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L37154 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §42 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde des Otto und der Erika Leitner in Linz, vertreten durch Dr. Erwin Höller und Dr. Reinhold Lingner, Rechtsanwälte in Linz, Lederergasse 27, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 3. April 1997, Zl. BauR-011331/5-1997/STÖ/Vi, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1. Maria Schicho in Linz, vertreten durch Dr. Winfried Sattlegger, Dr. Klaus Dorninger, Dr. Klaus Steiner, Mag. Marcus Bumberger, Mag. Klaus Renner und Mag. Felix Kraupa, Rechtsanwälte in Linz, Figulystraße 27, 2. Landeshauptstadt Linz, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,--, der erstmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- und der zweitmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 6. November 1990, Zl. 90/05/0111, verwiesen. In diesem wurde eine Beschwerde der erstmitbeteiligten Partei betreffend einen baupolizeilichen Beseitigungsauftrag für einen Zubau und eine Hofüberdachung eines Tischlereibetriebes als unbegründet abgewiesen.
Noch vor Vollstreckung dieses baupolizeilichen Beseitigungsauftrages hat die erstmitbeteiligte Partei mit Eingabe vom 26. Juni 1991 die Erteilung der nachträglichen Baubewilligung für diese baulichen Anlagen beantragt. Im innergemeindlichen Instanzenzug wurde dieses Baugesuch abgewiesen, die dagegen erhobene Vorstellung blieb ebenso erfolglos, wie die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Erkenntnis vom 18. Juni 1997, B 669/95-10, ausgesprochen hat, daß die erstmitbeteiligte Partei durch den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 30. Jänner 1995 weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden sei. Die beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachte Beschwerde der erstmitbeteiligten Partei gegen den Bescheid vom 30. Jänner 1995 wurde aufgrund der diesbezüglichen Erklärung der erstmitbeteiligten Partei mit Beschluß vom 16. September 1997, Zl. 97/05/0199, als gegenstandslos geworden erklärt, das Verfahren wurde eingestellt.
Die Abweisung des Baugesuches wurde im wesentlichen damit begründet, daß das Bauvorhaben im gemischten Baugebiet nicht zulässig und eine Grenzwerteverordnung noch nicht erlassen sei.
Nach Inkrafttreten der Oberösterreichischen Bauordnung 1994 brachte die erstmitbeteiligte Partei am 4. April 1995 ein neues, inhaltlich gleichlautendes Bauansuchen wie jenes vom 26. Juni 1991, nämlich betreffend die Errichtung eines Flugdaches, einer Holzlagerhütte, der Hofüberdachung und der Generalsanierung (Lärm-Feuerschutz), ein. Über dieses Ansuchen wurde eine mündliche Verhandlung für den 6. November 1995 anberaumt, zu der die Beschwerdeführer als Anrainer unter Hinweis auf die Präklusionsfolgen des § 42 AVG geladen wurden; die Beschwerdeführer sprachen sich gegen die Erteilung der Baubewilligung aus und wiesen darauf hin, daß das Bauvorhaben mit der Widmung nicht vereinbar sei und die mittlerweile erlassene Grenzwerteverordnung nicht auf eine Erweiterung eines bestehenden Gewerbebetriebes anwendbar sei. Der Immissionssachverständige verwies auf die bereits in der Verhandlung vom 8. November 1993 erhobenen Befunde und Gutachten und stellte fest, daß bei der Vorschreibung der in einem Gutachten des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung vom 2. November 1994 angeführten Auflagen der Immissionsgrenzwert der Grenzwerteverordnung von 60 dB mit Sicherheit wesentlich unterschritten werde.
Mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom 26. Juni 1996 wurde der erstmitbeteiligten Partei die beantragte Baubewilligung unter Vorschreibung von insgesamt 21 Auflagen erteilt. Unter
17.) wurde vorgeschrieben, daß beim Betrieb von Maschinen aller Art die ostseitigen Fenster stets geschlossen zu halten seien, unter 18.), daß an der straßenseitigen Türe zum Werkstattraum eine automatische Schließanlage einzubringen sei und unter 19.), daß die ostseitigen Fenster und die Zugangstüre des Tischlereiraumes so auszuführen seien, "daß das resultierende bewertete Bauschalldämmaß, R"(w, res.) 38 dB und der Wärmedurchgangskoeffizient höchstens 1,9 Watt pro m2 und Grad als durchschnittlicher Rahmen und Verglasung betragen".
Einwendungen der Beschwerdeführer wurden als unbegründet ab- bzw. als unzulässig zurückgewiesen.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung der Beschwerdeführer hat der Stadtsenat der mitbeteiligten Landeshauptstadt mit Bescheid vom 7. Oktober 1996 abgewiesen. Der dagegen eingebrachten Vorstellung der Beschwerdeführer hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 3. April 1997 keine Folge gegeben. Zur Begründung wurde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens im wesentlichen ausgeführt, gemäß § 31 Abs. 6 O.ö. BauO 1994 und des § 21 Abs. 4 O.ö. ROG 1994 in Verbindung mit der O.ö. Grenzwerteverordnung sei die beantragte Baubewilligung zu Recht erteilt worden, subjektive Rechte der Beschwerdeführer seien nicht verletzt worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in einer Gegenschrift, ebenso wie die Erst- und die Zweitmitbeteiligten, jeweils die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Die Beschwerdeführer erstatteten eine Replik zur Gegenschrift der erstmitbeteiligten Partei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Auf das gegenständliche Baugesuch, das nach dem 1. Jänner 1995 eingebracht wurde, sind die Bestimmungen der Oberösterreichischen Bauordnung 1994, LGBl. Nr. 66
(O.ö. BauO 1994), anzuwenden. Gemäß § 31 Abs. 3 dieses Gesetzes können Nachbarn gegen die Erteilung der Baubewilligung mit der Begründung Einwendungen erheben, daß sie durch das Bauvorhaben in subjektiven Rechten verletzt werden, die entweder in der Privatrechtsordnung (privatrechtliche Einwendungen) oder im öffentlichen Recht (öffentlich-rechtliche Einwendungen) begründet sind. Nach Absatz 6 dieser Bestimmung sind bei baulichen Anlagen, die auch einer gewerbebehördlichen Genehmigung bedürfen, Einwendungen der Nachbarn, mit denen der Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen geltend gemacht wird, nur zu berücksichtigen, soweit sie die Frage der Zulässigkeit der Betriebstype in der gegebenen Widmungskategorie betreffen.
Das zu bebauende Grundstück ist im Flächenwidmungsplan Linz, Teil Urfahr Nr. 2, als Bauland - gemischtes Baugebiet ausgewiesen. Nach § 3 der O.ö. Betriebstypenverordnung, LGBl. Nr. 77/1994, dürfen in gemischten Baugebieten, die in der Anlage 1 mit den Buchstaben M gekennzeichneten Betriebe errichtet werden, dazu zählen nicht Tischlereien, diese sind nach dieser Verordnung im Betriebsbaugebiet zulässig. § 21 Abs. 2 des O.ö. ROG 1994, LGBl. Nr. 114/1993, weist unter Z. 5 gemischte Baugebiete aus (§ 22 Abs. 5). Absatz 4 des § 21 O.ö. ROG 1994 lautet wie folgt:
"(4) An einem bestehenden Gewerbebetrieb, der sich in einem Gebiet gemäß § 21 Abs. 2 Z. 1 bis 6 befindet, in dem er auf Grund der Bestimmungen dieses Landesgesetzes oder auf Grund einer Änderung der Widmung nicht mehr errichtet werden dürfte, dürfen im Rahmen der Bauvorschriften baubewilligungspflichtige Maßnahmen vorgenommen werden, wenn dadurch die durch Verordnung der Landesregierung für die einzelnen Widmungskategorien festgelegten Grenzwerte für Emissionen und Immissionen nicht überschritten werden. Die Grenzwerte sind nach dem jeweiligen Stand der Technik festzulegen; bei der Festlegung von Grenzwerten für Lärm können für verschiedene Tageszeiten verschiedene Werte bestimmt werden."
Nach der O.ö. Grenzwerteverordnung, LGBl. Nr. 22/1995, ist für das gemischte Baugebiet ein Grenzwert von 60 dB bei Tag und 50 dB bei Nacht festgesetzt.
Da der Tischlereibetrieb der erstmitbeteiligten Partei ein bestehender und auch genehmigter Gewerbebetrieb ist, ist die Bestimmung des § 21 Abs. 4 O.ö. ROG 1994 grundsätzlich auf diesen Betrieb anzuwenden. Die Beschwerdeführer bestreiten, daß infolge dieser Bestimmung auch bauliche Erweiterungen genehmigt werden könnten.
§ 21 Abs. 4 O.ö. ROG 1994 spricht ganz allgemein von "baubewilligungspflichtigen Maßnahmen", ohne daß diese näher beschrieben oder definiert würden. Der Ausschußbericht, 340 BLG. O.ö. LT. XXIV. Gesetzgebungsperiode hält zu § 21 Abs. 4 O.ö. ROG 1994 folgendes fest:
"Anders als für neu zu errichtende Betriebe wird bei baubewilligungspflichtigen Maßnahmen für bereits bestehende Betriebe auf die vom jeweiligen Betrieb konkret ausgehenden Immissionen und ihre Wirkung auf benachbarte Grundstücke (Immissionen) abgestellt. Neubauten sind jedoch nur insoweit zulässig, als dies nicht einer gänzlichen Neuerrichtung des Betriebes gleichkommt."
Auf Grund des Umstandes, daß das Gesetz nur von "baubewilligungspflichtigen Maßnahmen" spricht, ist im Zusammenhang mit dem zitierten Ausschußbericht davon auszugehen, daß auch Betriebserweiterungen dann zulässig sind, wenn durch den durch die baulichen Maßnahmen geänderten gesamten Betrieb die durch Verordnung der Landesregierung festgelegten Grenzwerte für Emissionen und Immissionen für die einzelnen Widmungskategorien nicht überschritten werden. Der Sorge der Beschwerdeführer, es könnte dadurch zu einer "scheibchenweisen" Veränderung der Betriebstype kommen, ist entgegenzuhalten, daß der schrittweisen Veränderung des Betriebes durch die festgelegten Grenzwerte der Emissionen und Immissionen Schranken gesetzt sind.
Der immissiontechnische Amtssachverständige hat in der Verhandlung vom 6. November 1995 festgestellt, daß bei Einhaltung der vorgeschriebenen Auflagen der Emissionsgrenzwert der Grenzwerteverordnung wesentlich unterschritten wird. In dem in der Verhandlung vom 8. November 1993 abgegebenen Gutachten, auf das sich der Sachverständige in der Verhandlung vom 6. November 1995 ausdrücklich bezogen hat, wurde ausgeführt, daß es sich um eine typische Kleintischlerei handle. Aus den Berechnungen des immissionstechnischen Amtssachverständigen ergab sich damals an der Grundgrenze ein Immissionsschallpegel von 29 dB (bei geschlossenen Fenstern und Toren der Betriebsanlage). Da sich der Amtssachverständige in der Verhandlung vom 6. November 1995 ausdrücklich auf die Ergebnisse der Verhandlung vom 8. November 1993 bezogen hat, sind die Ausführungen, wonach unter Einhaltung der Auflagen der Emissionsgrenzwert der Grenzwerteverordnung mit Sicherheit wesentlich unterschritten werde, schlüssig und nachvollziehbar. Diesem Gutachten sind die Beschwerdeführer nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. In dem Umstand, daß die Baubehörden und die Vorstellungsbehörde bei dieser Sachlage aufgrund des schlüssigen Gutachtens des Amtssachverständigen davon ausgegangen sind, daß das gegenständliche Bauvorhaben die in der Grenzwerteverordnung vorgegebenen Grenzwerte nicht überschreite, kann somit keine Rechtswidrigkeit erblickt werden.
§ 4 Abs. 3 der O.ö. Grenzwerteverordnung lautet wie folgt:
"(3) Die Einhaltung der in den Absätzen 1 und 2 festgelegten Werte ist erforderlichenfalls durch Auflagen, die sich auch auf zusätzliche Immissionsschutzmaßnahmen beim konsensgemäß betriebenen Altbestand des Gewerbebetriebes erstrecken können, sicherzustellen."
Da § 4 Abs. 3 der O.ö. Grenzwerteverordnung eine Rechtsgrundlage für die Erteilung von Auflagen bildet, war die Erteilung der Baubewilligung unter Vorschreibung der genannten Auflagen zu den Punkten 17. bis 19. rechtskonform.
Die Beschwerdeführer sprechen sich aber dagegen aus, daß das Bauvorhaben unter Vorschreibung von Auflagen, insbesondere jener zu den Punkten 17. bis 19. bewilligt wurde, obwohl die Erstmitbeteiligte seit Jahren Auflagen nicht einhalte. Dazu ist festzustellen, daß der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 27. Februar 1996, Zl. 95/05/0195, ausgesprochen hat, daß die Frage, ob eine bestimmte und als geeignet anzusehende Auflage von den Konsenswerbern eingehalten werde, nicht Gegenstand des Baubewilligungsverfahrens und tauglicher Einwendungen sein könne. Der Beschwerdefall gibt keine Veranlassung, von dieser Ansicht abzurücken.
Mit dem Beschwerdevorbringen, für die Erfüllung der Auflagen sei keine Frist festgesetzt worden, verkennen die Beschwerdeführer das Wesen von Auflagen im Zusammenhang mit einer Bewilligung. Dieses besteht darin, daß die Verwaltungsbehörde in einem dem Hauptinhalt nach begünstigenden Bescheid belastende Gebote oder Verbote als Nebenbestimmungen aufnimmt, mit denen der Inhaber des Rechtes für den Fall der Gebrauchnahme zu einem bestimmten, im Wege der Vollstreckung erzwingbaren Tun oder Unterlassen verpflichtet wird. Für den Fall der Gebrauchnahme vom erteilten Recht wird ein bestimmtes Verhalten (Tun, Unterlassen, Dulden) vorgeschrieben. Auflagen in diesem Sinne sind somit "bedingte Polizeibefehle", die dann wirksam werden, wenn der Bewilligungswerber von der ihm erteilten Bewilligung Gebrauch macht. Im Falle der Gebrauchnahme werden die Auflagen zu unbedingten Aufträgen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 22. Jänner 1982, Zl. 81/04/0018). Einer Fristsetzung bedarf es daher im Fall der Gebrauchnahme von der Bewilligung nicht; falls von der Bewilligung Gebrauch gemacht wird, sind die Auflagen sofort bei Gebrauchnahme des erteilten Rechtes zu erfüllen.
Da sich die Beschwerde somit zur Gänze als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 As. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Auflagen BauRallg7 Rechtsgrundsätze Auflagen und Bedingungen VwRallg6/4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1997050146.X00Im RIS seit
11.07.2001