Entscheidungsdatum
08.06.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
I403 2199121-1/27E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, StA. Demokratische Republik Kongo, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Martin SAUSENG, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.05.2018, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 03.06.2020 zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 28.11.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Bei ihrer Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 29.11.2017 gab sie zu ihren Fluchtgründen befragt an, dass ihr Vater Journalist sowie in der Politik tätig gewesen sei, deswegen Probleme bekommen und das Land verlassen habe. Ihre Mutter sei verstorben. Als man ihren Vater nicht finden habe können, seien sie und ihre Geschwister misshandelt worden. Außerdem sei ihr und ihrer Schwester mit Vergewaltigung gedroht worden. Sie habe dann in einer Kirche gelebt und einen Pfarrer kennengelernt, welcher ihr später geholfen habe, das Land zu verlassen. Ihr Vater lebe mittlerweile in XXXX und sei asylberechtigt.
Am 05.09.2018 erfolgte eine niederschriftliche Einvernahme der Beschwerdeführerin beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), bei der sie hinsichtlich ihrer Fluchtmotive im Wesentlichen vorbrachte, dass sie und ihre Geschwister von Leuten aus der Politik bedroht worden seien, welche ihren Vater gesucht haben würden. Nachdem diese Leute sie mehrmals bedroht, von Vergewaltigung gesprochen und ihr Haus zerstört hätten, würden die Geschwister beschlossen haben, sich aufzuteilen und wegzugehen.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz mit Bescheid vom 17.05.2018, Zl. XXXX, bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten in Spruchpunkt I. gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Demokratische Republik Kongo in Spruchpunkt II. gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg.cit. ab. Weiters erteilte das BFA der Beschwerdeführerin keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 leg.cit. (Spruchpunkt III.), erließ ihr gegenüber gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 leg.cit. iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005 (Spruchpunkt IV.) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 leg.cit. fest, dass ihre Abschiebung in die Demokratische Republik Kongo gemäß § 46 leg.cit. zulässig ist (Spruchpunkt V.). Schließlich sprach das BFA aus, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 leg.cit. die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI.).
Mit Schriftsatz, welcher am 14.06.2018 beim BFA einlangte, erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Begründet wurde sie mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit und mit Verletzung von Verfahrensvorschriften. Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 25.06.2018 vorgelegt.
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.06.2019, Zl. I420 2199121-1/6E wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof behob das Erkenntnis am 05.11.2019, Zl. Ra 2019/01/0285 und wies auf die Notwendigkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung hin.
Die Rechtssache wurde der Gerichtsabteilung der erkennenden Richterin zugeteilt. Die für den 27.04.2020 anberaumte Verhandlung musste aufgrund der Covid-19-Pandemie auf den 03. 06.2020 verlegt werden. In der Verhandlung wurde auch der Vater der Beschwerdeführerin als Zeuge befragt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person der Beschwerdeführerin:
Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige der Demokratischen Republik Kongo. Die Identität der Beschwerdeführerin steht fest. Sie ist volljährig, bekennt sich zum christlichen Glauben und gehört der Volksgruppe der Luba an.
Die Beschwerdeführerin ist gesund und leidet weder an lebensbedrohlichen Krankheiten noch ist sie längerfristig pflege- oder rehabilitationsbedürftig; sie ist daher auch erwerbsfähig. Die Beschwerdeführerin gehört zu keiner der von der Covid-19-Pandemie besonders betroffenen Risikogruppen.
Die Beschwerdeführerin hat die Schule mit der Matura abgeschlossen und war in der Demokratischen Republik als Verkäuferin tätig.
In der Demokratischen Republik Kongo verfügt die Beschwerdeführerin über ein soziales und familiäres Netzwerk, es leben unter anderem ihre Geschwister, Onkel, Tante und Freunde ihres Vaters dort.
Die Beschwerdeführerin ist Tochter des in XXXX lebenden und asylberechtigten C K, geboren am XXXX 1962, StA. Demokratische Republik Kongo. Seit August 2019 lebt sie bei ihm.
Die Beschwerdeführerin besucht einen Deutschkurs; eine nachhaltige Aufenthaltsverfestigung liegt aber nicht vor. Sie führt keine Beziehung im Bundesgebiet.
Die Beschwerdeführerin befindet sich in der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig.
Die Beschwerdeführerin ist strafrechtlich unbescholten.
1.2. Zu den Fluchtmotiven der Beschwerdeführerin und zur Situation im Fall einer Rückkehr:
Die Beschwerdeführerin verließ die Demokratische Republik Kongo im November 2017, nachdem ihrem Vater mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.12.2014 der Flüchtlingsstatus zuerkannt und das Verfahren über ihren Antrag auf Einreise in das Bundesgebiet zur Familienzusammenführung aus dem Jahr 2015 aufgrund ihrer Volljährigkeit eingestellt worden war.
Die Beschwerdeführerin und ihre beiden Geschwister wurden nach der Ausreise ihres Vaters im Jahr 2010 in der Demokratischen Republik Kongo von einem sozialen und familiären Netzwerk betreut, auf welches sie bei ihrer Rückkehr zurückgreifen kann. Die Beschwerdeführerin war, entgegen ihren Angaben, nicht auf sich alleine gestellt und obdachlos und wäre sie dies auch im Falle einer Rückkehr nicht. Auch der Kontakt zum Vater wurde nach seiner Ausreise, entgegen den Aussagen der Beschwerdeführerin, aufrechterhalten.
Die Beschwerdeführerin wird in der Demokratischen Republik Kongo nicht aufgrund der journalistischen Tätigkeit ihres Vaters von den Sicherheitsbehörden verfolgt. Vielmehr lebte sie bis 2017 unbehelligt in ihrem Herkunftsland und wurde ihr 2015 (für das letztlich erfolglose Verfahren zur Einreise nach Österreich gemäß § 35 AsylG) ein Reisepass ausgestellt.
1.3. Zur allgemeinen Situation in der Demokratischen Republik Kongo auf Basis des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation, Stand 08.05.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 09.12.2019:
1.3.1. Frauen:
Im UNDP Human Development Index belegt die Demokratische Republik Kongo Platz 187 (letzter Platz der HDI Liste), beim Gender Inequality Index (GII) steht sie auf Platz 142 von 144. 36,2% der Männer und nur 10,7% der Frauen verfügen über einen Schulabschluss. Die Entwicklungschancen sind für Mädchen deutlich schlechter als für Buben. 76% der Mädchen und Frauen sind Opfer häuslicher Gewalt. Die Zahl der alleinstehenden Frauen und Mütter nimmt besonders auch im städtischen Umfeld stark zu. Die Frauen sind mit schweren sozialen und ökonomischen Rahmenbedingungen konfrontiert. Im Rahmen der kriegerischen Auseinandersetzungen im Osten des Landes, sind sexuelle Übergriffe Teil der Kriegsführung geworden. Im Rahmen der Friedens- und Traumaarbeit erhalten die Opfer Unterstützung, jedoch wird nur ein geringer Teil erreicht. Im öffentlichen Leben nehmen Frauen zunehmend am politischen und wirtschaftlichen Leben teil. 44 Frauen (8,9% der Abgeordneten) sind als Volksvertreter im kongolesischen Parlament vertreten (LIPortal 1.2017).
Die Verfassung verbietet zwar Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, Gesetze gewähren Frauen aber nicht die gleichen Rechte wie Männern. Auch auf politischer und besonders wirtschaftlicher Ebene erfahren Frauen zahlreiche Formen der Benachteiligung. Vergewaltigung und andere Formen sexueller Gewalt gegen Frauen und Mädchen waren weiterhin an der Tagesordnung, nicht nur in den Konfliktgebieten im Osten. Strafrechtliche Verfolgung von Vergewaltigungen und anderen Formen sexueller Gewalt bleibt selten, kommt aber vor. Familienmitglieder üben oft Druck auf Vergewaltigungsopfer aus, die Vergewaltigung geheim zu halten, um das Ansehen des Opfers und der Familie zu wahren (USDOS 3.3.2017, vgl. AA 6.9.2015).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (6.9.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Demokratischen Republik Kongo, Zugriff 5.5.2017
- LIPortal - Das Länder-Informations-Portal (1.2017): Kongo, https://www.liportal.de/kongo/
gesellschaft/, Zugriff 5.5.2017
- USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Right Practices 2016 – Democratic Republic of the Congo, http://www.ecoi.net/local_link/337144/479907_de.html, Zugriff 5.5.2017
1.3.2. Grundversorgung und Wirtschaft
Die Demokratische Republik Kongo ist ein reiches – armes Land. Reich an Rohstoffen profitiert nur eine sehr kleine Minderheit von den Schätzen des Bodens und der Natur. Zwei Drittel der Bevölkerung lebt in absoluter Armut. Mangel- und Fehlernährung sind an der Tagesordnung, besonders bei den Kindern. Kinderarbeit ist überall im Land verbreitet, in den provisorischen Bergwerken in Katanga als Bergleute, in den Kriegsgebieten des Ostens als Kindersoldaten oder in den Haushalten der Reichen von Kinshasa als Haushaltssklaven. In den Städten fehlt es an Arbeitsplätzen, Nahrungsmitteln, Wasser und der elementarsten sanitären Versorgung. Auf dem Land fehlt es an Straßen zur Vermarktung der landwirtschaftlichen Produkte. Zusätzlich behindern die innenpolitischen Konflikte und die allgegenwärtige Korruption eine erfolgreiche Armutsbekämpfung (LIPortal 1.2017, vgl. AI 22.2.2017).
Der überwiegende Teil der Bevölkerung lebt am Rande des Existenzminimums. Großfamilien gelingt es nicht immer, Härten durch wechselseitige Unterstützung aufzufangen. Die Stadtbevölkerung sichert die Grundversorgung mit Nahrungsmitteln hauptsächlich durch Kleinstlandwirtschaft und Kleinviehhandlung, die Lage bleibt aber prekär. Die Regierungen versuchen jedoch der angespannten Versorgungslage mit Nahrungsmitteln in den Städten mit agro-industriellen Projekten gegenzusteuern. Eine Unterversorgung besteht jedoch noch nicht. Eine Ausnahme bilden die Unruheprovinzen im Osten, wo es Vertriebenen durch die ständigen Kampfhandlungen oft nicht möglich ist, sich zumindest mit Subsistenzwirtschaft über Wasser zu halten (AA 6.9.2015).
Trotz seiner wertvollen natürlichen Ressourcen (Bodenschätze, Holz, Wasserkraft, fruchtbare Böden) ist die Demokratische Republik Kongo ein armes Land. Es ist geprägt vom Bergbau, von landwirtschaftlicher Subsistenzwirtschaft und Kleinhandel. Die Landwirtschaft macht etwa 40% des Bruttoinlandsprodukts aus. Die Demokratische Republik Kongo ist sehr schwach industrialisiert. Die Rohstoffindustrie ist ein wachsender Wirtschaftszweig. Der Bergbausektor (Kupfer, Kobalt, Gold, Diamanten, Coltan, Kasserit, seltene Erden) trägt bedeutend zum Wirtschaftswachstum bei. Trotz starker Wachstumsraten in den letzten Jahren leben weite Teile der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze. Im "Human Development Index" der Vereinten Nationen belegte die Demokratische Republik Kongo im Jahr 2015 Platz 176 von 188 betrachteten Ländern (AA 8.2016).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (6.9.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Demokratischen Republik Kongo, Zugriff 5.5.2017
- AA - Auswärtiges Amt (8.2016): Demokratische Republik Kongo, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/KongoDemokratischeRepublik/Wirtschaft_node.html, Zugriff 5.5.2017
- AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Democratic Republic of the Congo, http://www.ecoi.net/local_link/336470/479121_de.html, Zugriff 5.5.2017
- LIPortal - Das Länder-Informations-Portal (1.2017): Kongo, https://www.liportal.de/kongo/gesellschaft/#c6404, Zugriff 5.5.2017
1.3.3. Rückkehr
Allein aufgrund eines Asylantrags oder wegen irregulären Aufenthalts im Ausland werden Rückkehrer nicht strafrechtlich verfolgt. Eine Behelligung durch staatliche Organe bei der Einreise kann aber nicht ausgeschlossen werden, dies kann auch normale Reisende betreffen (AA 6.9.2015).
Sofern vor der Rückkehr keine Absprachen oder Vereinbarungen getroffen wurden, sollten Heimkehrer keine finanzielle Unterstützung oder Pensionsleistungen erwarten (IOM 10.2014).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (6.9.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Demokratischen Republik Kongo, Zugriff 5.5.2017
- IOM - International Organization for Migration (10.2014): Länderinformationsblatt Demokratische Republik Kongo
1.3.4. Dokumente
Angesichts der weit verbreiteten Korruption der Justiz- und Verwaltungsbehörden kann jedes Dokument mit vom Besteller vorgegebenem Inhalt von der formal zuständigen Stelle gekauft werden. Normale Reisepässe werden nach offiziellen Angaben vom Außenministerium gegen eine Verwaltungsgebühr von USD 150.- ausgestellt. Reisepässe sind jedoch kein zuverlässiger Nachweis der Identität, da sie mit einem bestimmten Inhalt gekauft werden oder bereits die für eine Ausstellung notwendigen Dokumente (Geburtsurkunde etc.) gefälscht sein können (AA 6.9.2015).
Quelle:
- AA - Auswärtiges Amt (6.9.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Demokratischen Republik Kongo, Zugriff 5.5.2017
1.4. Zur allgemeinen Situation in der Demokratischen Republik Kongo auf Basis aktueller Berichte des Auswärtigen Amtes und von Human Rights Watch:
Ein unbewältigtes politisches Problem bleiben die gewalttätigen Auseinandersetzungen im Osten des Landes, insbesondere in den Provinzen Nord-Kivu, Süd-Kivu, Ituri und Tanganyika, aber auch in den Provinzen Bas-Uélé, Haut-Uélé. Dort treten auch Menschenrechtsverletzungen durch Angehörige der kongolesischen Armee (FARDC), der Sicherheitsdienste und der Polizei sowie der Rebellengruppen auf.
Im Jänner 2019 wurde der Kandidat der oppositionellen Union pour la Démocratie et le Progrès social UDPS, Félix Tshisekedi, zum Sieger der Präsidentschaftswahlen vom 30.12.2018 erklärt. Dies war der erste friedliche Machtwechsel seit 50 Jahren. Präsident Joseph Kabila kündigte an, die Verfassung zu respektieren und nicht für eine dritte Amtszeit anzutreten.
Die politische Situation war zuletzt vor allem durch die Bildung einer neuen Regierung geprägt. Als Folge der Wahlen im Dezember 2018 wurde zwar der oppositionelle UDPS-Kandidat Felix Tshisekedi zum Staatspräsidenten ernannt, im Parlament herrscht jedoch eine erdrückende Übermacht der Parteien rund um das ehemalige Regierungsbündnis FCC.
Zahlreiche Menschenrechtsorganisationen sind aktiv und können grundsätzlich frei agieren. Die Zivilgesellschaft ist sich der Bedeutung des Schutzes der Menschenrechte, zumindest in den größeren Städten, in den letzten Jahren immer bewusster geworden. Menschenrechtsorganisationen erfahren auch in der Presse oftmals Rückhalt. Im Zuge der Wahlen im Dezember 2018 kam es zu massiven Einschüchterungswellen von Menschenrechtsverteidigern und aktiver Zivilgesellschaft durch staatliche Sicherheitskräfte. Versammlungen wurden verboten und gewaltsam aufgelöst, willkürliche Festnahmen und Verhöre unter Einsatz von Gewalt fanden in regelmäßigen Abständen statt. Nach Ernennung des neuen StP Tshisekedi kam es zu ersten Anzeichen einer Entspannung und einem neuen, demokratischeren Umgang mit Menschenrechtsorganisationen. Insgesamt hat die politische Repression nach der Machtübernahme von Tshisekedi stark abgenommen, auch wenn es noch immer vereinzelt Übergriffe von Sicherheitsbeamten auf Demonstranten gibt.
Trotz erheblicher natürlicher Ressourcen steht die DR Kongo vor unbewältigten wirtschaftlichen Herausforderungen. Nicht nur in den Krisengebieten des Landes, sondern auch in den meisten anderen Landesteilen, insbesondere in ländlichen Gegenden, ist das Leben von Armut geprägt. Auf dem Human Development Index des UNDP nimmt die DR Kongo 2018 Platz 176 von 188 ein. In der DR Kongo mit ihren über 85 Mio. Einwohnern gibt es schätzungsweise nur 1,5 Mio. formelle Arbeitsplätze, davon über 1 Mio. im schlecht bezahlten öffentlichen Dienst. Große Erwartungen ruhen deshalb auf entsprechenden Vorhaben der neuen Machthaber, etwa dem Aktionsplan zum Kampf gegen Armut von StP Tshisekedi, welchen er im Oktober 2019 vorstellte.
Der überwiegende Teil der Bevölkerung lebt am Rande des Existenzminimums. Auch innerhalb der Großfamilie gelingt es nicht immer, Härten durch wechselseitige Unterstützung aufzufangen. Die Stadtbevölkerung in der Millionenstadt Kinshasa ist immer weniger in der Lage, mit städtischer Kleinstlandwirtschaft und Kleinviehhaltung die Grundversorgung mit Nahrungsmitteln zu sichern. Die Zentral- und Provinzregierungen versuchen mit agroindustriellen Projekten gegenzusteuern. Die Musterfarm N’Sele bei Kinshasa trägt mittlerweile maßgeblich zur Versorgung der Hauptstadt bei. Darüber hinaus werden landwirtschaftliche Produkte aus den Nachbarprovinzen eingeführt. Auch im Sektor Ernährung und Landwirtschaft sind grundlegende Reformen und Investitionen notwendig.
Allein auf Grund eines Asylantrags oder wegen irregulären Aufenthalts im Ausland werden Rückkehrer nicht strafrechtlich verfolgt. Eine Behelligung durch staatliche Stellen bei der Einreise kann nicht ausgeschlossen werden; dieser Gefahr sind auch normale Reisende ausgesetzt.
Die Verfassung von 2006 sieht in Art. 11 und 12 ausdrücklich die Gleichberechtigung der Geschlechter vor. Durch eine Änderung des Familienrechts „Code de la Famille“ wurde 2016 versucht, diesem Verfassungsgrundsatz zu mehr Durchsetzung zu verhelfen. Größte Herausforderung ist die Implementierung der gesetzlichen Vorgaben in den Alltag der Betroffenen, gerade in ländlicheren Gebieten die oftmals keine Informationen über die gesetzlichen Bestimmungen haben. Weit verbreitete Gewalt gegen Frauen und sexueller Missbrauch in der Ehe werden in der öffentlichen Diskussion zwar immer mehr thematisiert, den Strafverfolgungsbehörden aber nach wie vor kaum zur Kenntnis gebracht. Sexualisierte Gewalt kommt häufig vor und ist keineswegs auf die Ostprovinzen beschränkt. Unter dem Druck von Menschenrechtsorganisationen und internationaler Gemeinschaft werden die Täter seit mehreren Jahren stärker verfolgt, das Problem der Straflosigkeit in diesem Bereich besteht jedoch prinzipiell fort.
Quellen:
Auswärtiges Amt (Deutschland): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Demokratischen Republik Kongo (Stand: November 2019), 17. Februar 2020, abrufbar unter https://www.ecoi.net/en/file/local/2025308/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Demokratischen_Republik_Kongo_%28Stand_November_2019%29%2C_17.02.2020.pdf (Zugriff am 4. März 2020)
Human Rights Watch, Jahresbericht zur Menschenrechtssituation im Jahr 2019 vom 14.01.2020, abrufbar unter https://www.hrw.org/world-report/2020/country-chapters/democratic-republic-congo
1.5. Zur aktuellen Covid-19-Pandemie und sonstigen Erkrankungen:
COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet. In Österreich gibt es mit Stand 06.06.2020, 18:00 Uhr, 16.819 bestätigte Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen, wobei aktuell nur mehr 437 Personen erkrankt sind (https://coronavirus.datenfakten.at/; Zugriff am 06.06.2020); in der Demokratischen Republik Kongo wurden laut WHO 3877 Infektionen bestätigt, 81 Personen sind an der Erkrankung gestorben (Stand: 07.06.2020, vgl. https://covid19.who.int/region/afro/country/cd; Zugriff am 08.06.2020). In Relation zur Einwohnerzahl liegt die Infektionsrate somit prozentual deutlich unter jener von Österreich.
Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80 % der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5 % der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten, Immunschwächen, etc.) auf. Dass die Beschwerdeführer derzeit an einer COVID-19-Infektion leiden würden, wurde nicht vorgebracht. Bei jungen Menschen ohne Schwächung des Immunsystems verläuft eine Infektion mit COVID-19 zudem mit nur geringen Symptomen vergleichbar einer Grippe. Bei Personen in der Altersgruppe bis 49 Jahre, ist die Sterblichkeit sehr gering und liegt unter 1 %. Es fehlen daher bei einer Infektion mit COVID-19 die geforderten außergewöhnlichen Umstände iSd Art. 3 EMRK.
In der Demokratischen Republik Kongo gab es 2019 einen Masern-Ausbruch, der noch immer seine Opfer fordert, insbesondere unter Kindern. Allerdings betrifft dies abgelegene Gebiete im Norden des Landes und somit nicht die in Kinshasa lebende Beschwerdeführerin (vgl. etwa Ärzte ohne Grenzen, Masern in Zeiten von Corona, 11.05.2020, abrufbar unter https://www.aerzte-ohne-grenzen.at/article/masern-zeiten-von-corona). Das gleiche gilt auch für die im August 2018 ausgebrochene Ebola, die bislang 2280 Todesopfer (von insgesamt 3463 Infizierten) gefordert hat. Diese beschränkt sich auf die Provinzen South Kivu, North Kivu und Ituri und stellt daher keine Gefahr für die in Kinshasa lebende Beschwerdeführerin dar (WHO, Ebola virus disease Democratic Repoublic of Congo: external situation report 95/2020; Stand 31.05.2020, abrufbar unter https://www.who.int/publications/i/item/10665-332254).
2. Beweiswürdigung:
Die erkennende Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:
2.1. Zum Verfahrensgang:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.
2.2. Zur Person der Beschwerdeführerin:
Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität und zur Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführerin getroffen wurden, beruhen diese auf der Kopie eines Reisepasses. Allerdings ergibt sich aus den Länderfeststellungen, dass diese kein zuverlässiger Nachweis der Identität sind, da sie mit einem bestimmten Inhalt gekauft werden oder bereits die für eine Ausstellung notwendigen Dokumente (Geburtsurkunde etc.) gefälscht sein können.
Von der erkennenden Richterin wurden von der ÖB Nairobi die Unterlagen zu dem vom Vater der Beschwerdeführerin im Jahr 2015 angestrebten Verfahren zur Familienzusammenführung eingeholt; darunter befand sich auch die Kopie des im selben Jahr ausgestellten Reisepasses für die Beschwerdeführerin. Nachdem sich sowohl auf diesem Reisepass wie auch in den vorgelegten Geburtsurkunden als Geburtsdatum der XXXX 1997 (und nicht der von der Beschwerdeführerin angegebene XXXX 1997) findet, wird dieses Datum übernommen. Die vorgelegte Geburtsurkunde wurde im Übrigen einer Untersuchung unterzogen, mangels Vergleichs- und Informationsmaterial konnte aber von der LPD (Bericht der LPD XXXX vom 03.02.2019 zu XXXX) keine Beurteilung getroffen werden. Die in Bezug auf die Schwester der Beschwerdeführerin im Verfahren auf Familienzusammenführung (siehe dazu Punkt 2.3.) der ÖB Nairobi vorgelegte Geburtsurkunde wurde von der Vertretungsbehörde nicht als echt anerkannt.
Die Feststellungen zu ihrer Religions- und Volksgruppenzugehörigkeit ergeben sich aus ihren diesbezüglichen glaubhaften Angaben vor dem BFA.
Die Feststellung zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit der Beschwerdeführerin ergibt sich aus ihren Aussagen vor dem BFA und dem Bundesverwaltungsgericht. In der Verhandlung gab sie an, nur an Zahnschmerzen zu leiden. Auch aus der Aktenlage sind keinerlei Hinweise auf lebensbedrohliche gesundheitliche Beeinträchtigungen ableitbar.
Dass die Beschwerdeführerin über eine Schulbildung sowie Arbeitserfahrung in der Demokratischen Republik Kongo verfügt, ergibt sich aus ihren glaubwürdigen Aussagen bei ihrer Erstbefragung und vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung.
Die Feststellungen betreffend die persönlichen Verhältnisse und die Lebensumstände der Beschwerdeführerin in Österreich sowie zu ihrer Integration beruhen auf ihren Aussagen vor dem BFA und dem Bundesverwaltungsgericht. Vorgelegt wurde die Bestätigung des Besuchs eines Deutschkurses.
Dass die Beschwerdeführerin die Tochter des in Österreich lebenden C K ist und bei diesem wohnt, ergibt sich aus ihren eigenen Aussagen im gegenständlichen Verfahren sowie aus den übereinstimmenden Aussagen des C K bei seiner Erstbefragung vom 13.05.2010 sowie in der Einvernahme vor dem Bundesasylamt vom 22.07.2010 und in der mündlichen Verhandlung am 3.6.2020.
Die Feststellungen zu ihrem Bezug der Grundversorgung ergeben sich aus dem dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden am 20.05.2019 abgefragten Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem.
Die Feststellung bezüglich der strafgerichtlichen Unbescholtenheit entspricht dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes durch Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich.
2.3. Zum Fluchtvorbringen der Beschwerdeführerin:
Dem Vater der Beschwerdeführerin war der Status eines Asylberechtigten zuerkannt worden. Er hatte angegeben, aufgrund seiner Tätigkeit als Journalist und seiner Recherchen in der Provinz Equateur im April 2010 für einige Tage von der Polizei und dem Geheimdienst festgenommen worden zu sein. Man habe ihn aufgefordert, als Spion für die Regierung tätig zu werden, und er habe ein entsprechendes Papier unterschrieben. Dann habe er sich einige Tage im Wald in der Nähe von Kinshasa versteckt, wo er eine Frau getroffen habe, die seine Ausreise organisiert habe.
Die Beschwerdeführerin machte eine Verfolgung in Zusammenhang mit den Fluchtgründen ihres Vaters geltend. Von einem Antragsteller ist ein Verfolgungsschicksal glaubhaft darzulegen. Einem Asylwerber obliegt es, bei den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen und Verhältnissen, von sich aus eine Schilderung zu geben, die geeignet ist, seinen Asylanspruch lückenlos zu tragen und er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern. Die Behörde bzw. das Gericht muss somit die Überzeugung von der Wahrheit des von einem Asylwerber behaupteten individuellen Schicksals erlangen, aus dem er seine Furcht vor asylrelevanter Verfolgung herleitet. Es kann zwar durchaus dem Asylwerber nicht die Pflicht auferlegt werden, dass dieser hinsichtlich asylbegründeter Vorgänge einen Sachvortrag zu Protokoll geben muss, der auf Grund unumstößlicher Gewissheit als der Wirklichkeit entsprechend gewertet werden muss, die Verantwortung eines Antragstellers muss jedoch darin bestehen, dass er bei tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit die Ereignisse schildert.
Das BFA stellte im angefochtenen Bescheid fest, dass das Vorbringen der Beschwerdeführerin diesen Anforderungen nicht entsprach und somit nicht glaubhaft ist. Dem schloss sich das Bundesverwaltungsgericht im Erkenntnis vom 18.06.2019, Zl. I420 2199121-1/6E an. Der Verwaltungsgerichtshof stellte in seinem Erkenntnis vom 05.11.2019, Zl. Ra 2019/01/0285 allerdings fest, dass die Beschwerdeführerin den beweiswürdigenden Erwägungen der Verwaltungsbehörde in ihrer Beschwerde nicht bloß unsubstantiiert entgegengetreten sei. Vielmehr habe sie sich ausführlich mit der Beweiswürdigung des BFA betreffend die in Zusammenhang mit der Verfolgung ihres Vaters geltend gemachten Fluchtgründe und der Feststellung der Unterstützungsmöglichkeit durch in ihrem Herkunftsstaat lebende Familienangehöriger auseinandergesetzt. Daher sei eine mündliche Verhandlung durchzuführen.
Die erkennende Richterin, die die Rechtssache erst nach Revisionserhebung zugeteilt bekam, sah es in Übereinstimmung mit der höchstgerichtlichen Rechtsprechung ebenfalls als notwendig an, eine mündliche Verhandlung durchzuführen, um der Beschwerdeführerin die Gelegenheit zu geben, die von der belangten Behörde dargelegten Unstimmigkeiten erklären zu können. Allerdings muss sich die erkennende Richterin nach Durchführung der Verhandlung im Ergebnis der belangten Behörde dahingehend anschließen, dass das Vorbringen der Beschwerdeführerin, dass sie in der Demokratischen Republik Kongo aufgrund der Tätigkeit ihres Vaters als Journalist Verfolgung zu befürchten hätte, nicht glaubhaft ist.
Sache des gegenständlichen Verfahrens ist nur die Frage einer Verfolgungsgefahr für die Beschwerdeführerin, nicht die Frage einer Verfolgung ihres Vaters, dem mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.12.2014, Zl. W215 1416889-2/10E ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung der Flüchtlingsstatus zuerkannt worden war.
Bereits im angefochtenen Bescheid wurde darauf hingewiesen, dass die Beschwerdeführerin bei ihrer Erstbefragung angegeben hatte, dass sie und ihre Geschwister nach der Flucht des Vaters täglich misshandelt worden seien sowie ihr und ihrer Schwester mit Vergewaltigung gedroht worden sei, damit sie den Aufenthaltsort des Vaters verraten (AS 27). Im Widerspruch dazu erklärte sie dann bei ihrer niederschriftlichen Einvernahme und auch in der Verhandlung, dass sie von 2010 bis 2011 fünf bis sechs Bedrohungssituationen ausgeliefert gewesen sei (AS 96). Allerdings dient die Erstbefragung nicht der näheren Erörterung der Fluchtgründe und wurde dem in der Beschwerde auch entgegengehalten, dass die Beschwerdeführerin nicht von „täglichen“, sondern von „wiederholten“ Misshandlungen gesprochen habe, so dass dieser Widerspruch keine tragende Erwägung des vorliegenden Erkenntnisses ist. Allerdings finden sich in ihrem Vorbringen derart viele andere Widersprüche und Unstimmigkeiten, dass auch die erkennende Richterin letztlich zu keinem anderen Schluss kommen kann als bereits die belangte Behörde, nämlich dass das ganze Vorbringen rund um eine angebliche Bedrohung der Beschwerdeführerin nach der Ausreise ihres Vaters im Jahr 2010 nicht glaubhaft ist.
Es muss zunächst festgestellt werden, dass die Angaben der Beschwerdeführerin und ihres Vaters in der mündlichen Verhandlung rund um die angebliche Flucht ihres Vaters wegen seiner Tätigkeit als Journalist vollkommen divergierten: Wenn die Beschwerdeführerin angibt, ihr Vater habe sich zwischen April/Mai 2010 und seiner Ausreise im August 2010 verängstigt zu Hause versteckt, kann dies faktisch nicht der Wahrheit entsprechen, befand sich ihr Vater doch seit dem 13. Mai 2010 in Österreich, wie sich aus seinem Asylakt ergibt. Nachdem die Beschwerdeführerin aber auch mehrmals betonte, dass ihr Vater das Land während der Schulferien im August 2010 verlassen habe und erklärte, er habe sich davor monatelang zuhause versteckt, kann es sich dabei auch um keinen Flüchtigkeitsfehler handeln. Zudem hatte ihr Vater stets angegeben, am 30.04.2010 Probleme wegen Recherchen im Osten des Landes bekommen zu haben und dann nicht mehr nach Hause zurückgekehrt zu sein, bis er am 12.05.2010 nach Europa flog.
Die Beschwerdeführerin erklärte weiter, dass sie und ihre Geschwister, als ihr Vater im August 2010 während der Schulferien die Ausreise angetreten habe, nichts von seinem Plan gewusst hätten, sondern dass er einfach das Haus verlassen habe und nicht mehr zurückgekehrt sei. Vollkommen unplausibel ist es, wenn die Beschwerdeführerin weiter ausführt, dass sie und ihre Geschwister dann einfach wochenlang im Haus geblieben wären und auf ihren Vater gewartet hätten. Sie erklärte dies damit, dass sie die Familien ihrer Mutter und ihres Vaters nicht gekannt habe (obwohl, siehe weiter unten, ihr Vater angegeben hatte, sein jüngerer Bruder habe sich während seiner Dienstreisen um die Kinder gekümmert und sie selbst gegenüber dem BFA am 05.09.2018 noch gemeint hatte, zwei Brüder ihres Vaters kennengelernt zu haben). Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes erscheint es nicht nachvollziehbar und vollkommen unrealistisch, dass drei Kinder im Alter von 15, 13 und 10 Jahren sich nicht an Nachbarn oder Verwandte gewandt hätten, wenn der Vater plötzlich verschwindet und sie alleine zurückbleiben. Dass ihr älterer Bruder dann erst nach zwei Wochen das Haus verlassen habe, um etwas zu essen zu besorgen, ist ebenfalls mit der Realität nicht zu vereinbaren. Zudem widerspricht die Beschwerdeführerin damit den früheren Aussagen ihres Vaters, dass sie und ihre Geschwister bei seinem Bruder untergekommen wären. Wenn die Beschwerdeführerin versucht (so in der Verhandlung und auch in der Beschwerde), dies damit zu erklären, dass ihr Vater seinen Bruder gebeten habe, sich um sie zu kümmern, dass sich dieser aber geweigert habe, ist dies eine Schutzbehauptung, die sich mit den Aussagen ihres Vaters am 22.07.2010 gegenüber dem Bundesasylamt nicht in Einklang bringen lässt: „Meine Kinder haben bis zu meiner Ausreise bei mir gelebt. Sie sind jetzt bei meinem Bruder, der ebenfalls in Kinshasa lebt. (…) Ich telefoniere manchmal mit ihnen. Mein Bruder ruft meistens an, da es sehr teuer ist.“ Es verhielt sich daher nicht so, dass der Vater vermutete, dass sich seine Kinder bei seinem Bruder aufhielten (obwohl dieser sich geweigert hatte, sie aufzunehmen), sondern erreichte der Vater seine Kinder telefonisch bei seinem Bruder. Das Bundesverwaltungsgericht kommt daher zum Schluss, dass sich die Situation nach der Ausreise des Vaters nicht wie von der Beschwerdeführerin geschildert zugetragen hat und dass die Beschwerdeführerin und ihre Geschwister tatsächlich nicht alleine lebten, sondern bei ihrem Onkel wohnten und von diesem versorgt wurden. Gegen die Angabe der Beschwerdeführerin, dass die drei Kinder vollkommen alleine gewesen seien, spricht auch die Feststellung ihres Vaters im „Befragungsformular im Familienverfahren“ der Beschwerdeführerin (siehe dazu weiter unten), wonach die drei Kinder nach seiner Ausreise bei Freunden, bei einer Tante und bei einem Onkel gelebt hätten.
Zusammengefasst kommt das Bundesverwaltungsgericht daher zum Schluss, dass die Beschwerdeführerin und ihre Geschwister nach der Ausreise ihres Vaters im Jahr 2010 nicht auf sich alleine gestellt waren, sondern dass sehr wohl ein soziales Netzwerk existierte und ein Familienverband die Kinder unterstützte.
Die Beschwerdeführerin gab in der Verhandlung weiter an, dass sie und ihre beiden Geschwister ab September 2010 bedroht worden seien. Fünf Personen seien gekommen, würden sie bedroht und das Haus durchsucht haben. Sie hätten auch gefragt, wo ihr Vater sei; dann seien sie wieder gegangen. Die Beschreibung des Vorfalls in der mündlichen Verhandlung steht allerdings in Gegensatz zu ihren früheren Schilderungen (AS 96), als sie von drei Männern sprach, die gekommen seien.
Dass sich die Geschwister auch nach diesem Überfall an niemanden gewandt hätten, ist nicht plausibel, wurde von der Beschwerdeführerin in der Verhandlung aber behauptet. Insgesamt habe es fünf solcher Vorfälle gegeben, ehe die Geschwister 2011 das Haus verlassen und sich getrennt hätten. Nach dem konkreten Geschehen gefragt, blieb die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vage und meinte: „Die Bedrohungen waren massiv, außerdem hatten wir weder Strom noch Wasser oder Licht, da wir diese nicht mehr zahlen konnten. Es war wegen der Drohungen und weil das Haus in keinem guten Zustand mehr war.“ Gegenüber dem BFA hatte sie noch davon gesprochen, dass sie und ihre Geschwister das Haus im März 2011 verlassen hätten, weil die Männer, die immer wieder gekommen seien, das Haus zerstört hätten (AS 98).
Nicht nachvollziehbar ist es, wenn die Beschwerdeführerin angibt, dass sich die Geschwister im Jahr 2011 voneinander getrennt hätten. In der Verhandlung meinte die Beschwerdeführerin auf die Frage der erkennenden Richterin, was ihre 11jährige Schwester alleine gemacht habe, dass diese mit ihrem Bruder Serge mitgegangen sei – dagegen hatte sie zuvor immer erklärt, dass jeder seines Weges gegangen wäre (Einvernahme durch das BFA am 05.09.2018: „Weil wir nicht wussten, an wen wir uns wenden sollen, haben wir uns darauf verständigt, dass wir uns trennen. Wir waren nicht mehr in Sicherheit. Es ist jeder woanders hin, damit wir keine Zielscheibe mehr sind.“). Im Gegensatz zu ihren früheren Einvernahmen gab sie in der Verhandlung zudem erstmals an, dass sie ihren Bruder noch zweimal, zuletzt 2012, getroffen habe und dieser sie finanziell unterstützt habe (dagegen hatte sie dem BFA erklärt, ihre Geschwister zuletzt 2011 gesehen zu haben; AS 91; AS 94 und AS 95). Auch hier liegen erhebliche Widersprüche in ihren verschiedenen Einvernahmen vor.
Zu ihrer eigenen weiteren Geschichte gab die Beschwerdeführerin an, sich als damals 14jährige durch den Verkauf von Orangen und Wasser erhalten und auf der Straße gelebt zu haben. Dies lässt sich aber nicht damit vereinbaren, dass die Beschwerdeführerin zugleich immer angab, so auch in der Verhandlung, dass sie die Schule mit der Matura abgeschlossen hat. Dass sie selbst sich als auf sich allein gestelltes minderjähriges obdachloses Mädchen das Schulgeld gezahlt und bis zur Matura die Schule besucht haben will, ist nicht glaubwürdig. Laut UNICEF besuchen mehr als 50% der Mädchen in der Demokratischen Republik Kongo keine Schule (vgl. https://www.unicef.org/drcongo/en/what-we-do/education; Zugriff am 04.06.2020). Dass ausgerechnet ein obdachloses Mädchen ohne Familienverband sich alleine eine Matura ermöglichen können sollte, erscheint nicht plausibel. Dass sie die letzten vier Jahre vor ihrer Ausreise in Kirchen gewohnt habe (Einvernahme durch das BFA am 05.09.2018), erwähnte sie in der Verhandlung nicht mehr.
Auch das Vorbringen rund um die Frage, wie die Beschwerdeführerin wieder in Kontakt mit ihrem Vater gekommen sein will, ist nicht glaubwürdig. Sie gab in der Verhandlung an, dass sie 2010 von einer Bekannten ihres Vaters angerufen worden seien, der ihnen gesagt habe, dass dieser nicht zurückkommen werde und in Österreich sei. Abgesehen davon, dass es nicht stimmig ist, wenn die Beschwerdeführerin einerseits erklärt, im Haus kein Wasser und keinen Strom gehabt zu haben, andererseits aber telefonisch erreichbar gewesen sein will, steht dies in Widerspruch zu ihrer Angabe vor dem BFA am 05.09.2018, als sie erklärte, dass ihr Vater sie drei Wochen nach der Ausreise selbst angerufen habe (AS 96 und AS 101). Dass die Beschwerdeführerin in den Jahren zwischen 2010 und 2017/18 nicht in Kontakt mit ihrem Vater gewesen sein will, ist nicht glaubwürdig (vgl. dazu auch die untenstehenden Ausführungen zu dem 2015 gestellten Antrag auf Familienzusammenführung).
Aus dem Akt der belangten Behörde zum Asylverfahren des Vaters der Beschwerdeführerin geht hervor, dass dieser, nachdem ihm mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.12.2014 der Flüchtlingsstatus zuerkannt worden war, mit dem Roten Kreuz im Jänner 2015 in Kontakt getreten war, um ein Verfahren zur Familienzusammenführung gemäß § 35 AsylG zu initiieren (vgl. Schreiben des RK an das BFA XXXX; AS 639 des Asylaktes des Vaters der Beschwerdeführerin). Im November 2015 erging dann ein weiteres Schreiben des Roten Kreuzes an das BFA (AS 649 des Asylaktes des Vaters der Beschwerdeführerin), in dem erklärt wurde, dass die Beschwerdeführerin und ihre Schwester MXXXX Anträge auf Familienzusammenführung beim Honorargeneralkonsulat in Kinshasa gestellt hätten und nach dem Verfahrensstand gefragt wurde. Einem Antwortschreiben der ÖB Nairobi vom 12.01.2016 ist wiederum zu entnehmen, dass von beiden (die Beschwerdeführerin wurde aufgrund einer Bezeichnung in der Geburtsurkunde als „Sohn“ zwar als männlich bezeichnet, doch wurde eindeutig von der Beschwerdeführerin XXXX gesprochen) am 29.05.2015 beim Honorargeneralkonsulat in Kinshasa Anträge auf Familienzusammenführung gestellt wurden. Die ÖB Nairobi habe die Beschwerdeführerin aber darüber informiert, dass sie aufgrund der erreichten Volljährigkeit nicht antragsberechtigt sei. Ihre Schwester müsse persönlich bei der ÖB Nairobi vorsprechen. Zum weiteren Verfahren der Schwester M XXXX ergibt sich aus dem Asylakt des Vaters, dass diesem vom BFA am 28.11.2017 mitgeteilt wurde, dass die von ihr vorgelegte Geburtsurkunde als bedenklich eingestuft worden sei und daher nicht vom Nachweis eines Verwandtschaftsverhältnisses ausgegangen werden könne; es stehe ihm die Möglichkeit einer DNA-Analyse offen. In einem weiteren Schreiben des Roten Kreuzes an das BFA wird erklärt, dass der Vater der Beschwerdeführerin darauf hingewiesen habe, dass seine Tochter MXXXX ihren Reisepass bei der ÖB Nairobi abgegeben habe; eine Kopie wurde mitübermittelt (AS 675-677 des Asylaktes des Vaters der Beschwerdeführerin). Im weiteren Verlauf wurde der Vater der Beschwerdeführerin über die dennoch bestehende Notwendigkeit einer DNA-Analyse aufgeklärt und gab er an, eine solche im April 2018 durchführen zu wollen. Eine solche Analyse zur Feststellung des Verwandtschaftsverhältnisses erfolgte trotz mehrmaliger Urgenzen seitens des BFA allerdings nicht und wurde im Februar 2019 mitgeteilt, dass eine DNA-Analyse auch nicht mehr gewünscht sei, weshalb die belangte Behörde am 14.06.2019 mitteilte, dass ein Familienverhältnis nicht nachgewiesen sei und daher nicht von einer wahrscheinlichen Vergabe des Status einer Asylberechtigten bzw. subsidiär Schutzberechtigten an die Schwester der Beschwerdeführerin auszugehen sei. Dem wurde im Wege des Parteiengehörs auch nicht entgegengetreten und daher der Antrag der Schwester der Beschwerdeführerin auf Erteilung eines Einreisetitels mit Bescheid der ÖB Nairobi vom 27.06.2019, GZ. XXXX abgewiesen.
Das Bundesverwaltungsgericht forderte im gegenständlichen Verfahren von der Österreichischen Botschaft Nairobi die Unterlagen über das von der Beschwerdeführerin und ihrer Schwester angestrebte Verfahren zur Einreise und Familienzusammenführung an. Dem „Befragungsformular im Familienverfahren“ der Beschwerdeführerin war eine Beschreibung des Fluchtgrundes ihres Vaters beigelegt, in welchem dieser wiederholt, dass er aufgrund seiner journalistischen Tätigkeit politisch verfolgt wird und dass er sich große Sorgen um seine Kinder machen würde, die einmal bei Freunden, dann bei einer Tante, dann bei einem Onkel leben würden. Nachdem das Verfahren in Bezug auf die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer Volljährigkeit eingestellt wurde, begab sich ihre Schwester MXXXX nach Nairobi, um dort persönlich den Antrag zu stellen. Ihrem „Befragungsformular im Familienverfahren“ sind keine Rückkehrbefürchtungen zu entnehmen, sondern nur, dass sie alleine sei und zu ihrem Vater wolle, um die Schule fortsetzen zu können. Auch hier findet sich daher kein stringentes Vorbringen.
Die Beschwerdeführerin selbst behauptet, von ihrem Antrag auf Familienzusammenführung nichts gewusst zu haben, den in den Unterlagen in Kopie einliegenden Reisepass nicht zu kennen und nicht zu wissen, wer JXXXX MXXXX BXXXX ist. Auch ihr Vater gab in der mündlichen Verhandlung am 03.06.2020 an, dass er diesen Mann nicht kennen würde. Ihm wurde von der erkennenden Richterin die von der ÖB Nairobi zur Verfügung gestellte Kopie einer Vollmacht, die vom Vater der Beschwerdeführerin an JXXXX XXXX BXXXX am 08.07.2015 zur Unterstützung seiner beiden Töchter bei ihrem Antrag auf Familienzusammenführung nach § 35 AsylG gegeben wurde, gezeigt, doch gab er an, sich nicht daran erinnern zu können. Es ist aber festzuhalten, dass die Echtheit der Unterschrift des Vaters der Beschwerdeführerin auf diesem Dokument sogar notariell beglaubigt wurde. Es ist daher davon auszugehen, dass es jedenfalls Personen im näheren Umfeld der Beschwerdeführerin bzw. ihres Vaters gab, der sie unterstützte, wie eben jener JXXXX MXXXX BXXXX, dem der Vater der Beschwerdeführerin weit genug vertraute, um ihm die Vollmacht zu geben, für seine Tochter im Verfahren auf Familienzusammenführung zu unterschreiben. Während des Verfahrens ihrer Schwester in Nairobi wurde diese im Übrigen von einem anderen Freund der Familie bzw. einem Familienmitglied (BXXXX BXXXX) unterstützt, für den ebenfalls eine notariell beglaubigte Vollmacht des Vaters vorgelegt wurde. Das Bundesverwaltungsgericht geht daher von einem bestehenden sozialen Netzwerk aus, das die Beschwerdeführerin in ihrem Herkunftsland unterstützt hatte.
Der dem Antrag auf Familienzusammenführung nach § 35 AsylG beigelegte Reisepass wurde am 29.01.2015 ausgestellt, von der Beschwerdeführerin im gegenständlichen Asylverfahren aber nie vorgelegt. In der Einvernahme durch die belangte Behörde am 05.09.2018 gab sie vielmehr an, dass ihr Schlepper 2017 einen Reisepass gemacht und behalten habe, was bedeuten würde, dass es sich nicht um den bereits 2015 ausgestellten Reisepass handeln würde. Auch die Angaben des Vaters der Beschwerdeführerin zur Ausstellung des Reisepasses im Jahr 2015 sind sehr vage und von Ausflüchten geprägt, wie der folgende Ausschnitt des Verhandlungsprotokolls vom 03.06.2020 zeigt:
„Richterin: Wie wurde 2015 ein Pass für die Beschwerdeführerin gemacht?
Vater der Beschwerdeführerin: Daran kann ich mich nicht mehr erinnern.
Richterin: Hatten Sie die Geburtsurkunde der Beschwerdeführerin?
Vater der Beschwerdeführerin: Ja.
Richterin: Woher hatten Sie diese?
Vater der Beschwerdeführerin: Ich glaube, ein Freund hat sie mir geschickt.
Richterin: Darin steht, dass die Mutter der Beschwerdeführerin diese 2015 beantragt hat.
Vater der Beschwerdeführerin: Ich war ja hier in Österreich. Und war nicht dort unten. Mir wurde lediglich gesagt, was dort geschehen ist.“
Die Beantragung und Ausstellung des Reisepasses spricht auch gegen eine Verfolgung der Beschwerdeführerin durch die Sicherheitsbehörden der Demokratischen Republik Kongo. Wenn die Beschwerdeführerin im Übrigen gegenüber der belangten Behörde am 05.09.2018 davon sprach, dass sie auch einen Personalausweis besessen habe, spricht dies erstens gegen das von ihr gezeichnete Bild des alleinstehenden, obdachlosen Mädchens und zeigt auch dies, dass sie keine Furcht hatte, sich an die Behörden ihres Herkunftslandes zu wenden. Daher ist ihre gegenüber dem BFA getätigte Aussage, dass sie bei der Erteilung des belgischen Visums, mit dem sie in den Schengenraum einreiste, nicht ihren richtigen Namen verwendete, da sie Angst hatte, den Nachnamen ihres Vaters zu benützen, nicht glaubwürdig.
Insgesamt fügen sich all die genannten Punkte zu dem Bild zusammen, dass der Vater der Beschwerdeführerin nach seiner Ausreise 2010 in Kontakt mit seinen Kindern, darunter die Beschwerdeführerin, blieb. Diese wurden von einem sozialen und familiären Netzwerk betreut. Dass diese Umstände von der Beschwerdeführerin geleugnet wurden, spricht dafür, dass sie versucht, ein wirtschaftlich und sicherheitsmäßig instabiles Bild ihrer Lage in ihrem Herkunftsland zu entwerfen, das aber nicht der Realität entspricht. Vielmehr scheint der Vater der Beschwerdeführerin nach Zuerkennung des Flüchtlingsstatus versucht zu haben, seine beiden Töchter im Wege der Familienzusammenführung nach Österreich zu holen, was angesichts der Volljährigkeit der Beschwerdeführerin scheitern musste. Daraufhin reiste die Beschwerdeführerin unrechtmäßig nach Österreich ein, stellte einen Antrag auf internationalen Schutz und leugnete den Kontakt zu ihrem Vater während der vorangegangenen Jahre sowie den bestehenden Familienverbund in der Demokratischen Republik Kongo.
Im Übrigen ist es auch nicht glaubwürdig, wenn die Beschwerdeführerin in der Verhandlung erklärte, für die Ausreise nichts bezahlt zu haben, da diese von einem Pastor organisiert und bezahlt worden sei.
Die Beschwerdeführerin selbst gab immer an, nach 2011 nicht mehr bedroht worden zu sein (Protokoll vom 05.09.2018: „Nachdem wir weg sind und uns getrennt haben, gab es keine Bedrohungen mehr.“) Auch im Beschwerdeverfahren machte die Beschwerdeführerin für den Fall einer Rückkehr in die Demokratische Republik Kongo keine konkrete Verfolgung geltend; in der mündlichen Verhandlung blieb sie diesbezüglich bei allgemeinen Sicherheitsproblemen für Frauen in ihrem Herkunftsland: „Ich wäre in Gefahr, besonders als junges Mädchen könnte ich der Vergewaltigung, körperlicher Gewalt oder gar Mord ausgesetzt sein, das kommt bei uns häufig vor. Ich habe ja weder Eltern noch Familie.“
Auch gegenüber dem BFA gab die Beschwerdeführerin auf Vorhalt, warum sie sich, obwohl sie über Jahre ohne Bedrohung in der Demokratischen Republik Kongo gelebt habe, gerade jetzt zur Ausreise entschlossen habe, an: „Weil ich nach der Matura meine Ausbildung abgebrochen habe. Ich wollte nach der Matura hierherkommen und meine Ausbildung hier fortsetzen und mir hat mein Vater gefehlt. Mir fehlte die väterliche Zuwendung all die Jahre.“ (AS 101). Dies spricht dafür, dass es der Beschwerdeführerin möglich war, unbehelligt in der Demokratischen Republik Kongo zu leben, die Schule zu besuchen und abzuschließen und sie das Land nicht aufgrund einer konkreten asylrelevanten Verfolgung, sondern, um in Österreich eine Ausbildung zu machen und bei ihrem Vater zu sein, verlassen hat. Auch in der mündlichen Verhandlung behauptete die Beschwerdeführerin keine konkrete Verfolgung ihrer Person, wie der folgende Ausschnitt aus der Niederschrift zeigt:
„Richterin: Nach 2011 wurden Sie persönlich aber nicht mehr verfolgt?
Beschwerdeführerin: Nein, ich hatte aber immer Angst davor.
Richterin: Sie sagten, Sie seien in Gefahr vergewaltigt zu werden. Ist das eine Gefahr, die alle Frauen im Kongo gleich trifft oder haben Sie ein höheres Risiko?
Beschwerdeführerin: Die Frauen im Kongo sind täglich Vergewaltigung und Entführungen ausgesetzt.
Richterin: Alle Frauen?
Beschwerdeführerin: Ja.“
Eine konkrete Verfolgung der Beschwerdeführerin ergibt sich aus ihren Angaben nicht. Das Bundesverwaltungsgericht geht daher davon aus, dass die Beschwerdeführerin in der Demokratischen Republik Kongo nicht verfolgt wird.
2.4. Zu ihrer Familie in der Demokratischen Republik Kongo und einer Rückkehrgefährdung:
Die Beschwerdeführerin gab in der Verhandlung am 03.06.2020 an, dass niemand von ihrer Familie in der Demokratischen Republik Kongo leben würde bzw. dass sie nichts über den Verbleib ihrer Geschwister wisse. Konkret sagte sie, dass sie die Namen ihrer Tanten und Onkel nicht kennen würde, da sie keinen Kontakt zu den Familien ihrer Mutter bzw. ihres Vaters gehabt habe. Abgesehen davon, dass dies nicht den familiär geprägten Gesellschaftsstrukturen ihres Herkunftslandes entspricht und dass, selbst wenn kein Kontakt besteht, dennoch davon auszugehen wäre, dass sie zumindest die Namen ihrer Verwandten kennt, widerspricht sie damit ihrem Vater, der in der Verhandlung erklärte, dass während seiner Reisen als Journalist sein Bruder HXXXX , der in der Nähe gelebt habe, auf die drei Kinder aufgepasst habe (im Gegensatz dazu erklärte die Beschwerdeführerin, dass die drei Kinder auch während der Reisen des Vaters auf sich alleine gestellt gewesen wären – auch diese widersprüchlichen Aussagen stärken im Übrigen Zweifel daran, dass der Vater der Beschwerdeführerin tatsächlich als Journalist Reisen in die entlegenen Provinzen des Landes unternommen hatte). Diesen Onkel HXXXX müsste die Beschwerdeführerin daher gut gekannt haben. Im Gegensatz dazu meinte sie in der Verhandlung, sich nur an einen Onkel erinnern zu können, dessen Name „BXXXX KXXXX “ sei. Aus der Erstbefragung ihres Vaters im Rahmen seines Asylverfahrens am 13.05.2010 ergibt sich aber, dass seine Brüder HXXXX , M C XXXX , MXXXX und CXXXX heißen, wobei einer davon auch in Kinshasa, die anderen an anderen Orten der Demokratischen Republik Kongo leben würden. In einer Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 19.02.2013, welche im Verfahren des Vaters der Beschwerdeführerin herangezogen worden war, berichtete der Vertrauensanwalt wiederum davon, dass er den jüngeren Bruder des Vaters in Kinshasa besucht habe und dieser „JXXXX KXXXX “ heiße. Dieser Bruder habe seit der Reise des Vaters der Beschwerdeführerin in die Provinz Equateur nichts von diesem gehört, was sich aber ebenso wie der Name „JXXXX“ nicht mit den Aussagen des Vaters vereinbaren lässt, der angegeben hatte, mit seinem in Kinshasa lebenden Bruder noch von Österreich aus Kontakt gehabt zu haben. Dennoch wurde diesen Angaben des Vertrauensanwaltes im Verfahren des Vaters der Beschwerdeführerin nicht entgegengetreten. Insgesamt entsteht daher der Eindruck, das versucht wird, das bestehende familiäre Netzwerk des Vaters und damit auch der Beschwerdeführerin in Kinshasa zu verschleiern.
Das Bundesverwaltungsgericht geht daher, wie bereits ausgeführt, davon aus, dass in Kinshasa jedenfalls ein Onkel der Beschwerdeführerin lebt, bei dem sie gemeinsam mit ihren Geschwistern nach der Ausreise des Vaters im Jahr 2010 aufgewachsen ist. Soweit der Vater der Beschwerdeführerin in der Verhandlung plötzlich erklärte, sein Bruder HXXXX lebe nicht mehr in Kinshasa, sondern in Angola, erscheint dies aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts als ein weiterer Versuch, ein familiäres Netzwerk in der Heimatstadt der Beschwerdeführerin zu leugnen. Auch die Antworten des Vaters der Beschwerdeführerin zu seinem anderen Bruder waren nicht überzeugend, wie der folgende Ausschnitt aus dem Verhandlungsprotokoll vom 03.06.2020 zeigt:
„Richterin: Wer ist JXXXX oder JXXXX KXXXX?
Vater der Beschwerdeführerin: Das ist mein Bruder.
Richterin: Wo lebt dieser?
Vater der Beschwerdeführerin: Das weiß ich nicht.
Richterin: Vielleicht lebt er in Kinshasa?
Vater der Beschwerdeführerin: Nein.
Richterin: Woher wissen Sie das?
Vater der Beschwerdeführerin: Es kann ja Leute geben, die einem das sagen, jedenfalls sieht man ihn dort nicht. Ich weiß nicht, wann er Kinshasa verlassen hat.“
Soweit die Beschwerdeführerin in der Verhandlung erklärte, seit 2011 bzw. 2012 keinen Kontakt zu ihren Geschwistern gehabt zu haben und nicht zu wissen, wo diese leben würden, ist dem entgegenzuhalten, dass 2015 für sie gemeinsam mit ihrer Schwester MXXXX ein Verfahren zur Familienzusammenführung geführt wurde und für beide Schwestern im „Befragungsformular im Familienverfahren“ die gleiche Adresse in Kinshasa angegeben worden war. Zudem gab der Vater der Beschwerdeführerin in der Verhandlung zu, dass er mit der Schwester der Beschwerdeführerin in Kinshasa in Kontakt stehen würde. Nachdem die Beschwerdeführerin bei ihrem Vater lebt, erscheint es beinahe denkunmöglich, dass sie von diesem Kontakt nichts wissen sollte.
Auch bezüglich der Mutter der Beschwerdeführerin gibt es Ungereimtheiten. Die Beschwerdeführerin erklärte in der Verhandlung, dass sie von einer Bekannten noch vor der Ausreise ihres Vaters im Jahr 2010 gehört habe, dass ihre Mutter verstorben sei. Dagegen gab ihr Vater in seinem Verfahren (so etwa in der Einvernahme durch das Bundesasylamt am 22.07.2010) an, dass er von seiner Frau getrennt sei und nicht wisse, wo sich diese aufhalte; dass sie verstorben sei, erwähnte er nicht. Im „Befragungsformular im Familienverfahren“ der Beschwerdeführerin (siehe dazu weiter unten) hielt der Vater der Beschwerdeführerin 2015 fest, dass seine Frau nach seiner Ausreise nach Angola geflüchtet sei und er zuletzt gehört habe, dass sie dort verstorben sei. Auch dies steht im Gegensatz zu den Angaben der Beschwerdeführerin, wonach ihre Mutter bereits vor 2010 verstorben sei. Außerdem hatte sie selbst in der Einvernahme durch das BFA am 05.09.2018 gemeint, dass ihre Mutter die Familie zwar bereits Jahre vorher verlassen habe, allerdings erst 2011 verstorben sei.
In einer von der Beschwerdeführerin im Verfahren vorgelegten Geburtsurkunde ist vermerkt, dass diese am 11.04.2015 von ihrer Mutter beantragt wurde, obwohl diese nach den Angaben der Beschwerdeführerin und ihres Vaters zu diesem Zeitpunkt bereits verstorben gewesen wäre. Dies erweckt den Anschein, dass die Mutter der Beschwerdeführerin zumindest im April 2015 noch am Leben war.
Das Rote-Kreuz Österreich wiederum wurde als Vertreter des Vaters im Verfahren über den Antrag ihrer Schwester MXXXX auf Familienzusammenführung von der ÖB Nairobi am 28.02.2017 informiert, dass für einen positiven Abschluss die Zustimmung der Mutter der Beschwerdeführerin erforderlich sei. Daraufhin wurde der Botschaft am 07.03.2017 eine Sterbeurkunde per Email übermittelt; danach sei die Mutter am 10.10.2010 verstorben. Allerdings fällt auf, dass im gegenständlichen Verfahren die Existenz dieser Sterbeurkunde stets verschwiegen wurde; in einer Zusammenschau mit den divergierenden Aussagen der Beschwerdeführerin und ihres Vaters kann nicht von der Echtheit dieser Sterbeurkunde (welche auch von der ÖB Nairobi angezweifelt wurde) ausgegangen werden.
Es kann also nicht einmal festgestellt werden, dass die Mutter der Beschwerdeführerin verstorben ist und stärkt dies den Eindruck, dass die Beschwerdeführerin und ihr Vater hinsichtlich des familiären Netzwerkes in der Demokratischen Republik Kongo keine wahrheitsgemäßen Aussagen zu treffen bereit sind.
Auch in Bezug auf ihre Freunde erscheint es kaum glaubhaft, dass die Beschwerdeführerin, wie sie in der Verhandlung erklärte, zu niemandem mehr Kontakt haben und auch Facebook nicht genützt haben will, um jemanden zu kontaktieren. Die Beschwerdeführerin hat einen Maturaabschluss und wäre daher davon auszugehen, dass es in ihrem sozialen bzw. früheren schulischen Umfeld durchaus Personen gibt, die in den sozialen Medien aktiv sind.
Eine Verfolgung der Beschwerdeführerin in der DR Kongo wurde bereits unter Punkt 2.3. ausgeschlossen. In der Beschwerde wurde allerdings erklärt, dass „sogar bei Abspruch sämtlicher Glaubwürdigkeit des individuellen Fluchtvorbringens die Beschwerdeführerin als alleinstehende Frau aus dem Herkunftsstaat der Demokratischen Republik Kongo zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht in diesen abgeschoben werden kann“. Es wurde argumentiert, dass sie die Definition einer „alleinstehenden jungen Frau ohne nächste Familienangehörige, somit ohne familiäres Auffangnetz“ erfüllen würde. Unter Verweis auf die im angefochtenen Bescheid enthaltenen Länderberichte wurde argumentiert, dass „mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit“ davon auszugehen sei, dass die Beschwerdeführerin nicht in der Lage sein wird, sich ohne jegliches soziales bzw. familiäres Auffangnetz ihre Grundbedürfnisse (Wohnversorgung, Nahrung, Bekleidung, medizinische Versorgung und dergleichen mehr) zu sichern.
Das Bundesver