TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/23 I422 2232069-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.06.2020
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Entscheidungsdatum

23.06.2020

Norm

BFA-VG §18 Abs3
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §52
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
StGB §127
StGB §128 Abs1
StGB §129
StGB §130
StGB §146
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

I422 2232069-1/3Z

TEILERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas BURGSCHWAIGER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Tunesien, vertreten durch Rechtsanwalt Florian KREINER, Friedrich-Schmidt-Platz 7/14, 1080 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl 30.04.2020, Zl. IFA 1052811309/181116630/BMI-BFA, zu Recht:

A)

Der Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheids) wird Folge gegeben und dieser Spruchpunt ersatzlos behoben. Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG wird der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang und Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer ist ein tunesischer Staatsangehöriger. Er wurde erstmalig am 13.03.2015 melderechtlich im Bundesgebiet erfasst und hält sich seither auf der Grundlage eines Aufenthaltstitels Familienangehöriger rechtmäßig und durchgehend im Bundesgebiet auf.

Der Beschwerdeführer weist im Bundesgebiet insgesamt drei strafgerichtliche Verurteilungen auf, wobei er zuletzt mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 27.02.2020, zu 154 Hv 56/2019p wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 5, 129 Abs. 1 Z 1 und 2, 130 Abs. 1 und 2 erster und zweiter Fall StGB, des Vergehens des Betruges nach § 146 StGB, des Verbrechens der schweren Erpressung nach §§ 15, 144 Abs. 1, 145 Abs. 1 Z 2 StGB, dem Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB, dem Vergehen der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1 StGB, dem Vergehen des Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach § 269 Abs. 1 StGB, dem Vergehen der Gefährdung der körperlichen Sicherheit nach § 89 StGB und dem Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1 , Abs. 3 erster Fall zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwanzig Monaten verurteilt wurde. Seine Haftstrafe verbüßt der Beschwerdeführer derzeit in der Justizanstalt Sonnberg.

Aufgrund seines strafrechtlich relevanten Verhaltens des Beschwerdeführers erließ die belangte Behörde über ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt I.), erklärte seine Abschiebung nach Tunesien für zulässig (Spruchpunkt II.) und gewährte ihm keine Frist für eine freiwillige Ausreise (Spruchpunkt III.). Zugleich erkannte sie einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VI.) und sprach über ihn ein befristetes Einreiseverbot in der Dauer von sechs Jahren aus (Spruchunkt V.). Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung wurde mit der Notwendigkeit der sofortigen Ausreise des Beschwerdeführers begründet. In Zusammenschau seines Gesamtverhaltens ergebe sich, dass der Beschwerdeführer dem Rechtsstaat Österreich gegenüber ablehnen eingestellt sei und sei auch im Hinblick auf sein bisheriges Fehlverhalten keine positive Zukunftsprognose auszustellen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit den Anträgen auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung und dem Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung in enventu der Behebung und Zurückverweisung des Bescheides an die belangte Behörde zur neuerlichen Entscheidung. Der Beschwerdeführer bringt dazu zusammengefasst vor, dass der Vollzug der Rückkehrentscheidung für den Beschwerdeführe mit erheblichen Nachteilen verbunden wäre. Er halte sich seit fünf Jahren in Österreich auf und würden sich im Bundesgebiet seine gesamten sozialen Kontakte befinden. Eine sofortige Ausreise würde eine extrem hohe Belastung für sich und seine in Österreich lebende Familie darstellen. Aufgrund seines bereits schweren Vorlebens und der Trennung von seiner Familie sowie der Abschiebung in ein für ihn weitgehend unbekanntes Land, sei dies auch mit nicht wiedergutzumachenden und Konsequenzen – auch in gesundheitlicher Hinsicht – verbunden.

Die belangte Behörde legte die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht mit dem Antrag vor, sie als unbegründet abzuweisen.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der für die Frage der aufschiebenden Wirkung maßgebliche Sachverhalt ergeben sich aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens, dem Beschwerdevorbringen sowie aus dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem Strafregister und dem Fremdenregister (IZR). Da die Beweisergebnisse keine entscheidungswesentlichen Widersprüche aufweisen, erübrigt sich eine eingehendere Beweiswürdigung.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung:

Die Beschwerde richtet sich (unter anderem) gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids, mit dem die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde. Das Bundesverwaltungsgericht hat darüber gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG in Form eines (Teil-)Erkenntnisses zu entscheiden.

Gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn die sofortige Ausreise der betroffenen EWR-Bürger oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist. Die Aberkennung bedarf - insbesondere angesichts der weitreichenden damit verbundenen Konsequenzen - einer entsprechend sorgfältigen, einzelfallbezogenen Begründung. Sie darf nicht ausschließlich darauf gestützt werden, dass die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbots erfüllt sind. Die Behörde muss vielmehr nachvollziehbar darlegen, warum darüber hinaus die sofortige Ausreise des BF geboten ist.

Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht einer Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, diese binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit stützt, genau zu bezeichnen.

Da eine Entlassung des Beschwerdeführers aus dem Maßnahmenvollzug derzeit nicht absehbar ist, ist es nicht notwendig, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung abzuerkennen. Allerdings verwies der Beschwerdeführer auf seinen mehrjährigen Aufenthalt in Österreich und sein hier lebende Familie sowie auf den Umstand, dass nicht hinreichend geklärt ist, ob und in welcher Intensität er in Tunesien über familiäre Anknüpfungspunkte verfügt, besteht bei seiner Abschiebung nach Tunesien überdies die Gefahr einer Verletzung seiner nach Art 8 EMRK geschützten Rechte, worauf die Beschwerde zu Recht hinweist. Aus diesen Gründen ist Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheids zu beheben und der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Eine mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 21 Abs. 6a BFA-VG.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision nach Art 133 Abs. 4 B-VG ist nicht zulässig, weil es sich um eine Einzelfallentscheidung handelt und das Bundesverwaltungsgericht keine grundsätzlichen Rechtsfragen im Sinne dieser Gesetzesstelle zu lösen hatte.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung Diebstahl Einreiseverbot ersatzlose Teilbehebung Interessenabwägung Kassation Körperverletzung Privat- und Familienleben private Interessen Provisorialverfahren Rückkehrentscheidung schwere Straftat Spruchpunktbehebung-Ausweisung Straffälligkeit Verbrechen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I422.2232069.1.00

Im RIS seit

13.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

13.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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