TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/24 W251 2220761-8

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Veröffentlicht am 24.07.2020
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Entscheidungsdatum

24.07.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
FPG §77
FPG §80

Spruch

W251 2220761-8/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Angelika SENFT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA Pakistan alias Afghanistan, im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft zu Recht:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte in Ungarn einen Antrag auf internationalen Schutz, entzog sich jedoch den Asylverfahren und tauchte unter. Am 02.06.2016 stellte er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Er behauptete unrichtigerweise afghanischer Staatsangehöriger zu sein.

2. Der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz wurde zur Gänze abgewiesen und eine Rückkehrentscheidung erlassen. Der Beschwerdeführer erhob gegen den Bescheid Beschwerde.

3. Der Beschwerdeführer wurde straffällig und mehrfach verurteilt. Nach der Entlassung aus einer Strafhaft tauchte der Beschwerdeführer unter und hielt sich verborgen.

4. Das Beschwerdeverfahren vor dem Bundeverwaltungsgericht wurde zunächst eingestellt, da der Beschwerdeführer sich dem Verfahren entzogen hat. Der Beschwerdeführer wurde mit einem Festnahmeauftrag wieder aufgegriffen und in Schubhaft genommen, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme.

5. Der Beschwerde des Beschwerdeführers wurde vom Bundesverwaltungsgericht als unbegründet abgewiesen.

6. Der Beschwerdeführer stellte daraufhin während der Anhaltung in Schubhaft einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz.

7. Mit Bescheid wurde dem Beschwerdeführer der faktische Abschiebeschutz aberkannt. Das Bundesverwaltungsgericht stellte fest, dass die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes rechtmäßig war.

8. Der Beschwerdeführer konnte mittlerweile als Angehöriger von Pakistan identifiziert werden. Es wurde ein Heimreisezertifikat ausgestellt.

9. Eine Abschiebung im März 2020 konnte aufgrund der Covid-19-Situation nicht durchgeführt werden. Für August ist eine Charterabschiebung nach Pakistan geplant. Der Beschwerdeführer wurde bereits für diesen Flug angemeldet.

10. Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 05.03.2020, vom 01.04.2020, vom 28.04.2020, vom 28.05.2020 und vom 26.06.2020 wurde jeweils festgestellt, dass zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung verhältnismäßig ist.

11. Das Bundesamt legte dem Bundesverwaltungsgericht am 17.07.2020 die Akten gemäß §22a BFA-VG zur neuerlichen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1. Zum Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer stellte bereits in 24.05.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in Ungarn, wobei er den Ausgang dieses Verfahrens nicht abwartete, sondern sich dem Verfahren entzog. Er reiste illegal durch Österreich und versuchte nach Deutschland einzureisen. Ihm wurde am 01.06.2016 von den deutschen Grenzbehörden die Einreise nach Deutschland verweigert.

1.2. Der Beschwerdeführer stellte am 02.06.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Er gab an afghanischer Staatsangehöriger zu sein.

Eine Rücküberstellung nach Ungarn im Sinne der Dublin III-VO war in der Folge nicht möglich.

1.3. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) vom 17.11.2107 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz in Österreich zur Gänze abgewiesen und kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt. Es wurde eine Rückkehrentscheidung getroffen und festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan zulässig sei. Es wurde eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise eingeräumt.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde.

1.4. Der Beschwerdeführer wurde straffällig und mehrfach von einem Landesgericht verurteilt. Er tauchte im Bundesgebiet unter und hielt sich vor den Behörden verborgen.

1.5. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.05.2019 wurde das Asylverfahren des Beschwerdeführers gemäß § 24 AsylG eingestellt, weil der aktuelle Aufenthaltsort des Beschwerdeführers weder bekannt gegeben wurde, noch durch das erkennende Gericht leicht feststellbar war und sich der Beschwerdeführer dem Verfahren sohin entzogen hatte.

1.6. Der Beschwerdeführer wurde mit einem Festnahmeauftrag am 11.06.2019 wieder aufgegriffen und mit Mandatsbescheid vom 12.06.2019 in Schubhaft genommen. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.07.2019 als unbegründet abgewiesen und festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Nachdem der Aufenthaltsort des Beschwerdeführers nun bekannt war, wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.06.2019 das Beschwerdeverfahren beim Bundesverwaltungsgericht über den Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers fortgesetzt.

1.7. Der Beschwerdeführer wurde in weiterer Folge aus der Schubhaft entlassen. Er tauchte erneut unter und erschien nicht mehr in seiner Unterkunft, woraufhin er dort mit 10.11.2019 abgemeldet wurde. Der Beschwerdeführer wurde mit Festnahmeauftrag vom 16.11.2019 aufgegriffen und festgenommen.

Über den Beschwerdeführer wurde mit Mandatsbescheid vom 16.11.2019 gemäß § 76 Absatz 2 Z 1 FPG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme angeordnet.

Der Beschwerdeführer wird seit 16.11.2019 in Schubhaft angehalten.

1.8. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 21.10.2019 wurde die Beschwerde gegen den Bescheid vom 17.11.2017 (Beschwerde im Verfahren über internationalen Schutz) als unbegründet abgewiesen.

1.9. Der Beschwerdeführer stellte am 28.11.2019 während der Anhaltung in Schubhaft einen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Mit Aktenvermerkt des Bundesamtes wurde die weitere Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft auf § 76 Abs 6 FPG gestützt.

1.10. Der Beschwerdeführer stellte am 21.11.2019 einen Antrag auf freiwillige unterstützte Rückkehrhilfe. Diesen Antrag zog der Beschwerdeführer – kurz vor seinem Termin bei der afghanischen Delegation – wieder zurück. Der Beschwerdeführer hat diesen Antrag am 26.11.2019 widerrufen, da er sich gegen eine freiwillige Rückkehr entschieden hat.

1.11. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 08.01.2020 wurde dem Beschwerdeführer der faktische Abschiebeschutz aberkannt. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.01.2020 wurde die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes für rechtmäßig erklärt.

1.12. Am 14.01.2020 wurde das Bundesamt darüber informiert, dass der Beschwerdeführer per Post eine pakistanische ID-Card erhalten hat. Am 07.02.2020 wurde der Beschwerdeführer einer afghanischen Delegation vorgeführt.

Am 14.02.2020 wurde ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikats für Pakistan eingeleitet. Der Beschwerdeführer wurde am 14.02.2020 als Angehöriger von Pakistan mit der Identität XXXX , identifiziert.

Am 11.03.2020 wurde ein Heimreisezertifikat von der pakistanischen Botschaft ausgestellt. Eine Verlängerung der Gültigkeit des Heimreisezertifikats ist jederzeit möglich.

1.13. Die für 14.03.2020 geplante Abschiebung konnte aufgrund der Streichung des Fluges im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie nicht durchgeführt werden. In den letzten Wochen wurde der internationale Flugverkehr in Wien wieder aufgenommen. Die COVID-19-Einschränkungen wurden zunehmend gelockert.

Eine Charterabschiebung des Beschwerdeführers ist für den 18.08.2020 geplant und der Beschwerdeführer ist bereits für diesen Charterflug angemeldet.

Der Beschwerdeführer hat am 30.06.2020 einen Antrag auf freiwillige unterstützte Rückkehrhilfe gestellt. Es wurde daraufhin ein Flug am 04.08.2020 gebucht.

1.14. Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 05.03.2020, vom 01.04.2020, vom 28.04.2020, vom 28.05.2020 und vom 26.06.2020 wurde jeweils festgestellt, dass zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung verhältnismäßig ist.

2. Zur Person des Beschwerdeführers und zu den Voraussetzungen der Schubhaft

2.1. Der Beschwerdeführer besitzt die österreichische Staatsbürgerschaft nicht, er besitzt auch keine Staatsbürgerschaft eines EU-Mitgliedstaates, er ist pakistanischer Staatsangehöriger. Der Beschwerdeführer ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

2.2. Es besteht gegen den Beschwerdeführer eine rechtskräftige aufenthaltsbeendende Maßnahme.

2.3. Der Beschwerdeführer ist haftfähig. Es liegen keine die Haftfähigkeit ausschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen beim Beschwerdeführer vor. Der Beschwerdeführer hat in der Schubhaft Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung.

3. Zum Sicherungsbedarf, zur Fluchtgefahr und zur Verhältnismäßigkeit:

3.1. Der Beschwerdeführer weist in Österreich folgende strafgerichtlichen Verurteilungen auf:

Mit Urteil eines Landesgerichts vom 15.05.2018 wurde der Beschwerdeführer wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtmittel (§§ 27 Abs 1 Z 1 zweiter Fall, 27 Abs 2 SMG, §§ 27 Abs 2a zweiter Fall, 27 Abs 3 dritter Fall SMG, § 27 Abs.1 Z 1 zweiter Fall SMG) zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monate, davon 6 Monate bedingt, rechtskräftig verurteilt, wobei eine Probezeit von 3 Jahren festgesetzt wurde. Der unbedingte Teil der Freiheitsstrafe wurde am 12.07.2018 vollzogen.

Der Beschwerdeführer hat am 12.04.2019 an einem öffentlich zugänglichen Ort mehreren Personen Cannabiskraut gegen Entgelt überlassen bzw. angeboten um sich dadurch ein fortlaufendes Einkommen zu verschaffen. Der Beschwerdeführer hat am 18.01.2018 Cannabiskraut zum gewinnbringenden Verkauf besessen. Er hat am 12.04.2018 7 Stück MDMA haltige Ecstasy-Tabletten zum gewinnbringenden Verkauf besessen. Der Beschwerdeführer hat zudem bis zum 12.04.2018 unbekannte Mengen Cannabiskraut zum persönlichen Eigengebrauch besessen.

Mit Urteil eines Landesgerichts vom 19.06.2018 wurde der Beschwerdeführer wegen der Vergehen der Körperverletzung, schwerer Körperverletzung und versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt (§ 84 Abs 2 StGB, § 83 Abs 1 StGB, §§ 15, 269 Abs 1 erster Fall StGB) zu einer Zusatz-Freiheitsstrafe von 2 Monate bedingt verurteilt. Die Probezeit wurde auf 5 Jahre verlängert.

Der Beschwerdeführer hat am 15.04.2018 versucht Beamte mit Gewalt an einer Amtshandlung zu hindern, nämlich an seiner Visitierung und Abnahme der Handfesseln im Zuge der Verlegung in einen besonders gesicherten Haftraum, indem er versuchte sich durch unkontrolliertes Treten und heftigsten Widerstand zu befreien. Dabei fügte er einem Beamten schwere Prellungen des rechten Handgelenkes und eine Prellung der rechten Brustregion zu. Einem weiteren Beamten fügte er eine Überdehnung im Bereich des rechten Handgelenks, eine Prellung des rechten Knies sowie Blutergüsse und Hautabschürfungen an beiden Ellbogen zu.

Mit Urteil eines Landesgerichts vom 10.01.2019 wurde der Beschwerdeführer wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtmittel (§ 27 Abs 1 Z 1 zweiter Fall SMG, §§ 27 Abs 2a zweiter Fall, 27 Abs 3 dritter Falt SMG) zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monate verurteilt.

Der Beschwerdeführer hat mit einem weiteren Mittäter am 22.11.2018 an einem allgemein zugänglichen und öffentlichen Ort Cannabiskraut an mehrere Abnehmer verkauft. Er hat am 22.11.2018 insgesamt 11,8 Gramm Cannabiskraut abgepackt in einem Plastiksackerl in seiner Unterhose zum Zwecke des gewinnbringenden Verkaufs besessen.

3.2. Der Beschwerdeführer hat in den Asylverfahren unterschiedliche Angaben zu seiner Staatsangehörigkeit, seinem Namen und zu seinem Geburtsdatum gemacht. Der Beschwerdeführer versuchte seine Identität zu verschleiern.

3.3. Der Beschwerdeführer hat sich sowohl in Ungarn als auch in Österreich dem Asylverfahren durch Untertauchen entzogen.

3.4. Der Beschwerdeführer hält die Meldevorschriften in Österreich nicht ein. Er versucht sich vor den Behörden verborgen zu halten.

3.5. Der Beschwerdeführer stellte während der Anhaltung in Schubhaft einen Folgeantrag auf internationalen Schutz um seine Abschiebung zu verhindern.

3.6. Der Beschwerdeführer hat in Österreich weder Verwandte noch enge soziale Anknüpfungspunkte in Österreich. Er ist beruflich in Österreich nicht verankert. Er verfügt über keinen eigenen gesicherten Wohnsitz.

3.7. Der Beschwerdeführer achtet die österreichische Rechtsordnung nicht. Es konnten auch eine Inhaftierung und Verurteilung den Beschwerdeführer nicht zu rechtskonformen Verhalten bewegen. Der Beschwerdeführer hat sich bereits in Ungarn und in Österreich seinem Asylverfahren entzogen. Der Beschwerdeführer ist nicht bereit freiwillig nach Pakistan zurückzukehren. Bei einer Entlassung aus der Schubhaft wird der Beschwerdeführer untertauchen und sich vor den Behörden verborgen halten um sich einer Abschiebung zu entziehen.

3.8. Eine Änderung der Umstände für die Verhängung der Schubhaft seit der letzten gerichtlichen Überprüfung hat sich im Verfahren nicht ergeben.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in die Akten des Bundesamtes und in die Akten des Bundesverwaltungsgerichtes zu den Zahlen W197 2220761-1, W197 2220761-2, G303 2220761-3, W137 2220761-4, W137 2220761-5, W717 2220761-6, W180 2220761-7, W251 2220761-8, W270 2181163-1 sowie W213 2181163-2 und durch Einsichtnahme in das Zentrale Fremdenregister, in das Strafregister, in das Zentrale Melderegister, in das Grundversorgungsinformationssystem sowie in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

1. Zum Verfahrensgang, zur Person des Beschwerdeführers und den Voraussetzungen der Schubhaft

1.1. Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes, aus dem Auszug aus dem Zentralen Melderegister sowie aus dem Auszug aus dem Fremdenregister und aus der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres.

1.2. Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers beruhen auf dem Inhalt des Verwaltungsaktes und die Identifikation durch die pakistanischen Behörden. Anhaltspunkte dafür, dass er die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt sind im Verfahren nicht hervorgekommen, ebenso wenig besteht ein Zweifel an der Volljährigkeit des Beschwerdeführers.

1.3. Die Feststellungen zu der erlassenen aufenthaltsbeendenden Maßnahme gründen auf den Eintragungen im Zentralen Fremdenregister sowie aus den Akten des Bundesverwaltungsgerichts.

Die Feststellungen zur Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft seit 16.11.2019, ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes sowie aus der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres.

1.4. Es haben sich keine Anhaltspunkte ergeben, wonach beim Beschwerdeführer eine Haftunfähigkeit vorliegen würde. Dass der Beschwerdeführer Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Behandlung hat, ist unzweifelhaft.

2. Zum Sicherungsbedarf, zur Fluchtgefahr und zur Verhältnismäßigkeit:

2.1. Aus der Einsichtnahme in das Strafregister sowie aus den im Akt einliegenden Urteilen ergeben sich die strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers.

2.2. Die Feststellung über die unrichtigen Angaben des Beschwerdeführers zu seiner Identität ergibt sich aus dem Verfahrensakt. Der Beschwerdeführer hat in seinem Asylverfahren andere Angaben zu seiner Identität gemacht, er wurde jedoch von Pakistan unter einer anderen Identität identifiziert.

2.3. Die Feststellung zum Untertauchen des Beschwerdeführers und, dass er sich bereits dem Asylverfahren entzogen hat, ergibt sich aus dem Akteninhalt.

2.4. Die Feststellung zu den fehlenden behördlichen Wohnsitzmeldungen ergibt sich aus dem Auszug aus dem ZMR.

2.5. Die Feststellung zum zweiten Asylantrag während der Anhaltung in Schubhaft, um eine Abschiebung zu verhindern, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt, insbesondere aus dem Folgeantrag und dem Aktenvermerkt des Bundesamtes.

2.6. Die Feststellungen zur Inhaftierung des Beschwerdeführers in Schubhaft sowie in Strafhaft, ergibt sich aus dem Akteninhalt, insbesondere aus dem Auszug aus dem Zentralen Melderegister.

2.7. Die Feststellungen zur mangelnden Integration in Österreich und zu fehlenden sozialen und beruflichen Anknüpfungspunkten in Österreich, ergeben sich aus dem Verwaltungsakt sowie aus den Einvernahmeprotokollen. Diesen sind keine gefestigten sozialen Anknüpfungspunkte in Österreich zu entnehmen.

2.8. Dass der Beschwerdeführer nicht gewillt ist, mit den Behörden zu kooperieren und sich an die Rechtsordnung in Österreich zu halten, ergibt sich aus dem festgestellten bisherigen Verhalten des Beschwerdeführers, aus den unrichtigen Angaben zu seiner Identität, seinen strafrechtlichen Verurteilungen sowie aus dem Umstand, dass sich der Beschwerdeführer bereits öfters dem Asylverfahren entzogen hat. Er hat auch während der Anhaltung in Schubhaft einen Folgeantrag auf internationalen Schutz gestellt, um seine Abschiebung zu verhindern. Das Stellen eines Antrages auf freiwillige unterstütze Rückkehrhilfe während der Anhaltung in Schubhaft, kann das jahrelang vom Beschwerdeführer gezeigte Verhalten nicht entkräften, zumal der Beschwerdeführer einen solchen Antrag bereits einmal zurückgezogen hat.

Das Gericht geht daher davon aus, dass der Beschwerdeführer bei einer Entlassung aus der Schubhaft untertauchen und sich vor den Behörden verborgen halten werde. Es haben sich im Verfahren keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Beschwerdeführer sein bisher jahrelang gezeigtes Verhalten ändern werde.

2.9. Die Feststellungen zum Heimreisezertifikatsverfahren ergeben sich aus dem Verfahrensakt.

Aufgrund der derzeitigen Corona-Pandemie kommt es zwar auch weiterhin zu Verzögerungen im internationalen Flugverkehr, es wurde der internationale Flugverkehr jedoch wieder aufgenommen. Die realistische Möglichkeit einer Überstellung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat (innerhalb der gesetzlich normierten Zeitspanne für die Anhaltung in Schubhaft) besteht somit aus aktueller Sicht. Es steht überdies fest, dass die gegenwärtigen Restriktionen im Zusammenhang mit Covid-19 zumindest weitgehend gelockert wurden und der Flugverkehr wieder aufgenommen wurde.

2.10. Eine Änderung der Umstände für die Verhängung der Schubhaft seit der letzten gerichtlichen Überprüfung am 26.06.2020 ist dem Verwaltungsakt nicht zu entnehmen. Gegenteiliges ist auch im durchgeführten Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen.

2.11. Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchteil A. – Fortsetzungsausspruch

3.1.1. §§ 76 und 77 Fremdenpolizeigesetz (FPG), § 22a Abs 4 Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Verfahrensgesetz (BFA-VG) lauten auszugsweise:

Schubhaft (FPG)


„§ 76 (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen. 

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebiets-beschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

Gelinderes Mittel (FPG)

§ 77 (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,
1.         in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,
2.         sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder
2.         eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen;

(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird

(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

(6) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 hat sich der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

(7) Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

(8) Das gelindere Mittel ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(9) Die Landespolizeidirektionen können betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

Dauer der Schubhaft (FPG)

§ 80. (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.
(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich,
1.         drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;
2.         sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil,
1.         die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,
2.         eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,
3.         der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder
4.         die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft (BFA-VG)

§ 22a (4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde

3.1.2. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Das Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme per se vermag zwar keinen Tatbestand zu verwirklichen, der in tauglicher Weise "Fluchtgefahr" zum Ausdruck bringt. Der Existenz einer solchen Maßnahme kommt jedoch im Rahmen der gebotenen einzelfallbezogenen Bewertung der Größe der auf Grund der Verwirklichung eines anderen tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich anzunehmenden Fluchtgefahr Bedeutung zu (vgl. VwGH vom 11.05.2017, Ro 2016/21/0021). In einem schon fortgeschrittenen Verfahrensstadium reichen grundsätzlich weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung aus, weil hier die Gefahr des Untertauchens eines Fremden erhöht ist (VwGH vom 20.02.2014, 2013/21/0178).

Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FPG ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Der Behörde kommt aber dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043).

Gemäß § 22a Abs. 4 dritter Satz BFA-VG gilt mit der Vorlage der Verwaltungsakten durch das BFA eine Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. In einem gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG ergangenen Erkenntnis wird entsprechend dem Wortlaut der genannten Bestimmung (nur) ausgesprochen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist. Diese Entscheidung stellt - ebenso wie ein Ausspruch nach § 22a Abs. 3 BFA-VG - einen neuen Hafttitel dar. Über vor (oder nach) der Entscheidung liegende Zeiträume wird damit nicht abgesprochen (VwGH vom 29.10.2019, Ra 2019/21/0270; VwGH vom 30.08.2018, Ra 2018/21/0111).

3.1.3. Der Beschwerdeführer besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Ziff. 1 FPG. Er ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Anordnung der Schubhaft grundsätzlich – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen (Vorliegen eines Sicherungsbedarfes, das Bestehen von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft) – möglich ist.

3.1.4. Im vorliegenden Fall liegt eine rechtskräftige, durchsetzbare und durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor.

3.1.5. Im vorliegenden Fall geht das Gericht auch weiterhin von Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf im Sinne des § 76 Abs. 3 FPG aus.

Der Beschwerdeführer achtet die österreichische Rechtsordnung nicht, er ist nicht kooperativ. Der Beschwerdeführer hat unterschiedliche Identitäten angegeben, um eine Abschiebung zu verhindern. Der Beschwerdeführer hat sich bereits in Ungarn sowie in Österreich einem Asylverfahren durch Untertauchen entzogen. Der Beschwerdeführer ist bereits mehrfach untergetaucht, er hält die Meldevorschriften nicht ein. Der Beschwerdeführer hat während Anhaltung in Schubhaft, obwohl bereits eine rechtskräftige und aufenthaltsbeendende Maßnahme vorlag, einen Folgeantrag auf internationalen Schutz gestellt, um seine Abschiebung zu verhindern.

Sowohl das Vorverhalten als auch die vorzunehmende Verhaltensprognose haben bei dem Beschwerdeführer ein erhöhtes Risiko des Untertauchens sowie einen Sicherungsbedarf ergeben. In diesem schon fortgeschrittenen Verfahrensstadium reichen grundsätzlich weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung aus, weil hier die Gefahr des Untertauchens eines Fremden erhöht ist.

Es liegt daher weiterhin Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 FPG vor und ist auch Sicherungsbedarf gegeben.

3.1.7. Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich weder sozial noch familiär verankert. Er hat keine Verwandten oder sonstigen engen Nahebeziehungen in Österreich. Er ist beruflich nicht verwurzelt und hat auch keinen eigenen gesicherten Wohnsitz.

Der Beschwerdeführer wurde bereits als Angehöriger Pakistans identifiziert, es wurde für den Beschwerdeführer ein Heimreisezertifikat ausgestellt und bereits ein Charterflug gebucht. Das Bundesamt hat auf eine möglichst kurze Schubhaftdauer hingewirkt.

Den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers kommt daher ein geringerer Stellenwert zu als dem öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen – insbesondere an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung – zumal der Beschwerdeführer bereits in der Vergangenheit gezeigt hat, dass er die österreichische Rechtsordnung missachtet und im Verfahren auch keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er dieses Verhalten in Zukunft ändert.

3.1.8. Aufgrund der derzeitigen Corona-Pandemie kommt es zwar auch weiterhin zu Verzögerungen im internationalen Flugverkehr, es konnte jedoch für August ein Charterflug fixiert werden. Die realistische Möglichkeit einer Überstellung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat (innerhalb der gesetzlich normierten Zeitspanne für die Anhaltung in Schubhaft) besteht somit aus aktueller Sicht weiterhin. Die absehbare weitere Dauer der Anhaltung in Schubhaft ist nach derzeitigem Stand – kooperatives Verhalten des Beschwerdeführers vorausgesetzt – mit wenigen Wochen einzustufen. Eine Abschiebung im August 2020 ist aus derzeitiger Sicht jedenfalls realistisch. Eine Verzögerung der Abschiebung unmittelbar aufgrund dieser Umstände ist zum Entscheidungszeitpunkt (zumindest noch) nicht ersichtlich. Entsprechend der Judikatur des VwGH ist es trotz der Einschränkungen im Flugverkehr fallbezogen noch vertretbar eine Schubhaft in Erwartung einer Lockerung der Reisebeschränkungen vorerst aufrecht zu erhalten (VwGH vom 12.05.2020, Ra 2020/21/0094).

3.1.9. Hinsichtlich des Umstandes, dass im Zuge des rechtskräftig negativ abgeschlossenen Asylverfahrens eine Rückkehrentscheidung erlassen und gleichzeitig gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass die Abschiebung in den Herkunftsstaat Afghanistan zulässig ist, ist auf die Entscheidungen des VwGH vom 26.01.2017, Ra 2016/21/0349, und vom 21.12.2017, Ra 2017/21/0125. Kann eine Abschiebung nicht in den ursprünglich vorgesehenen Herkunftsstaat durchgeführt werden, so kann eine Rückkehrentscheidung ausnahmsweise auch ohne Ausspruch nach § 52 Abs. 9 FPG erfolgen, wenn dies aus vom Fremden zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

3.1.10. Das erkennende Gericht geht daher davon aus, dass die angeordnete Schubhaft auch weiterhin das Kriterium der Verhältnismäßigkeit erfüllt.

3.1.11. Zu prüfen ist, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt. Eine Sicherheitsleistung sowie die konkrete Zuweisung einer Unterkunft oder einer Meldeverpflichtung kann auf Grund des vom Beschwerdeführer in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens nicht zum Ziel der Sicherung der Abschiebung führen, da diesfalls die konkrete Gefahr des Untertauchens des Beschwerdeführers besteht.

Die Verhängung eines gelinderen Mittels kommt daher weiterhin nicht in Betracht.

3.1.12. Die hier zu prüfende Schubhaft stellt daher nach wie vor eine „ultima ratio“ dar, da sowohl Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt. Das Verfahren hat keine andere Möglichkeit ergeben, eine gesicherte Außerlandesbringung des Beschwerdeführers zu gewährleisten.

Es war daher gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festzustellen, dass die angeordnete Schubhaft nach wie vor notwendig und verhältnismäßig ist und dass die maßgeblichen Voraussetzungen für ihre Fortsetzung im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

3.1.13. Es konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der Sachverhalt im Rahmen des behördlichen Verfahrens hinreichend geklärt wurde und das gerichtliche Verfahren keine wesentlichen Änderungen ergeben hat.

3.2. Zu Spruchteil B. - Revision

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Dies ist der Fall wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Im vorliegenden Akt findet sich kein Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Fluchtgefahr Folgeantrag Fortsetzung der Schubhaft gelinderes Mittel Kooperation öffentliche Interessen Pandemie Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Straffälligkeit strafgerichtliche Verurteilung Strafhaft Untertauchen Verhältnismäßigkeit Vertrauenswürdigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W251.2220761.8.00

Im RIS seit

14.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

14.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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