Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Helmut Purker (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Karl Schmid (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei D*****, vertreten durch Mag. Andreas Wimmer, Rechtsanwalt in Hallein, gegen die beklagte Partei B***** GmbH, *****, vertreten durch Pallauf Meissnitzer Staindl & Partner, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen 6.148,57 EUR brutto sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20. Mai 2020, GZ 11 Ra 19/20y-21, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Im Revisionsverfahren ist nicht strittig, dass die bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses von der klagenden Arbeitnehmerin eingehaltene Kündigungsfrist nicht der vertraglich vereinbarten entsprochen hat.
1. Die in der Revision aufgeworfene Frage, ob eine fristwidrige Kündigung einem unberechtigten Austritt iSd § 10 Abs 2 UrlG gleichzuhalten ist, stellt sich im konkreten Fall nicht.
2. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass zwischen den Parteien eine Vereinbarung über die Auszahlung der Urlaubsersatzleistung zustande gekommen ist.
Rechtliche Beurteilung
Ob ein bestimmtes willentliches Verhalten als Willenserklärung zu beurteilen ist, ist ein Ergebnis der Auslegung. Maßgeblich ist, ob nach dem objektiven Erklärungswert des Verhaltens eine die Rechtslage gestaltende Erklärung mit Bindungswirkung vorliegt (RIS-Justiz RS0102748). Für die Auslegung von Verträgen, aber auch für die Frage der Abgrenzung zwischen einer Willenserklärung und einer bloßen Wissenserklärung ist nun nicht der Wille der einen oder anderen Partei maßgeblich, sondern wie die Äußerungen vom Erklärungsempfänger nach den Umständen objektiv zu verstehen waren (vgl RS0014160; RS0113932).
3. In den von der Beklagten verwendeten Standarddienstverträgen ist ausdrücklich festgehalten, dass vereinbart wird, dass während der Kündigungsfrist ein erworbener Urlaubsanspruch verbraucht wird, soweit dies während dieser Zeit möglich und zumutbar ist. Dessen ungeachtet wurde die Klägerin bei Übergabe der Kündigung vom Geschäftsführer der Beklagten ausdrücklich ersucht, keinen Urlaub zu verbrauchen, womit sie sich unter Hinweis darauf einverstanden erklärte, dass der Urlaub dann auszuzahlen sei. Wenn das Berufungsgericht im Hinblick auf diese Gesamtumstände die Rechtsauffassung vertritt, dass die Klägerin diese Vereinbarung als Zusage der Auszahlung der Urlaubsersatzleistung für den auf Wunsch der Beklagten nicht konsumierten Urlaub verstehen durfte, hält sich dies im Rahmen des gesetzlich eingeräumten Ermessensspielraums.
Darauf, ob es dem Geschäftsführer der Beklagten zu diesem Zeitpunkt bewusst war, dass die von der Klägerin eingehaltene Kündigungsfrist unrichtig war und der Klägerin keine Urlaubsersatzleistung zusteht, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Aufgrund des Vertrags hatte sie jedenfalls einen Anspruch auf Urlaubskonsumation, von dem sie auf Ersuchen des Arbeitgebers keinen Gebrauch machte.
4. Im Hinblick auf diese Vereinbarung muss die Frage, inwieweit § 10 Abs 2 UrlG mit Art 31 Abs 2 Charta der Grundrechte der Europäischen Union und Art 7 Arbeitszeit-Richtlinie 2003/88/EG zu vereinbaren ist, nicht geprüft werden.
5. Zur Vereinbarung einer Konventionalstrafe für den Fall des unberechtigten Austritts hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass schon vom Wortlaut her diese Vereinbarung den Fall einer fristwidrigen Kündigung nicht umfasst. Mit dieser Argumentation setzt sich die Beklagte nicht auseinander.
In der Revision wird nur darauf verwiesen, dass aufgrund der Tatsache, dass, da die Klägerin trotz entsprechenden Hinweises auf die unrichtige Frist beharrt habe, von einem unberechtigten Austritt auszugehen sei. Dabei übergeht die Beklagte, dass nach den Feststellungen die Klägerin annahm, die richtige Kündigungsfrist einzuhalten und weder bei Ausspruch der Kündigung noch während der Kündigungsfrist auf ihren Irrtum hingewiesen wurde. Erst als sie sich am letzten Tag des Arbeitsverhältnisses verabschiedete, erklärte ihr der Geschäftsführer der Beklagten, dass sie einen unberechtigten Austritt vornehme. Dass die Vorinstanzen vor diesem Hintergrund nicht von einer „mangelnden Akzeptanz“ bzw einer „beharrlichen Ablehnung“ der richtigen Frist durch die Klägerin ausgegangen sind, ist nicht zu beanstanden.
6. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).
Textnummer
E129297European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:008OBA00078.20H.0825.000Im RIS seit
13.10.2020Zuletzt aktualisiert am
21.04.2021