Index
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AsylG 2005 §11Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, in der Rechtssache der Revision des Z S, vertreten durch die Hochleitner Rechtsanwälte GmbH in 4070 Eferding, Kirchenplatz 8, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Mai 2020, W123 2194565-1/35E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 8. Juni 2013 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005, den er unter anderem damit begründete, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung durch die Taliban drohe. Im Laufe des Verfahrens brachte er zudem eine drohende Verfolgung wegen seiner sexuellen Orientierung vor.
2 Mit Bescheid vom 16. März 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte die Behörde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis nach Durchführung einer Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 Der Revisionswerber erhob gegen dieses Erkenntnis zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 14. Juli 2020, E 2177/2020-5, die Behandlung derselben ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. In der Folge wurde die gegenständliche Revision eingebracht.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Eingangs ist darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG (nur) im Rahmen der dafür in der Revision (gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert) vorgebrachten Gründe zu überprüfen hat. Er ist weder verpflichtet, solche anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen. Dementsprechend erfolgt nach der Rechtsprechung die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung (vgl. VwGH 6.8.2020, Ra 2020/20/0162, mwN).
9 Wenn die Revision im Zusammenhang mit dem Vorbringen des Revisionswerbers zu seiner sexuellen Orientierung, das vom Bundesverwaltungsgericht als unglaubwürdig erachtet wurde, was vom Revisionswerber auch nicht bestritten wird, zunächst meint, „in Afghanistan droht jedoch bereits deshalb eine Verfolgung, wenn homosexuelle Handlungen vorgenommen wurden und diese dokumentiert sind“, was gegenständlich der Fall sei, lässt sie im Dunkeln, auf welche „Dokumentation“ sie Bezug nimmt. Sollte sich die Revision hierbei auf die (im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses noch nicht rechtskräftige) Verurteilung des Revisionswerbers zu einer vierjährigen Freiheitsstrafe durch das Landesgericht Wels vom 6. März 2020 wegen der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs. 1 StGB beziehen, verabsäumt sie, darzulegen, wie vermeintliche Verfolger im Herkunftsstaat überhaupt Kenntnis von der Verurteilung erlangen sollten.
10 Mit dem Vorbringen, es fehle Rechtsprechung zur Frage, ob eine politische Verfolgung bereits durch die Weigerung, sich einer politischen Gruppierung anzuschließen, begründet werden könne, wird schon deshalb keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt, weil das Bundesverwaltungsgericht dem Vorbringen, wonach der Revisionswerber im Herkunftsstaat von den Taliban verfolgt werde, keinen Glauben schenkte und die Revision den beweiswürdigenden Erwägungen in keiner Weise entgegentritt (vgl. zum Fehlen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, wenn sich der Revisionswerber in der Zulässigkeitsbegründung vom festgestellten Sachverhalt entfernt wiederum VwGH 6.8.2020, Ra 2020/20/0162, mwN).
11 Im Zusammenhang mit der Annahme des Bundesverwaltungsgerichts, dem Revisionswerber stehe eine innerstaatliche Fluchtalternative in Mazar-e Sharif oder Herat zur Verfügung, wird beanstandet, dass Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob selbst dann von einer zumutbaren innerstaatlichen Fluchtalternative auszugehen sei, wenn kein Netzwerk im Heimatland vorhanden sei, fehle.
12 Der Verwaltungsgerichtshof erkennt in ständiger Rechtsprechung, dass einem gesunden Asylwerber im erwerbsfähigen Alter, der eine der Landessprachen Afghanistans beherrscht, mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates vertraut ist und die Möglichkeit hat, sich durch Gelegenheitstätigkeiten eine Existenzgrundlage zu sichern, die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in bestimmten Gebieten Afghanistans zugemutet werden kann, und zwar selbst dann, wenn er nicht in Afghanistan geboren wurde, dort nie gelebt und keine Angehörigen in Afghanistan hat, sondern im Iran aufgewachsen und dort in die Schule gegangen ist (vgl. VwGH 6.8.2020, Ra 2020/20/0251, mwN).
13 Zudem gehen auch weder EASO noch UNHCR von der Notwendigkeit eines sozialen Netzwerkes in den Städten Mazar-e Sharif und Herat für einen alleinstehenden, gesunden, erwachsenen Mann ohne besondere Vulnerabilität für die Verfügbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative aus (vgl. VwGH 1.7.2020, Ra 2020/20/0227; 11.8.2020, Ra 2020/14/0347; jeweils mwN).
14 Konkrete, der Annahme der Zumutbarkeit der Inanspruchnahme der innerstaatlichen Fluchtalternative in Mazar-e Sharif oder Herat entgegenstehende Umstände im Sinn der zitierten Judikatur wurden in der Zulässigkeitbegründung nicht vorgebracht.
15 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 24. September 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020200334.L00Im RIS seit
06.11.2020Zuletzt aktualisiert am
06.11.2020