TE Vwgh Beschluss 2020/9/22 Ra 2020/19/0289

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Veröffentlicht am 22.09.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie den Hofrat Dr. Pürgy und die Hofrätin Dr.in Sembacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der Revisionssache des H B, vertreten durch Mag.rer.soc.oec. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Februar 2020, Zl. L512 2157309-1-1/31E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein iranischer Staatsangehöriger, stellte am 22. September 2014 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er damit begründete, bereits im Herkunftsstaat von der Familie seiner geschiedenen Frau bedroht, misshandelt und schikaniert worden zu sein, weil er kein strenggläubiger Moslem sei. Er sei bereits im Jahr 2009 zum Christentum konvertiert, in Österreich getauft worden und nehme am Glaubensleben einer Baptistengemeinde teil.

2        Mit Bescheid vom 13. April 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diesen Antrag zur Gänze ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung in den Iran zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise setzte das BFA mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

3        Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4        Das BVwG erachtete weder die behauptete Verfolgung in Iran als glaubhaft noch ging es davon aus, dass sich der Revisionswerber aus innerer Überzeugung zum Christentum hingewendet und den Entschluss gefasst hätte, nach dem christlichen Glauben zu leben. Ebensowenig sei eine Verfolgung aufgrund der Tätowierungen des Revisionswerbers anzunehmen.

5        Mit Beschluss vom 8. Juni 2020, E 808/2020-7, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis gerichteten Beschwerde ab und trat die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

6        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

8        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9        In der Revision wird zu ihrer Zulässigkeit vorgebracht, entgegen der - in der Revision näher bezeichneten - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei das BVwG von einer Scheinkonversion ausgegangen, habe das vorhandene Glaubenswissen des Revisionswerbers nicht berücksichtigt und den Revisionswerber nicht genauer zu seiner Konversion befragt. Das BVwG habe zudem die Aussage des als Zeugen einvernommenen Gemeindeältesten der Baptistengemeinde nicht umfassend gewürdigt und die Tätowierungen des Revisionswerbers irrtümlich bloß als geometrische Zeichen beurteilt.

10       Bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion kommt es auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung des Konvertiten an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln ist (vgl. VwGH 13.7.2020, Ra 2020/19/0227, mwN).

11       Als Rechtsinstanz ist der Verwaltungsgerichtshof zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung in Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht im Einzelfall die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 14.7.2020, Ra 2020/19/0097, mwN).

12       Werden Verfahrensmängel - wie hier Ermittlungs- und Begründungsmängel - als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden (vgl. VwGH 2.7.2020, Ra 2020/19/0192, mwN).

13       Die Revision vermag weder darzulegen, dass das BVwG die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte oder von den oben dargestellten Leitlinien der Rechtsprechung abgewichen wäre, noch gelingt es ihr aufzuzeigen, weshalb die behaupteten Mängel zu einem anderen Verfahrensergebnis geführt hätten.

14       Das BVwG gab dem Revisionswerber im Rahmen der mündlichen Verhandlung ausführlich Gelegenheit, sich zu seinen Fluchtgründen sowie insbesondere zu der von ihm behaupteten Konversion zum Christentum zu äußern und vernahm dazu auch mehrere Zeugen ein. Es stützte seine Beweiswürdigung auf den persönlichen Eindruck vom Revisionswerber und erachtete das erstattete Vorbringen zur Konversion unter Berücksichtigung der Zeugenaussagen auf Grund von inneren Widersprüchen und durchgängiger Oberflächlichkeit der Angaben als nicht glaubhaft. Die Revision, die sich lediglich gegen einzelne beweiswürdigende Erwägungen des BVwG wendet, zeigt nicht auf, dass die Beweiswürdigung des BVwG insgesamt als unvertretbar zu werten wäre bzw. sich die weiteren Erwägungen als nicht tragfähig erweisen würden.

15       Entgegen dem Revisionsvorbringen hat sich das BVwG bei der Würdigung des Vorbringens zur in Österreich vollzogenen Konversion auf eine eingehende Auseinandersetzung mit den Angaben des Revisionswerbers zu den näheren Umständen seines angeblichen Glaubenslebens gestützt. Auch hat es die Zeugenaussage des Gemeindeältesten der Baptistengemeinde nicht unberücksichtigt gelassen, sondern vielmehr hervorgehoben, dass dieser, wie auch die übrigen einvernommenen Zeugen, im Wesentlichen lediglich Angaben zu nach außen in Erscheinung tretenden Faktoren gemacht habe. Das BVwG tat auch die Tätowierung am Arm des Revisionswerbers in Form eines Kreuzes nicht als bloß geometrisches Zeichen ab, sondern erörterte, welche Bedeutung ihr im Falle einer Rückkehr des Revisionswerbers von den Behörden bzw. dessen sozialen Umfeld im Herkunftsstaat beigelegt werden würde.

16       In der Revision werden daher keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 22. September 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020190289.L00

Im RIS seit

10.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

10.11.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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