Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Dr. Roch als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. PD Dr. Rassi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr, Dr. Kodek und Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Christian Schubeck, Dr. Michael Schubeck, Rechtsanwälte in Salzburg, gegen die beklagten Parteien 1. C***** GmbH & Co KG, 2. C***** GmbH, beide *****, vertreten durch Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen 64.585,92 EUR sA, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 27. Mai 2020, GZ 2 R 61/20h-18, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
1. Der Revisionsrekurs wird, soweit er sich gegen die Kostenentscheidung des Rekursgerichts wendet, als absolut unzulässig zurückgewiesen.
2. Im Übrigen wird der außerordentliche Revisionsrekurs gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Unstrittig ist: Die Klägerin und die Erstbeklagte sind Mitglieder der Wirtschaftskammer und des für sie zuständigen Fachverbandes der Immobilien- und Vermögenstreuhänder. Die Zweitbeklagte ist die persönlich haftende Gesellschafterin der Erstbeklagten. Ein Schlichtungsversuch gemäß Punkt 4.3. der Allgemeinen Richtlinien (im Folgenden: ALR) des Fachverbandes der Immobilien- und Vermögenstreuhänder hat nicht stattgefunden.
[2] Beide Vorinstanzen erachteten über Einwand der Beklagten den Rechtsweg für die Klage auf Werklohn für eine Immobilienvermittlung unter Hinweis auf Punkt 4.3. ALR und die Entscheidung für derzeit unzulässig. Die Klägerin als Kammermitglied hätte für den gegenständlichen Streitfall zwingend einen Schlichtungsversuch mit den Beklagten unternehmen müssen. Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu, weil die Entscheidung von höchstgerichtlicher Rechtsprechung nicht abweiche.
Rechtliche Beurteilung
[3] Der Revisionsrekurs der Klägerin ist nicht zulässig, weil er keine erhebliche Rechtsfrage aufzeigt.
[4] 1. Die von der Klägerin gerügten Verfahrensmängel wurden geprüft, liegen aber nicht vor (§§ 528a iVm 510 Abs 3 ZPO).
[5] 2. Das Argument, dass die Schlichtungsklausel nicht unmittelbar gesetzlich angeordnet sei, wirft keine erhebliche Rechtsfrage auf, zumal sich die verfassungsrechtliche Legitimation der Wirtschaftskammer zur hoheitlichen Regelung durch Erlassung von Satzungen (hier: ALR) klar aus Art 120b Abs 2 B-VG ergibt (so bereits mit ausführlicher Begründung ErwGr 2.2. ff). Dagegen trägt der Revisionsrekurs kein einziges Argument vor.
[6] 3. Die Auslegung der strittigen Bestimmung durch die Vorinstanzen als obligatorische Schlichtungsklausel entspricht jener zu 4 Ob 203/12z (ErwGr 3.1. ff). Mit ihrem lapidaren Hinweis, im Zweifel sei von der Freiwilligkeit eines eingerichteten Schlichtungsverfahrens auszugehen, vermag die Klägerin keine unvertretbare Fehlbeurteilung darzustellen (vgl RS0008813).
[7] 4. Die Klägerin erstattete in erster Instanz – trotz Erörterung der schon mehrfach genannten Vorentscheidung des Obersten Gerichtshofs durch die Erstrichterin – kein Vorbringen, warum ungeachtet des unstrittig unterbliebenen Schlichtungsversuchs die dort genannten Konsequenzen daraus nicht eintreten sollten (vgl aber 6 Ob 125/16z; 6 Ob 80/17h). Die erstmals im Rechtsmittelverfahren erhobenen Einwände der mangelnden Bestimmtheit der Klausel und der Unzumutbarkeit der Anrufung der Schlichtungseinrichtung (die ohnehin im Widerspruch zu 4 Ob 203/12z stehen), verstoßen daher ebenso gegen das Neuerungsverbot, wie der Einwand der Aussichtslosigkeit eines Schlichtungsversuchs. Schon deshalb kann damit keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt werden (6 Ob 128/14p).
[8] 5. Auf die im Rechtsmittel aufgeworfene Frage, ob die Klausel gemäß der Entscheidung 4 Ob 203/12z tatsächlich das Vorliegen eines Prozesshindernisses rechtfertigt (vgl die Kritik von Mayr ua in Rechberger/Klicka ZPO5 Vor § 1 JN Rz 13), kommt es in der vorliegenden Konstellation nicht an, weshalb damit keine präjudizielle und somit auch keine erhebliche Rechtsfrage angesprochen wird (RS0088931).
[9] 5.1 Selbst wenn man das im Sinne des Rechtsmittels verneint, könnte nämlich die Klage derzeit nicht erfolgreich sein. Das Erstgericht fasste den Zurückweisungsbeschluss über entsprechenden Einwand der Beklagten nach Verhandlung in der Sache, weshalb auch die prozessualen Voraussetzungen für eine Sachentscheidung gegeben sind. Wollte man aus der Nichteinhaltung der Schlichtungsklausel die (derzeitige) mangelnde Klagbarkeit aus materiell-rechtlichen Gründen ableiten (vgl RS0045298; RS0323687; RS0082250), wäre aber die Konsequenz die Klageabweisung.
[10] 5.2 Ein Rechtsschutzbedürfnis auf Seiten der Klägerin, hier anstelle der Zurückweisung der Klage eine Klageabweisung zu erwirken, ist aber nicht erkennbar (vgl 8 Ob 21/14t; RS0041758 [T19]). Es macht für die Rechtsposition der Klägerin keinen Unterschied, ob sie ihre Forderung derzeit nicht durchsetzen kann, weil dies durch ein Prozesshindernis oder durch materiell-rechtliche Umstände verhindert wird. Denn die Durchsetzung ist hier (nur) so lange ausgeschlossen, bis der für die Streitteile zuständige Fachverband der Wirtschaftskammer Österreich den Versuch unternommen hat, im Konflikt zwischen den Parteien eine einvernehmliche Regelung herbeizuführen (4 Ob 203/12z ErwGr 2.1.).
[11] 6. Nach § 528 Abs 2 Z 3 ZPO ist ein Rekurs gegen Entscheidungen der zweiten Instanz über den Kostenpunkt ausgeschlossen. Das Gericht zweiter Instanz entscheidet in allen mit Kostenansprüchen zusammenhängenden Fragen endgültig (RS0044233); die Anrufung des Obersten Gerichtshofs im Kostenpunkt ist daher ausgeschlossen. Der Revisionsrekurs war daher als absolut unzulässig zurückzuweisen, soweit er sich gegen die Kostenentscheidung des Rekursgerichts wendet.
Textnummer
E129302European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:0030OB00106.20I.0818.000Im RIS seit
13.10.2020Zuletzt aktualisiert am
28.10.2020