Entscheidungsdatum
02.06.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
I408 2153726-1/17E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter
Dr. Harald NEUSCHMID
als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA.
Irak
, vertreten durch RA Mag. Wilfried EMBACHER gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, vom 30.03.2017, ZI. XXXX ,
A)
I. beschlossen:
Das Verfahren über die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. und II. des angefochtenen Bescheides wird wegen Zurückziehung der Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG eingestellt.
II. zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte III. und IV. Folge gegeben und diese ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer reiste illegal ins Bundesgebiet ein und stellte am 13.08.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er wie folgt begründete: "Es gibt im Irak Unruhen. Dort findet Krieg wegen der Glaubensrichtung statt. Die Sicherheitslage ist sehr angespannt. Aus diesem Grund bin ich aus dem Irak geflüchtet."
Mit angefochtenem Bescheid vom 30.03.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Irak (Spruchpunkt II.) als unbegründet abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm nicht erteilt. Weiters wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig ist (Spruchpunkt III.). Für die freiwillige Ausreise wurde eine Frist von 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gewährt (Spruchpunkt IV.).
Mit Schreiben seiner Rechtsvertretung vom 13.04.2017 erhob der Beschwerdeführer vollinhaltlich Beschwerde.
Mit Schreiben seiner Rechtsvertretung vom 02.08.2017 wurde mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer am XXXX 2017 die österreichische Staatsbürgerin B B geheiratet habe, welche 2004 ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen habe, in Italien erwerbstätig gewesen sei und über eine italienische Aufenthaltsberechtigung (permesso di soggiorno per stranieri) verfügt habe. Der Beschwerdeführer sei als Ehemann einer freizügigkeitsberechtigten EWR-Bürgerin unmittelbar aufgrund des Unionsrechts aufenthaltsberechtigt und sei bereits ein Antrag auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte gestellt worden. Es wurden nachfolgende Unterlagen in Vorlage gebracht: Heiratsurkunde vom XXXX 2017, italienische Aufenthaltsberechtigung der Ehefrau des Beschwerdeführers vom XXXX 2004 und Einreichbestätigung Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels Aufenthaltskarte (Angehöriger von Österreichern) gestellt.
Mit Schreiben seiner Rechtsvertretung vom 19.10.2017 brachte der Beschwerdeführer eine Kopie seiner Aufenthaltskarte für Angehörige eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers vom XXXX 2017, gültig bis XXXX 2022 in Vorlage.
Mit Stellungnahme seiner Rechtsvertretung vom 07.05.2020 übermittelte der Beschwerdeführer die Zurückziehung der Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides. Außerdem wurde gemäß § 21 AsylG die Ausfolgung von Beweismitteln (Staatsbürgerschaftsnachweis und Personalausweis) beantragt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Zum entscheidungswesentlichen Sachverhalt wird zunächst auf die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen verwiesen.
Der (spätestens) am 13.08.2015 in das Bundesgebiet eingereiste Beschwerdeführer ist volljährig und Staatsangehöriger von Irak.
Seit XXXX 2017 ist der Beschwerdeführer mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet, die 2004 in Italien erwerbstätig war und folglich von ihrem Recht auf Freizügigkeit gemäß UnionsbürgerRL Gebrauch gemacht hat.
Dem Beschwerdeführer wurde von der NAG-Behörde ein Aufenthaltstitel "Angehöriger eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers", gültig für den Zeitraum XXXX 2017 bis XXXX 2022 erteilt.
Die Frage, ob der Beschwerdeführer asylrelevante Gründe für das Verlassen seines Heimatstaates glaubhaft gemacht hat und ein subsidiärer Schutzstatus vorliegt, ist nach Zurückziehung der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. und Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides nicht mehr Gegenstand dieses Verfahrens.
2. Beweiswürdigung:
Der Sachverhalt ergibt sich zweifelsfrei aus denvom BF übermittelten Unterlagen.
Dass der Beschwerdeführer mit einer österreichischen Staatsangehörigen verheiratet ist, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit gemäß UnionsbürgerRL Gebrauch gemacht hat, ergibt sich aus der Vorlage der Heiratsurkunde vom XXXX 2017 und der italienischen Aufenthaltsberechtigungskarte (permesso di soggiorno per stranieri) vom XXXX 2004.
Dass der Beschwerdeführer über einen Aufenthaltstitel "Angehöriger eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers" verfügt, ergibt sich aus der vorgelegten Kopie der Aufenthaltsberechtigungskarte vom XXXX 2017 sowie einer Einsichtnahme in das Informationsverbundsystem zentrales Fremdenregister (IZR).
Die Beschwerdezurückziehung hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. ergibt sich aus dem Schreiben der Rechtsvertretung vom 07.05.2020 (OZ 14).
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
3.1. Zur Einstellung des Verfahrens über die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. und Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:
§ 7 Abs. 2 VwGVG normiert, dass eine Beschwerde nicht mehr zulässig ist, wenn die Partei nach Zustellung oder Verkündung des Bescheides ausdrücklich auf die Beschwerde verzichtet hat.
Eine Zurückziehung der Beschwerde durch den Beschwerdeführer ist in jeder Lage des Verfahrens ab Einbringung der Beschwerde bis zur Erlassung der Entscheidung möglich (vgl. Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte 2, § 7 VwGVG, K 6).
In welchen Fällen das Verfahren einzustellen ist, regelt das VwGVG nicht. Die Einstellung steht nach allgemeinem Verständnis am Ende jener Verfahren, in denen ein Erledigungsanspruch nach Beschwerdeeinbringung verloren geht; darunter fällt auch die Zurückziehung der Beschwerde (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren [2013] § 28 VwGVG, Anm. 5).
Die Annahme, eine Partei ziehe die von ihr erhobene Berufung (nunmehr Beschwerde) zurück, ist nur dann zulässig, wenn die entsprechende Erklärung keinen Zweifel daran offen lässt. Maßgebend ist daher das Vorliegen einer in dieser Richtung eindeutigen Erklärung (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 63 Rz 75 mit zahlreichen Hinweisen zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes).
Mit der unmissverständlich formulierten Zurückziehung der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. und Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides durch den Beschwerdeführer mit Schreiben seines bevollmächtigten Rechtsvertreters vom 07.05.2020 sind die Spruchpunkte I. und II. rechtskräftig geworden; einer Sachentscheidung durch das Gericht ist damit die Grundlage entzogen. Das diesbezügliche Verfahren war daher mit Beschluss einzustellen (vgl. dazu auch VwGH 29.04.2015, 2014/20/0047, wonach aus den Bestimmungen des § 28 Abs. 1 und § 31 Abs. 1 VwGVG hervorgeht, dass eine bloß formlose Beendigung [etwa durch Einstellung mittels Aktenvermerkes] eines nach dem VwGVG vom Verwaltungsgericht geführten Verfahrens nicht in Betracht kommt).
3.2. Zur Behebung der Spruchpunkte III. und IV. des angefochtenen Bescheides:
Gemäß § 2 Abs. 4 Z 10 FPG ist Drittstaatsangehöriger ein Fremder, der nicht EWR-Bürger oder Schweizer Bürger ist. Gemäß § 2 Abs. 4 Z 11 FPG ist der Ehegatte [...] eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers oder Österreichers, die ihr unionsrechtliches oder das ihnen aufgrund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen haben, begünstigter Drittstaatsangehöriger.
Wie aus dem Verfahrensgang ersichtlich und in den Feststellungen ausgeführt, heiratete der Beschwerdeführer am XXXX 2017 eine österreichische Staatsangehörige, welche von ihrem unionsrechtlichen Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat. Es ist daher vom Bestehen eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts des Beschwerdeführers als begünstigtem Drittstaatsangehörigen auszugehen.
Die belangte Behörde hat die im angefochtenen Bescheid ausgesprochene Rückkehrentscheidung auf § 52 Abs. 2 Z 2 FPG gestützt. Zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung war dies auch zutreffend, weshalb der belangten Behörde diesbezüglich kein Vorwurf zu machen ist. In einer Konstellation wie der aktuell vorliegenden, ist die Erlassung einer auf § 52 Abs. 2 FPG gestützten Rückkehrentscheidung jedoch nicht zulässig. Die Frage der Zulässigkeit einer Aufenthaltsbeendigung ist im Hinblick auf einen begünstigten Drittstaatsangehörigen anhand der speziellen Bestimmungen in § 66 FPG bzw. § 67 FPG zu prüfen (VwGH 18.06.2013, 2012/18/0005).
Es kommt daher die Erlassung einer Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 2 Z 2 FPG nicht in Betracht. Der Beschwerde war daher stattzugeben und die angefochtenen Spruchpunkte III. und IV. ersatzlos zu beheben.
3.3. Zum Antrag auf Ausfolgung von Beweismitteln:
Laut § 21 AsylG sind gemäß § 15 Abs. 1 Z 5 übergebene Dokumente und Gegenstände dem Asylwerber so schnell wie möglich zurückzustellen, wenn sie für das Verfahren nach diesem Bundesgesetz, in einem Verfahren nach einem Vertrag über die Zuständigkeit zur Prüfung des Asylantrags oder des Antrages auf internationalen Schutz oder der Dublin - Verordnung nicht mehr benötigt werden. Die Sicherstellung nach anderen Bundesgesetzen bleibt unberührt. Die Beweismittel sind erforderlichenfalls der zuständigen Behörde oder dem zuständigen Gericht zu übergeben. Dem Betroffenen ist über Verlangen Auskunft zu geben und die Übergabe nach Satz 3 zu bestätigen.
Betreffend den Antrag des Beschwerdeführers auf Ausfolgung von Beweismitteln (Staatsbürgerschaftsnachweis und Personalausweis) gemäß § 21 AsylG wird darauf hingewiesen, dass die Originaldokumente dem Bundesverwaltungsgericht nicht vorgelegt wurden. Sobald die Dokumente des Beschwerdeführers für das Verfahren nicht mehr benötigt werden, sind ihm diese seitens der belangten Behörde zurückzustellen.
3.4. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Im gegenständlichen Fall konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG unterbleiben, da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid betreffend die Spruchpunkte III. und IV. aufzuheben ist und die Beschwerde betreffend die Spruchpunkte I. und II. zurückgezogen wurde.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Abschiebung Angehörigeneigenschaft Asylverfahren Aufenthaltsberechtigung Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz Aufenthaltstitel berücksichtigungswürdige Gründe Beschwerdezurückziehung Ehe Einstellung Einstellung des (Beschwerde) Verfahrens ersatzlose Teilbehebung freiwillige Ausreise Frist Kassation Rückkehrentscheidung Spruchpunktbehebung subsidiärer Schutz Verfahrenseinstellung Zurückziehung Zurückziehung der BeschwerdeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:I408.2153726.1.01Im RIS seit
13.10.2020Zuletzt aktualisiert am
13.10.2020