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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AsylG 2005 §55Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pelant und den Hofrat Dr. Sulzbacher als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision der L U in G, vertreten durch Mag. Michael-Thomas Reichenvater, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 13/II, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. Februar 2020, G307 2222381-1/4E, betreffend Abweisung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 und Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerberin, einer kosovarischen Staatsangehörigen, wurden ab dem 18. Februar 2014 wiederholt, zuletzt mit Gültigkeit bis zum 24. Februar 2018, Aufenthaltsbewilligungen „Studierender“ erteilt. Der Verlängerungsantrag vom 21. Februar 2018 wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 16. April 2018, bestätigt mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 9. Jänner 2019, abgewiesen.
2 Am 1. Februar 2019 beantragte die Revisionswerberin die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005.
3 Mit Bescheid vom 17. Juli 2019 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diesen Antrag ab. Zugleich erließ es gegen die Revisionswerberin gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 3 FPG, stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Kosovo zulässig sei und bestimmte gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für ihre freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.
4 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab.
5 Begründend führte es aus, die ledige Revisionswerberin sei im März 2014 in Österreich eingereist und wohne mit ihrer Schwester im gemeinsamen Haushalt. Die Eltern der Revisionswerberin lebten nach wie vor im Kosovo und unterstützten die Revisionswerberin bei der Finanzierung ihres Lebensunterhaltes mit einem monatlichen Unterhalt in der Höhe von € 500,--. Von einem besonders engen Verhältnis zu den in Österreich wohnhaften Cousins und Cousinen, die die österreichische Staatsbürgerschaft besäßen, sei nicht auszugehen gewesen. Die Revisionswerberin sei von 7. Mai 2014 bis 15. August 2019 in sechs Arbeitsverhältnissen bei vier Arbeitgebern für insgesamt circa zwei Jahre und neun Monate beschäftigt gewesen. Seit 16. August 2019 gehe sie keiner Erwerbstätigkeit nach, verfüge derzeit aber über eine Arbeitsplatzzusage als Buffetkraft vom 22. März 2019. Der Verbleib der Revisionswerberin in Österreich werde von mehreren namentlich nicht bekannten Personen unterstützt.
6 Bei der nach § 9 BFA-VG vorgenommenen Interessenabwägung berücksichtigte das Bundesverwaltungsgericht die genannten Umstände sowie insbesondere, dass zwar „ein bestimmtes Naheverhältnis“ zu ihrer Schwester nicht abgestritten werde, dieses jedoch nicht als intensiv genug erachtet werde, um von einem im Sinne des Art. 8 EMRK geschützten Familienleben ausgehen zu können. Die Schwester wohne erst seit 26. Februar 2016 und damit seit knapp vier Jahren mit der Revisionswerberin im Bundesgebiet zusammen; sie hätten jeweils eigene Studien betrieben und führten eigene Konten; zudem verfüge auch die Schwester der Revisionswerberin lediglich über eine befristete Aufenthaltsbewilligung. Ein Abhängigkeitsverhältnis habe nicht erkannt werden können. Die Revisionswerberin habe mit ihrem - in unmittelbarer zeitlicher Nähe zum Verlust der Aufenthaltsberechtigung nach dem NAG gestellten - Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK offensichtlich nur auf den Wiedererwerb ihres rechtmäßigen Aufenthaltsstatus und nicht auf die Aufrechterhaltung eines in Österreich bestehenden Familien- und Privatlebens abgezielt.
7 Demgegenüber bestünden nach wie vor Bindungen der Revisionswerberin zu ihrem Heimatstaat Kosovo. So habe die Revisionswerberin in ihrer Stellungnahme vom 31. Jänner 2019 selbst vorgebracht, zu ihren Eltern eine gute Beziehung zu haben und zuletzt im Februar 2018 einige Tage im Kosovo gewesen zu sein. Zudem habe die Revisionswerberin bei ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 13. März 2019 angegeben, dass ihre Eltern im Kosovo eine Wohnung hätten, in welcher die Revisionswerberin mit diesen und ihren drei Geschwistern zusammengewohnt habe. Die Revisionswerberin habe weiters selbst angeführt, dass sie ihre Eltern mit einem monatlichen Betrag von € 500,-- bei ihrem Studium in Prishtina unterstützt hätten, welches die Revisionsweberin nur deshalb nicht fortgesetzt habe, weil das dortige Niveau dem österreichischen nicht entspreche. Dass die Revisionswerberin im Kosovo in eine aussichtlose Lage geriete, sei daher nicht ersichtlich. Bei einer Gesamtbetrachtung wögen unter diesen Umständen die öffentlichen Interessen an der Durchsetzung der geltenden Bestimmungen des Einwanderungsrechts schwerer als die schwach ausgebildeten privaten Interessen der Revisionswerberin am Verbleib in Österreich.
8 Die beantragte mündliche Verhandlung habe gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG entfallen können.
9 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
10 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich (u.a.) wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG „nicht zur Behandlung eignen“, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
11 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen dieser in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
12 Unter diesem Gesichtspunkt macht die Revisionswerberin in der - nach Ablehnung und Abtretung ihrer Verfassungsgerichtshofbeschwerde (VfGH 8.6.2020, E 820/2020) ausgeführten - Revision geltend, dass es die „belangte Behörde“ verabsäumt habe, eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen, in welcher die Revisionswerberin jedenfalls darlegen hätte können, dass sämtliche Gründe im gegenständlichen Fall evident seien, die die Erteilung eines Aufenthaltstitels an die Revisionswerberin rechtfertigen würden. Insofern sei der „belangten Behörde“ eine antizipierende Beweiswürdigung anzulasten. Des Weiteren entspreche das angefochtene Erkenntnis nicht den Anforderungen des § 60 AVG. Es widerspreche sohin der höchstgerichtlichen Judikatur.
13 Der gerügte Begründungsmangel ist nicht ersichtlich. Der Verwaltungsgerichtshof hat zudem schon vielfach ausgesprochen, dass die Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK iVm § 9 BFA-VG dann nicht revisibel ist, wenn sie im Ergebnis vertretbar ist und keinen maßgeblichen Begründungsmangel erkennen lässt (vgl. etwa VwGH 19.9.2019, Ra 2019/21/0264, Rn. 10, mwN). Im vorliegenden Fall kann das erzielte Ergebnis jedenfalls nicht als unvertretbar angesehen werden. Das Bundesverwaltungsgericht hat alle zugunsten der Revisionswerberin sprechenden Umstände in seine Beurteilung einbezogen und durfte angesichts des nicht einmal sechsjährigen, nur aufgrund von Aufenthaltsberechtigungen zum Zweck eines Studiums während nicht ganz fünf Jahren rechtmäßigen Aufenthalts und des Fehlens maßgeblicher familiärer Bindungen sogar vom Vorliegen eines eindeutigen Falles ausgehen, der es ihm ausnahmsweise erlaubte, von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung zur Verschaffung eines persönlichen Eindrucks von der Revisionswerberin abzusehen (vgl. zu einem ähnlich gelagerten Fall etwa VwGH 4.3.2020, Ra 2020/21/0027, mwN).
14 Soweit die Revisionswerberin noch vorbringt, dass das angefochtene Erkenntnis „der belangten Behörde“ der Judikatur des Bundesverwaltungsgerichts in ähnlich gelagerten Fällen widerspreche, genügt es, darauf zu verweisen, dass eine uneinheitliche Rechtsprechung eines oder mehrerer Verwaltungsgerichte für sich genommen nicht den Tatbestand des Art. 133 Abs. 4 B-VG erfüllt (vgl. VwGH 25.4.2019, Ra 2019/22/0043, Rn. 16, mwN).
15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 14. September 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020210335.L00Im RIS seit
17.11.2020Zuletzt aktualisiert am
17.11.2020