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41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, AsylrechtNorm
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1Leitsatz
Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Nichtzuerkennung des Status subsidiär Schutzberechtigter betreffend eine aus Nigeria stammende Mutter und ihr minderjähriges Kind; mangelnde Feststellungen zur Lage von Minderjährigen im Herkunftsstaat; mangelhafte Ermittlungen zur allfälligen Unterstützung in Nigeria durch den ebenfalls von dort stammenden Lebensgefährten; keine Auseinandersetzung mit der erneuten Schwangerschaft der MutterRechtssatz
Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) geht im angefochtenen Erkenntnis auf die Minderjährigkeit der Zweitbeschwerdeführerin nicht ein. Weder trifft es Feststellungen zur allgemeinen Versorgungs- und Gefährdungslage für Minderjährige in Nigeria noch erfolgt eine Auseinandersetzung mit der Tatsache der Minderjährigkeit der Zweitbeschwerdeführerin in der Beweiswürdigung oder der rechtlichen Beurteilung, abgesehen von jener mit der vorgebrachten befürchteten Genitalverstümmelung. Damit unterbleibt aber auch eine Klärung der Frage, ob die Zweitbeschwerdeführerin im Fall einer Rückkehr nach Nigeria im Hinblick auf die dortige Sicherheits- und Versorgungslage in ihren gemäß Art2 und Art3 EMRK gewährleisteten Rechten bedroht ist. Eine - kinderspezifische - Auseinandersetzung mit der Frage, welche Rückkehrsituation die minderjährige Zweitbeschwerdeführerin in Nigeria tatsächlich vorfinden würde, kann dabei selbst dann nicht unterbleiben, wenn sie im Herkunftsstaat auf den Schutz und die Fürsorge ihrer Eltern vertrauen kann.
Bereits aus diesem Grund hat das BVwG in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen und damit sein Erkenntnis mit Willkür belastet. Es ist insoweit aufzuheben. Dieser Mangel schlägt gemäß §34 Abs4 AsylG 2005 auf die Entscheidung betreffend die Erstbeschwerdeführerin durch. Daher ist das Erkenntnis auch betreffend die Erstbeschwerdeführerin - im selben Umfang wie hinsichtlich der Zweitbeschwerdeführerin - aufzuheben.
Wenn das BVwG darüber hinaus in seiner Entscheidung von einer gemeinsamen Rückkehr mit dem ebenfalls aus Nigeria stammenden Lebensgefährten der Erstbeschwerdeführerin und Vater der Zweitbeschwerdeführerin ausgeht, so mangelt es dieser Annahme an einer hinreichend ermittelten Grundlage. Die Erstbeschwerdeführerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG vorgebracht, dass sie im Falle einer Rückkehr nach Nigeria eine Trennung von ihrem Lebensgefährten befürchtet, ohne dass das BVwG entsprechende Nachfragen gestellt oder in seiner Entscheidung ausgeführt hätte, weshalb es diesen Ausführungen keine Bedeutung beimisst. Zudem ist aus dem angefochtenen Erkenntnis nicht ersichtlich, aus welchen Gründen das BVwG davon ausgeht, dass der Lebensgefährte der Erstbeschwerdeführerin und Vater der Zweitbeschwerdeführerin die Beschwerdeführerinnen unterstützen kann. Sofern es sich auf die entsprechende Entscheidung des BVwG zur Abweisung dessen Antrages auf internationalen Schutz beziehen sollte, stimmen die Feststellungen teilweise nicht überein. Weder geht aus dieser Entscheidung hervor, dass der Lebensgefährte eine Berufsausbildung vorweisen kann, noch dass er familiäre Anknüpfungspunkte in Nigeria hat.
Schließlich setzt sich das BVwG trotz entsprechender Feststellung nicht mit der Schwangerschaft und einer damit möglicherweise einhergehenden besonderen Vulnerabilität der Erstbeschwerdeführerin auseinander.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Asylrecht / Vulnerabilität, Entscheidungsbegründung, Ermittlungsverfahren, RückkehrentscheidungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2020:E542.2020Zuletzt aktualisiert am
15.10.2020