse würden diese Aussagen untermauern. Insgesamt sei der Betreuungsverlauf als positiv zu bezeichnen und scheine eine Fortsetzung der positiven Entwicklung wahrscheinlich.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Syrien sowie Angehöriger der kurdischen Volksgruppe mit moslemischem Religionsbekenntnis und führt den im Spruch genannten Namen. Er ist am XXXX geboren.
Er stammt aus XXXX , das im Hoheitsbereich des Assad-Regimes liegt. In Syrien hat er neun Jahre die Schule besucht. Die Eltern und Geschwister des Beschwerdeführers leben in XXXX in Syrien.
Der Beschwerdeführer ist nicht verheiratet und hat keine Kinder. Der Beschwerdeführer hat einen Onkel und vier Cousins mit ihren Familien in XXXX , wo er seit seiner Haftentlassung wohnhaft ist. Der Beschwerdeführer wird von seinem Onkel unterstützt.
Der damals minderjährige Beschwerdeführer stellte am 09.10.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dem minderjährigen Beschwerdeführer wurde mit Bescheid vom 08.08.2015, Zl 1032733609/140055196, der Status des Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG zuerkannt.
Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom XXXX , AZ XXXX , wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter näher bezeichneten Personen durch Einbruch in deren PKWs fremde bewegliche Sachen in einem EUR 5.000,-- nicht übersteigenden Wert mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem er einen Laptop und ein Mobiltelefon mit einem nicht mehr feststellbaren Wert sowie Lebkuchen mit nicht mehr feststellbarem Wert weggenommen hat und versucht hat, einer näher bezeichneten Person Wertgegenstände wegzunehmen. Weiters hat der Beschwerdeführer im gewollten Zusammenwirken als Mittäter eine Urkunde, über die er nicht oder nicht alleine verfügen durfte, nämlich eine Parkkarte mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Gebrauch eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werde. Der Beschwerdeführer wurde daher wegen des Vergehens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Abs 1 Z 1 und 15 StGB sowie wegen des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB unter Anwendung von § 28 Abs 1 StGB, § 5 Z 4 JGG, § 43 Abs 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten unter der Setzung einer Probezeit von drei Jahren rechtskräftig verurteilt. Für die Dauer der Probezeit wurde eine Bewährungshilfe angeordnet. Im Rahmen der Strafbemessung wurden das Geständnis, die Unbescholtenheit und der teilweise Versuch als mildernd, das Zusammentreffen von zwei Vergehen als erschwerend gewertet.
Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom XXXX , AZ XXXX , wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, zu einem Raubüberfall beigetragen zu haben, indem er einer näher bezeichneten Person EUR 100,-- lieh, um die Tatwaffe anzukaufen, mit dem Taxi mit den beiden anderen Beschuldigten bis vor die XXXX XXXX fuhr, während der Tatausführung der Mitangeklagten Aufpasserdienste leistete und auf ein zuvor bestelltes Taxi wartete sowie zu einem weiteren schweren Raub beigetragen zu haben, indem er vor der Tankstelle war und Aufpasserdienste leistete. Der Beschwerdeführer wurde daher wegen des schweren Raubes nach §§ 12 dritter Fall, 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB sowie des § 5 Z 4 JGG und unter Bedachtnahme gem §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom XXXX zu AZ XXXX zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Im Rahmen der Strafbemessung wurden das Zusammentreffen zweier Verbrechen als erschwerend, die Beteiligung in untergeordneter Weise, die teilweise Schadenswiedergutmachung sowie der bisherige ordentliche Lebenswandel als mildernd gewertet.
Der Beschwerdeführer hat während der Haft eine Bäckereiausbildung gemacht.
Der Beschwerdeführer wurde am 27.09.2018 nach Verbüßung von 2/3 seiner Haftzeit bedingt aus der Strafhaft unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren entlassen. Zusätzlich wurde Bewährungshilfe angeordnet.
Der Beschwerdeführer arbeitet seit 18.06.2020 als Lackierer in einer Kfz-Werkstatt für 1500 Euro laut Kollektivvertrag.
Der Beschwerdeführer hat 6 Monate die Mittelschule und den Deutschkurs A2 besucht und spricht ausreichend Deutsch. Er möchte die Lehrausbildung für Autolackierer absolvieren.
Der Beschwerdeführer ist geständig und bereut seine Straftaten.
Der Beschwerdeführer hat zur Bewährungshilfe Kontakt, die ihn unterstützt.
Der Beschwerdeführer ist nicht gemeingefährlich.
2. Beweiswürdigung:
Die Identität und die Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers wurden bereits von der belangten Behörde festgestellt und es bestehen keine Zweifel an diesen Feststellungen. Das Geburtsdatum XXXX des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem Auszug aus dem syrischen Personenstandsregister und dem Beschluss des BG XXXX vom XXXX .
Die Feststellungen zur persönlichen Situation des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen Angaben im Rahmen des Verfahrens vor der belangten Behörde und der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die Feststellungen zu den bisherigen Tätigkeiten des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen Angaben.
Die Feststellungen zu den Verurteilungen des Beschwerdeführers gehen aus den im Verwaltungsakt befindlichen Urteilen hervor.
Die Feststellung zur Arbeitstätigkeit des Beschwerdeführers ergibt sich aus einem vorgelegten SV-Auszug.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer reumütig und geständig ist, kommt aus dem Schreiben der Bewährungshilfe zum Ausdruck und entspricht den diesbezüglich glaubwürdigen Aussagen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.
Die Feststellung zu den Deutschkenntnissen des Beschwerdeführers ergibt sich aus der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
Die belangte Behörde stützt die Aberkennung des Status des Asylberechtigten im Spruch des angefochtenen Bescheides auf § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG und führt in der Bescheidbegründung aus, dass der Beschwerdeführer während seines Aufenthaltes insgesamt zweimal wegen der Begehung von „insbesondere qualifizierten schweren Verbrechen“ verurteilt worden sei, welche „zuletzt wiederholt in der Verhängung mehrjähriger unbedingter Freiheitsstrafen“ gemündet hätten. Zuletzt sei er gemäß §§ 12 3. Fall, 142 Abs. 1, 143 Abs. 1 2. Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren rechtskräftig verurteilt worden.
Es sei davon auszugehen, dass es sich bei den vom Beschwerdeführer gesetzten Straftaten um ein besonders schweres Verbrechen handle. Bereits bei Erfüllung des Tatbestandes des § 143 Abs. 1 StGB betrage der Strafrahmen bis zu 15 Jahre, wobei er für Jugendliche nach § 5 JGG die Hälfte betrage.
Die Aberkennung erfolgte jedoch aufgrund folgender Erwägungen nicht zu Recht:
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist einem Fremden von Amts wegen mit Bescheid der Status eines Asylberechtigten abzuerkennen, wenn ein Asylausschlussgrund nach § 6 vorliegt.
Gemäß § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 ist ein Fremder von der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ausgeschlossen, wenn er von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeutet.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs müssen für die Anwendung des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 kumulativ vier Voraussetzungen erfüllt sein, damit ein Flüchtling trotz drohender Verfolgung in den Herkunftsstaat verbracht werden darf: Er muss erstens ein besonders schweres Verbrechen verübt haben, dafür zweitens rechtskräftig verurteilt worden und drittens gemeingefährlich sein, und schließlich müssen die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung seine Interessen am Weiterbestehen des Schutzes durch den Zufluchtsstaat überwiegen (vgl. etwa VwGH 26.02.2019, Ra 2018/18/0493, mwN).
Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, fallen unter den Begriff des "besonders schweren Verbrechens" iSd § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 nur Straftaten, die objektiv besonders wichtige Rechtsgüter verletzen. Typischerweise schwere Verbrechen sind gemäß der ständigen Rechtsprechung des VwGH etwa Tötungsdelikte, Vergewaltigung, Kindesmisshandlung, Brandstiftung, Drogenhandel, bewaffneter Raub und dergleichen (vgl. zuletzt VwGH 28.08.2019, Ra 2019/14/0289, mwN).
Die Verurteilung des minderjährigen Beschwerdeführers wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 Abs. 1 zweiter Fall StGB (Raub unter Verwendung einer Waffe), auf die die belangte Behörde die Aberkennung des Asylstatus stützt, fällt somit gemäß der eben dargestellten Rechtsprechung prima facie unter die Kategorie "besonders schweres Verbrechen".
Es genügt gemäß der weiteren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs jedoch nicht, wenn ein abstrakt als "schwer" einzustufendes Delikt verübt worden ist. Die Tat muss sich vielmehr im konkreten Einzelfall als objektiv und subjektiv besonders schwerwiegend erweisen, wobei unter anderem auf Milderungsgründe Bedacht zu nehmen ist (vgl. VwGH 99/01/0288). Bei der Beurteilung, ob ein "besonders schweres Verbrechen" vorliegt, ist daher eine konkrete fallbezogene Prüfung vorzunehmen und sind insbesondere die Tatumstände zu berücksichtigen (VwGH 23.9.2009, 2006/01/0626). Lediglich in gravierenden Fällen schwerer Verbrechen erweist sich bereits ohne umfassende Prüfung der einzelnen Tatumstände eine eindeutige Wertung als schweres Verbrechen mit negativer Zukunftsprognose als zulässig (vgl. etwa in Zusammenhang mit der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren wegen des Verbrechens des versuchten Mordes: VwGH 14.2.2018, Ra 2017/18/0419, mwN) (vgl. zu dem Ganzen VwGH 29.08.2019, Ra 2018/19/0522). Das Vorliegen eines gravierenden Falles eines schweren Verbrechens kann gegenständlich verneint werden und wurde auch von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid nicht angenommen. Es war daher eine umfassende Prüfung der einzelnen Tatumstände geboten.
Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes geht hervor, dass bei der Beurteilung, ob ein besonders schweres Verbrechen vorliegt, folgende Maßstäbe heranzuziehen sind:
* (teil)bedingte oder unbedingte Strafe
* Höhe der konkret verhängten Strafe im Vergleich zum Strafrahmen (eine verhängte Strafe im unteren Bereich spricht gegen ein besonders schweres Verbrechen;)
* Erschwerungsgründe (aber diese werden nicht doppelt berücksichtigt, wenn sie schon in die Höhe eingeflossen sind)
* Ausmaß der Beteiligung des Beschwerdeführers an den Straftaten ("Kopf der Bande" oder nur untergeordnete Stellung).
Fallbezogen wurde der Beschwerdeführer zunächst wegen teils versuchten, teils vollendeten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Abs 1 Z 1 und 15 StGB und Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB verurteilt.
Die verhängte Freiheitsstrafe von drei Monaten wurde unter Berücksichtigung der Milderungsgründe (Geständnis, Unbescholtenheit, teilweiser Versuch) unter Anordnung einer Bewährungshilfe und unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen, erschwerend wurde das Zusammentreffen von zwei Vergehen gewertet.
Kurz darauf wurde der Beschwerdeführer wegen schweren Raubes nach §§ 12 dritter Fall, 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB verurteilt. Dabei ist jedoch festzuhalten, dass es sich dabei um eine Zusatzstrafe gehandelt hat, was bedeutet, dass der Beschwerdeführer diese Taten bereits vor dem Urteil vom XXXX , AZ XXXX , und nicht, wie im Bescheid unrichtigerweise ausgeführt, erst nach dieser Verurteilung begangen hat.
Im Urteil wurde das Zusammentreffen zweier Verbrechen als erschwerend gewertet; als mildernd die Beteiligung in untergeordneter Weise, die teilweise Schadenswiedergutmachung sowie der bisherige ordentliche Lebenswandel.
Das Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 Abs. 1 zweiter Fall StGB (bewaffneter Raub) ist gemäß dem ersten Strafsatz des § 143 Abs. 1 StGB mit einer Freiheitsstrafe von einem bis zu fünfzehn Jahren bedroht. Da der minderjährige Beschwerdeführer im Tatzeitpunkt sechszehn Jahre alt war, handelt es sich bei der gegenständlichen Tat um eine Jugendstraftat iSd § 1 Z 3 JGG, sodass das Höchstmaß der angedrohten Freiheitsstrafe gemäß § 5 Z 4 JGG auf die Hälfte herabgesetzt wird und ein Mindestmaß entfällt. Die Tat war im Fall des minderjährigen Beschwerdeführers somit mit einer Freiheitsstrafe bis zu 7,5 Jahren bedroht.
Der minderjährige Beschwerdeführer wurde aufgrund eines "typischerweise" schweren Deliktes zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 2 Jahren verurteilt. Die verhängte Freiheitsstrafe beträgt in Relation zu 7,5 Jahren weniger als ein Drittel, mehr als ein Viertel der zulässigen Höchststrafe und bewegt sich daher im unteren Bereich des möglichen Strafrahmens. Bei der Strafbemessung wurden die Beteiligung in untergeordneter Weise, die teilweise Schadenswiedergutmachung und der bisherige ordentliche Lebenswandel des minderjährigen Beschwerdeführers als Milderungsgründe berücksichtigt. Erschwerend wurde das Zusammentreffen zweier Verbrechen gewertet.
Bereits durch die Höhe der verhängten Strafe in ihrer Relation zur Strafdrohung kommt zum Ausdruck, dass sich das begangene Delikt objektiv und subjektiv nicht als besonders schwerwiegend erwiesen hat. Aus den im Strafurteil genannten einzigen Erschwerungsgrund kann eine besondere Schwere des Verbrechens nicht abgeleitet werden, insbesondere da die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe überwiegen.
Im Erkenntnis vom 03.12.2002, 99/01/0449, führte der Verwaltungsgerichtshof zur Frage, wann ein "typischerweise schweres Verbrechen" ausreichend sei, um "besonders schwer" zu sein, "illustrativ" an, dass in der Bundesrepublik Deutschland etwa für den auf Art. 33 Abs. 2 zweiter Fall Genfer Flüchtlingskonvention bezogenen Tatbestand in § 51 Abs. 3 dAuslG das Erfordernis einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren normiert worden sei. Dies liegt im gegenständlichen Fall nicht vor.
Weiter sind die konkreten Tatumstände zu berücksichtigen und ist hierzu auszuführen, dass der Beschwerdeführer, der im Tatzeitpunkt gerade sechszehn Jahre alt war und die Tat als Mittäter iSd § 12 StGB begangen hat. Gemäß dieser Bestimmung des Strafgesetzbuches hat der minderjährige Beschwerdeführer im bewussten und gewollten Zusammenwirken gehandelt, sodass ihm auch die Handlungen des Mittäters zuzurechnen sind. Jedoch setzte der minderjährige Beschwerdeführer selbst keine körperliche Gewalt gegen die Opfer und beschränkte sich sein aktives Tun auf das Dabeisein bei der Beschaffung der Gaspistole, das Aufpassen vor der Tankstelle und das Warten auf ein Taxi als Fluchtfahrzeug.
Unter Berücksichtigung sämtlicher relevanter Umstände erweist sich die Tat im konkreten Einzelfall objektiv und subjektiv nicht als "besonders" schwerwiegend. Es kann in diesem Fall in Anbetracht der oben dargestellten Rechtsprechung nicht geschlossen werden, dass der hier zu beurteilenden Straftat (schwerer Raub) die für ein "besonders schweres Verbrechen" erforderliche außerordentliche Schwere anhaftet, ohne hierbei zu übersehen, dass es sich bei bewaffnetem Raub - wie bereits erörtert - um ein typischerweise schweres Verbrechen handelt. Die Schwelle zum "besonders schweren Verbrechen" iSd § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG wurde im konkreten Einzelfall – nach Ansicht des Gerichts - jedoch nicht erreicht.
Überdies kann der Beschwerdeführer auch nicht als "gemeingefährlich" bezeichnet werden: Der Beschwerdeführer wurde nach 2/3 der Haftzeit am 27.09.2018 bedingt entlassen und hat sich seither wohlverhalten. Er ist zu seinem Onkel nach XXXX verzogen, um nicht wieder in den Kreis seiner früheren Mittäter zu gelangen. Der Beschwerdeführer hat in seiner Haftzeit eine Bäckerausbildung begonnen und auch gearbeitet. Nunmehr ist er in einer Kfz-Werkstatt tätig. Laut Bewährungshilfe hat sich der Beschwerdeführer mit seinem Deliktsverhalten intensiv auseinandergesetzt, der Betreuungsverlauf sei insgesamt als positiv zu bezeichnen und scheine eine Fortsetzung der positiven Entwicklung wahrscheinlich.
Mangels Vorliegen eines besonders schweren Verbrechens und des Fehlens einer Gefährdungsprognose bzw. negativen Zukunftsprognose war daher der Beschwerde stattzugeben und der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG zu beheben.
Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Nach Art 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall erweist sich die ordentliche Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG insofern als nicht zulässig, als der gegenständliche Fall keine Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung aufwirft. Wie der rechtlichen Beurteilung unzweifelhaft zu entnehmen ist, weicht die gegenständliche Entscheidung weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es zu irgendeinem Sachverhaltsaspekt des gegenständlichen Falles an einer Rechtsprechung und kann auch nicht davon gesprochen werden, dass die Rechtsprechung in Bezug auf den gegenständlichen Fall als uneinheitlich zu beurteilen wäre. Es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der im gegenständlichen Fall zu lösenden Rechtsfragen vor.
Schlagworte
Aberkennung des Status des Asylberechtigten Aberkennungstatbestand § 9 Abs. 2 Aberkennungsverfahren Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz Aufenthaltstitel Behebung der Entscheidung berücksichtigungswürdige Gründe besonders schweres Verbrechen Diebstahl Einreiseverbot Einreiseverbot aufgehoben ersatzlose Behebung freiwillige Ausreise Frist Gefährdung der Sicherheit Gefährdungsprognose Haft Haftstrafe Interessenabwägung Kassation Kumulierung öffentliche Interessen öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit Privat- und Familienleben private Interessen Raub real risk reale Gefahr Rückkehrentscheidung schwere Straftat Straffälligkeit strafgerichtliche Verurteilung Strafhaft strafrechtliche Verurteilung Straftat subsidiärer Schutz unzulässige Abschiebung Urkundenunterdrückung Vergehen ZukunftsprognoseEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W146.2215140.1.00Im RIS seit
14.10.2020Zuletzt aktualisiert am
14.10.2020