TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/23 W120 2183616-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.04.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

23.04.2020

Norm

AMD-G §2 Z4
B-VG Art133 Abs4
TKG 2003 §117
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W120 2183616-1/29E

im namen der republik

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Christian Eisner als Vorsitzenden sowie die Richter Mag. Eduard Hartwig Paulus und Mag. Walter Tolar als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX gegen den Bescheid der Telekom-Control-Kommission vom 18.12.2017, R 3/16-39, betreffend Feststellung der Verletzung von Bestimmungen der TSM-VO und Anordnung von Maßnahmen nach Durchführung einer öffentlich mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die ordentliche Revision ist zulässig.

Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.       Am 30.04.2016 trat ein Großteil der Bestimmung der Verordnung (EU) 2015/2120 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über Maßnahmen zum Zugang zum offenen Internet und zur Änderung der Richtlinie 2002/22/EG über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten sowie der Verordnung (EU) Nr 531/2012 über das Roaming in öffentlichen Mobilfunknetzen in der Union (TSM-VO) in Kraft.

Mit Beschluss der belangten Behörde vom 10.10.2016 wurde ein Verfahren gemäß Art 5 Abs 1 TSM-VO amtswegig eingeleitet. Diesem Verfahren ging ein Verfahren nach § 90 Abs 1 Z 2 TKG 2003 („Auskunftsverfahren") der RTR-GmbH zur amtswegigen Ermittlung der konkreten Eigenschaften bzw. technischen und/oder kommerziellen Ausgestaltung von Diensten bzw. Produkten der beschwerdeführenden Partei, die eventuell mit den Bestimmungen der TSM-VO inkompatibel sind, voraus.

Der Inhalt dieses Verfahrens wurde zum Akt des gegenständlichen Verfahrens genommen und der beschwerdeführenden Partei mit Schreiben vom 13.10.2016 im vorliegenden Verfahren erneut zur Kenntnis gebracht.

Mit selbigem Schreiben wurde die beschwerdeführende Partei aufgefordert, die dort vorgehaltenen mutmaßlichen Verstöße binnen unterschiedlicher Fristen abzustellen. Gleichzeitig wurde der beschwerdeführenden Partei Gelegenheit eingeräumt, eine Stellungnahme zu den Vorhalten abzugeben, welche am 05.12.2016 bei der belangten Behörde einlangte. In dieser Stellungnahme wurde von der beschwerdeführenden Partei die Stellung eines Vorabentscheidungsersuchens gemäß Art 267 AEUV an den Gerichtshof der Europäischen Union in Hinblick auf bestimmte Auslegungsfragen der TSM-VO angeregt.

In weiterer Folge wurde von der belangten Behörde folgender Gutachtensauftrag erteilt:

„Gemäß § 52 AVG werden Dr. XXXX , DI XXXX und Mag. XXXX zu Amtssachverständigen bestellt und mit der Erstellung eines Gutachten bis zum 19.06.2017 zu folgendem Thema beauftragt:

Besteht bei der Erbringung eines Videoabrufdienstes (Video on Demand-Dienst) die Notwendigkeit einer technischen Optimierung, um die Anforderungen an die Qualität des Inhalts, der Anwendungen oder des Dienstes oder einer Kombination derselben an ein bestimmtes Qualitätsniveau zu erfüllen, das über das Qualitätsniveau eines Internetzugangsdienstes hinausgeht und damit die Verwendung eines anderen Dienstes, der kein Internetzugangsdienst ist (sog ‚Spezialdienst‘ iSd Art 3 Abs 5 VO (EU) 2015/2120), erfordert? Dabei sind insbesondere auch mögliche Substitutionsverhältnisse zwischen vergleichbaren Videoabrufdiensten zu berücksichtigen.“

Das Gutachten der Amtssachverständigen aus Juni 2017 wurde der beschwerdeführenden Partei mit Schreiben vom 28.06.2017 zur Kenntnis- und Stellungnahme übermittelt. Gleichzeitig wurde die beschwerdeführende Partei in diesem Schreiben aufgefordert, den in Spruchpunkt 1.4 des angefochtenen Bescheides bezeichneten Mangel der Verrechnung einer zusätzlichen Gebühr für die Zuteilung dynamisch-öffentlicher IPv4-Adressen an Endnutzer in ihrem Mobilnetz bis zum 09.08.2017 abzustellen bzw. binnen selbiger Frist eine Stellungnahme zu diesem Vorhalt abzugeben.

Nach Fristerstreckung erstattete die beschwerdeführende Partei am 07.09.2017 eine Stellungnahme sowohl zum Gutachten der Amtssachverständigen als auch zum Vorhalt iSd Spruchpunktes 1.4 des angefochtenen Bescheides. Die beschwerdeführende Partei regte erneut die Stellung eines Vorabentscheidungsersuchens an und führte weiters aus, dass die belangte Behörde für das gegenständliche Verfahren überhaupt nicht zuständig sei.

2.       Mit dem angefochtenen Bescheid entschied die belangte Behörde wie folgt:

„1 Folgende Verstöße der XXXX gegen die VO (EU) 2015/2120 werden festgestellt:

1.1 XXXX bietet im Rahmen ihres Bündelproduktes ‚ XXXX ‘ einen Videoabrufdienst (Videostreaming- bzw Video-on-Demand Dienst) an, der von XXXX iSd Art 3 Abs 5 VO (EU) 2015/2120 in Form eines anderen Dienstes, der kein Internetzugangsdienst ist und der für bestimmte Inhalte, Anwendungen oder Dienste oder eine Kombination derselben optimiert ist (‚Spezialdienst‘), erbracht wird. Hinsichtlich dieses Videoabrufdienstes liegt die von Art 3 Abs 5 leg cit geforderte Notwendigkeit einer Optimierung des Dienstes, um den Anforderungen der Inhalte, Anwendungen oder Dienste an ein bestimmtes Qualitätsniveau zu genügen, jedoch nicht vor, wodurch XXXX gegen Art 3 Abs 5 leg cit verstößt.

1.2 XXXX verstößt durch die in Spruchpunkt 1.1 bezeichnete Handlung auch gegen Art 3 Abs 3 UAbs 1 u 3 VO (EU) 2015/2120, in dem sie durch die unzulässige Optimierung (Priorisierung ggü sonstigem Datenverkehr des Internetzugangs) des Videoabrufdienstes des Bündelproduktes ‚ XXXX ‘, den Verkehr bei der Erbringung von Internetzugangsdiensten entgegen Art 3 Abs 3 UAbs 1 leg cit ungleich behandelt bzw diskriminiert, indem sie ihren eigenen Videoabrufdienst ohne Rechtfertigung iSd Art 3 Abs 5 leg cit gegenüber allen anderen Diensten, Inhalten oder Anwendungen einer Priorisierung/Optimierung beim Datentransport unterzieht. Hiermit verstößt XXXX auch gegen Art 3 Abs 3 UAbs 3 VO (EU) 2015/2120, weil sie durch die unzulässige Priorisierung/Optimierung ihres Videoabrufdienstes gleichzeitig alle anderen Dienste, Inhalte oder Anwendungen verlangsamt, einschränkt, verschlechtert und diskriminiert.

1.3 XXXX verstößt gegen Art 3 Abs 1 u 2 VO (EU) 2015/2120, indem sie das Recht von Endnutzern Anwendungen und Dienste selbst bereitzustellen, dadurch unzulässig einschränkt, indem sie IP-Verbindungen von Endnutzern, die Privatkundeninternetzugangsdienste von XXXX beziehen, nach 24 Stunden Verbindungsdauer automatisch trennt. Hiermit verstößt XXXX gleichzeitig auch gegen Art 3 Abs 3 TSM-VO, da sie mit dieser Praktik jene Dienste bzw Anwendungen, die der Endnutzer selbst bereitstellt, stört.

1.4 XXXX verstößt gegen Art 3 Abs 1 u 2 VO (EU) 2015/2120, indem sie das Recht von Endnutzern Anwendungen und Dienste selbst bereitzustellen, dadurch unzulässig einschränkt, indem sie jenen Endnutzern, die Internetzugangsdienste über das Mobilnetz der XXXX beziehen, eine für das Bereitstellen von Anwendungen und Diensten notwendige (zumindest) dynamisch-öffentliche IPv4-Adresse nur gegen ein zusätzliches (zum Entgelt für den Internetzugangsdienst) Entgelt und nur bei Buchung des Produktes ‚ XXXX ‘ zuteilt.

2 Gemäß Art 5 Abs 1 VO (EU) 2015/2120 werden XXXX aufgrund der in Spruchpunkt 1 festgestellten Verstöße zur Sicherstellung der Einhaltung des Art 3 leg cit folgende notwendigen und geeigneten Maßnahmen vorgeschrieben:

2.1 Hinsichtlich der in den Spruchpunkten 1.1 und 1.2 festgestellten Verstöße wird XXXX verpflichtet, binnen einer Frist von drei Jahren ab Zustellung dieses Bescheides die Optimierung (Priorisierung ggü sonstigem Datenverkehr des Internetzugangs) des im Rahmen ihres Bündelproduktes ‚ XXXX ‘ erbrachten Videoabrufdienstes (Videostreaming- bzw Video-on-demand Dienstes) zu beenden.

2.2 Hinsichtlich des in Spruchpunkt 1.3 festgestellten Verstoßes wird XXXX verpflichtet, binnen sechs Monaten ab Zustellung dieses Bescheides die automatische Trennung von IP- Verbindungen von Endnutzern nach 24 Stunden zu unterlassen und die Verbindungsdauer bis zur automatischen Trennung der IP-Verbindung auf 31 Kalendertage auszuweiten.

2.3 Hinsichtlich des in Spruchpunkt 1.4 festgestellten Verstoßes wird XXXX verpflichtet, binnen acht Wochen ab Zustellung dieses Bescheides Endnutzern, die Internetzugangsdienste über XXXX beziehen, zumindest auf deren Wunsch eine öffentliche IP-Adresse zuzuteilen, ohne für die Zuweisung einer dynamisch-öffentlichen IP-Adresse ein zusätzliches Entgelt (zusätzlich zum Entgelt für den Internetzugang) zu verrechnen. Bereits eingehobene Entgelte hierfür sind rückwirkend bis 30.04.2016 binnen drei Monates ab Bescheidzustellung den jeweiligen Endnutzern zurückzuzahlen.

3 XXXX hat der Regulierungsbehörde über den Fortgang der Umsetzung der Maßnahmen nach Spruchpunkt 2.1 in sechsmonatigem Rhythmus ab Zustellung dieses Bescheides und hinsichtlich der Spruchpunkte 2.2 und 2.3 spätestens nach Ende der Umsetzung zu den angeordneten Maßnahmen zu berichten.

4 Die im gegenständlichen Verfahren von XXXX gestellten Anträge (‚Anregungen auf Vorabentscheidungsersuchen‘) werden zurückgewiesen.“

2.1.    Begründend wurde zu den festgestellten Rechtsverstößen im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

2.1.1.  Zum Produkt „ XXXX " (Spruchpunkte 1.1, 1.2 und 2.1 des angefochtenen Bescheides):

Die beschwerdeführende Partei priorisiere in ihrem Bündelprodukt „ XXXX " sowohl den darin enthaltenen live-IPTV-Dienst als auch den darin enthaltenen Videoabrufdienst („Catch-Up-TV", Videothek) bei der Übertragung über die von ihr angebotenen festen Internetzugangsdienste (IAS). Für beide Dienste werde eine bestimmte Bandbreite auf dem IAS reserviert, wobei diese Reservierung solange aufrecht bleibe, solange die Set-Top-Box (STB) beim Kunden eingeschaltet sei.

In rechtlicher Hinsicht sei daher zu klären, ob hinsichtlich der Einzeldienste in „ XXXX " die Voraussetzungen für das Vorliegen jeweils eines Spezialdienstes gegeben und somit dessen jeweilige Priorisierung zulässig sei, oder ob eine unzulässige Priorisierung vorliege, die einen Verstoß gegen Art 3 Abs 3 UAbs 3 und Abs 5 TSM-VO begründe.

Bezüglich des Videoabrufdienstes liege weder eine technische noch eine kommerzielle Notwendigkeit vor, diesen Dienst zu optimieren (priorisieren), um ein Qualitätsniveau zu erfüllen, das über jenes der „normalen" (nicht priorisierten, „best-effort") Datenübertragung eines IAS hinausgehe.

Daraus folge in rechtlicher Hinsicht, dass die beschwerdeführende Partei durch die Priorisierung des Videoabrufdienstes beim Datentransport über ihre festen IAS gegen Art 3 Abs 5 der TSM-VO verstoße, da dieser die Priorisierung eben nur dann gestatte, wenn die entsprechend objektiven Notwendigkeiten vorliegen würden.

Ebenso verstoße die beschwerdeführende Partei mit diesem Faktum gegen Art 3 Abs 3 TSM-VO, da jede Priorisierung von einzelnen oder mehreren Diensten gleichzeitig auch eine Verlangsamung, Verschlechterung, Einschränkung und Diskriminierung aller anderen über den IAS erreichbaren Dienste bedeute. Da für diese Verlangsamung, Verschlechterung, Einschränkung und Diskriminierung alle anderen (verbleibenden) Dienste und Anwendungen keine Rechtfertigung durch Art 3 Abs 5 TSM-VO – mangels Spezialdiensteeigenschaft des Videoabrufdienstes – vorliege, verstoße die beschwerdeführende Partei auch gegen die in Art 3 Abs 3 TSM-VO genannten Verbote.

Zu den Einwendungen der beschwerdeführenden Partei zur Kundenerwartung und Bündelproduktbetrachtung:

Wenn die beschwerdeführende Partei einwende, dass die Prüfung des Vorliegens eines Spezialdienstes nur auf Basis des gesamtheitlichen Services „ XXXX " erfolgen dürfe, da die Komponenten Video-on-Demand (VoD) und live-TV „untrennbar" miteinander verbunden seien, sei auszuführen, dass die Kundenerwartung allein von der beschwerdeführenden Partei selbst durch die technische Realisierung des in Rede stehenden Dienstes bzw. dessen Bewerbung gesteuert werde sowie daher bei der Beurteilung der objektiven Notwendigkeit der Optimierung irrelevant sei. Vielmehr dürfe die generierte (entsprechend hohe) Kundenerwartung an die Qualität nur Ausfluss eines (zulässigerweise) als Spezialdienst erbrachten Dienstes sein, nicht umgekehrt.

Dies bedeute, dass ein Internet Service Provider (ISP) wie die beschwerdeführende Partei ihren Endnutzern nur dann überhaupt eine Zusage über dieses Qualitätsniveau, das „höher" sei als jenes eines „normalen" Internetzugangs, machen dürfe, wenn der Dienst die objektiven Voraussetzungen für einen Spezialdienst erfülle. Hierzu sei festzuhalten, dass die beschwerdeführende Partei diese Zusage einer besonderen Qualität an die Endnutzer gar nicht tätige: Es gebe in den bezughabenden Leistungsbeschreibungen und Entgeltbestimmungen keine vertragliche Zusage eines bestimmten, über den normalen Internetzugangsdienst hinausgehenden Qualitätsniveaus. Auch aus diesem Grund müsse das Argument der Kundenerwartung der beschwerdeführenden Partei ins Leere gehen, da diese ihren Kunden gar kein besseres Qualitätsniveau als jenes eines Internetzugangsdienstes zugesagt habe. Da Spezialdienste iSd Art 3 Abs 5 TSM-VO aber keinen Selbstzweck darstellen würden, die die Diensteerbringung für den ISP möglichst einfach oder kostengünstig machen sollten, müsste von dem einem Spezialdienst inhärenten erhöhten Qualitätsniveau auch etwas „beim Kunden tatsächlich ankommen". Da eine solche vertragliche Zusage aber gänzlich fehle, spreche auch dieses Faktum gegen das Vorliegen eines Spezialdienstes.

Zur Frage der Produktbündelung sei festzuhalten, dass aus wettbewerblichen Erwägungen kein Grund bestehe, das Produktbündel „ XXXX TV " als Ganzes iSd Art 3 Abs 5 TSM-VO zu beurteilen, wenn doch im Internet zahlreiche Alternativdienste existieren würden, die technisch und kommerziell problemlos nur eine der Komponenten von „ XXXX TV " anbieten würden.

Auch sei den Erwägungsgründen der TSM-VO als auch den entsprechenden Guidelines nicht zu entnehmen, dass bei der Beurteilung nach Art 3 Abs 5 TSM-VO auf kommerzielle Produktbündel abgestellt werden sollte. Vielmehr sei nach den zitierten Erläuterungen auf den spezifischen Dienstetypus – im gegenständlichen Fall ein Videoabrufdienst – abzustellen. Der Vorwurf der „Salamitaktik" sei insbesondere schon deshalb unbegründet, als die Betrachtung von Einzeldiensten in Produktbündeln letztlich an der technischen Selbstständigkeit der Einzeldienste ihre Grenze finde.

Weiters sei zu ergänzen, dass die Einzeldienste in „ XXXX TV " auch schon in rechtlicher Hinsicht unterschiedlichen Regulierungen unterworfen seien: Während der live-IPTV-Dienst im Zuge von „ XXXX TV " als Dienst, der über ein Kommunikationsnetz iSd § 3 Z 1 TKG 2003 („Kabelweiterverbreitung") erbracht werde, zu qualifizieren sei und einer Anzeigepflicht bei der KommAustria nach § 25 TKG 2003 unterliege, sei der Videoabrufdienst iSd § 2 Z 4 AMD-G ein audiovisueller Mediendienst auf Abruf, der nach Anzeige eine andere regulatorische Behandlung erfahre.

Zur angeordneten Maßnahme und zur Setzung der Beendigungsfrist:

Hinsichtlich „ XXXX TV " komme als geeignete und notwendige Maßnahme zur Herstellung eines der TSM-VO entsprechenden Zustandes nur die Untersagung der nach Art 3 Abs 3 und 5 TSM-VO unzulässigen Priorisierung des Videoabrufdienstes in Frage. Alternative Maßnahmen, die ebenfalls einen der TSM-VO entsprechenden rechtskonformen Zustand herstellen würden, seien nicht ersichtlich. Es sei daher gegenüber der beschwerdeführenden Partei anzuordnen gewesen, die Optimierung (Priorisierung gegenüber sonstigem Datenverkehr des Internetzugangs) des im Rahmen ihres Bündelproduktes „ XXXX TV " erbrachten Videoabrufdienstes zu beenden.

Berücksichtige man, dass die Priorisierung des Videoabrufdienstes innerhalb „ XXXX TV " bereits mit dem 30.04.2016 rechtswidrig geworden sei, und somit bis zur tatsächlichen Beendigung des Rechtsverstoßes durch die beschwerdeführende Partei insgesamt fast fünf Jahre seit Inkrafttreten von Art 3 TSM-VO vergangen seien, erscheine ein Zeitraum für die Beendigung von drei Jahren ab Bescheidzustellung realistisch und verhältnismäßig.

2.1.2.  Zur Trennung von IP-Verbindungen nach 24 Stunden (Spruchpunkte 1.3 und 2.2 des angefochtenen Bescheides):

Art 3 Abs 1 TSM-VO lege Rechte der Endnutzer bei Nutzung von IAS fest und beinhalte auch das Recht des Endnutzers – ohne unnötige Einschränkungen – selbst Dienste und Anwendungen bereitzustellen. Als Beispiel für Dienste, die realistischer Weise von Endnutzern für sich oder andere (auch bei Privatkundenprodukten) bereitgestellt werden könnten, seien Webserver für Webseiten, Blogs, „Smart-Home-Systeme", IP-Alarmanlagen oder IP-Kamera-Systeme zu nennen. Diesbezüglich sei eine möglichst dauerhaft aufrechte IP-Verbindung notwendig. Die beschwerdeführende Partei trenne jedoch IP-Verbindungen ihrer Nutzer netzseitig nach 24 Stunden; dies unabhängig davon, ob gerade ein Datenverkehr stattfinde oder nicht. Stelle nun ein Endnutzer selbst Dienste bereit, werde diese Möglichkeit zur Bereitstellung des Dienstes alle 24 Stunden unterbrochen.

Selbst wenn der Endnutzer eine automatische Wiederverbindung der IP-Verbindung in seinen Endgeräten konfiguriert habe, sei er zum einen für wenige Minuten offline und zum anderen erhalte er nach der Wiederverbindung in der Regel eine andere dynamisch-öffentliche IPv4-Adresse zugewiesen. Dies bedeute eine tägliche, mehrminütige Unterbrechung der Möglichkeit Dienste selbst bereitzustellen und somit eine Einschränkung der Rechte nach Art 3 Abs 1 TSM-VO.

Die beschwerdeführende Partei bestreite zwar die Trennung der IP-Verbindung ihrer Internetzugangsdienste nach 24 Stunden nicht, jedoch bringe diese vor, dies „begünstige" den Schutz der Privatsphäre ihrer Endnutzer bzw. schütze diese vor fortgesetzten Cyber Angriffen (zB Denial-of-Serive, „DoS"-Angriffe). Es sei daher davon auszugehen, dass eine Ausweitung der maximalen Verbindungsdauer technisch möglich sei.

Zum Schutz vor fortgesetzten Angriffen sei festzuhalten, dass die regelmäßige Trennung der IP-Verbindung keinen zwingenden positiven Schutzeffekt haben könne. Dies sei damit zu begründen, dass zielgerichtete „DoS“-Angriffe auf einzelne Privatkunden zum einen sehr selten seien und zum anderen von diesen letztlich auch schnell bemerkt werden könnten (Nicht-Funktion des IAS). Trenne der Endnutzer dann manuell die IP-Verbindung, werde auch eine neue IP-Adresse zugewiesen, wodurch der Angriff ins Leere laufe. Weiters verfüge ein Gutteil der Endnutzer der beschwerdeführenden Partei ohnehin nur über eine private IP-Adresse und sei somit schon vor Angriffen geschützt. Außerdem verkenne die beschwerdeführende Partei, wenn diese sich um die Cyber-Sicherheit ihrer Endnutzer sorge, dass diese ohnehin gemäß Art 3 Abs 3 lit b TSM-VO zur Abwehr von die Netzsicherheit oder -integrität gefährdenden Angriffen (auch auf Endgeräte von einzelnen Endnutzern) verpflichtet sei. Diese Abwehrmaßnahmen müssten aber auf tatsächliche Angriffe begrenzt bleiben, nur für die zur Abwehr notwendige Dauer aufrechterhalten werden und überdies verhältnismäßig seien. Die automatische Trennung der IP-Verbindung nach 24 Stunden sei aber unabhängig von einem tatsächlichen Angriff, werde dauerhaft aufrechterhalten und sei auch kaum verhältnismäßig, weil ohne realistisches Bedrohungsszenario allen Endnutzern gegenüber die Rechte des Art 3 Abs 1 TSM-VO einschränkende Maßnahmen ergriffen werden würden. Eine Rechtfertigung durch Art 3 Abs 3 lit b TSM-VO liege daher nicht vor.

Auch dem Vorbringen, diese Maßnahme diene dem Schutz der Privatsphäre der Nutzer, sei eine Absage zu erteilen: Das „Webtracking" von Nutzern bzw. das Erstellen von Nutzerprofilen finde nach allgemein zugänglichen Informationen nicht mehr allein anhand der IP-Adresse statt. Dies auch deshalb, weil die beschwerdeführende Partei einem Gutteil ihrer Endnutzer nur noch private IP-Adressen zuweise. Das bedeute aber, dass sich hinter einer für den „Tracker" sichtbaren öffentlichen IP-Adresse hunderte Endnutzer mit privater IP-Adresse finden könnten. Ein „Nutzertracking", das eine solche Akkuranz von eins zu mehreren hundert aufweise, erscheine kaum verwertbar. Es sei davon auszugehen, dass „Trackern" daher technisch wesentlich zielführendere Möglichkeiten zur Verfügung stehen würden, um Nutzerprofile zu generieren und IP-Adressen hierbei nur eine Randrolle (zB bei der geographischen Verortung des Nutzers) spielen würden.

Darüber hinaus berechtige die Absicht, die Privatsphäre ihrer Nutzer schützen zu wollen, die beschwerdeführende Partei nicht dazu, gegen Art 3 Abs 1 TSM-VO verstoßende Praktiken einzusetzen. Dem Verweis der beschwerdeführenden Partei, dass eine Ausnahme iSd Art 3 Abs 3 lit a TSM-VO durch die Bestimmungen des DSG 2000 bzw. der DSGVO vorliege und sie deshalb geradezu verpflichtet sei, diese Maßnahme vorzunehmen, sei schon dadurch zu entkräften, als die Qualifikation der Erbringung eines IAS, also die Zurverfügungstellung einer reinen Zugangsleistung zum Internet per se als Verarbeitung iSd Art 4 Abs 2 DSGVO von vornherein zweifelhaft erscheine. Die Nutzung des Internetzugangs durch den Endnutzer selbst stelle wohl aber keine Verarbeitung dar, die entsprechend nach der DSGVO zu sichern wäre. Doch selbst wenn die Trennung der IP-Verbindung überhaupt einen „positiven" Effekt auf die Datenschutzsituation der Endnutzer hätte (was nicht festgestellt habe werden können), wäre die lediglich allgemein gefasste Bestimmung des Art 25 DSGVO keine taugliche Ausnahme iSd Art 3 Abs 3 lit a TSM-VO. Art 25 DSGVO setze aber keineswegs Maßnahmen voraus, die zwingend nur durch Einschränkung der Rechte nach Art 3 Abs 1 TSM-VO bzw. durch gegen Art 3 Abs 3 TSM-VO verstoßende Maßnahmen zu realisieren seien. Die Bestimmung lasse keine andere Möglichkeit zu, als bestimmte von Art 3 Abs 3 UAbs 3 TSM-VO eigentlich verbotene Maßnahmen zu ergreifen, um dem Gesetz Genüge zu tun. Dies treffe auf Art 25 DSGVO nicht zu.

Letztlich sei daher als geeignete und notwendige Maßnahme anzuordnen gewesen, die Verbindungsdauer für IP-Verbindungen insoweit auszuweiten, als dass Endnutzer nur im betrieblich geringsten notwendigen Umfang in der Ausübung ihrer Rechte nach Art 3 Abs 1 TSM-VO eingeschränkt werden würden. Dass die Ausübung dieser Rechte nicht absolut ohne Einschränkungen möglich sei, ergebe sich grundsätzlich schon aus der technischen Natur eines IAS, da insbesondere Störungen am Internetzugangsdienst auftreten könnten oder ein ISP auch technisch notwendige Wartungsarbeiten durchführen müsse. Art 3 Abs 1 TSM-VO sei daher so zu verstehen, dass unter Berücksichtigung betrieblicher Notwendigkeiten bei Bereitstellung eines IAS, ein Endnutzer die geringstmögliche Einschränkung seiner Rechte nach Art 3 Abs 1 TSM-VO erfahre. Diese Abwägung sei im gegenständlichen Fall so zu treffen, dass als Maßnahme iSd Art 5 Abs 1 TSM-VO die Ausweitung der Dauer der IP-Verbindung auf 31 Kalendertage anzuordnen gewesen sei.

2.1.3.  Zum Produkt „ XXXX " :

Der Endnutzer habe gemäß Art 3 Abs 1 TSM-VO das Recht, selbst Dienste bereitzustellen. Vereinbarungen über kommerzielle Praktiken oder technische Merkmale nach Art 3 Abs 2 TSM-VO dürften die Ausübung der Reche nach Art 3 Abs 1 TSM-VO nicht einschränken. Für das Bereitstellen von eigenen Diensten oder Anwendungen benötige der Endnutzer aber eine zumindest dynamisch-öffentliche IPv4-Adresse, die ihm von seinem ISP zugewiesen werde. Damit jenen Endnutzern, die einen Vertrag über einen IAS im Mobilfunknetz der beschwerdeführenden Partei geschlossen hätten, eine solche Adresse zugewiesen werde, verlange die beschwerdeführende Partei die Buchung der Zusatzoption „ XXXX ". Diese Option werde mit EUR XXXX monatlich, zusätzlich zum Grundentgelt für den IAS, verrechnet.

Der Argumentation der beschwerdeführenden Partei, dass es daher zulässig sei, für die Zuweisung einer öffentlichen IPv4-Adresse ein angemessenes Entgelt zu verlangen, sei schon deshalb nicht zu folgen, da das Recht der Endnutzer, Dienste selbst anzubieten, in Art 3 Abs 1 TSM-VO ausdrücklich und unbedingt geregelt sei und Vereinbarungen nach Art 3 Abs 2 TSM-VO die Ausübung der Rechte nach Art 3 Abs 1 TSM-VO nicht einschränken dürften. Da ein Endnutzer Dienste oder Anwendungen grundsätzlich nur dann selbst bereitstellen könne, wenn er zumindest über eine dynamisch-öffentliche IP-Adresse verfüge, schränke die Vereinbarung eines zusätzlichen Entgeltes für diese IP-Adresse die Ausübung der Rechte nach Art 3 Abs 1 TSM-VO ein und sei daher unzulässig. Es ist vielmehr Sache des ISP nur Internetzugangsdienste bereitzustellen, die die Ausübung des „Grundsets" an Rechten des Art 3 Abs 1 TSM-VO grundsätzlich ermöglichen würden. Art 3 Abs 2 TSM-VO schränke dies nur insoweit ein, als einige wenige explizit genannte Vereinbarungen, wie über den Preis des IAS, dessen Geschwindigkeit und dessen Datenvolumen, auch unter Art 3 Abs 1 TSM-VO als zulässig erachtet werden würden. Mit dieser Bestimmung werde sichergestellt, dass die grundsätzliche Art des kommerziellen Verkaufs der Grundleistungen von IAS nicht durch die Bestimmungen der TSM-VO verunmöglicht werde. Die Einhebung einer zusätzlichen Gebühr für die Gewährung eines technischen Merkmals des IAS (dynamisch-öffentliche IP-Adresse), bei dessen Nicht-Bereitstellung der Endnutzer sein Recht, selbst Dienste bereitzustellen, überhaupt nicht ausüben könne, sei davon jedoch von Art 3 Abs 2 TSM-VO zweifelsfrei nicht gedeckt und schränke die Ausübung der Rechte nach Art 3 Abs 1 TSM-VO unzulässig ein.

Es sei daher als geeignete und notwendige Maßnahme anzuordnen, dass die Verrechnung des Produktes „ XXXX " zu unterbleiben habe und die seit Inkrafttreten der TSM-VO am 30.04.2016 zu Unrecht eingehobenen Entgelte für dieses Produkt den betroffenen Endnutzern zurückzuerstatten seien. Die Anordnung der Rückzahlung dieser Entgelte sei als geeignete und notwendige Maßnahme erforderlich, da nur so auch zukünftig die Einhaltung der Bestimmungen des Art 3 Abs 1 TSM-VO sichergestellt werden könne. Würde diese nicht angeordnet werden, und dürfte ein ISP somit die unter Verstoß gegen die TSM-VO zu Unrecht eingehobenen Entgelte behalten, könnte aufgrund der Tatsache, dass Verfahren zur Überprüfung der TSM-VO nur ex post geführt werden könnten und schon aus rechtsstaatlichen Erwägungen eine gewisse Mindestdauer aufweisen müssten, ein ISP in strukturellen Verletzungen der TSM-VO durch Verrechnung solcher Entgelte ein Geschäftsmodell erblicken.

2.1.4.  Zu den auferlegten Berichtspflichten (Spruchpunkt 3 des angefochtenen Bescheides)

:

Zur Sicherstellung der Umsetzung der angeordneten geeigneten und notwendigen Maßnahmen, sei es erforderlich, der beschwerdeführenden Partei in Hinblick auf die angeordneten Fristen der Spruchpunkte 2.1 bis 2.3 des angefochtenen Bescheides Berichtspflichten aufzuerlegen. Aus verfahrensökonomischen Gründen sei dieser ohnehin sehr wenig eingriffsintensiven Verpflichtung der Vorzug vor regelmäßigen Auskunftsanforderungen gemäß Art 5 Abs 2 TSM-VO zu geben. Für die beschwerdeführende Partei sei somit auch der konkrete Verlauf der Überprüfung der Einhaltung der auferlegten Maßnahmen ex ante ersichtlich, vorhersehbar und planbar.

2.1.5.  Zu den Vorlageanregungen der beschwerdeführenden Partei (Spruchpunkt 4

des angefochtenen Bescheides):

Hierzu sei festzuhalten, dass die belangte Behörde nur in solchen Fällen an den Gerichtshof der Europäischen Union vorlagebefugt sei, in denen sie einen „Streitfall" zwischen Parteien zu erledigen habe (zB in Zusammenschaltungsverfahren, Leitungsrechtsverfahren etc.). Im hier vorliegenden Fall handle die belangte Behörde jedoch iSd Art 267 AEUV nicht (quasi) richterlich, sondern bloß verwaltungspolizeilich, weshalb Art 267 AEUV hier nicht einschlägig sei (vgl. EuGH 06.10.2005, C-256/05 zur Vorgängerbestimmung ex-Art 234 EG). Die als Anträge zu verstehenden „Anregungen" seien daher zurückzuweisen gewesen.

3.       Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde vom 16.01.2018.

3.1.    Die beschwerdeführende Partei erachte sich in folgenden subjektiven Rechten als verletzt:

„ihren Dienst XXXX TV auch hinsichtlich der Catch-Up-Funktion und der Live-TV-Komponente mit Optimierung (Priorisierung gegenüber sonstigem Datenverkehr des Internetzugangs) anzubieten,

ihre dynamischen IP-Adressen für Zeiträume unter 31 Tagen an Teilnehmer zu vergeben, insbesondere alle 24 Stunden,

für die Zuweisung öffentlicher IP-Adressen ein angemessenes Entgelt zu verrechnen,

bereits eingehobene Entgelte nicht an Kunden zurücküberweisen zu müssen,

[in] ihr[em] Recht auf Eigentum und

[in] ihr[em] Recht auf unternehmerische Freiheit.“

3.2.    Begründend wurde im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

3.2.1.  Die VoD- und Catch-Up-Komponenten von „ XXXX TV“:

Aus den Feststellungen ergebe sich, dass „ XXXX TV“ für bestimmte Inhalte, nämlich Videoinhalte, optimiert sei. Weiters sei die Optimierung nicht nur erforderlich, um einem bestimmten Qualitätsniveau zu genügen, sondern um den Dienst überhaupt erbringen zu können. „ XXXX TV“ stelle daher in seiner Gesamtheit einen Spezialdienst gemäß Art 3 Abs 5 UAbs 1 TSM-VO dar. Die von der beschwerdeführenden Partei vorgenommene Optimierung des Datenverkehrs sei daher zulässig.

Die belangte Behörde komme jedoch zu einem gegenteiligen Ergebnis, weil sie rechtsirrig das Vorliegen der Voraussetzungen des Art 3 Abs 5 UAbs 1 TSM-VO nicht anhand des konkret von der beschwerdeführenden Partei angebotenen Dienstes prüfe, sondern einen hypothetischen Dienst heranziehe.

Würde man, wie dies die belangte Behörde tue, auf einen hypothetischen Dienst und auf den aktuellen Stand der Technik abstellen, hätte dies zur Folge, dass Dienste, die heute noch als Spezialdienste bewertet werden würden, innerhalb kürzester Zeit ihre Spezialdiensteeigenschaft verlieren würden. Da diese Dienste in ihrer konkreten Ausgestaltung aber eine Optimierung des Datenverkehrs erfordern würden, müssten sie – sobald sie ihre Spezialdiensteeigenschaft verlieren würden – technisch grundlegend neugestaltet werden, um auch ohne Optimierung funktional zu sein. Eine derartige Auslegung der TSM-VO hätte zum Ergebnis, dass es für Spezialdienste keinerlei Investitionssicherheit gäbe und Innovation in der heimischen Telekommunikationsbranche zusätzlich erschwert werden würde. Eine solche in den EU-Mitgliedstaaten soweit ersichtlich bisher von keiner anderen Behörde vertretene Auslegung der TSM-VO würde einen erheblichen Standortnachteil für Österreich bewirken und zudem das ausdrückliche Ziel der TSM-VO, nämlich die Funktionsfähigkeit des „Ökosystems“ des Internets als Innovationsmotor zu gewährleisten, verletzen.

Müsste die beschwerdeführende Partei im vorliegenden Fall die Optimierung des Datenverkehrs für die „ XXXX TV“-Komponenten VoD und Catch-Up beenden und daher die Übertragungstechnologie für „ XXXX TV“ von einer konstanten Bitrate auf eine adaptive Bitrate ändern, würde dies eine grundlegende Neuerrichtung der Infrastruktur von „ XXXX TV“ erfordern, einschließlich des Austausches von mehreren hunderttausend bei Kunden installierter Endgeräte.

Bei der Frage, ob ein Spezialdienst vorliege, sei daher auf den konkreten angebotenen Dienst „ XXXX TV“ abzustellen, für den nach den Feststellungen der belangten Behörde „[die] notwendige Bandbreite [...] XXXX Mbit/s für Standardqualität (SD) und für die Übertragung eines HD-Signals XXXX Mbit/s [beträgt]“, wobei bei nicht hinreichender Bandbreite das Signal „permanent gestört werden [könnte]“. Die für „ XXXX TV“ vorgenommene Optimierung des Datenverkehrs sei daher für die Erbringung des Dienstes erforderlich und daher nach Art 3 Abs 5 UAbs 1 TSM-VO zulässig.

Allerdings habe die belangte Behörde den ganzheitlich angebotenen Dienst „ XXXX TV“ unter Anwendung einer „Salamitaktik filetiert“ und die Komponenten Catch-Up und VoD isoliert bewertet. Dem sei entgegenzusetzen, dass die Catch-Up-Funktion – die Möglichkeit das Live-TV kurzzeitig anzuhalten — eine von der Live-TV-Komponente untrennbare Komponente darstelle. Im Übrigen wäre die Anwendung einer „Salamitaktik“ bei einer Prüfung nach Art 3 Abs 5 TSM-VO zweckwidrig, da sie stets zu einer Verneinung des Tatbestandes des Art 3 Abs 5 TSM-VO führe. Richtigerweise sei daher eine holistische Betrachtungsweise geboten und der am Markt angebotene Dienst in seiner Gesamtheit zu betrachten.

„ XXXX TV“ erfülle in seiner Gesamtheit aus folgenden Gründen die Voraussetzungen des Art 3 Abs 5 TSM-VO:

- Eine Optimierung sei erforderlich, da „ XXXX TV“ eine Bandbreite von XXXX Mbit/s bzw. im Falle eines High-Definition-Signals XXXX Mbit/s benötige. Hinsichtlich der Live-TV-Komponente habe die belangte Behörde sogar festgestellt, dass diese „definierte Bandbreite zwingend erforderlich“ sei. Ohne Optimierung könnte diese Bandbreite nicht konsistent gewährleistet werden.

- Die Netzkapazität sei im vorliegenden Fall mehr als ausreichend, um neben „ XXXX TV“ den Internetzugangsdienst zu erbringen. Denn die uneingeschränkte Nutzung des Internets sei gleichzeitig neben der Verwendung von „ XXXX TV“ möglich.

- „ XXXX TV“ biete keinen Zugang zum Internet und könne daher auch nicht als Ersatz für Internetzugangsdienste genutzt werden.

- Schließlich führe „ XXXX TV“ nicht zu Nachteilen bei der Verfügbarkeit oder der allgemeinen Qualität des Internetzugangsdienstes für Endnutzer. Hierbei sei zunächst zu berücksichtigen, dass Art 3 Abs 5 UAbs 2 zweiter Satz TSM-VO auf die „allgemeine Qualität“ abstelle, weshalb auch dann ein Spezialdienst vorliege, wenn dessen Aktivierung durch einen Endnutzer für diesen zu einer Reduzierung der für den Internetzugangsdienst verfügbaren Bandbreite führe.

Sofern man entgegen den obigen Ausführungen dennoch eine Teilung der einzelnen Komponenten von „ XXXX TV“ vornehme, so sei die Catch-Up-Funktion entgegen der Ansicht der belangten Behörde jedenfalls als Bestandteil der Live-TV-Komponente zu beurteilen. Die Spezialdiensteeigenschaft der Live-TV-Komponente erstrecke sich daher jedenfalls auch auf die Catch-Up-Funktion. Die Optimierung des Datenverkehrs für die Catch-Up-Funktion sei daher nach Art 3 Abs 5 UAbs 1 TSM-VO zulässig.

3.2.2.  Trennung der IP-Verbindung nach 24 Stunden:

Je kürzer die Dauer der Zuweisung einer dynamischen IP-Adresse sei, umso effizienter könnten die beschränkt verfügbaren IP-Adressen genutzt werden.

Im Übrigen diene die Zuweisung einer neuen IP-Adresse nach 24 Stunden auch folgenden Zielen:

- Dem Schutz der Endnutzer vor fortgesetzten Angriffen: Durch die regelmäßige Vergabe einer neuen IP-Adresse sei es Dritten nicht möglich, einen Kunden über längere Zeit fortgesetzt anzugreifen. Sollte es einem Angreifer gelingen, die IP-Adresse eines konkreten Kunden in Erfahrung zu bringen, so könne er dennoch den Kunden nicht über längere Zeit unter dieser IP-Adresse angreifen, da sich diese nach spätestens 24 Stunden wieder ändere.

- Dem Schutz der Privatsphäre der Endnutzer: Es sei hinlänglich bekannt, dass die Internetaktivitäten von Endnutzern anhand ihrer IP-Adresse im Internet von einer Vielzahl meist ausländischer Unternehmen protokolliert werden würden, um Endnutzer zu identifizieren und Profile über das Online-Verhalten von Endnutzern zu erstellen. Eine regelmäßige Änderung der IP-Adresse wirke diesem Phänomen entgegen und stärke so die Privatsphäre des Endnutzers, ohne dass dieser von sich aus tätig werden müsse.

Da die regelmäßige Trennung von IP-Verbindungen helfe, die Sicherheit der Endnutzer zu gewährleisten, sei eine Rechtfertigung nach Art 3 Abs 3 lit b TSM-VO prima facie gegeben.

Den Ausführungen der belangten Behörde hinsichtlich Dynamic DNS (DynDNS) sei Folgendes zu entgegnen:

- Die Zuweisung einer neuen IP-Adresse erfolge innerhalb weniger Sekunden und sei für den Nutzer daher nicht wahrnehmbar.

- Bei DynDNS handle es sich um Dienste Dritter, mit denen private Domainnamen dynamischen IP-Adressen zugewiesen werden würden.

- Es sei höchst selten, dass ein Privatkunde für seinen Privatanschluss einen Domainnamen verwenden wolle und DynDNS daher überhaupt verwendet werde.

- Entgegen der unbegründeten Feststellung der belangten Behörde – zu der jegliche Beweisergebnisse fehlen würden und welche im Verfahren auch nicht erörtert worden seien – erfolge die Aktualisierung des DNS-Eintrags bei DynDNS grundsätzlich innerhalb von 60 Sekunden.

3.2.3.  Zuweisung einer dynamischen öffentlichen IPv4-Adresse gegen ein zusätzliches Entgelt – „ XXXX “:

Die TSM-VO erlaube einerseits, dass Internetzugangsanbieter bei objektiv kostenintensiveren Varianten des Internetzugangsdienstes ein höheres Entgelt vereinbaren dürften und andererseits bei billigeren Varianten des Internetzugangsdienstes bestimmte Dienste von Endnutzern nicht uneingeschränkt angeboten werden könnten.

Diesem Grundsatz folgend, sei es daher zulässig für die Zuweisung einer öffentlichen IPv4-Adresse ein angemessenes zusätzliches Entgelt zu verlangen, sofern sich dieses an den tatsächlichen Kosten des Anbieters orientiere.

IPv4-Adressen würden eine überaus knappe und kostspielige Ressource darstellen. Jeden Nutzer mit einer separaten IPv4-Adresse auszustatten, wäre somit absolut unwirtschaftlich. Das von der beschwerdeführenden Partei mit bestimmten Kunden vereinbarte zusätzliche Entgelt von EUR XXXX sei kostenorientiert und stehe somit im Einklang mit Art 3 Abs 2 TSM-VO iVm Erwägungsgrund 7 erster Satz TSM-VO. Die Entgeltregelung gelte zudem nur für Mobilfunkverträge.

Schließlich sei darauf hinzuweisen, dass die Zuweisung privater IP-Adressen auch der Sicherheit der Endgeräte der Nutzer diene. Die Vereinbarung eines zusätzlichen Entgeltes von EUR XXXX für die Zuweisung einer öffentlichen IPv4-Adresse sei daher zulässig

3.2.4.  Anordnung der Rückzahlung von Entgelten für „ XXXX “ ohne gesetzliche Grundlage:

Hierfür fehle es an jeglicher gesetzlichen Grundlage. Insbesondere könne Art 5 Abs 1 TSM-VO nicht als hinreichende gesetzliche Grundlage dienen. Dem TKG 2003 sei eine Befugnis zur Anordnung einer Rückzahlung im Übrigen gänzlich fremd.

3.2.5.  Vorlageantrag an den Gerichtshof der Europäischen Union:

Sofern das Bundesverwaltungsgericht der oben dargestellten Rechtsansicht nicht ohnedies folge, sollten die untenstehenden Fragen dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung vorgelegt werden:

„1. Ist Art 3 Abs 5 der Verordnung (EU) 2015/2120 dahingehend auszulegen, dass die Erforderlichkeit der Optimierung als technische Notwendigkeit anhand des konkreten angebotenen Dienstes in seiner konkreten technischen Ausgestaltung zu prüfen ist oder ist auf einen hypothetischen Dienst mit einer anderen technischen Ausgestaltung abzustellen?

2. Ist Art 3 Abs 5 der Verordnung (EU) 2015/2120 dahingehend auszulegen, dass bei einem einheitlich angebotenen Produkt, welches unter einer einheitlichen Benutzeroberfläche (i) eine Live-TV-Funktion, (ii) eine Funktion, das Live-TV für einige Minuten zu pausieren und dann fortzusetzen und (iii) eine Video-On-Demand-Funktionen bietet, die Erforderlichkeit an die Optimierung für das Produkt gesamtheitlich anstatt isoliert anhand der einzelnen Funktionen zu beurteilen ist, wenn aus der Erwartungshaltung des Kunden ein einheitliches Qualitätsniveau über alle Funktionen gewährleistet werden muss?

3. Ist es auch unter Berücksichtigung, dass es weltweit nur mehr einen beschränkten und nahezu erschöpften Pool von nicht vergebene IPv4-Adressen gibt mit der Verordnung (EU) 2015/2120 vereinbar, einen Internetzugangsdienst anzubieten, bei welchem den Teilnehmern für die Zuweisung einer öffentlichen IPv4-Adresse ein zusätzliches Entgelt verrechnet wird?“

3.3.    Aus diesen Gründen richte die beschwerdeführende Partei an das Bundesverwaltungsgericht die

„Anträge,

1. gemäß § 24 VwGVG eine mündliche Verhandlung durchzuführen und

2. die in Punkt 4 genannten Fragen dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen und

3. gemäß Art 130 Abs 4 B-VG und § 28 Abs 2 VwGVG in der Sache selbst zu entscheiden und auszusprechen, dass kein Verstoß der TSM-VO vorliegt.“

4.       Mit hg. am 19.01.2018 eingelangtem Schreiben übermittelte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid sowie die Beschwerde samt Beilagen. Die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung behielt sich die belangte Behörde vor.

5.       Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24.01.2018, W120 2183616-1/2E, wurde dem Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht stattgegeben.

6.       Mit Schreiben der belangten Behörde vom 06.03.2018 wurde der gegenständliche Verfahrensakt an das Bundesverwaltungsgericht übermittelt.

7.       Mit Schreiben vom 10.08.2018 übermittelte die beschwerdeführende Partei eine ergänzende Äußerung an das Bundesverwaltungsgericht.

8.       Am 21.08.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt.

9.       Am 04.09.2018 langte eine ergänzende Stellungnahme der belangten Behörde vom 03.09.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein, welche der beschwerdeführenden Partei mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.08.2019 zur Kenntnis und Stellungnahme übermittelt wurde.

10.      Mit hg. am 05.09.2018 eingelangtem Schreiben brachte die beschwerdeführende Partei zum Beweis dafür, dass nach einer Trennung einer IP-Verbindung ihr Neuaufbau in wenigen Sekunden erfolge, Protokolle in Vorlage, welche der belangten Behörde mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.08.2019 zur Kenntnis und Stellungnahme übermittelt wurden.

11.      Am 10.09.2019 langte beim Bundesverwaltungsgericht eine ergänzende Stellungnahme der beschwerdeführenden Partei ein.

12.      Mit Schreiben vom 17.09.2019 erstattete die belangte Behörde eine schriftliche Äußerung und übermittelte eine Stellungnahme der Amtssachverständigen.

13.      Mit Schreiben vom 23.01.2020 übermittelte die beschwerdeführende Partei dem Bundesverwaltungsgericht eine Stellungnahme, in welcher diese insbesondere ihre Ausführungen in der Stellungnahme vom 05.09.2018 ergänzte.

14.      In ihrer Stellungnahme vom 20.01.2020, hg. am 21.01.2020 eingelangt, verwies die belangte Behörde ua auf den Beschluss des Verwaltungsgerichtes Köln vom 20.11.2018 und des Oberverwaltungsgerichtes NRW vom 12.07.2019 sowie auf die schriftliche Erklärung der Republik Österreich zu anhängigen Rechtsachen vor dem Gerichtshof der Europäischen Union.

15.      Am 31.01.2020 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen (Sachverhalt):

1.1.    Allgemeines

Die beschwerdeführende Partei ist Inhaberin einer Bestätigung gemäß § 15 TKG 2003, betreibt ein Kommunikationsnetz (Festnetz und Mobilfunk) und bietet Kommunikationsdienste an. Die beschwerdeführende Partei bietet sowohl über das von ihr betriebene ortsfeste Kommunikationsnetz (Festnetz) als auch über das von ihr betriebene Mobilfunknetz Internetzugangsdienste an bzw. tritt als ISP auf. Die beschwerdeführende Partei bietet verschiedene Festnetz-Internetzugangsdienste über DSL-Technologie an, hinsichtlich derer mit den Teilnehmern je nach vereinbarter Leistungsbeschreibung eine bestimmte maximale („bis zu") tarifliche Bandbreite vereinbart wird.

1.2.    Zum Produkt „ XXXX TV" im Konkreten

1.2.1.  Allgemeines zum Produkt „ XXXX TV"

Die beschwerdeführende Partei bietet in Kombination mit diesen Festnetz-Internetzugangsdiensten das Produktbündel „ XXXX TV" an, das im Wesentlichen aus zwei Einzeldiensten besteht: Einem linearen live-TV-Dienst zur Verbreitung von Rundfunksignalen (Multicast) und einem Videoabrufdienst (Video-on-Demand Dienst bzw. „Catch-Up" TV Dienst und Videothek). Die Vertragsbedingungen für dieses Produkt sind in den auf der Webseite der beschwerdeführenden Partei veröffentlichten Leistungsbeschreibungen sowie Engeltbestimmungen „ XXXX TV", „ XXXX TV Plus" und „ XXXX TV Zusatzoptionen" zu entnehmen. Das Bündelprodukt „ XXXX TV" entspricht für sich genommen nicht der Definition eines Internetzugangsdienstes iSd Art 2 Abs 2 TSM-VO und stellt selbst keine Internetzugangsdienstleistungen bereit.

Eine konkrete Zusage bzw. Garantie einer bestimmten Qualität des über „ XXXX TV" gelieferten Bildes bzw. der gelieferten Bildauflösung (TV oder VoD) in den Entgeltbestimmungen bzw. Leistungsbeschreibungen konnte nicht festgestellt werden.

1.2.2.  Konkrete Technische Ausgestaltung des Produkts „ XXXX TV"

Erbringung des (linearen) live-IPTV-Dienstes innerhalb „ XXXX TV"

Die Priorisierung erfolgt grundsätzlich durch Nutzung der Methode „p-bit Marking" gemäß der Verkehrsklassifizierung nach IEEE 802.1p, welche für den Dienst „ XXXX TV" bezüglich des Internetzugangsdienstes des Endnutzers zum Tragen kommt.

Beim Internetzugangsdienst wirkt die p-bit Klassifizierung der Pakete durch das Netzwerkmanagement hingegen nur im Zugangsnetz bzw. im Internet, wodurch am Access automatisch eine Unterscheidung zwischen TV-Signal und Internet-Traffic erfolgt. Die Übertragung des Signals in einem eigenen VLAN sorgt für keine gesonderte Priorisierung, sondern ist dafür erforderlich, damit „Nicht-Kunden" aus dem kostenpflichtigen Service ausgeschlossen werden können und die Steuerung sowohl der STB selbst als auch der Eingaben über die STB störungsfrei erfolgen kann.

Für die Bereitstellung der Funktion ist am Endpunkt beim Kunden eine definierte Mindestqualität erforderlich, ohne die die Signalaufbereitung (gemäß ETSI TR 101 290; DVB-Standard) durch die STB nicht möglich ist. Das (lineare) TV-Signal wird als Multicast-Signal (Punkt-zu-Multipunkt) übertragen, wodurch die benötigte Bandbreite im Netz bis zum Headend minimiert werden kann und nicht für jeden TV-Kanal je Kunden gesamthaft zur Verfügung stehen muss. Das lineare TV-Signal wird auf Transportlevel mit dem User Datagram Protocol (UDP) übertragen. Um die von den Qualitätsstandards geforderte Bitfehler-freie Zustellung in Echtzeit zu erreichen, ist vom Headend im Netz bis zur STB beim Kunden ua auch eine definierte Bandbreite zwingend erforderlich. Für die Übertragung selbst wird das Verfahren CBR (Constant Bitrate) eingesetzt, wodurch für ein SD-Signal stetig ca XXXX Mbit/s und für die Übertragung eines HD-Signals ca XXXX Mbit/s je Kanal erforderlich sind. Das „Bandbreitenmanagement" selbst wirkt aber ausschließlich durch die Nutzung des „p-bit Marking".

Die jeweils benötigte Bandbreite (SD, HD) am Access wird, solange eine Verbindung der STB zum Service besteht, durch das Verfahren CBR und der Priorisierung durch die p-bit Markierung entsprechend genutzt.

Erbringung des VoD-Dienstes innerhalb „ XXXX TV"

Die Aufbereitung des Video-Signals für VoD-Dienste (ITU-T Rec. H.264, MPEG4 Format) erfolgt auf der gleichen Hardware beim Endnutzer über die STB und es werden auch die gleichen Übertragungs- und Komprimierungstechnologien (Constant Bitrate) wie bei linearem Fernsehen eingesetzt, wobei das VoD-Signal lediglich als Unicast (Punkt-zu-Punkt) übertragen wird. Die zur Übertragung notwendige Bandbreite beträgt ebenfalls XXXX Mbit/s für Standardqualität (SD) und für die Übertragung eines HD-Signals XXXX Mbit/s. Ist keine ausreichende Bandbreite vorhanden, so könnte das UDP-Signal aufgrund der (protokollbedingt) fehlenden Korrekturmöglichkeiten durch die gegenseitige Beeinflussung von allen anderen Streams mit TCP ohne Prioris

ierung permanent gestört werden

1.2.3.  Produktspezifika von „ XXXX TV"

Die beschwerdeführende Partei erbringt über die von ihr angebotenen Festnetz-Internetzugangsdienste (DSL) bzw. in Kombination mit diesen das Bündelprodukt „ XXXX TV", das aus zwei technisch grundsätzlich trennbaren Einzeldiensten besteht. Zum einen ist dies ein (linearer) live-IPTV-Dienst, der der isosynchronen Wiedergabe von verschiedenen live-TV-Sendern dient und bei dem kein Wiedergabeeinfluss des Nutzers gegeben ist. Der Nutzer kann daher immer nur das gerade live transportierte Fernsehbild sehen. Zum anderen besteht „ XXXX TV" aus einem Videoabrufdienst in Form von „Catch-Up-TV", bei dem die Fernsehprogramme an zentraler Stelle im Netz der beschwerdeführenden Partei parallel zur live-Ausstrahlung aufgezeichnet werden und auf Anfrage der Nutzer als Videoabrufdienst abrufbar gemacht werden. Für den Nutzer bietet dies die Möglichkeit das Fernsehprogramm „anzuhalten" bzw. „einzufrieren" und nach einer beliebigen Pause (nicht mehr live) als Videostream wiederzugeben, wobei die Möglichkeit besteht, wieder zum (linearen) live-TV-Programm zu wechseln. Auch bietet dieser Videoabrufdienst die Möglichkeit „versäumte" TV-Sendungen eines gewissen Zeitraums als Video-on-Demand abzurufen und somit „nachzusehen". Die gleiche Videoabruf-Funktionalität steht hinter einer über selbigen Dienst der beschwerdeführenden Partei erbrachten Online-Videothek, in der Filme bzw. Serien als Video-on-Demand abgerufen werden können. In technischer Hinsicht ist daher festzustellen, dass nur die Funktionalität des live-Fernsehens über einen linearen live-IPTV-Dienst (Multicast) bewerkstelligt wird; alle anderen Funktionalitäten von „ XXXX TV" („Catch-Up-TV", Videorecorder, „Nachholen" des Fernsehprogramms der letzten sieben Tage, Online-Videothek etc.) werden technisch über einen Videoabrufdienst (Unicast) realisiert.

Die beschwerdeführende Partei priorisiert (optimiert) die Datenübertragung des Bündelproduktes „ XXXX TV" per p-bit Markierung in ihrem Netz gegenüber anderen Diensten, Anwendungen oder Inhalten, indem von der STB für die in „ XXXX TV“ enthaltenen Dienste auf dem Internetzugangsdienst des Endnutzers die notwendige Bandbreite exklusiv reserviert wird und diese für den „normalen" Internetzugang nicht mehr zur Verfügung steht. Diese Priorisierung bleibt für die Dauer der Verbindung der STB zum „ XXXX TV" Service bestehen. Die beschwerdeführende Partei unterscheidet dabei nicht zwischen den Einzeldiensten (lineares) live-TV und dem Videoabrufdienst („Catch-Up-TV" bzw. VoD); die Priorisierung wirkt auf beide Dienste.

Dass das Anbot des Bündelproduktes „ XXXX TV" durch die beschwerdeführende Partei zu Nachteilen in der Verfügbarkeit bzw. der allgemeinen Qualität von Internet-Zugangsdiensten in ihrer Gesamtheit führte oder die beschwerdeführende Partei keine ausreichende Netzkapazität für das Produkt „ XXXX TV", zusätzlich zu ihren Internetzugangsdiensten, bereitstellen kann, konnte nicht festgestellt werden. Weiters konnte nicht festgestellt werden, dass das Produkt „ XXXX TV" als Ersatz für Internetzugangsdienste dienen kann.

1.2.4.  Technische Aspekte von Videoabrufdiensten

Allgemeine technische Aspekte von Videoabrufdiensten – Qualitätsaspekte

Der Begriff „Videoabrufdienst" ist so zu interpretieren, dass ein Nutzer A (beispielsweise der Anbieter eines Videoabrufdienstes) einem anderen Nutzer B (zB ein Endkunde des Anbieters des Videoabrufdienstes) ein Video (eine Video-Datei) zum Abruf über eine Datenverbindung bereitstellt. Das Ergebnis des Abrufs ist, dass der Endnutzer B das Video konsumieren kann. Beim Abruf über einen IAS kommen in der Regel die Verfahren „Streaming" oder (seltener) „progressive Download" zur Anwendung.

Für die Klassifizierung als Abrufdienst ist unwesentlich, ob der Nutzer B das Video dauerhaft speichern kann oder möchte, ob die Wiedergabe des Videos unmittelbar nach Start der Übertragung oder erst zu einem späteren Zeitpunkt (gegebenenfalls mit Ende der Übertragung) stattfindet. Wesentlich dabei ist, dass es sich beim Videoabrufdienst um einen Dienst handelt, bei dem der Nutzer bestimmt, welchen Inhalt er zu welchem Zeitpunkt abruft.

Unter Video-on-Demand werden in Folge Videos auf Abruf verstanden, welche die oben angeführten Voraussetzungen erfüllen und über Online-Dienste heruntergeladen oder gestreamt werden können. Zu den kommerziellen Varianten von VoD zählen Subscription-Video-on-Demand (SVoD) und Transactional-Video-on-Demand (TVoD). Bei SVoD-Angeboten kann der Nutzer über ein Abonnement innerhalb eines festgelegten Zeitraums Videos per Streaming abrufen. Werden Videos nach der tatsächlichen Nutzung abgerechnet, so handelt es sich um TVoD.

Die technische Optimierung ist dabei in der Regel in Form einer Priorisierung bzw. Bevorzugung des Datenverkehrs der zu optimierenden Anwendung, Inhalte oder Dienste zu verstehen. Hierzu zählen also jene Formen der Optimierung wie Blockieren, Verlangsamen, Verändern, Einschränken, Stören, Verschlechtern oder Diskriminieren von Anwendungen. Im Falle von Knappheit können sich Ressourcen wie „kommunizierende Gefäße" verhalten, dh eine positive Diskriminierung einer Anwendung (Priorisierung) ist in der Regel mit einer negativen Diskriminierung einer anderen Anwendung verbunden.

Der Begriff „Qualitätsniveau eines Internetzugangsdienstes" ist auf die notwendige Qualität für die Erbringung eines Videoabrufdiensts zu beziehen. Als Internetzugangsdienst wird ein in Übereinstimmung mit der TSM-VO betriebener Dienst verstanden, also ein Dienst der als „best-effort" Service verstanden wird, bei dem grundsätzlich keine Bevorzugung von bestimmtem Datenverkehr erfolgt, sondern alle Datenpakete grundsätzlich gleichberechtigt übertragen werden.

Möglichkeiten der technischen Erbringung eines Videoabrufdienstes

Möchte man Daten (wie zB ein Video) elektronisch von einem Ort A an einen Ort B übertragen, so muss der Übertragungskanal zwischen A und B den mit der Anwendung in Zusammenhang stehenden Anforderungen genügen. Unterschiedliche Auflösungen, rasche Schnittfolgen, verschiedene Bildqualitäten und Kodierverfahren benötigen dabei unterschiedliche Videobandbreiten.

Erfüllt der Übertragungskanal die an ihn gestellten Anforderungen nicht, so kann die Videodatei nicht mit der zuvor definierten Qualität übertragen werden: So können beispielsweise Übertragungsfehler zu Artefakten führen oder können zu geringe Bandbreiten zu längeren Pufferzeiten oder zu Unterbrechungen führen. Im schlimmsten Fall – wenn die Verbindung unterbrochen wird und eine Wiederherstellung nicht gelingt – kann der Dienst überhaupt nicht erbracht werden.

Möchte ein Anbieter von Videoabrufdiensten sicherstellen, dass die Anforderungen der Anwendung und die Möglichkeiten des Übertragungskanals in Einklang stehen, so bieten sich aus technischer Sicht grundsätzlich zwei Möglichkeiten:

1.       Keine Anpassung der Anwendung an den Übertragungskanal

2.       Anpassung der Anwendung an den Übertragungskanal

Betrachtet man die erste Möglichkeit, dass also keine Anpassung der Anwendung an den Übertragungskanal stattfindet, so können mehrere Varianten in Betracht gezogen werden um den Videoabrufdienst optimal zur Verfügung zu stellen. Das bedeutet, dass man den Übertragungskanal in seinen Übertragungseigenschaften möglichst stabil zu halten versucht, da die Anwendung selbst auf Veränderungen des Übertragungskanals eben nicht reagieren kann. In Frage kommen beispielsweise folgende Möglichkeiten:

1.       Nutzung eines eigenen, physisch getrennten Zugangsnetzes für den Videoabrufdienst: diese Variante entspricht der technischen Lösung bei klassischer Rundfunkverteilung, beispielsweise den (historischen) Kabel-TV-Verteilnetzen, die ursprünglich ausschließlich zu Zwecken der Verteilung von TV-Signalen konzipiert und errichtet wurden.

2.       Reservierung von dedizierter Übertragungskapazität auf einem physischen Zugangsnetz, das auch von anderen Anwendungen genutzt wird: diese Variante entspricht beispielsweise den Zugangsnetzen der Kabel-TV-Anbieter, wie sie heute in Verwendung stehen, nämlich als universelles Zugangsnetz für unterschiedliche Dienste wie TV, VoD, Radio, Internetzugang und Telefonie, für die jeweils dedizierte Kapazitäten geschaffen werden können, beispielsweise indem bestimmte Frequenzbereiche (Kanäle) einzelnen Anwendungen zugeordnet werden. Der grundsätzlich gleiche Zugang, freilich vor dem Hintergrund anderer technischer Notwendigkeiten, wird beispielsweise auch von der beschwerdeführenden Partei für den zu beurteilenden Videoabrufdienst insofern genutzt, als dort eine dedizierte Übertragungskapazität auf der Teilnehmeranschlussleitung (bzw. am verwendeten Breitband-DSL-System) zur Verfügung gestellt wird. Betrachtet man die zweite Möglichkeit, nämlich die Anpassung der Anwendung an den Übertragungskanal, so handelt es sich um eine prinzipiell andere Herangehensweise, da der Übertragungskanal in seinen Eigenschaften als gegeben betrachtet wird und die Anwendung mit technischen Methoden insofern darauf reagiert, als die zu übertragenden Daten (bzw. der Datenstrom) – den jeweils am Übertragungskanal auftretenden Verhältnissen entsprechend – adaptiert werden.

3.       Einsatz hochwertiger Codierungs- und Komprimierungsverfahren: Mit diesen Methoden wird angestrebt, dass die Anwendung auch mit niedrigen Bitraten genutzt werden kann und möglichst tolerant und robust gegenüber den wechselnden Bedingungen am Übertragungskanal ist.

4.       Einsatz adaptiver Technologien: Die Verwendung eines einzelnen Komprimierungsverfahrens wie die Verwendung einer festen Bitrate ist aus technischer Sicht suboptimal bzw. ineffizient. Unterschiedliche Bildinhalte können unterschiedlich effizient komprimiert werden und benötigen damit bei gleicher Qualität unterschiedlich hohe Bitraten (zB benötigen Cartoons aufgrund geringen Bildrauschens und großer homogener Flächen mit geringer Bewegung eine deutlich geringere Bitrate als schnell geschnittene Action-Szenen). Je nach freier Wahl des Endgeräts können höhere Bitraten eine Verbesserung der Bildqualität bewirken oder auch nicht. Nicht zuletzt haben Endkunden deutlich unterschiedlich leistungsfähige Breitbandzugänge. Eine „one-fits-for-all"-Lösung würde bei breitbandigen Anschlüssen zu einer unnötig schlechten Übertragungsqualität führen – zB HD Auflösung obwohl UHD (Ultra-High-Density, auch „4K") möglich wäre. Adaptive Übertragungstechnologien sorgen also dafür, dass mit minimalen Ressourcen (am Übertragungskanal) eine optimierte Übertragungsqualität für die Anwendung geschaffen werden kann.

Stand der Technik bei adaptiven Technologien

Ein Videoabrufdienst der einfachsten Art würde ein Video lediglich als eine Datei mit einer vordefinierten Qualität bereitstellen. Beim Abruf würde dieses Video über den Zugangsdienst übertragen werden. Derartige, in der Vergangenheit zum Einsatz gebrachte, technisch einfache Lösungen verwenden dazu RTP (Real-Time Transport Protocol), ein auf UDP (User Datagram Protocol) aufbauendes Übertragungsprotokoll. Heute wird fast ausschließlich HTTPS zur Übertragung eingesetzt. Letzteres Protokoll

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten