TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/10 W116 1432275-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.07.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

10.07.2020

Norm

BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art133 Abs4
FPG §5
FPG §88 Abs2a
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W116 1432275-3/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Mario DRAGONI als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.04.2019, Zl. 821295505-190288910, zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG iVm. § 88 Abs. 2a FPG stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1.    Der Beschwerdeführer stellte am 21.03.2019 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mittels Formularvordruck einen Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses für subsidiär Schutzberechtigte gemäß § 88 Abs. 2a FPG.

1.2.    Mit Parteiengehör vom 26.03.2019 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass bei der Prüfung seines Antrages festgestellt worden sei, dass er Originaldokumente, nämlich einen syrischen Personalausweis (Nr. XXXX ), einen syrischen Führerschein (Nr. XXXX ) und einen syrischen Reisepass (Nr. XXXX ) besitzen würde und dass der Fremdenpass für subsidiär Schutzberechtigte subsidiär zum Pass des eigenen Landes, eine Ausstellung somit nur dann zulässig sei, wenn dies nicht durch den Herkunftsstaat erfolgen könnte oder unzumutbar sei. Der Beschwerdeführer wurde von der Behörde daher aufgefordert, mit seinen (vorgenannten) Dokumenten einen Pass bei der Vertretungsbehörde seines Herkunftslandes zu beantragen. Sollte er ein Reisedokument nicht erhalten, sei der Behörde darüber ein Nachweis vorzulegen.

2.       Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl:

2.1.    Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.04.2019, durch Hinterlegung am 27.04.2019 zugestellt, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Fremdenpasses gemäß § 88 Abs. 2a FPG abgewiesen.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl begründete im angefochtenen Bescheid die abweisende Entscheidung im Wesentlichen damit, dass dem Beschwerdeführer ein Fremdenpass gemäß § 88 Abs. 2a FPG nicht ausgestellt werden könne, da er im Besitz u.a. eines syrischen Reisepasses mit der Nr. XXXX , ausgestellt am XXXX vom Aleppo-Center, gültig bis XXXX sei. Aus diesem Grund sei er letztlich auch mittels Parteiengehör vom 26.03.2019 aufgefordert worden, mit den ihm zur Verfügung stehenden Dokumenten (syrischer Führerschein, Personalausweis und Reisepass) einen weiteren Reisepass bei der syrischen Botschaft zu beantragen bzw. der Behörde einen Nachweis darüber vorzulegen, wenn er keinen Pass erhalten sollte. Die Ausstellung eines Fremdenpasses für subsidiär Schutzberechtigte sei nämlich nur zulässig, wenn diese nicht durch den Herkunftsstaat erfolgen könnte oder unzumutbar sei. Diesen Nachweis habe der Beschwerdeführer nicht erbracht, sodass für die Behörde feststehen würde, dass es ihm möglich sei, ein Reisedokument seines Herkunftslandes zu erlangen, weshalb sein Antrag abzuweisen sei. Aus der bisherigen Ausstellung eines Fremdenpasses ( XXXX , gültig bis 02.06.2019) könnte kein Rechtsanspruch auf eine Stattgebung weiterer Anträge abgeleitet werden. Die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Fremdenpasses seien vielmehr bei jedem Antrag erneut zu prüfen (VwGH vom 19.03.2013, Zl. 2011/21/0242). Der Beschwerdeführer würde mangels Erfüllung der Voraussetzungen daher nicht unter den in § 88 FPG taxativ aufgezählten Personenkreis fallen, dem ein Fremdenpass gemäß § 88 Abs. 2a FPG ausgestellt werden kann.

2.2.    Mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG vom 24.04.2019 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG die ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

2.3.    Gegen den oben genannten Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben, welche am 21.05.2019 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einlangte. In dieser wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der syrische Reisepass des Beschwerdeführers bereits seit XXXX nicht mehr gültig und es ihm weder möglich noch zumutbar sei, die syrische Botschaft zwecks Ausstellung eines neuen Reisepasses zu kontaktieren. Er würde bekanntlich als subsidiär Schutzberechtigter in Österreich Schutz genießen, da sein Leben in seinem Herkunftsstaat bedroht worden sei und es sei ihm nicht zumutbar, mit den syrischen Behörden Kontakt aufzunehmen. Sein Onkel sei nämlich vor rund einem Jahr aufgrund seines Familiennamens festgenommen und eingesperrt worden. Er habe daher Angst, dass die syrischen Behörden wieder auf ihn aufmerksam werden könnten und eventuell auch seine Familie in Schwierigkeiten geraten würde, wenn er die syrische Botschaft kontaktiert. Es sei auch nicht nachvollziehbar, auf welcher Grundlage die Behörde ohne dahingehende Ermittlungen davon ausgeht, dass der Beschwerdeführer problemlos einen Pass bei der syrischen Botschaft beantragen könnte. Den nunmehr ungültigen syrischen Reisepass habe der Beschwerdeführer bereits vor den Problemen in seinem Heimatstaat besessen. Dem angefochtenen Bescheid sei nicht zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer tatsächlich eine konkrete Möglichkeit gehabt hätte, sich Reisedokumente seines Heimatstaates zu beschaffen. Ebenso würde aus diesem nicht hervorgehen, weshalb die Behörde diesbezüglich keine Anfrage an die Vertretungsbehörde gestellt hat. Der Beschwerdeführer würde die Voraussetzungen zur Ausstellung eines Fremdenpasses gemäß § 88 Abs. 2a FPG erfüllen und Versagungsgründe würden keine vorliegen.

3.       Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht:

Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegt und sind am 23.05.2019 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

II.      Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Entscheidungswesentlicher Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Syrien. Seine Identität wurde im Rahmen seines Asylverfahrens durch die Vorlage insbesondere seines syrischen Reisepasses festgestellt.

Dem Beschwerdeführer wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.01.2013 der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und zuletzt mit Bescheid vom 08.01.2018 die Aufenthaltsberechtigung bis 02.01.2020 verlängert.

Der Beschwerdeführer hält sich seit spätestens 19.09.2012 (Asylantragstellung) durchgehend im Bundesgebiet auf. Ihm wurde vom Bundesamt ein von 03.06.2014 bis 02.06.2019 gültiger Fremdenpass ausgestellt. Er stellte am 21.03.2019 den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Fremdenreisepasses für subsidiär Schutzberechtigte gemäß § 88 Abs. 2a FPG.

Laut der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 23.11.2017, „SYRIEN, Ausstellung eines syrischen Reisepasses an der syrischen Botschaft Wien“ muss zur Erlangung eines Reisepasses in der syrischen Botschaft ein in der Botschaft erhältliches Formular persönlich ausgefüllt und unterzeichnet werden sowie sind 6 Passfotos, eine Kopie des alten Reisepasses und ein Personalausweis oder ein beglaubigter Zivilregisterauszug, der nicht älter als 3 Monate ist und über ein Foto verfügt, das den offiziellen Stempel trägt, versehen ist, vorzulegen. Der Beschwerdeführer ist zwar im Besitz eines syrischen Führerscheins, eines syrischen Personalausweises und eines (abgelaufenen) syrischen Reisepass, somit von Dokumenten seines Heimatstaats, welche grundsätzlich geeignet sind, seine Identität und Staatsangehörigkeit nachzuweisen, jedoch kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass bei solchen Kontaktaufnahmen auch Informationen durch Botschaftsmitglieder an Personen in Syrien weitergegeben werden. Dadurch könnten seine in der Heimat verbliebenen Familienangehörigen in den Fokus des syrischen Regimes geraten und wegen seines Auslandsaufenthalts während eines staatlichen Ausnahmezustandes Schwierigkeiten bekommen. Außerdem ist es bei Männern im wehrpflichtigen Alter notwendig, bei der Beantragung des Reisedokuments ihren Einberufungsstatus anzugeben (vgl. Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 23.11.2017). Da sich der Beschwerdeführer mit seinen XXXX Jahren immer noch im wehrfähigen Alter befindet, ist nicht vollkommen auszuschließen, dass er durch seine Vorsprache bei der syrischen Botschaft in Wien, die syrischen Behörden (wieder) auf sich und seine noch in der Heimat befindlichen Angehörigen aufmerksam machen und diese dadurch möglicherweise einer Verfolgung aussetzen könnte.

Davon abgesehen werden seitens der syrischen Botschaft in Wien keine Bestätigungen über die Nichtausstellung eines Reisepasses ausgestellt. Es ist dem Beschwerdeführer – entgegen der Ausführungen der belangten Behörde – daher gar nicht möglich, darüber einen Nachweis vorzulegen.

Dem Beschwerdeführer ist es insgesamt daher nicht zumutbar ein nationales Reisedokument seines Herkunftsstaates zu beschaffen.

Es stehen auch keine zwingenden Gründe der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung gegen die Ausstellung eines Fremdenpasses.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

2.       Beweiswürdigung:

2.1.    Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2.    Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt:

2.2.1.  Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität und Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde.

Die gegenständliche Antragstellung beruht auf dem diesbezüglich unbestrittenen Akteninhalt.

Die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten sowie die aktuelle Verlängerung des befristeten Aufenthaltsrechts beruhen auf dem Datenbestand des Zentralen Fremdenregisters, sowie einer Ausfertigung des oben zitierten Bescheides des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl.

Der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet ergibt sich aus dem Datenbestand des Zentralen Melderegisters und folgt die Ausstellung eines Fremdenpasses durch die Behörde aus einer im Akt einliegenden Kopie des besagten Dokumentes.

Der Beschwerdeführer konnte letztlich Umstände glaubhaft machen, welche die Annahme rechtfertigen, dass ihm eine Kontaktaufnahme mit Mitarbeitern der syrischen Botschaft in Wien und die Bekanntgabe seiner Personalien tatsächlich nicht zumutbar sind, um einen syrischen Reisepass zu erhalten.

2.2.2.  Der Beschwerdeführer hat in der Beschwerdeschrift nämlich nachvollziehbar und glaubwürdig vorgebracht, dass es ihm letztlich nicht zumutbar ist, bei der syrischen Botschaft vorzusprechen, zumal durch eine Kontaktaufnahme Informationen an Personen in Syrien weitergegeben werden könnten und durch die Bekanntgabe seiner Personalien auch seine noch in Syrien lebenden Familienangehörigen in das Blickfeld der syrischen Behörden geraten und ihnen dadurch Schwierigkeiten oder Verfolgungshandlungen drohen könnten (vgl. VfGH vom 11. Juni 2019, E 67-68/2019-14: „Aus der dem verwaltungsgerichtlichen Akt beiliegenden Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 23. November 2017 zur ‚Ausstellung eines syrischen Reisepasses an der syrischen Botschaft in Wien‘ geht hervor, dass ein syrischer Staatsbürger mit einem Antrag auf Ausstellung eines Reisepasses den syrischen Staat vom eigenen Aufenthalt in Österreich in Kenntnis bringen würde, was ‚unterschiedliche Konsequenzen nach sich ziehen kann und somit nicht für jeden in Österreich aufhältigen Syrer eine Option darstellt‘. Hierbei könnten zahlreiche Faktoren eine Rolle spielen. […] Zudem geht das Bundesverwaltungsgericht nicht auf die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 23. November 2017 (vgl. 3.2.) ein, wonach es nicht jedem Syrer zumutbar sei, die Ausstellung eines Reisedokumentes in der syrischen Botschaft in Wien zu beantragen.“). Unabhängig von der Rechtskraftwirkung des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.01.2013, mit dem sein Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Gewährung des Status eines Asylberechtigten rechtskräftig abgewiesen wurde und somit nach Asylantragstellung bzw. nach der (illegalen) Ausreise die Gefahr einer Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung als nicht gegeben festgestellt wurde, kann vor dem Hintergrund, dass sich der Beschwerdeführer nunmehr seit fast acht Jahren im Bundesgebiet aufhält (vgl. Asylantragstellung am 19.09.2012) und dass sich die Sicht- und Handlungsweise des syrischen Regimes gegenüber (vermeintlichen) Regimegegnern im Verlauf des Konfliktes dramatisch geändert bzw. verschärft hat, nämlich nicht vollständig ausgeschlossen werden, dass die syrischen Behörden durch eine aktuelle Kontaktaufnahme auf den Beschwerdeführer aufmerksam werden und dass damit auch seine Familienangehörigen in Schwierigkeiten geraten könnten. Ein Charakteristikum des Bürgerkriegs in Syrien ist nämlich, dass in ganz Syrien bestimmte Personen aufgrund ihrer tatsächlichen oder wahrgenommenen bzw. zugeschriebenen politischen Meinung oder Zugehörigkeit direkt angegriffen werden oder ihnen auf andere Weise Schaden zugefügt wird. Diese Zuschreibung basiert oft nur auf den familiären Verbindungen der Person, ihrem religiösen oder ethnischen Hintergrund oder einfach auf ihrer Präsenz in oder Herkunft aus einem bestimmten Gebiet, das als „regierungsfreundlich“ oder „regierungsfeindlich“ gilt (UNHCR 11.2015). Es sind zahllose Fälle bekannt, bei denen Personen für als regierungsfeindlich angesehene Tätigkeiten ihrer Verwandten inhaftiert und gefoltert werden, darunter sollen auch Fälle sein, bei denen die gesuchten Personen ins Ausland geflüchtet sind (AA 13.11.2018). Jedenfalls ist den Länderfeststellungen zufolge die Schwelle dafür, von Seiten des syrischen Regimes als „oppositionell“ betrachtet zu werden, aufgrund der besonderen Situation in Syrien relativ niedrig und werden vor allem Personen einer oppositionellen Gesinnung bzw. einer Regimegegnerschaft verdächtigt, die während des staatlichen Ausnahmezustandes ihre Heimat verlassen und im Ausland einen Asylantrag gestellt haben. Die Annahme, dass eine Person eine bestimmte politische Meinung hat, oder eine bestimmte Konfliktpartei unterstützt, basiert oft nur auf wenig mehr als der physischen Anwesenheit dieser Person in einem bestimmten Gebiet oder ihrer Abstammung aus diesem Gebiet oder auf ihrem ethnischen oder religiösen Hintergrund oder ihrer Stammeszugehörigkeit. Meist reicht also ein ethnischer oder religiöser Hintergrund, um einer Person eine bestimmte politische Meinung bzw. die Unterstützung einer bestimmten Konfliktpartei zu unterstellen und den Verdacht des Regimes auf sich zu ziehen und sind gerade Angehörige von Menschen mit tatsächlicher oder unterstellter oppositioneller Einstellung der Verfolgung durch das syrische Regime ausgesetzt.

Der Beschwerdeführer hat somit plausibel und nachvollziehbar dargelegt, inwiefern es ihm unzumutbar ist, sich an die syrische Botschaft zu wenden und seine Personalien bekannt zu geben, um die Ausstellung eines Reisedokumentes zu beantragen.

3.       Rechtliche Erwägungen zu der zulässigen Beschwerde:

3.1.1.  Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Materiengesetzen (BFA-VG, AsylG 2005) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

3.1.2.  Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 144/2013 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Gemäß §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.

3.1.3.  Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann – soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist – das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.

Im vorliegenden Beschwerdefall ergibt sich, dass aus dem Akteninhalt des Verwaltungsaktes in Verbindung mit der Beschwerde der maßgebliche Sachverhalt als geklärt anzusehen ist.

3.2.    Zu Spruchpunkt A):

Gemäß § 88 Abs. 2a FPG sind Fremden, denen in Österreich der Status des subsidiär Schutzberechtigten zukommt und die nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen, Fremdenpässe auf Antrag auszustellen, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen.

§ 88 Abs. 2a FPG regelt die Ausstellung von Fremdenpässen an subsidiär Schutzberechtigte in Umsetzung von Art. 25 Abs. 2 Statusrichtlinie, welche vor dem Hintergrund einer Angleichung der Rechte von Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten unter bestimmten Umständen einen (ansonsten nicht bestehenden) Rechtsanspruch auf Ausstellung eines Fremdenpasses vorsieht (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht [2016] § 88 FPG K7).

Die Statusrichtlinie sieht die Angleichung der Rechte von Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten, ua in Bezug auf den Anspruch auf Ausstellung von Reisedokumenten durch den schutzgewährenden Mitgliedsstaat vor. Art. 25 Abs. 2 Statusrichtlinie legt diesbezüglich fest, dass für subsidiär Schutzberechtigten, die keine Reisedokumente ihres Herkunftsstaates erhalten können, durch den schutzgewährenden Mitgliedsstaat Reisedokumente auszustellen sind, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen. Diese Richtlinienbestimmung wurde durch § 88 Abs. 2a FPG umgesetzt, in dem subsidiär Schutzberechtigten unter bestimmten Voraussetzungen nunmehr ein Rechtsanspruch auf Ausstellung eines Fremdenpasses eingeräumt wird, der nur aus Gründen der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung beschränkt werden kann. Humanitäre Gründe für die Anwesenheit in einem anderen Staat sind nicht mehr erforderlich (Erläuterungen zur Regierungsvorlage zu BGBl. 2013/68).

Erfüllt der Antragsteller eine der nötigen Voraussetzung nicht, so ist der Antrag abzuweisen (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht [2016] § 88 FPG K11).

Das in § 88 Abs. 2a FPG normierte Erfordernis, dass der Fremde nicht in der Lage ist, sich Reisedokumente seines Herkunftsstaates zu beschaffen, ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Ausstellung eines Fremdenpasses einen massiven Eingriff in die Hoheitsrechte des Herkunftsstaats bedeutet, weshalb dem Gesetz die Prämisse zu Grunde liegt, dass Fremde sich zuerst an ihre Heimatvertretung hinsichtlich der Ausstellung eines Reisedokuments wenden müssen.

Dem Fremden muss es konkret (tatsächlich) möglich sein, ein Reisedokument seines Herkunftsstaates zu erlangen. Dies ist jedenfalls dann nicht möglich, wenn dem Antragsteller die Ausstellung eines Reisedokuments seitens der Vertretungsbehörde tatsächlich verweigert wird (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht [2016] §°88 FPG K8 f).

Die bloß abstrakte Möglichkeit im Falle der Vorlage geeigneter Dokumente grundsätzlich willens zu sein, dem Beschwerdeführer ein Reisedokument auszustellen, reicht für die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Fremdenpasses nicht aus, vielmehr muss für den Antragsteller die konkrete Möglichkeit bestehen, sich Reisedokumente seines Heimatstaates zu beschaffen (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht § 88 FPG E7).

Da die Ausstellung eines Reisedokumentes durch einen anderen Staat einen massiven Eingriff in die Hoheitsrechte des Herkunftsstaates bedeutet, ist für die Ausstellung eines Fremdenpasses ein restriktiver Maßstab anzulegen und geht das FPG von der Prämisse aus, dass Fremde sich zuerst an ihre Heimatvertretung für ein Reisedokument wenden müssen. Erst wenn der Fremde keine Reisedokumente erhält, ist bei Erfüllen der sonstigen Voraussetzungen ein Fremdenpass auszustellen (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht § 88 FPG E7).

Mit der Ausstellung eines Fremdenpasses an den Betroffenen übernimmt Österreich die völkerrechtliche Rücknahmeverpflichtung. Die "zwingenden Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung" müssen sich auf die den Betroffenen mit dem Fremdenpass eröffnete Reisefreiheit beziehen (Schrefler-König/Szymanski [Hrsg], Fremdenpolizei und Asylrecht zu § 88 FPG Anm 2).

Konkret wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter, zuletzt bis zum 02.01.2020 erteilt.

Nachdem sich der Beschwerdeführer bereits seit fast acht Jahren im Bundesgebiet befindet und Syrien noch zu einer Zeit verlassen hat, bevor sich die Haltung gegenüber Regimegegnern verschärft und sich deren Anzahl durch eine Änderung der Sichtweise des Regimes erhöht hat bzw. die Situation hinsichtlich Wehrdienstverweigerung und Schwierigkeiten beim Nachschub junger Rekruten sowie der Einstellung des syrischen Regimes gegenüber solchen Personen noch nicht derart dramatisch dargestellt hat, sind seine Befürchtungen, wonach seine in der Heimat verbliebenen Angehörigen plötzlich in den Blickpunkt der syrischen Behörden geraten und ihnen dadurch Schwierigkeiten oder Repressionen drohen könnten, weil durch eine aktuelle Bekanntgabe seiner Personalien in der syrischen Botschaft auch deren Identitäten aufscheinen, nicht völlig von der Hand zu weisen.

Außerdem wurden von der belangten Behörde zum Entscheidungszeitpunkt keine zwingenden Gründe der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung festgestellt, die gegen die Ausstellung eines Reisedokumentes sprechen würden. Solche sind auch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht hervorgekommen. Auch im aktuell eingeholten Strafregisterauszug scheinen keine Verurteilungen des Beschwerdeführers auf.

Aus den dargelegten Gründen war daher spruchgemäß zu entscheiden, weshalb dem Beschwerdeführer ein Fremdenpass auszustellen ist.

Gemäß § 5 Abs. 1a Z 3 FPG obliegt die Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl.

Zu B)   Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.


Schlagworte

Behebung der Entscheidung Fremdenpass Kassation Reisedokument subsidiärer Schutz Unbescholtenheit Voraussetzungen Wehrdienstverweigerung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W116.1432275.3.00

Im RIS seit

14.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

14.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten