TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/15 I413 2165523-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.06.2020
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Entscheidungsdatum

15.06.2020

Norm

AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §56 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs10
AsylG 2005 §58 Abs13
AsylG 2005 §58 Abs6
AVG §68 Abs1
BFA-VG §16 Abs5
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I413 2165523-3/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Martin ATTLMAYR LL.M. als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit Nigeria, vertreten durch Rechtsanwältin Prof. Dr. Vera M. WELD, 1010 Wien, Weihburggasse 4/40, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.03.2020, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Nigeria, meldete erstmalig am 18.02.2015 einen Wohnsitz im Bundesgebiet an.

2. Einem Bericht der LPD Wien vom 26.05.2015 ist zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin sich an diesem Tag zum Meldeamt begeben habe, um eine Anmeldung mittels eines gefälschten ungarischen Personalausweises für Fremde sowie eines gefälschten ungarischen Meldenachweises durchzuführen. Bei ihrem vorgelegten nigerianischen Reisepass seien hingegen keine Anzeichen einer Fälschung festgestellt worden.

3. Am 28.05.2015 stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher im Beschwerdeweg mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.05.2018, Zl. I403 2165523-1/4E, hinsichtlich der Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten sowie subsidiär Schutzberechtigten rechtskräftig abgewiesen wurde. Mit diesem Erkenntnis wurde überdies eine gegen die Beschwerdeführerin erlassene Rückkehrentscheidung sowie die Feststellung der Zulässigkeit ihrer Abschiebung nach Nigeria bestätigt.

4. Die Beschwerdeführerin kam ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nach und stellte am 20.06.2018 einen Folgeantrag auf internationalen Schutz, welcher wiederum im Beschwerdeweg mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.01.2019, Zl. I420 2165523-2/4E, rechtskräftig wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde. Mit diesem Erkenntnis wurde abermals eine gegen die Beschwerdeführerin erlassene Rückkehrentscheidung sowie die Feststellung der Zulässigkeit ihrer Abschiebung nach Nigeria bestätigt.

5. Am 05.03.2019 stellte die Beschwerdeführerin beim Amt der Wiener Landesregierung, MA 35, einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" gemäß § 47 NAG, welcher mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 31.07.2019, Zl. MA35-9/XXXX, abgewiesen wurde. Dieser Bescheid erwuchs unangefochten in Rechtskraft.

6. Die Beschwerdeführerin kam ihrer Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nach und stellte am 26.09.2019 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA / belangte Behörde) den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG („Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK“). In einer dem Antrag angeschlossenen, schriftlichen Antragsbegründung brachte sie insbesondere vor, mit einem österreichischen Staatsangehörigen verheiratet zu sein und nach einer etwaigen Erteilung eines Aufenthaltstitels sogleich einer Vollzeitbeschäftigung als Aushilfskellnerin in einem Gastronomiebetrieb nachgehen zu können. Zudem befinde sie sich seit August 2015 durchgehend in Österreich und spreche Deutsch auf A2-Niveau, während seit ihrer Ausreise aus Nigeria kein Kontakt zu ihren Angehörigen im Herkunftsstaat mehr bestehe. Beigelegt wurden dem Antrag eine Gehaltsabrechnung ihres Ehemannes (datiert mit Juli 2018), eine Heiratsurkunde (datiert mit 24.09.2018), ein Arbeitsvorvertrag als Aushilfskellnerin mit einem Gastronomiebetrieb (datiert mit 19.12.2018), eine Geburtsbestätigung mit beglaubigter Übersetzung (datiert mit 01.06.2018), ein Staatsbürgerschaftsnachweis ausgestellt durch die nigerianische Botschaft in Wien (datiert mit 17.12.2018) sowie ein ÖSD-Zertifikat für eine bestandene Deutsch-Prüfung für das Niveau A2 (datiert mit 07.06.2018).

7. Mit Schriftsatz vom 04.02.2020 stellte die Beschwerdeführerin bei der belangten Behörde einen „Antrag auf Aufhebung der Rückkehrentscheidung“. Inhaltlich wurde abermals ausgeführt, dass sie mit einem österreichischen Staatsangehörigen verheiratet und auch in dessen soziales Umfeld integriert sei, überdies durch eine erfolgreich abgelegte Deutsch-Prüfung für das Niveau A2 ihre sprachliche Integration nachgewiesen habe. Die Lebenssituation der Beschwerdeführerin habe sich seit ihren beiden Asylverfahren insoweit geändert, als sie von ihrem Gatten schwanger gewesen sei, das Kind jedoch verloren habe. Neben der „extremen psychischen Belastung“, die sie durch dieses traumatische Ereignis erlitten habe, habe sie zudem mit einer Erkrankung zu kämpfen gehabt, sodass ihr eine Ausreise faktisch nicht möglich sei. Medizinische Befunde waren der Eingabe nicht beigefügt.

8. Ebenfalls mit Schriftsatz vom 04.02.2020 brachte die Beschwerdeführerin noch eine „aufgetragene Antragsbegründung“ im Hinblick auf ihre verfahrensgegenständliche Antragstellung auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK bei der belangten Behörde ein. In dieser behauptete sie nunmehr, sich bereits „seit Beginn des Jahres 2015“ im Bundesgebiet aufzuhalten. Zudem wird abermals auf die erlittene Fehlgeburt verwiesen und habe die Beschwerdeführerin darüber hinaus eine Belastungsstörung entwickelt, die sich in extremen Kopfschmerzen äußere. Überdies befinde sie sich aufgrund von Diabetes mellitus in medikamentöser Behandlung. Medizinische Befunde wurden dieser Eingabe wiederum keine angeschlossen. Abschließend wurde noch „in eventu“ ein „Antrag auf Modifikation“ des verfahrensgegenständlichen Antrages „auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG auf einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 AsylG“ gestellt.

9. Mit Schriftsätzen vom 11.02.2020 sowie vom 25.02.2020 wurden seitens der Beschwerdeführerin noch ein ausgefülltes Antragsformular der Österreichischen Gesundheitskasse hinsichtlich der „Prüfung der Anspruchsberechtigung für Angehörige gemäß § 123 ASVG“ (das tatsächliche Bestehen einer Anspruchsberechtigung der Beschwerdeführerin geht aus diesem Antragsformular nicht hervor) sowie ein Arztbrief eines Facharztes für Neurologie vom 14.02.2020 in Vorlage gebracht, in welchem an der Beschwerdeführerin eine „Anpassungsstörung mit schwerer Depression und latenter Suizidalität“ sowie „Spannungskopfschmerzen“ diagnostiziert werden. Als Therapieempfehlung werden im Arztbrief die Medikamentenwirkstoffe Escitalopram sowie Trittico genannt, überdies eine ambulante Gesprächstherapie sowie engmaschige nervenärztliche Kontrollen. Zudem werde als „weitere Empfehlung“ aus nervenärztlicher Sicht dringend angeraten, „den Aufenthaltsstatus der Beschwerdeführerin zu klären, da Stressbelastungen unbedingt vermieden werden sollten um eine weitere Gefährdung der Gesundheit zu verhindern.“

10. Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 04.03.2020, Zl. XXXX wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK vom 26.09.2019 „gemäß § 58 Abs. 10 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF“ zurückgewiesen (Spruchpunkt I.).

11. Gegen den gegenständlich angefochtenen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 25.03.2020 fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben. Inhaltlich wurde ausgeführt, dass bei der belangten Behörde seit dem 04.02.2020 ein Antrag auf Aufhebung der gegen die Beschwerdeführerin erlassenen Rückkehrentscheidung anhängig sei, sodass dieser – „aufgrund massiver Veränderung des maßgeblichen Sachverhalts“ – „de facto keine Rechtskraftwirkung mehr“ zukomme. Auch habe im Hinblick auf die Beschwerdeführerin sehr wohl eine erhebliche, ausreichende Integrationsverfestigung stattgefunden, welche eine völlige Neubewertung ihres Privat- und Familienlebens unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK notwendig mache. Angesichts der erlittenen Fehlgeburt, welche auch ihren Ehegatten sehr hart getroffen habe, wäre das Ehepaar auf gegenseitige Nähe und Beistand angewiesen und würde eine Ausreise das seelische Wohl der Beschwerdeführerin erheblich gefährden. Überdies habe die Beschwerdeführerin – wie bereits im Administrativverfahren dargelegt – eine Belastungsstörung entwickelt, welche sich besonders in extremen Kopfschmerzen äußere und befinde sie sich aufgrund von Diabetes mellitus in medikamentöser Behandlung. Diese Umstände wären seit Fällung einer Rückkehrentscheidung neu hinzugetreten und würden eine andere Gewichtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK gebieten. Darüber hinaus sei die Zurückweisung des Antrages auch deshalb zu Unrecht erfolgt, da über den mit Antragsbegründung vom 04.02.2020 gestellten Eventualantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 AsylG nicht abgesprochen worden sei.

12. Die gegenständliche Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden von der belangten Behörde am 30.03.2020 dem Bundesverwaltungsgericht (bei der zuständigen Gerichtsabteilung eingelangt am 31.03.2020) vorgelegt.

13. Mit Schriftsatz an das Bundesverwaltungsgericht vom 03.04.2020 beantragte die Beschwerdeführerin „aufgrund der durch die Notstandsgesetzgebung in Österreich hervorgerufenen notorischen Benachteiligungen“ überdies in eventu die Ausstellung einer Duldungskarte und stellte zudem den „Eventualantrag gemäß § 6 AVG“ auf Übermittlung des Aktes zum BFA. Mit Schreiben vom 07.04.2020 wurde dieses Anbringen seitens des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigkeitshalber an die belangte Behörde weitergeleitet.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Der unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt.

Die volljährige Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige von Nigeria und gibt an, sich zum christlichen Glauben zu bekennen. Ihre Identität steht fest.

Sie leidet an keiner lebensbedrohlichen oder dauerhaft behandlungsbedürftigen Gesundheitsbeeinträchtigung und ist erwerbsfähig. Es liegt weder eine existenzbedrohende Erkrankung noch das Fehlen jeglicher Behandlungsmöglichkeiten im Herkunftsstaat vor.

Die Beschwerdeführerin verfügt über eine sechsjährige Schulbildung und finanzierte sich ihren Lebensunterhalt in Nigeria durch Friseurarbeiten.

Die Familie der Beschwerdeführerin, bestehend aus ihrem Bruder sowie ihren zwei minderjährigen Töchtern und diversen Onkeln und Tanten, lebt in Nigeria.

Die Beschwerdeführerin war erstmalig mit 18.02.2015 im Bundesgebiet gemeldet.

Seit 24.09.2018 ist sie mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet und besteht seit dem 25.09.2018 ein gemeinsamer Wohnsitz mit ihrem Ehemann. Darüber hinaus verfügt sie über keine weiteren familiären Anknüpfungspunkte in Österreich.

Sie spricht Deutsch auf A2-Niveau und ist Mitglied in der Versammlung "

Wien-Englisch-West

". Ansonsten weist sie keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht auf.

Die Beschwerdeführerin ging in Österreich zu keinem Zeitpunkt einer legalen Erwerbstätigkeit nach. Sie hat einen Arbeitsvorvertrag als Hilfskellnerin mit einem Gastronomiebetrieb geschlossen.

Sie ist strafrechtlich unbescholten.

Die Beschwerdeführerin ist trotz aufrechter rechtskräftiger Rückkehrentscheidung (zuletzt mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.01.2019, Zl. I420 2165523-2/4E) ihrer Ausreiseverpflichtung nicht freiwillig nachgekommen und hält sich weiterhin unrechtmäßig im Bundesgebiet auf.

Aus dem begründeten Antragsvorbringen der Beschwerdeführerin gemäß § 55 AsylG geht im Vergleich zur rezenten Rückkehrentscheidung vom 21.01.2019 ein im Hinblick auf die Berücksichtigung ihres Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervor.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Ergänzend wurde Einsicht genommen in den Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes zu den Zl.en I403 2165523-1 und I420 2165523-2 hinsichtlich der beiden vorangegangenen Asylverfahren der Beschwerdeführerin in Österreich.

2.2. Zur Person der Beschwerdeführerin:

Die Feststellungen zu ihren Lebensumständen, ihren Angehörigen in Nigeria, ihrer Schulbildung und Berufserfahrung sowie zu ihrer Konfession ergeben sich aus den diesbezüglichen glaubhaften Angaben der Beschwerdeführerin im gegenständlichen Verfahren sowie in ihren vorangegangenen Asylverfahren. Es ist nichts hervorgekommen, dass Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin aufkommen lässt.

Ihre Identität steht aufgrund ihres sich in Kopie im Akt befindlichen, jedoch zwischenzeitlich mit 18.08.2019 abgelaufenen nigerianischen Reisepasses Nr. XXXX fest.

Die Ehe der Beschwerdeführerin mit einem österreichischen Staatsbürger ergibt sich aus einer vorgelegten Heiratsurkunde, ausgestellt am 24.09.2018 durch das Standesamt Wien-Hietzing.

Der Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich sowie der gemeinsame Wohnsitz mit ihrem Ehemann ist durch den vorliegenden Verwaltungsakt und die Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister belegt.

Die Feststellungen zu ihren vorangegangenen, rechtskräftig negativ entschiedenen Asylverfahren ergeben sich aus einer Einsichtnahme in die entsprechenden Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes.

Zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin ist festzuhalten, dass ihre angeblich erlittene Fehlgeburt sowie ihre angebliche Diabetes mellitus Erkrankung über die bloße Behauptungsebene nicht hinausgehen und durch keinerlei Bescheinigungsmittel belegt wurden. Der getroffenen Feststellung im gegenständlich angefochtenen Bescheid, wonach sie an keiner schweren oder lebensbedrohlichen Erkrankung leide, wurde im Beschwerdeverfahren nicht substantiiert entgegengetreten und lediglich auf eine Belastungsstörung, welche sich in extremen Kopfschmerzen äußere, sowie auf die – wie bereits erwähnt - nicht bescheinigte Fehlgeburt und Diabetes mellitus Erkrankung verwiesen. Im Administrativverfahren wurde lediglich ein Arztbrief eines Facharztes für Neurologie vom 14.02.2020 in Vorlage gebracht, in welchem der Beschwerdeführerin eine „Anpassungsstörung mit schwerer Depression und latenter Suizidalität“ sowie „Spannungskopfschmerzen“ bescheinigt werden. Das Vorliegen einer „schweren Depression mit latenter Suizidalität“ wird im Beschwerdeschriftsatz jedoch nicht einmal rudimentär erwähnt. Der Vollständigkeit halber ist an dieser Stelle auch darauf hinzuweisen, dass im vorgelegten Arztbrief vom 14.02.2020 die Diagnosen nicht einem Code des weltweit anerkannten Klassifikationssystems (ICD-10) zugeordnet worden sind und nicht schlüssig erkennbar ist, anhand welcher Symptome der Facharzt auf eine schwere Depression schloss, sodass die Aussagekraft der getroffenen Diagnosen bereits unter diesem Gesichtspunkt kritisch zu hinterfragen ist.

Bereits in ihrem vorangegangenen Asylverfahren hatte die Beschwerdeführerin einen ärztlichen Befund vom 25.07.2018 in Vorlage gebracht, aus welchem hervorgeht, dass sie an einer „somatisierten Depression“ leide und hatte sie zudem bereits behauptet, an Diabetes mellitus zu leiden, diesbezüglich jedoch ebenfalls im gesamten Verfahren keinen medizinischen Befund vorgelegt. Im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.01.2019, Zl. I420 2165523-2/4E, mit welchem gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen sowie die Zulässigkeit ihrer Abschiebung nach Nigeria festgestellt worden ist, wurde im Hinblick auf eine etwaige weiterführende Behandlungsbedürftigkeit der Beschwerdeführerin festgestellt, dass Nigeria - auch wenn die medizinische Versorgung im Lande mit Europa nicht zu vergleichen ist - über ein allgemein zugängliches Gesundheitssystem verfügt. Vor allem im ländlichen Bereich ist die Lage vielfach technisch, apparativ und/oder hygienisch problematisch, demgegenüber befinden sich in den großen Städten jedoch Privatkliniken mit besserem Standard. Es besteht keine umfassende Liste der Krankenhäuser und Ausstattungen, aber zahlreiche Krankenhäuser in Nigeria sind gut ausgestattet und in der Lage, zahlungsfähige Patienten medizinisch zu versorgen. Verschiedene Krankenhäuser in Nigeria haben sich auf unterschiedliche Krankheiten spezialisiert und Patienten suchen diese Krankenhäuser entsprechend ihrer Erkrankung auf. Allgemeine Krankenhäuser in Nigeria behandeln Patienten mit verschiedenen Krankheiten, verfügen jedoch üblicherweise über Fachärzte wie etwa Kinderärzte, Augenärzte, Zahnärzte, Gynäkologen zur Behandlung bestimmter Krankheiten. Zu den vorhandenen Fachkliniken zählen u.a. orthopädische sowie psychiatrische Krankenhäuser.

Eine Änderung der allgemeinen Lage in Nigeria seit Jänner 2019 im Hinblick auf die medizinische Versorgung wurde seitens der Beschwerdeführerin nicht behauptet und entspricht eine solche auch nicht dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes.

Zusammengefasst ist somit davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin im Falle einer etwaigen Behandlungsbedürftigkeit hinsichtlich ihrer bescheinigten Gesundheitsbeeinträchtigungen in Nigeria durchaus adäquate Behandlungsmöglichkeiten vorfinden wird und wurde im Hinblick auf ihren Gesundheitszustand im gegenständlichen Verfahren insoweit auch keine maßgebliche Sachverhaltsänderung seit der gegen sie erlassenen, rezenten Rückkehrentscheidung dargelegt, zumal sie auch zu keinem Zeitpunkt eine Einschränkung ihrer Erwerbsfähigkeit behauptet hat. Im Gegenteil, brachte sie im Hinblick auf ihren in Vorlage gebrachten Arbeitsvorvertrag sogar vor, sofort nach Erteilung eines Aufenthaltstitels einer Vollzeitbeschäftigung als Hilfskellnerin nachgehen zu wollen.

Dass die Beschwerdeführerin in Österreich zu keinem Zeitpunkt einer legalen Erwerbstätigkeit nachging, ergibt sich aus einer Abfrage im Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger.

Die Deutschkenntnisse der Beschwerdeführerin auf A2-Niveau ergeben sich aus einem in Vorlage gebrachten ÖSD-Zertifikat vom 07.06.2018.

Ihr geschlossener Arbeitsvorvertrag als Hilfskellnerin mit einem Gastronomiebetrieb ergibt sich aus der Vorlage desselben, datiert mit 19.12.2018.

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin ergibt sich aus einem entsprechenden Auszug aus dem Strafregister.

Die Feststellung der Unrechtmäßigkeit des derzeitigen Aufenthalts der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet beruht darauf, dass ihr – abgesehen von dem vorläufigen Aufenthaltsrecht während der beiden Verfahren über ihre zwei letztlich unbegründeten Anträge auf internationalen Schutz – im Bundesgebiet nie ein Aufenthaltsrecht zugekommen ist. Dass gegen die Beschwerdeführerin eine aufrechte Rückkehrentscheidung besteht, ergibt sich aus der Rechtskraft des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.01.2019, Zl. I420 2165523-2/4E; die lapidare Behauptung im Beschwerdeschriftsatz, wonach dieser Rückkehrentscheidung aufgrund eines wiederum seitens der Beschwerdeführerin eingebrachten „Antrages auf Aufhebung“ bei der belangten Behörde „de facto keine Rechtskraftwirkung mehr“ zukomme („ähnlich dem Wegfall der Geschäftsgrundlage im Zivilrecht“), entbehrt jeglicher rationalen sowie verfahrensrechtlichen Grundlage. Ebenso ist der Aufenthaltsstatus der Beschwerdeführerin – entgegen der „Andeutung“ im vorgelegten Befund des Facharztes für Neurologie vom 14.02.2020 – keineswegs „ungeklärt“.

2.3. Zur Frage des Vorliegens eines geänderten Sachverhalts im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens der Beschwerdeführerin seit Rechtskraft der rezenten Rückkehrentscheidung:

Im Beschwerdeschriftsatz wird vorgebracht, dass sich seit rechtskräftiger Erlassung der rezenten, gegen die Beschwerdeführerin gerichteten Rückkehrentscheidung ein maßgeblich geänderter Sachverhalt ergeben habe, welcher „eine völlige Neubewertung des Privat- und Familienlebens der Antragstellerin unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK notwendig macht.“ Hinsichtlich dieser Frage erscheint es angebracht, die relevanten Feststellungen und beweiswürdigenden Erwägungen, welche im betreffenden Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.01.2019, Zl. I420 2165523-2/4E zum Gesundheitszustand sowie zum Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin in Österreich getroffen wurden, auszugsweise heranzuziehen:

„Die Beschwerdeführerin leidet weder an lebensbedrohlichen Krankheiten noch ist sie längerfristig pflege- oder rehabilitationsbedürftig und ist daher auch erwerbsfähig. Ihr Gesundheitszustand steht ihrer Rückkehr nicht entgegen. Es liegen keine Hinweise vor, dass die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entwickelte Rechtsprechung, hinsichtlich der (hohen) Schwelle von einer Verletzung des Art. 3 EMRK ausgegangen werden kann, überschritten ist. Es liegt weder eine existenzbedrohende Erkrankung noch das Fehlen jeglicher Behandlungsmöglichkeit im Herkunftsstaat vor.

Die Beschwerdeführerin leidet an einer somatisierten Depression; dies geht aus einer ärztlichen Bestätigung vom 25.07.2018 hervor. Diese gesundheitliche Beeinträchtigung ist jedoch nicht schwerwiegend zu beurteilen, sodass aus der Aktenlage keinerlei Hinweise auf lebensbedrohliche gesundheitliche Beeinträchtigungen ableitbar sind. Zudem wurde im gesamten Verfahren kein einziger medizinischer Befund zum Nachweis vorgelegt, dass die Beschwerdeführerin an Diabetes Mellitus leide und daher in medizinischer Behandlung stehe. …

Mit Schreiben vom 29.09.2018 wurde von der Beschwerdeführerin die Heiratsurkunde vom 24.09.2018 hinsichtlich der Eheschließung mit einem österreichischen Staatsbürger, ein Meldezettel zur Bestätigung des gemeinsamen Wohnsitzes mit ihrem Ehemann, ein ÖSD-Zertifikat A2 und ein Lohnzettel des Ehemannes übermittelt.

Die Beschwerdeführerin ist seit 24.09.2018 mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet und es besteht seit 25.09.2018 ein gemeinsamer Wohnsitz. Darüber hinaus verfügt die Beschwerdeführerin über keine weiteren familiären Anknüpfungspunkte in Österreich.

Zudem legte die Beschwerdeführerin keinen Beleg zum Nachweis, dass sie seit 19.12.2018 über einen Arbeitsvorvertrag verfüge, vor.

Eine besondere Aufenthaltsverfestigung wurde von der Beschwerdeführerin nicht behauptet, zumal sie während ihres dreieinhalbjährigen Aufenthaltes in Österreich lediglich zwei Deutschkurse besucht hat, über eine Deutschprüfung Niveau A2 verfügt und ein Mitglied der Versammlung "Wien-Englisch-West" ist. Angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer und des Fehlens eines Familienlebens maßgeblicher Intensität wäre es aber trotz ihrer Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger ein Widerspruch zur höchstgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. VwGH 15.12.2015, Ra 2015/19/0247) daraus den Schluss zu ziehen, dass eine Rückkehrentscheidung unverhältnismäßig wäre.“

Somit waren sowohl die Familienverhältnisse der Beschwerdeführerin in Österreich im Hinblick auf ihre Eheschließung mit einem österreichischen Staatsbürger, ihre lediglich behauptete, jedoch nicht bescheinigte Diabetes mellitus Erkrankung, eine ärztlich bescheinigte Depression, für welche in Nigeria grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, als auch ihre Mitgliedschaft in der Versammlung "Wien-Englisch-West" und ihre Deutsch-Kenntnisse auf A2-Niveau bereits verfahrensgegenständlich in ihrem vorangegangenen Asylverfahren zur Zl. I420 2165523-2, in welchem gegen die Beschwerdeführerin mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.01.2019 eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde, sodass insoweit keine Sachverhaltsänderung vorliegt.

Ergänzend führte die Beschwerdeführerin im gegenständlichen Antragsverfahren auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK im Wesentlichen eine wiederum nicht bescheinigte und über die bloße Behauptungsebene nicht hinausgehende Fehlgeburt ins Treffen und legte sie nunmehr auch den Arbeitsvorvertrag als Hilfskellnerin mit einem Gastronomiebetrieb – welchen sie im vorangegangenen Verfahren zwar bereits behauptet, jedoch noch nicht bescheinigt hatte - vor.

Hinsichtlich ihres Gesundheitszustandes ist auf die obenstehenden Ausführungen unter Punkt II.2.2. zu verweisen. So hat die Beschwerdeführerin insoweit keine Sachverhaltsänderung dargelegt, als sie nach wie vor – wie bereits im vorangegangenen Asylverfahren - keine lebensbedrohliche oder dauerhaft behandlungsbedürftige Gesundheitsbeeinträchtigung vorgebracht hat, durch welche im Falle ihrer Rückkehr nach Nigeria die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entwickelte Rechtsprechung, hinsichtlich der (hohen) Schwelle von einer Verletzung des Art. 3 EMRK ausgegangen werden kann, überschritten ist. Es liegt weder eine existenzbedrohende Erkrankung, noch das Fehlen jeglicher Behandlungsmöglichkeit im Herkunftsstaat oder eine Minderung ihrer Erwerbsfähigkeit vor. Aus ihrer nunmehr ergänzenden Behauptung, eine Fehlgeburt erlitten zu haben, kann überdies selbst bei hypothetischer Wahrunterstellung keine dauerhafte Behandlungsbedürftigkeit abgeleitet werden.

Auch der nunmehr in Vorlage gebrachte Arbeitsvorvertrag verleiht ihren persönlichen Interessen kein entscheidendes Gewicht und liegt insoweit kein maßgeblich geänderter Sachverhalt vor, zumal die ersten vier Wochen stets als Probezeit gelten und sich aus einem Arbeitsvorvertrag keinerlei Garantie auf eine (Weiter-)Beschäftigung ableiten lässt (zur Gewichtung von Einstellungszusagen vgl. auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13.10.2011, 2011/22/0065, mwN). Eine nachhaltige Verfestigung der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet ist nach wie vor nicht gegeben und werden ihre Integrationsbemühungen sowie ihre nunmehr fünfjährige Aufenthaltsdauer, auf welche im Beschwerdeschriftsatz explizit hingewiesen wird, letztlich dadurch relativiert, dass diese Umstände überhaupt erst durch die Missachtung der gegen die Beschwerdeführerin ergangenen Rückkehrentscheidungen erreicht werden konnten (vgl. auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30.06.2016, Ra 2016/21/0165, Rn 24).

Weder der Antragsbegründung im Hinblick auf den begehrten Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG noch den Ausführungen im Beschwerdeschriftsatz kann daher ein (maßgeblich) geänderter Sachverhalt zugesonnen werden, der eine neuerliche meritorische Prüfung des Antrages erforderlich machen würde.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zur anzuwendenden Rechtslage:

3.1.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des § 55 sowie § 58 Abs. 6, Abs. 10 und Abs. 13 Asylgesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl I Nr. Nr. 29/2020, lauten:

„Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK

§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, wenn

1.       dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2.       der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.

Antragstellung und amtswegiges Verfahren

§ 58. (6) Im Antrag ist der angestrebte Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 bis 57 genau zu bezeichnen. Ergibt sich auf Grund des Antrages oder im Ermittlungsverfahren, dass der Drittstaatsangehörige für seinen beabsichtigten Aufenthaltszweck einen anderen Aufenthaltstitel benötigt, so ist er über diesen Umstand zu belehren; § 13 Abs. 3 AVG gilt.

(10) Anträge gemäß § 55 sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. [...]

(13) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 begründen kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 stehen der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Sie können daher in Verfahren nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten."

A) Zur Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides:

3.2. Zur Zurückweisung des Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK:

Die zur Vorgängerregelung des § 58 Abs. 10 AsylG (§ 44b Abs. 1 NAG idF BGBl. I Nr. 38/2011) ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auf die Auslegung des § 58 Abs. 10 AsylG zu übertragen (dazu VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101). Nach dieser Rechtsprechung liegt ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht erst dann vor, wenn der vorgebrachte Sachverhalt auch konkret dazu führt, dass nunmehr der begehrte Aufenthaltstitel erteilt werden müsste. Vielmehr liegt ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nur dann nicht vor, wenn die geltend gemachten Umstände von vornherein keine solche Bedeutung aufweisen, die eine Neubeurteilung aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK gebieten würde. Nur in einem solchen Fall ist eine - der Sache nach der Zurückweisung wegen entschiedener Sache nachgebildete - Zurückweisung (nunmehr) gemäß § 58 Abs. 10 AsylG zulässig (VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101 mit Hinweisen auf VwGH 22.07.2011, 2011/22/0127; 05.05.2015, Ra 2014/22/0115).

Da der Zurückweisungsgrund gemäß § 58 Abs. 10 AsylG (vormals § 44b Abs. 1 Z 1 NAG) der Zurückweisung wegen entschiedener Sache (§ 68 Abs. 1 AVG) nachgebildet ist, können die zu § 68 Abs. 1 AVG entwickelten Grundsätze für die Beurteilung, wann eine Änderung des Sachverhaltes als wesentlich anzusehen ist, auch für die Frage herangezogen werden, wann eine maßgebliche Sachverhaltsänderung iSd § 58 Abs. 10 AsylG vorliegt. Demnach ist eine Sachverhaltsänderung dann wesentlich, wenn sie für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die rechtskräftige Entscheidung gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann. Die Erlassung eines inhaltlich anderslautenden Bescheides (bezogen auf § 58 Abs. 10 AsylG: eine andere Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in Rechte nach Art. 8 EMRK) muss also zumindest möglich sein; in dieser Hinsicht hat die Behörde eine Prognose zu treffen. Dabei ist die Wesentlichkeit der Sachverhaltsänderung nach der Wertung zu beurteilen, die das geänderte Sachverhaltselement in der seinerzeitigen Entscheidung erfahren hat. Für diese Prognose ist eine Gesamtbetrachtung anzustellen (vgl. VwGH 09.09.2013, 2013/22/0161; 09.09.2013, 2013/22/0215, mwN).

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 12.11.2015, Ra 2015/21/0101, ausführlich auf den inhaltlichen Gleichklang der Beurteilung eines Eingriffs in das Privat- und Familienleben eines Fremden bei Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung einerseits und der Frage der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG andererseits hingewiesen (vgl. auch VwGH 28.01.2016, Ra 2016/21/0006; 30.06.2016, Ra 2016/21/0103).

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt zu der durch das VwGVG neu geschaffenen Rechtslage ausgesprochen (vgl. VwGH 18.12.2014, Ra 2014/07/0002-0003; 26.02.2015, Ra 2014/22/0152- 0153; 23.06.2015, Ra 2015/22/0040; 16.09.2015, Ra 2015/22/0082-0083; 12.10.2015, Ra 2015/22/0115), dass - wenn die Behörde in erster Instanz den Antrag zurückgewiesen hat - das Verwaltungsgericht lediglich befugt ist, darüber zu entscheiden, ob die von der Behörde ausgesprochene Zurückweisung als rechtmäßig anzusehen ist, dies allein bildet den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens.

Aus diesem Grund ist auf den in der Beschwerde gestellten Antrag der Beschwerdeführerin, den angefochtenen Bescheid „dahingehend abzuändern, dass der Antragstellerin ein Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK erteilt wird“, nicht einzugehen, weil ein solcher Ausspruch den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens überschreiten würde.

Gemäß § 58 Abs. 13 AsylG begründen Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 leg. cit. kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 AsylG stehen daher der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Sie können daher in Verfahren nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten. § 16 Abs. 5 BFA-VG macht die Bestimmung des § 58 Abs. 13 AsylG auch für das Beschwerdeverfahren anwendbar und erklärt zudem: Eine Beschwerde gegen eine Entscheidung über einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem 7. Hauptstück des AsylG oder ein diesbezüglicher Vorlageantrag begründet kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Es ist daher gesetzlich normiert, dass eine Beschwerde gegen eine Entscheidung über einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegensteht.

Eine Sachverhaltsänderung iSd § 58 Abs. 10 AsylG ist dann als wesentlich anzusehen, wenn sie für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass eine andere Beurteilung als in der bereits ergangenen rechtskräftigen Entscheidung nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101 mit Hinweisen auf VwGH 22.07.2011, 2011/22/0127; 05.05.2015, Ra 2014/22/0115). Die Erlassung eines inhaltlich anderslautenden Bescheides müsste also zumindest möglich sein. Ein maßgeblich geänderter Sachverhalt liegt demnach dann nicht vor, wenn die geltend gemachten Umstände von vornherein keine solche Bedeutung aufweisen, die eine neue Beurteilung aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK erforderlich machen. Es wird in der Beschwerde allerdings unterlassen aufzuzeigen, inwieweit in den neu vorgebrachten Umständen eine wesentliche Sachverhaltsänderung erkannt werden könnte.

Die in der Beschwerde aufgezeigte, bloße Verlängerung des Inlandsaufenthaltes der Beschwerdeführerin um nunmehr ein weiteres Jahr und fünf Monate kann nicht als wesentliche Änderung angesehen werden, da damit weder die nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung relevante „Zehn-Jahres-Grenze“ erreicht wird noch dieser Aufenthalt rechtmäßig war.

Soweit im Vorbringen der Beschwerdeführerin ein Element geltend gemacht wird, das als "Änderung" in Betracht kommt (im konkreten Fall fanden lediglich der nunmehr vorgelegte Arbeitsvorvertrag sowie eine über die bloße Behauptungsebene nicht hinausgehende Fehlgeburt noch keine Würdigung im vorangegangenen Verfahren, in welchem eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung gegen die Beschwerdeführerin erlassen wurde, ist festzuhalten, dass unter Bedachtnahme auf die seit der rezenten Rückkehrentscheidung vergangene Zeit, den unrechtmäßigen Aufenthalt der Beschwerdeführerin und unter Würdigung der von ihr geltend gemachten Umstände nicht gesehen werden kann, dass damit eine Sachverhaltsänderung vorläge, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen bei der hier anzustellenden Prognose den Schluss zugelassen hätte, es wäre - auch im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung - eine andere Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in Rechte nach Art. 8 EMRK zumindest möglich (vgl. zu ähnlichen Konstellationen VwGH 23.02.2012, 2012/22/0002; 19.12.2012, 2012/22/0202; 17.04.2013, 2013/22/0006; 09.09.2013, 2013/22/0215; vgl. dazu auch, dass ein arbeitsrechtlicher Vorvertrag und auch der Besuch eines Deutschkurses keine umfassende Neubeurteilung iSd Art. 8 EMRK nach sich ziehen [VwGH 10.12.2013, 2013/22/0362; VwGH 29.05.2013, 2011/22/0013], ebenso wenig wie vorgelegte Empfehlungsschreiben sowie eine ehrenamtliche Betätigung [VwGH 30.07.2017, 2013/22/0205, VwGH 11.11.2013, 2013/22/0250 und 2013/22/0217]).

Im vorliegenden Beschwerdefall ist überdies in Betracht zu ziehen, dass die Beschwerdeführerin etwaige ergänzend dargelegte Schritte zur Integration durchwegs über einen Zeitraum gesetzt hat, in welchem ihr eine Ausreiseverpflichtung zukam; diese Schritte erfolgten insofern weiterhin vor dem Hintergrund eines unsicheren Aufenthaltsstatus. Bei dieser Sachlage wirkt auch das in der rechtskräftig getroffenen Rückkehrentscheidung festgestellte öffentliche Interesse mit zumindest gleichem Gewicht unverändert fort und steht dem fortgesetzten Ausleben der im Wesentlichen bereits bisher berücksichtigten Interessenslage der Beschwerdeführerin auch weiterhin entsprechend entgegen. Vor diesem Hintergrund kann es nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin mit der Begründung zurückweist, dass "keine maßgebliche Sachverhaltsänderung stattgefunden hat" (vgl. dazu die Ausführungen unter Punkt II.2.3.).

Hinsichtlich ihres Gesundheitszustandes liegt insoweit keine Sachverhaltsänderung vor, als sie nach wie vor – wie bereits im vorangegangenen Asylverfahren - keine lebensbedrohliche oder dauerhaft behandlungsbedürftige Gesundheitsbeeinträchtigung vorgebracht hat, durch welche im Falle ihrer Rückkehr nach Nigeria die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entwickelte Rechtsprechung, hinsichtlich der (hohen) Schwelle von einer Verletzung des Art. 3 EMRK ausgegangen werden kann, überschritten ist. Es liegt weder eine existenzbedrohende Erkrankung noch das Fehlen jeglicher Behandlungsmöglichkeit im Herkunftsstaat oder eine Minderung ihrer Erwerbsfähigkeit vor (vgl. dazu die Ausführungen unter Punkt II.2.2. und II.2.3.). An dieser Stelle ist auch auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu verweisen, wonach kein Fremder das Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwer zugänglich oder kostenintensiver als im fremden Aufenthaltsland ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt (vgl. dazu das Erkenntnis VfSIg. 19.086/2010, in dem der Verfassungsgerichtshof sich auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte stützt).

Die Zurückweisung gemäß § 55 Abs. 10 AsylG des seitens der Beschwerdeführerin gestellten Antrages erfolgte daher zu Recht und war die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid als unbegründet abzuweisen.

Hinsichtlich des Beschwerdevorbringens, wonach die Zurückweisung des verfahrensgegenständlichen Antrages auch deshalb zu Unrecht erfolgt sei, da seitens der belangten Behörde über den mit Antragsbegründung vom 04.02.2020 gestellten Eventualantrag (in eventu „Antrag auf Modifikation“) auf Erteilung eines Aufenthaltstitels in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen gemäß § 56 AsylG nicht abgesprochen worden sei, ist darauf hinzuweisen, dass sich ohnedies bereits ex lege aus § 58 Abs. 6 AsylG ergibt, dass ein Drittstaatsangehöriger, sofern sich auf Grund des Antrages oder im Ermittlungsverfahren ergibt, dass er für seinen beabsichtigten Aufenthaltszweck einen anderen als den im Antrag bezeichneten Aufenthaltstitel benötigt, über diesen Umstand zu belehren ist, sodass sich der diesbezüglich gestellte Eventualantrag als obsolet erweist (vgl. dazu VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101). Der Vollständigkeit halber ist jedoch darauf hinzuweisen, dass sich im Verfahren auch keinerlei Hinweise ergeben haben, dass die Beschwerdeführerin die Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 56 Abs. 1 AsylG erfüllen würde, zumal sie sich zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht nachweislich bereits seit fünf Jahren durchgängig im Bundesgebiet aufgehalten hat. So war die Beschwerdeführerin erstmalig mit 18.02.2015 im Bundesgebiet gemeldet, während der verfahrensgegenständliche Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Art. 8 EMRK am 26.09.2019 sowie der Eventualantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen gemäß § 56 AsylG am 04.02.2020 gestellt wurden. Im Rahmen ihrer schriftlichen Antragsbegründung vom 26.09.2016 gab die Beschwerdeführerin zudem an, sich überhaupt erst seit August 2015 durchgehend in Österreich aufzuhalten.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

4. Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Die Verhandlung kann nach Abs. 2 entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist (Z 1) oder die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist (Z 2).

Da der Antrag der Beschwerdeführerin als unzulässig zurückzuweisen war, konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG unterbleiben.

B) Zur Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK entschiedene Sache geänderte Verhältnisse Gesamtbetrachtung Interessenabwägung öffentliche Interessen Privat- und Familienleben private Interessen Rechtskraft der Entscheidung Rechtskraftwirkung res iudicata Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I413.2165523.3.00

Im RIS seit

13.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

13.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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