TE Bvwg Beschluss 2020/5/25 I421 1437981-3

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Veröffentlicht am 25.05.2020
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Entscheidungsdatum

25.05.2020

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
AVG §68 Abs1
BFA-VG §22
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

I417 1437981-3/5E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Friedrich Zanier als Einzelrichter in der Verwaltungssache des XXXX , geboren am XXXX , StA. Nigeria, vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Martina Schweiger-Apfelthaler, Graf-Starhemberg-Gasse 39/12, 1040 Wien, über die mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.03.2020, Zl. XXXX erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes, den Beschluss gefasst:

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 22 BFA-VG rechtmäßig.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1.       Der Fremde reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet ein und stellte erstmalig am 03.09.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz, welchen er im Wesentlichen damit begründete, in Nigeria aufgrund des Engagements seines Vaters in der Oppositionspartei „CNC“ der Gefahr einer politischen Verfolgung ausgesetzt zu sein. Sein Vater sei im Auftrag von Mitgliedern der Partei „PDP“ umgebracht worden und sei auch der Fremde selbst mit einem Messer attackiert und verletzt worden, habe jedoch überlebt.

2.       Der erste Antrag des Fremden auf internationalen Schutz vom 03.09.2013 wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 09.09.2013 hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten sowie subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen (Spruchpunkte I und II) und der Fremde aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen (Spruchpunkt III). Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

3.       Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.09.2016, Zl. W144 1437981-1/5E, wurde die gegen den Bescheid vom 09.09.2013 erhobene Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte I und II rechtskräftig als unbegründet abgewiesen. Hinsichtlich der mit Spruchpunkt III gegen den Fremden erlassenen Ausweisung wurde das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) zurückverwiesen.

4.       Mit Bescheid des BFA vom 12.07.2017 wurde dem Fremden ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z FPG erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt I). Es wurde gemäß § 52 Abs. 1 bis 3 FPG festgestellt, dass die Frist für eine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt II) und überdiese gegen den Fremden ein auf die Dauer von 4 Jahren befristetes Einreiseverbot verhängt (Spruchpunkt III). Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

5.       Die Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 12.07.2017 wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.06.2018, Zl. I412 1437981-2/12E, rechtskräftig als unbegründet abgewiesen.

6.       Der Fremde kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach und stellte am 10.03.2020 – während seiner Anhaltung in Strafhaft und 8 Tage vor dem geplanten Termin seiner Abschiebung - den verfahrensgegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Als Grund für seine neuerliche Antragstellung gab er im Rahmen seiner Erstbefragung am selben Tag vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes an, in seinem Erstverfahren „nicht die ganze Wahrheit gesagt“ zu haben. Er sei in Nigeria Teil der „ XXXX “-Bewegung gewesen. Hierbei habe es sich um eine „Gang“ gehandelt, welche Leute umbringe und töten lasse. Der Fremde habe der Gang gesagt, dass er aussteigen wolle, daraufhin seien diese zum Haus seines Vaters gekommen, hätten diesen umgebracht und auch den Fremden töten wollen. Sie hätten den Fremden mit einer Machete am Hals und am Bauch verletzt und hätten ihn in ganz Afrika gesucht, um ihn zu töten.

7.       Mit Verfahrensanordnung des BFA vom 12.03.2020 wurde dem Fremden mitgeteilt, dass beabsichtigt werde, seinen Folgeantrag auf internationalen Schutz vom 10.03.2020 wegen entschiedener Sache zurückzuweisen und seinen faktischen Abschiebeschutz aufzuheben.

8.       Mit Bescheid des BFA vom 16.03.2020 wurde über den Fremden die Schubhaft verhängt.

9.       Am 18.03.2020 wurde der Fremde niederschriftlich vor dem BFA einvernommen. Hierbei bestätigte er nunmehr ausdrücklich, im gesamten Erstverfahren hinsichtlich seiner Fluchtgründe wiederholt die Unwahrheit gesagt zu haben. Er habe sich in Nigeria im Jahr 2008 der „ XXXX “-Bewegung angeschlossen, welche u.a. einen nigerianischen Senator gekidnappt habe. Nachdem der Fremde der Bewegung kundgetan habe, dass er aussteigen wolle, sei er durch deren Anhänger verfolgt worden und hätten diese versucht, ihn umzubringen. Sie hätten ihn mit einer Machete am Nacken, am Arm und rechts am Bauch verletzt, jedoch habe der Fremde entkommen können. Daraufhin habe ihm die Bewegung noch eine Nachricht geschickt, in welcher sie ihm mitgeteilt habe, dass er sich nicht verstecken könne und sie ihn überall in Afrika finden würden. Der Fremde bestätigte überdies ausdrücklich, dass ihm all seine nunmehr vorgebrachten Fluchtgründe bereits zum Zeitpunkt seiner Ausreise aus Nigeria bekannt gewesen seien.

10.      Mit am 20.03.2020 mündlich verkündetem Bescheid hob das BFA den faktischen Abschiebeschutz des Fremden gemäß „§ 12a Absatz 2 AsylG“ auf.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die unter Punkt I getroffenen Ausführungen werden als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

1.1. Zur Person des Fremden:

Der (spätestens) am 03.09.2013 in das Bundesgebiet eingereiste Fremde ist volljährig, gesund und erwerbsfähig, Staatsangehöriger von Nigeria, Angehöriger der Volksgruppe der Agbo und bekennt sich zum christlichen Glauben. Seine Identität steht nicht fest.

Der Fremde hat in Nigeria 6 Jahre die Grundschule und 4 Jahre die Mittelschule besucht. Er hat eine Ausbildung zum Maler und Anstreicher gemacht und in diesem Beruf in seinem Heimatland gearbeitet. Aufgrund seiner Arbeitserfahrung in Nigeria hat er Aussichten, auch hinkünftig am nigerianischen Arbeitsmarkt unterzukommen.

Der Fremde hat eine in Österreich aufhältige Lebensgefährtin sowie mit dieser einen am XXXX 2016 geborenen Sohn und eine am XXXX 2019 geborene Tochter, alle nigerianische Staatsangehörige. Die Asylverfahren seiner Lebensgefährtin, seines Sohnes und seiner Tochter wurden mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 31.05.2018, Zl. I412 2166308-1/12E, vom 31.05.2018, Zl. I412 2166311-1/10E sowie vom 20.08.2019, Zl. I416 2222145-1/2E rechtskräftig negativ entschieden und die seitens des BFA getroffenen Rückkehrentscheidungen bestätigt. Die Lebensgefährtin und die beiden in Österreich aufhältigen Kinder des Fremden verfügen über kein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet und wurden ihnen bereits Heimreisezertifikate seitens der nigerianischen Vertretungsbehörde erteilt.

Der Fremde weist in Österreich keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht auf. Er ging in Österreich – abgesehen vom Verkauf einer Straßenzeitung – zu keinem Zeitpunkt einer legalen Erwerbstätigkeit nach und bezog Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung. Er spricht Deutsch auf A2-Niveau.

Gegen den Fremden besteht in Form des rechtskräftigen Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.06.2018, Zl. I412 1437981-2/12E, eine aufrechte Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem auf die Dauer von 4 Jahren befristeten Einreiseverbot.

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 28.03.2014, Zl. XXXX wurde der Fremde rechtskräftig wegen des gewerbsmäßigen unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster, zweiter und achter Fall, Abs. 2 und Abs. 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten, davon 6 Monate bedingt, verurteilt.

Mit Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom 31.05.2016, Zl XXXX wurde der Fremde rechtskräftig wegen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster, zweiter, siebenter und achter Fall, Abs. 2 SMG zu einer Geldstrafe von 150 Tagsätzen, im Falle der Nichteinbringung zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von 75 Tagen, verurteilt.

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 08.02.2019, Zl. XXXX wurde der Fremde rechtskräftig wegen des versuchten gewerbsmäßigen unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 2a und Abs. 3 SMG, § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt.

1.2. Zur Folgeantragstellung des Fremden:

In Bezug auf das Fluchtvorbringen des Fremden in seinem nunmehr zweiten Asylverfahren und aufgrund der allgemeinen Lage im Land wird festgestellt, dass der Fremde im Fall seiner Rückkehr nach Nigeria mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie immer gearteten asylrelevanten Verfolgung oder sonstigen existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein wird.

Wenngleich der Fremde nach der gegen ihn erlassenen Rückkehrentscheidung mit seiner Lebensgefährtin noch eine Tochter in Österreich bekommen hat, hat sich im Hinblick auf sein schützenswertes Familienleben im Bundesgebiet insoweit keine Sachverhaltsänderung ergeben, als er nach wie vor keine Angehörigen in Österreich hat, welchen ein Aufenthaltsrecht zukommt. Auch der Antrag seiner Tochter auf internationalen Schutz wurde bereits mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 20.08.2019, Zl. I416 2222145-1/2E rechtskräftig negativ entschieden und gegen sie eine Rückkehrentscheidung erlassen. Sowohl seiner Lebensgefährtin als auch seinem Sohn und seiner Tochter wurde bereits ein Heimreisezertifikat seitens der nigerianischen Vertretungsbehörde erteilt, sodass nicht von deren Verbleib in Österreich ausgegangen werden kann.

Der Fremde ist gesund und erwerbsfähig. Es ist nicht ersichtlich, dass seine Abschiebung nach Nigeria eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringt. Es existieren keine Umstände, welche einer Abschiebung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich entgegenstünden. Der Fremde verfügt über keine sonstige Aufenthaltsberechtigung.

Der verfahrensgegenständliche Folgeantrag wird voraussichtlich zurückzuweisen sein.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang und der festgestellte Sachverhalt ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowie des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.1. Zur Person des Fremden:

Die Feststellungen zur den Lebensumständen, der Herkunft, dem Gesundheitszustand, der Erwerbsfähigkeit, der Schulbildung und Berufserfahrung, der Staatsangehörigkeit, der Volksgruppenzugehörigkeit sowie der Konfession des Fremden gründen sich auf seine diesbezüglich glaubhaften Angaben im gegenständlichen sowie in seinen vorangegangenen Verfahren.

Da der Fremde den österreichischen Behörden keine identitätsbezeugenden Dokumente vorlegte, steht seine Identität nicht fest.

Die Feststellungen zur in Österreich aufhältigen Lebensgefährtin des Fremden sowie zu ihren beiden gemeinsamen, minderjährigen Kindern, als auch zu deren rechtskräftig negativ entschiedenen Asylverfahren ergeben sich aus einer Einsichtnahme in die betreffenden Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes zu den Zl.en I412 2166308-1, I412 2166311-1 und I416 2222145-1. Der Umstand, dass weder der Lebensgefährtin noch den Kindern des Fremden ein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet zukommt und diesen bereits Heimreisezertifikate seitens der nigerianischen Vertretungsbehörde erteilt wurden, ergibt sich aus einer Abfrage im Informationsverbund Zentrales Fremdenregister (IZR) vom 11.05.2020.

Die Deutschkenntnisse des Fremden auf A2-Niveau ergeben sich aus einem in Vorlage gebrachten ÖSD-Zertifikat vom 21.03.2017.

Der Umstand, dass der Fremde in Österreich – abgesehen vom Verkauf einer Straßenzeitung – zu keinem Zeitpunkt einer legalen Erwerbstätigkeit nachging, ergibt sich aus einer Abfrage im Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger vom 11.05.2020. Seine Tätigkeit als Straßenzeitungsverkäufer ergibt sich aus einem in Vorlage gebrachten Bestätigungsschreiben der Zeitung vom 14.03.2017.

Die Feststellung, dass er Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung bezog, ergeben sich aus einer Abfrage in der Applikation „Betreuungsinformation (Grundversorgung)“ vom 11.05.2020.

Die rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilungen des Fremden ergeben sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich vom 11.05.2020.

2.2. Zum Fluchtvorbringen des Fremden:

Hinsichtlich der vom Fremden nunmehr vorgebrachten Fluchtgründe bleibt festzustellen, dass er sich ausschließlich auf Umstände beruft, welche ihm bereits zum Zeitpunkt seiner Ausreise aus Nigeria bekannt gewesen seien. Es ergibt sich daraus kein gegenüber seinem ersten Asylverfahren geänderter Sachverhalt im Sinne neuer Fluchtgründe.

Es liegt vielmehr nahe, dass er diesen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz nur eingebracht hat, um seine bevorstehende Abschiebung zu vereiteln. Diese Vermutung erhärtet sich auch durch den Umstand, dass der Fremde seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen ist.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zur anzuwendenden Rechtslage:

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 57/2018, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 22 Abs. 10 Asylgesetz 2005 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mittels Beschluss.

§ 12a Abs. 1 und 2 sowie § 22 Abs. 10 Asylgesetz 2005, BGBl. I 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 29/2020, lauten:

"Faktischer Abschiebeschutz bei Folgeanträgen

§ 12a. (1) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn

1.       gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde,

2.       kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt,

3.       im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben., und

4.       eine Abschiebung unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK (§ 9 Abs. 1 bis 2 BFA-VG) weiterhin zulässig ist.

(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn

1.       gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,

2.       der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3.       die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(3) ...

Entscheidungen

§ 22. ...

(10) Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 ergehen mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakten sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden.

...".

§ 22 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012, in der Fassung BGBl. I Nr. 29/2020, lautet:

"Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes

§ 22. (1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden."

Zu A) Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes

Die in Rede stehende Norm des § 12a Abs. 2 AsylG 2005 sieht vor, dass das BFA den faktischen Abschiebeschutz eines Fremden, der einen Folgeantrag gestellt hat und bei dem - wie im vorliegenden Fall - die Voraussetzungen des § 12a Abs. 1 AsylG 2005 nicht erfüllt sind, aberkennen kann, wenn drei Voraussetzungen gegeben sind: Erstens muss gegen den Fremden eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG bestehen; zweitens muss die Prognose zu treffen sein, dass der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und drittens darf die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen.

Zur Tatbestandsvoraussetzung des § 12a Abs. 2 Z 1 AsylG 2005 ("Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG"): Gemäß § 12 Abs. 6 AsylG 2005 bleiben Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG achtzehn Monate ab der Ausreise eines Fremden aufrecht. Im vorliegenden Fall hat der Fremde das Bundesgebiet seit der gegen ihm mit rechtskräftigem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.06.2018, Zl. I412 1437981-2/12E, ergangenen Rückkehrentscheidung nicht verlassen, sodass gegenständlich eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung vorliegt.

Zur Tatbestandsvoraussetzung des § 12a Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 ("wenn der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist") führen die Gesetzesmaterialien (RV 220 BlgNR 24. GP 13) aus, dass "eine Grobprüfung in Form einer Prognose über die Zulässigkeit des Antrags" zu treffen ist. Zieht man das vom Gesetz angestrebte Ziel in Betracht, den faktischen Abschiebeschutz nur für "klar missbräuchliche Anträge" beseitigen zu wollen, kann damit nur gemeint sein, dass schon bei einer Grobprüfung die (spätere) Zurückweisung des Folgeantrags auf der Hand liegt, weil sich der maßgebliche Sachverhalt nicht entscheidungswesentlich geändert hat. Nicht jeder Folgeantrag, bei dem eine (spätere) Zurückweisung wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG in Betracht kommen könnte, berechtigt daher zur Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes nach § 12a Abs. 2 AsylG 2005. Es muss sich vielmehr um einen Fall handeln, in dem sich dieser Verfahrensausgang von vornherein deutlich abzeichnet. Nur dann kann auch angenommen werden, dass die Antragstellung in Wirklichkeit den Zweck verfolgt, die Durchsetzung einer vorangegangenen und mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbundenen (rechtskräftigen) Vorentscheidung zu verhindern (vgl. dazu zuletzt VwGH, 12.12.2018, Ra 2018/19/0010).

Auf einen solchen missbräuchlichen Zweck deutet - unter Bedachtnahme auf Art. 41 Abs. 1 lit. b der Verfahrensrichtlinie - etwa auch eine Folgeantragstellung hin, wenn dieser keine substanziell neuen und eine andere Beurteilung rechtfertigenden Sachverhaltselemente zugrunde liegen (VwGH, 19.12.2017, Ra 2017/18/0451).

Der Folgeantrag vom 10.03.2020 ist voraussichtlich zurückzuweisen, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist. Der Fremde hat im gegenständlich Verfahren erklärt, sich ausschließlich auf Fluchtgründe zu stützen, welche ihm bereits zum Zeitpunkt seiner Ausreise aus Nigeria bekannt gewesen seien. Es ergibt sich daraus kein gegenüber seinem ersten Asylverfahren geänderter Sachverhalt im Sinne neuer Fluchtgründe. Auch die Situation in Nigeria hat sich seit dem Vorverfahren, mit welchem gegen den Fremden eine Rückkehrentscheidung erlassen sowie festgestellt wurde, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist, nicht entscheidungswesentlich geändert. Es ist daher davon auszugehen, dass sein neuerlicher Antrag auf internationalen Schutz voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein wird.

Zur Tatbestandsvoraussetzung des § 12a Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 (EMRK-Verletzung): Im vorangegangenen Verfahrensgang hatten das BFA bzw. das Bundesverwaltungsgericht bereits ausgesprochen, dass der Fremde bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keiner realen Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre oder für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bestehen würde (§ 50 FPG).

Auch im gegenständlichen Asylverfahren vor dem BFA sind keine Risiken für den Fremden im Sinne von § 12a Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 hervorgekommen oder substantiiert behauptet worden.

Es sind auch keine wesentlichen in der Person des Fremden liegenden neuen Sachverhaltselemente bekannt geworden, wie beispielsweise eine schwere Erkrankung, die eine umfassende Refoulementprüfung für notwendig erscheinen lassen würden. Der Fremde hatte zu keinem Zeitpunkt eine gesundheitliche Einschränkung vorgebracht. Eine lebensbedrohliche Situation ergibt sich durch eine Abschiebung nicht.

Ebenso gibt es keine Hinweise darauf, dass sich sein Privat- oder Familienleben in Österreich entscheidungswesentlich geändert hätte. Wenngleich der Fremde nach der gegen ihn erlassenen Rückkehrentscheidung mit seiner Lebensgefährtin noch eine Tochter in Österreich bekommen hat, verfügt er nach wie vor über keine Angehörigen im Bundesgebiet, welchen ein Aufenthaltsrecht zukommt. Auch der Antrag seiner Tochter auf internationalen Schutz wurde bereits rechtskräftig negativ entschieden und gegen sie eine Rückkehrentscheidung erlassen. Sowohl seiner Lebensgefährtin, als auch seinem Sohn und seiner Tochter wurde bereits ein Heimreisezertifikat seitens der nigerianischen Vertretungsbehörde erteilt, sodass nicht von deren Verbleib in Österreich ausgegangen werden kann.

Im Lichte des § 22 BFA-VG und des eindeutigen Sachverhaltes hatte keine mündliche Verhandlung stattzufinden.

Da insgesamt die Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AsylG 2005 für die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes vorgelegen sind, ist der dazu mündlich verkündete Bescheid des Bundesamtes vom 20.03.2020 rechtmäßig erfolgt, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

aufrechte Rückkehrentscheidung faktischer Abschiebeschutz faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung rechtmäßig Folgeantrag Identität der Sache Privat- und Familienleben real risk reale Gefahr

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I417.1437981.3.00

Im RIS seit

13.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

13.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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