TE Vwgh Beschluss 2020/9/10 Ra 2020/20/0223

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Veröffentlicht am 10.09.2020
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Index

E1P
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

BFA-VG 2014 §21 Abs7
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
12010P/TXT Grundrechte Charta Art47

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin MMag. Ginthör als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, in der Rechtssache der Revision der E K A in W, vertreten durch Mag. Petra Diwok, Rechtsanwältin in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 34, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Februar 2020, Zl. I412 2220355-1/7E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Die Revisionswerberin, eine Staatsangehörige Nigerias, stellte am 27. November 2018 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005). Sie führte dazu im Wesentlichen aus, ihr drohe in Nigeria wegen des Eingehens einer sexuellen Beziehung mit einer Frau Verfolgung. Sie sei in ihrem Herkunftsstaat deswegen bereits verhaftet worden.

2        Mit Bescheid vom 16. Mai 2019 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diesen Antrag ab, erteilte der Revisionswerberin keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Nigeria zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte die Behörde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

3        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerberin als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

6        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7        Zur Begründung ihrer Zulässigkeit macht die Revision geltend, das Bundesverwaltungsgericht habe die „herrschende“ Rechtsprechung in Bezug auf außergewöhnliche gesundheitliche Umstände im Sinn des Art. 2 und 3 EMRK nicht berücksichtigt sowie die Notwendigkeit einer Einzelfallentscheidung im Asylverfahren im Sinn einer individuellen Beurteilung der maßgeblichen Umstände verkannt.

Mit diesem gänzlich allgemein gehaltenen Vorbringen gelingt es der Revision nicht darzulegen, welche Rechtsfrage im Sinn von Art. 133 Abs. 4 B-VG bezogen auf den Revisionsfall konkret zu lösen wäre.

8        Sofern im Rahmen einer schlagwortartigen Auflistung der von der Revisionswerberin für die Zulässigkeit der Revision als maßgeblich erachteten Rechtsfragen eine „Nichtberücksichtigung der herrschenden Rechtsprechung bezüglich des in Art 47 der GRC garantierten Rechts auf eine öffentliche mündliche Verhandlung“ gerügt wird, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen. Demnach sind zur Beurteilung, ob der Sachverhalt im Sinn des § 21 Abs. 7 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) geklärt erscheint und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach dieser Bestimmung unterbleiben kann, folgende Kriterien beachtlich:

9        Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen (vgl. grundlegend VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018, sowie aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 9.1.2020, Ra 2018/19/0501, mwN).

10       Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach festgehalten, dass wenn - wie im vorliegenden Fall - ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes behauptet wird, anzuführen ist, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht (vgl. etwa VwGH 28.11.2019, Ra 2018/19/0609, mwN).

11       Eine solche, auf die Voraussetzungen für das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung Bezug nehmende Darstellung ist dem Zulässigkeitsvorbringen der vorliegenden Revision nicht zu entnehmen. Lediglich ergänzend ist festzuhalten, dass sich die Revisionsgründe im Hinblick auf die Frage der Verhandlungspflicht auf die abstrakte Behauptung einer Rechtsverletzung nach Art. 47 GRC beschränken.

12       Schließlich wird mit dem verbleibenden Zulässigkeitsvorbringen der vorliegenden Revision, mit dem Ermittlungs-, Beweiswürdigungs- und Feststellungsmängel geltend gemacht werden, ein vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifender Verfahrensmangel schon mangels einer entsprechenden Relevanzdarstellung nicht aufgezeigt. An welchen psychischen, bei der Beweiswürdigung zu berücksichtigenden Problemen die Revisionswerberin konkret leide, lässt die Revision im Übrigen offen. Es trifft zudem nicht zu, dass sich die beweiswürdigenden Erwägungen des BFA und des Bundesverwaltungsgerichts ausschließlich auf die Ergebnisse der Recherche eines Vertrauensanwaltes in Nigeria gestützt hätten. Welche Feststellungen zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses im Hinblick auf den Ausbruch der Covid-19 Pandemie zu treffen gewesen wären, ist anhand des Zulässigkeitsvorbringens nicht zu erkennen (vgl. im Zusammenhang mit der Covid-19 Pandemie etwa VwGH 6.8.2020, Ra 2020/20/0273).

13       In der Revision werden daher keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 10. September 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020200223.L00

Im RIS seit

02.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

02.11.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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