TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/24 W189 2123417-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.06.2020
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Entscheidungsdatum

24.06.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §54 Abs2
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §58 Abs1
AsylG 2005 §8
AVG §13 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §52
IntG §10 Abs2
IntG §11 Abs2
IntG §9 Abs4
NAG §14a Abs4
NAG §81 Abs36
VwGVG §17
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5
VwGVG §7 Abs2

Spruch

W189 2123417-1/31E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag. Irene RIEPL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit: Ukraine, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 23.02.2016, Zl. 1075100100-150732152, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 05.06.2020:

A)

Das Verfahren wird wegen Zurückziehung der Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. der angefochtenen Bescheide eingestellt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

II. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Irene RIEPL als Einzelrichterin über die Beschwerden von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit: Ukraine, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 23.02.2016, Zl. 1075100100-150732152, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 05.06.2020 zu Recht:

A)

I. Gemäß § 9 BFA-VG wird festgestellt, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist, und gemäß §§ 54, 55 und 58 Abs. 1 AsylG 2005 wird XXXX der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ für die Dauer von 12 Monaten erteilt.

II. Der Spruchpunkt IV. wird ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in der Folge: BF), ein Staatsangehöriger der Ukraine, stellte nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet am 24.06.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde am selben Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt.

2. Am 03.02.2016 wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) niederschriftlich einvernommen.

3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesasylamtes vom 23.02.2016 wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Es wurde die Ausweisung des BF aus dem Bundesgebiet in die Ukraine erklärt (Spruchpunkt III.).

Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht mit 10.03.2016 Beschwerde erhoben. Nach Wiedergabe des Verfahrensganges und der Fluchtgründe wurde der Behörde eine mangelhafte Verfahrensführung und Rechtswidrigkeit des Inhaltes vorgeworfen und wurde die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

4. Am 25.11.2016 übermittelte das BFA eine Beschäftigungsbewilligung für den BF als Schilehrer, ausgestellt vom AMS Bischofshofen, in der Dauer vom 04.11.2016 bis 15.05.2017 vor. In der Folge (mit Begleitschreiben des BFA vom 10.11.2017; 17.12.2018 sowie 28.08.2019) wurden weitere Beschäftigungsbewilligungen als Schilehrer für die Zeiträume November 2017 bis Mai 2018; Dezember 2018 bis Mai 2019 sowie für den Zeitraum August 2019 bis November 2019 für die Tätigkeit als Hausmeister erteilt.

5. Mit Begleitschreiben des BFA vom 08.01.2019 wurde die Entlassung des BF aus der Grundversorgung mit 15.12.2018 wegen Aufnahme einer Beschäftigung mitgeteilt.

6. Mit Begleitschreiben des BFA vom 09.08.2019 wurde die Aufnahme des BF in die Grundversorgung mitgeteilt.

7. Mit Begleitschreiben des BFA vom 17.09.2019 wurde die Entlassung des BF aus der Grundversorgung mit 20.08.2019 wegen Aufnahme einer Beschäftigung mitgeteilt.

8. Mit Eingabe der Rechtsvertretung vom 22.08.2019 wurden die Heiratsurkunde des BF über die am 07.08.2019 erfolgte Eheschließung mit der österreichischen Staatsangehörigen Mag. Martina Lerchner,16.09.1981 geb., sowie die Geburtsurkunde des gemeinsamen Kindes Johannes Lerchner,04.06.2018 in Tamsweg geboren, übermittelt.

9. Mit Schreiben vom 13.03.2020 erfolgte die Benachrichtigung der Vollmachtszurücklegung der Diakonie Flüchtlingsdienst.

10. Mit Schriftsatz des rechtsfreundlichen Vertreters Mag. Dr. Bernhard Rosenkranz vom 18.03.2020 wurde eine aktuelle Vertretungsvollmacht angezeigt.

12. Mit Schriftsatz vom 30.04.2020 legte der BF ein Konvolut an Integrationsunterlagen vor

13. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 05.06.2020 eine öffentliche, mündliche Verhandlung unter Beiziehung einer geeigneten Dolmetscherin für die Sprache Russisch durch, an welcher der BF, seine Rechtsvertretung, sowie die Ehefrau des BF als Zeugin teilnahmen. Der BF zog im Rahmen der Verhandlung seine Beschwerde zu den Spruchpunkten I. und II. des angefochtenen Bescheides vom 23.02.2016 zurück und legte ein Konvolut von Integrationsunterlagen vor (Beilagen ./1-3):

?        Bescheinigung des ÖRK vom 28.06.2018 betreffend erfolgreicher Teilnahme an einem „Erste-Hilfe-Grundkurs“,

?        - - Bescheinigung des ÖRK vom 01.09.2019 betreffend erfolgreicher Teilnahme an einem „Erste-Hilfe-Auffrischungskurs“,

?        - - Arbeitsvertrag für Schilehrer abgeschlossen mit der Schischule XXXX , 5562 Obertauern betreffend Arbeitsverhältnis vom 06.12.2019 – 17.04.2020 als Schilehrer

?        (Kopien werden als Beilage zum Akt genommen)

?        - - Empfehlungsschreiben der Firma „Maschinenring“ vom 17.04.2020 betreffend beabsichtigter Beschäftigung des BF

?        - - Schreiben über die beabsichtigte Anstellung des BF bei Firma XXXX vom 17.04.2020

?        - - Schreiben des USC XXXX betreffend der Vereinsmitgliedschaft des BF im genannten Sportklub

?        - - Schreiben des FC-Weißpriach, ebenfalls über die Vereinsmitgliedschaft des BF an diesem Fußballverein,

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

1.1. Zur Person des BF

Der BF ist ukrainischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Ukrainer an und ist orthodoxen Glaubens. Er ist volljährig und im erwerbsfähigen Alter und spricht Ukrainisch und Russisch. Er hat zehn Jahre die Grundschule und vier Jahre eine Universität besucht und Sportwissenschaften studiert. Der BF verfügt über fortgeschrittene Deutschkenntnisse.

Der BF ist in Kiew geboren und hat dort den Großteil seines Lebens verbracht. Er hatte dort als Lehrer gearbeitet. In der Ukraine halten sich weiterhin seine Mutter, Bruder, eine Oma und Tante auf, zu welchen er regelmäßig Kontakt hat. Auch halten sich weitere Verwandte (Onkel, Tanten, Cousins) im Heimatland auf. Die Ehefrau des BF ist österreichische Staatsbürgerin und lebt in XXXX . Am 04.06.2018 und 14.3.2020 wurden die gemeinsamen Söhne des BF und seiner Ehefrau geboren, die ebenfalls die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen.

Der BF ist im Juni 2015 illegal in Österreich eingereist und stellte am 25.06.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Der BF ist strafrechtlich unbescholten.

1.3. Zur Situation des BF in Österreich

Der BF befindet sich seit Juni 2015 im Bundesgebiet. Er bezieht seit August 2019 keine Leistungen aus der Grundversorgung.

Der BF arbeitete auf Grundlage von ausgestellten Beschäftigungsbewilligungen im Zeitraum von November 2016 bis Mai 2017, November 2017 bis Mai 2018, Dezember 2018 bis Mai 2019 als Schilehrer und übte von August 2019 bis November 2019 eine Beschäftigung als Hausmeister aus. Der BF verfügt über Deutschkenntnisse auf einem schon sehr hohen Niveau und hat neben Erste-Hilfe-Kursen auch eine Ausbildung als Betriebsleiter für Schleppliftanlagen beim Wirtschaftsförderungsinstitut erfolgreich mit einer Prüfung absolviert (vgl.OZ 23). Der BF hat die Möglichkeit zeitnah Beschäftigungsverhältnisse in Vollzeit auszuüben und verfügt diesbezüglich auch über schriftliche Absichtserklärungen potentieller Arbeitgeber.

Der BF heiratete am 07.08.2019 eine österreichische Staatsbürgerin und entstammen dieser Ehe zwei Kinder. Der BF lebt mit seiner Ehefrau und den beiden Kindern im gemeinsamen Haushalt. Es besteht eine enge familiäre Bindung zwischen dem BF, der Ehefrau des BF und den gemeinsamen Kindern, welche allesamt wiederum engen Kontakt zu ihren Großeltern und Verwandten (mütterlicherseits) haben und nur unweit voneinander entfernt leben. Weiters bestehen intensive freundschaftliche und bekanntschaftliche Anknüpfungspunkte des BF in seiner Wohngemeinde.

Im Übrigen hat sich der BF auch mehrmals ehrenamtlich betätigt und ist Mitglied in mehreren Sportvereinen.

2. Beweiswürdigung

2.1. Zur Person des BF

2.1.1. Die Identität des BF steht aufgrund der Vorlage eines Wehrdienstausweises aus der Ukraine fest und besteht kein Anlass an der Echtheit dieses Dokumentes zu zweifeln.

Die Feststellungen zur Staats-, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit des BF gründen sich im Übrigen auf seine insoweit glaubhaften Angaben in den bisherigen Befragungen sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht bzw. ihren Kenntnissen der ukrainischen und russischen Sprache. Die Feststellungen über den Besuch der Grundschule und der Universität ergeben sich ebenso aus seinen glaubhaften Angaben in Verbindung mit den vorgelegten Kopien seiner diesbezüglichen nationalen Diplome. Die Feststellung über die fortgeschrittenen Deutschkenntnisse ist Folge seiner Angaben in der mündlichen Verhandlung, der dieser auch ohne Zutun des Dolmetschers problemlos folgen konnte und der BF sämtliche Fragen in deutscher Sprache selbstständig beantworten konnte, sowie des vorgelegten Zeugnisses auf dem Niveau B1.

Die Feststellung zum Geburts- und Wohnort des BF, seiner Erwerbstätigkeit, Eltern und Verwandtschaft, sowie zu seiner Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin und den gemeinsamen Kindern stützen sich gleichfalls auf seine glaubhaften Angaben sowie die vorgelegte Heiratsurkunde und die vorgelegten Geburtsurkunden.

2.1.2. Die Feststellung über die illegale Einreise des BF im Juni 2015 ergibt sich aus seinen glaubhaften Aussagen.

2.1.3. Die Feststellung, dass der BF strafrechtlich unbescholten ist, beruht auf einem aktuellen Strafregisterauszug.

2.3. Zur Situation des BF in Österreich

2.3.1. Die Feststellung, dass der BF seit August 2019 keine Leistungen aus der Grundversorgung bezieht, ergibt sich aus einem eingeholten Grundversorgungsauszug. Die Feststellungen über die bisherigen Erwerbstätigkeiten des BF sowie einer beabsichtigten Arbeitsaufnahme ergeben sich aus seinen glaubhaften Aussagen in der mündlichen Verhandlung und den vorgelegten Bestätigungen (Niederschrift der mündlichen Verhandlung (in der Folge: NSV), S. 8f; Beilage ./2). Die Feststellung über die absolvierten Ausbildungen des BF ergeben sich gleichfalls aus den glaubhaften Aussagen des BF in der mündlichen Verhandlung und den vorgelegten Bestätigungen (NSV, S. 8 f; Beilage ./2; OZ 23).

2.3.3. Der BF hat ein Zertifikat des ÖSD über die erfolgreich abgelegte Prüfung über einen Deutschkurs auf dem Niveau B1 vorgelegt (OZ 23). Das Gericht konnte sich im Übrigen von den ausgesprochen guten Deutschkenntnissen des BF im Rahmen der mündlichen Verhandlung selbst überzeugen (NSV, S. 7).

2.3.4. Dass der BF am 07.08.2019 eine österreichische Staatsbürgerin heiratete, folgt aus der vorgelegten Heiratsurkunde (insb. OZ 23). Dass am 04.06.2018 und 14.03.2020 die gemeinsamen Kinder des BF und seiner Ehefrau auf die Welt kamen, folgt aus den vorgelegten Geburtsurkunden (OZ 23). Die Feststellungen über den gemeinsamen Haushalt des BF, der Ehefrau des BF und den gemeinsamen Kindern sowie zur engen familiären Bindung auch zur Familie der Ehefrau des BF stützen sich auf die glaubhaften Aussagen des BF und seiner Ehefrau als Zeugin in der mündlichen Verhandlung (NSV, S. 9- 10f) sowie einem eingeholten Melderegister- und Grundversorgungsauszug. Auch die familiäre Bindung des BF zur Familie der Ehefrau ergibt sich aus den glaubhaften Angaben im Rahmen der mündlichen Verhandlung (NSV, S. 9-10), ebenso wie das Bestehen freundschaftlicher und bekanntschaftlicher Anknüpfungspunkte.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. A)

3.1. Zur Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides

§ 7 Abs. 2 VwGVG normiert, dass eine Beschwerde nicht mehr zulässig ist, wenn die Partei nach Zustellung oder Verkündung des Bescheides ausdrücklich auf die Beschwerde verzichtet hat. Eine Zurückziehung der Beschwerde durch den BF ist in jeder Lage des Verfahrens ab Einbringung der Beschwerde bis zur Erlassung der Entscheidung möglich (Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, § 7 VwGVG, K 6). Dasselbe folgt sinngemäß aus § 17 VwGVG iVm § 13 Abs. 7 AVG.

Die Annahme, eine Partei ziehe die von ihr erhobene Beschwerde zurück, ist nur dann zulässig, wenn die entsprechende Erklärung keinen Zweifel daran offen lässt. Maßgebend ist daher das Vorliegen einer in dieser Richtung eindeutigen Erklärung (vgl. zB VwGH 22.11.2005, 2005/05/0320 uvm. zur insofern auf die Rechtslage nach dem VwGVG übertragbaren Judikatur zum AVG).

Eine solche Erklärung lag im gegenständlichen Fall zweifelsfrei vor; der BF hat die Zurückziehung der Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung vom 05.06.2020 eindeutig zum Ausdruck gebracht.

Gem. § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder einzustellen ist.

Da der BF die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. zurückgezogen hat, war das Beschwerdeverfahren insoweit gem. § 28 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 1 VwGVG einzustellen.

Zu Spruchpunkt II. A)

3.2. Zur Beschwerde gegen die Spruchpunkte III. und IV. des angefochtenen Bescheides

3.2.1. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird.

Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen, wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt (Z 1), wenn dies zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel notwendig ist (Z 2) oder wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist (Z 3).

Der Aufenthalt des BF im Bundesgebiet ist nicht im Sinne der soeben dargelegten Bestimmung geduldet bzw. zur Gewährleistung einer Strafverfolgung erforderlich. Er ist nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor und wurden weder im Verfahren noch in der Beschwerde behauptet.

3.2.2. Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

Der BF ist als Staatsangehöriger der Ukraine kein begünstigter Drittstaatsangehöriger und es kommt ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu, da durch die Einstellung des Verfahrens über die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides das Aufenthaltsrecht nach § 13 AsylG 2005 mit der Erlassung dieser Entscheidung endet. Gegenteiliges wurde vom BF auch nicht vorgebracht.

3.2.3. Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG insbesondere zu berücksichtigen: die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9).

Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.

Nach Art 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff in die Ausübung des Rechts auf Privat- und Familienleben nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Der Begriff des „Familienlebens“ in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa wenn ein gemeinsamer Haushalt vorliegt.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden schwerer wiegen würden, als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Bei dieser Interessenabwägung sind - wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird - insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren sowie die Frage zu berücksichtigen, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (vgl. VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479).

Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art 8 Abs. 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VwGH vom 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479).

Der BF heiratete am 07.08.2019 eine österreichische Staatsbürgerin. Am 04.06.2018 und 14.3.2020 wurden die gemeinsamen Söhne des BF und seiner Ehefrau geboren, die ebenfalls die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen und lebt die gesamte Familie im gemeinsamen Haushalt. Es besteht somit jedenfalls ein intensives Familienleben, das unter den Art. 8 EMRK zu subsumieren ist.

Es ist zwar zu berücksichtigen, dass das gegenständliche Familienleben zu einem Zeitpunkt eingegangen wurde, als der Aufenthaltsstatus des BF unsicher war (vgl. auch etwa EGMR, 28.06.2011, Nunez v. Norwegen, Rs 55597/09, Rz 70 letzter Satz). Eine Fortsetzung des Familienlebens in der Ukraine wäre jedoch nicht möglich. Die Ehefrau des BF ist österreichischer Staatsbürgerin und entsprechend sozial und beruflich verwurzelt. Die Ehefrau des BF hat für den Umbau ihres Wohnhauses einen Kredit aufgenommen, der es ihnen unter anderem auch ermöglicht durch Vermietung der Wohnungen zusätzlich für den Unterhalt der Familie des BF aufzukommen. Zumal die Ehefrau des BF nicht ukrainisch oder kaum russisch spricht, wäre es ihr nicht zumutbar, ihre sonstigen sozialen Anknüpfungspunkte aufzugeben und ihren Lebensmittelpunkt in die Ukraine zu verlegen. Darüber hinaus würden mangels Freizügigkeit diesem Schritt zumindest anfänglich rechtliche Hürden entgegenstehen. Ebenso sind die gemeinsamen Kinder des BF und seiner Ehefrau österreichische Staatsbürger. Ein Verbleib nur der Ehefrau des BF und der gemeinsamen Kinder in Österreich würde umgekehrt jedenfalls einen massiven Eingriff in das Familienleben bedeuten und nicht zuletzt auch dem Kindeswohl der gemeinsamen Kinder schwerwiegend widersprechen, zumal sich die Ehefrau des BF aufgrund der geplanten Vollzeitarbeit ihres Ehemanns jedenfalls während der Arbeitszeit hauptsächlich um die Kinder kümmern wird (s. dazu auch EGMR 03.10.2014, Jeunesse gg. Niederlande, Appl. no. 12738/10).

Unter dem Privatleben sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. EGMR 16.6.2005, Fall Sisojeva ua, Appl 60.654/00, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang kommt dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Bei der Beurteilung der Frage, ob der BF in Österreich über ein schützenswertes Privatleben verfügt, spielt die zeitliche Komponente eine zentrale Rolle, da - abseits familiärer Umstände - eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Hervorgehoben wird hierbei, dass im Falle eines bloß auf die Stellung eines Asylantrags gestützten Aufenthalts in der Entscheidung des EGMR (N. gegen United Kingdom vom 27.05.2008, Nr. 26565/05) ein Aufenthalt in der Dauer von zehn Jahren nicht als allfälliger Hinderungsgrund gegen eine Ausweisung unter dem Aspekt einer Verletzung von Art. 8 EMRK thematisiert wurde. Der Verwaltungsgerichtshof geht bei einem dreieinhalbjährigen Aufenthalt im Allgemeinen von einer eher kürzeren Aufenthaltsdauer aus (vgl. Chvosta, ÖJZ 2007/74 unter Hinweis auf VwGH 08.03.2005, 2004/18/0354; 27.03.2007, 2005/21/0378). Im Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/10/0479, argumentierte er, „dass der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren [..] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte“. Einem inländischen Aufenthalt von weniger als fünf Jahren kommt für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung hinsichtlich der durchzuführenden Interessenabwägung zu (VwGH 15.03.2016, Ra 2016/19/0031).

Der BF ist seit nunmehr fünf Jahren in Österreich wohnhaft. Der BF hat einen Deutschkurs auf dem Niveau B1 erfolgreich absolviert. In der mündlichen Verhandlung konnte festgestellt werden, dass der BF auf die auf Deutsch gestellten Fragen spontan in einem ausgezeichneten Deutsch antworten konnte, zumal er der gesamten Verhandlung in deutscher Sprache folgen konnte. Auch die Ehefrau des BF gab an, mit dem BF nur Deutsch zu sprechen, zumal sie nicht Russisch kann. Der BF hat – abgesehen von den oben erwähnten familiären Anknüpfungspunkten – Freunde und Bekannte in Österreich. Der BF bezieht seit August 2019 keine Leistungen aus der Grundversorgung. Er verfügt über zwei Arbeitsplatzangebote.

In der Ukraine wiederum haben der BF durch seine Mutter, Großmutter, Tante und einem Bruder relevante Anknüpfungspunkte. Zum leiblichen Vater des BF besteht kein Kontakt.

Unzweifelhaft besteht jedoch ein Privatleben des BF, denn er hält sich bereits seit Juni 2015, somit seit nunmehr fünf Jahren, im Bundesgebiet auf, hat sich nachweislich von Beginn an beruflich und sozial eingegliedert, sowie über die Jahre einen breitgefächerten Freundes- und Bekanntenkreis (auch) zu Österreichern aufgebaut. Er beherrscht die deutsche Sprache auf einem äußerst ansprechenden Niveau. Zuletzt besuchte er einen Kurs des Niveaus B1.

Der BF arbeitete seit Dezember 2016 im Bundesgebiet hauptsächlich als Schilehrer und bemühte sich schließlich selber um die Erteilung von Beschäftigungsbewilligungen als Saisonnier. Überdies hat der BF sich in diesem Bereich weitergebildet, besuchte das WIFI, und hat in weiterer Folge auf Grundlage einer Prüfung die Befähigung als Betriebsleiter für Schleppliftanlagen erlangt.

Der BF ist Mitglied in zwei Sportvereinen und hat schon Freundschaften und Bekanntschaften im Bundesgebiet geschlossen. Es liegen Empfehlungsschreiben und Unterstützungserklärungen für den BF vor.

Es geht im Verfahren klar hervor, dass der BF sich schnell in die Gesellschaft eingegliedert hat und er ein wertvolles wie unverzichtbares Mitglied seiner Gemeinschaft geworden ist. Der BF ist in der Lage und wird auch weiterhin in der Lage sein, für seinen Lebensunterhalt aufzukommen und ist seine berufliche Zukunft gesichert.

Der BF befindet sich zudem seit Juni 2015 im Bundesgebiet und wurde über seinen Antrag auf internationalen Schutz seitens der Verwaltungsbehörde im Februar 2016 erstmals negativ entschieden. Dass seinem Asylbegehren nach Studium der Aktenlage seitens des Bundesverwaltungsgerichtes nicht von vornherein die Substantiiertheit abgesprochen wurde, kann nicht zu seinen Lasten gewertet werden und nicht angenommen werden, dass er sich seines unsicheren Aufenthaltes – insbesondere im Hinblick auf die nicht in seiner Sphäre gelegene, als eher lang zu bezeichnende Verfahrensdauer – hätte bewusst gewesen sein müssen.

Entsprechend der Auskunft aus dem Strafregister ist auch von der Unbescholtenheit des BF auszugehen.

Unzweifelhaft ist im gegenständlichen Fall von einem wahrnehmbaren Integrationsgrad mit ausreichendem Potential, diesen noch weiter voranzutreiben, auszugehen. So hat der BF im Laufe seines Verfahrens und insbesondere in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass er sich im Bundesgebiet Deutschkenntnisse auf einem sehr hohen Niveau angeeignet hat und konnte er sich im Rahmen der mündlichen Verhandlung auf einem äußerst ansprechenden Niveau in deutscher Sprache verständigen. Seit seiner Einreise ist er bemüht, seinen eigenen Beitrag für die österreichische Gesellschaft zu leisten, indem er seine Arbeitsfähigkeit angeboten hat und sich einsetzte, wo es ihm nur möglich war. Überdies hat der BF durch die beigebrachten Unterstützungserklärungen und seine Angaben in der mündlichen Verhandlung auch ausreichend belegt, dass er im Bundesgebiet gute soziale Kontakte, auch zu Österreichern, geknüpft hat. Auszugehen ist von einem enorm starken Eingliederungswillen des BF in die österreichische Gesellschaft und zeigte er sich stets bemüht, einen eigenen Beitrag für die österreichische Gesellschaft zu leisten.

Gesamt betrachtet überwiegt somit das Interesse an der Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens des BF im konkreten Fall die in Art. 8 Abs. 2 EMRK angeführten öffentlichen Interessen, weshalb in Erledigung der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid die Rückkehrentscheidung für dauerhaft unzulässig zu erklären war.

Es wird nicht verkannt, dass dem Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, insbesondere der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften grundsätzlich ein hoher Stellenwert zukommt, doch überwiegen nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts in diesem vorliegenden Fall vor allen Dingen die familiären, aber auch die privaten Interessen des BF angesichts der erwähnten Umstände in ihrer Gesamtheit die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung zugunsten eines geordneten Fremdenwesens. Eine Rückkehrentscheidung gegen den BF würde sich daher zum maßgeblichen aktuellen Entscheidungszeitpunkt als unverhältnismäßig im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK erweisen. Dabei waren auch die Auswirkungen auf das Privat- und Familienleben der Ehefrau des BF und auf das Kindeswohl der gemeinsamen Kinder – beide österreichische Staatsbürger – maßgeblich zu berücksichtigen.

Das Bundesverwaltungsgericht kommt daher aufgrund der vorgenommenen Interessenabwägung und unter Berücksichtigung der genannten besonderen Umstände dieses Beschwerdefalles zu dem Ergebnis, dass eine Rückkehrentscheidung gegen den BF unzulässig ist. Des Weiteren ist davon auszugehen, dass die drohende Verletzung des Privatlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend, sondern auf Dauer sind und es ist daher gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festzustellen, dass die Rückkehrentscheidung gegen den BF auf Dauer unzulässig ist.

3.4.3. § 9 Abs. 4 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017 idgF, mit der Überschrift "Modul 1 Integrationsvereinbarung" lautet:

"(4) Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung ist erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige

1. einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß § 11 vorlegt,

2. einen gleichwertigen Nachweis gemäß § 11 Abs. 4 über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung vorlegt,

3. über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht,

4. einen Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte" gemäß § 41 Abs. 1 oder 2 NAG besitzt oder

5. als Inhaber eines Aufenthaltstitels "Niederlassungsbewilligung - Künstler" gemäß § 43a NAG eine künstlerische Tätigkeit in einer der unter § 2 Abs. 1 Z 1 bis 3 Kunstförderungsgesetz, BGBl. I Nr. 146/1988, genannten Kunstsparte ausübt; bei Zweifeln über das Vorliegen einer solchen Tätigkeit ist eine diesbezügliche Stellungnahme des zuständigen Bundesministers einzuholen.

Die Erfüllung des Moduls 2 (§ 10) beinhaltet das Modul 1."

§ 10 Abs. 2 IntG mit der Überschrift "Modul 2 der Integrationsvereinbarung" lautet:

"Das Modul 2 der Integrationsvereinbarung ist erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige

1. einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß § 12 vorlegt,

2. einen gleichwertigen Nachweis gemäß § 12 Abs. 4 über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung vorlegt,

3. minderjährig ist und im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht eine Primarschule (§ 3 Abs. 3 Schulorganisationsgesetz (SchOG), BGBl. Nr. 242/1962) besucht oder im vorangegangenen Semester besucht hat,

4. minderjährig ist und im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht eine Sekundarschule (§ 3 Abs. 4 SchOG) besucht und die positive Beurteilung im Unterrichtsgegenstand "Deutsch" durch das zuletzt ausgestellte Jahreszeugnis oder die zuletzt ausgestellte Schulnachricht nachweist,

5. einen mindestens fünfjährigen Besuch einer Pflichtschule in Österreich nachweist und das Unterrichtsfach "Deutsch" positiv abgeschlossen hat oder das Unterrichtsfach "Deutsch" auf dem Niveau der 9. Schulstufe positiv abgeschlossen hat oder eine positive Beurteilung im Prüfungsgebiet "Deutsch - Kommunikation und Gesellschaft" im Rahmen der Pflichtschulabschluss-Prüfung gemäß Pflichtschulabschluss-Prüfungs-Gesetz, BGBl. I Nr. 72/2012 nachweist,

6. einen positiven Abschluss im Unterrichtsfach "Deutsch" nach zumindest vierjährigem Unterricht in der deutschen Sprache an einer ausländischen Sekundarschule nachweist,

7. über eine Lehrabschlussprüfung gemäß dem Berufsausbildungsgesetz, BGBl. Nr. 142/1969, oder eine Facharbeiterprüfung gemäß den Land- und forstwirtschaftlichen Berufsausbildungsgesetzen der Länder verfügt oder

8. mindestens zwei Jahre an einer postsekundären Bildungseinrichtung inskribiert war, ein Studienfach mit Unterrichtssprache Deutsch belegt hat und in diesem einen entsprechenden Studienerfolg im Umfang von mindestens 32 ECTS-Anrechnungspunkten (16 Semesterstunden) nachweist bzw. über einen entsprechenden postsekundären Studienabschluss verfügt."

§ 12 Abs. 2 und Abs. 3 IntG mit der Überschrift "Integrationsprüfung zur Erfüllung des Moduls 2" lauten:

(2) Die Prüfung umfasst Sprach- und Werteinhalte. Mit der Prüfung ist festzustellen, ob der Drittstaatsangehörige über vertiefte Kenntnisse der deutschen Sprache zur selbständigen Sprachverwendung auf dem Sprachniveau B1 gemäß dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen und über vertiefte Kenntnisse der grundlegenden Werte der Rechts- und Gesellschaftsordnung der Republik Österreich verfügt. Der Prüfungserfolg ist mit "Bestanden" oder "Nicht bestanden" zu beurteilen. Zur erfolgreichen Absolvierung der Prüfung muss sowohl das Wissen über Sprach- sowie über Werteinhalte nachgewiesen werden. Wiederholungen von nicht bestandenen Prüfungen sind zulässig. Die Wiederholung von einzelnen Prüfungsinhalten ist nicht zulässig.

(3) Die Integrationsprüfung zur Erfüllung des Moduls 2 ist vom Österreichischen Integrationsfonds oder von einer vom Österreichischen Integrationsfonds zur Abwicklung der Prüfungen im Rahmen der Integrationsvereinbarung zertifizierten und somit zur Ausfolgung eines gleichwertigen Nachweises gemäß Abs. 4 berechtigten Einrichtung durchzuführen."

§ 11 IntG lautet:

Integrationsprüfung zur Erfüllung des Moduls 1

§ 11. (1) Die Integrationsprüfung zur Erfüllung des Moduls 1 wird bundesweit nach einem einheitlichen Maßstab durchgeführt.

(2) Die Prüfung umfasst Sprach- und Werteinhalte. Mit der Prüfung ist festzustellen, ob der Drittstaatsangehörige über vertiefte elementare Kenntnisse der deutschen Sprache zur Kommunikation und zum Lesen und Schreiben von Texten des Alltags auf dem Sprachniveau A2 gemäß dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen und über Kenntnisse der grundlegenden Werte der Rechts- und Gesellschaftsordnung der Republik Österreich verfügt. Der Prüfungserfolg ist mit "Bestanden" oder "Nicht bestanden" zu beurteilen. Zur erfolgreichen Absolvierung der Prüfung muss sowohl das Wissen über Sprach- sowie über Werteinhalte nachgewiesen werden. Wiederholungen von nicht bestandenen Prüfungen sind zulässig. Die Wiederholung von einzelnen Prüfungsinhalten ist nicht zulässig.

(3) Die Integrationsprüfung zur Erfüllung des Moduls 1 ist vom Österreichischen Integrationsfonds oder von einer vom Österreichischen Integrationsfonds zur Abwicklung der Prüfungen im Rahmen der Integrationsvereinbarung zertifizierten und somit zur Ausfolgung eines gleichwertigen Nachweises gemäß Abs. 4 berechtigten Einrichtung durchzuführen.

(4) Über die Gleichwertigkeit eines Nachweises gemäß § 9 Abs. 4 Z 2 entscheidet der Österreichische Integrationsfonds mit Bescheid auf schriftlichen Antrag einer Einrichtung, die beabsichtigt die Integrationsprüfung durchzuführen, nach Maßgabe der Verordnung des Bundesministers für Europa, Integration und Äußeres gemäß Abs. 5.

(5) Der Prüfungsinhalt, die Modalitäten der Durchführung, die Prüfungsordnung zur Erfüllung des Moduls 1 sowie die Kriterien für die Prüfung der Gleichwertigkeit werden durch Verordnung des Bundesministers für Europa, Integration und Äußeres festgelegt.

(6) Der Österreichische Integrationsfonds kann die Zertifizierung während der Gültigkeit mit Bescheid entziehen, wenn die Integrationsprüfung nicht der Verordnung gemäß Abs. 5 entspricht. Nach einem Entzug der Zertifizierung ist eine neuerliche Antragstellung zur Zertifizierung frühestens nach Ablauf von sechs Monaten zulässig.

Die Übergangsbestimmung des § 81 Abs. 36 NAG lautet:

Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG gilt als erfüllt, wenn Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 68/2017 vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 68/2017 erfüllt haben oder von der Erfüllung ausgenommen waren.

Die weiteren maßgeblichen Bestimmungen des NAG (idF vor BGBl. I Nr. 68/2017) lauten:

Gemäß § 14a Abs. 1 erster Satz NAG sind Drittstaatsangehörige mit erstmaliger Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1, Z 1, 2, 4, 5, 6 oder 8 zur Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung verpflichtet.

Gemäß Abs. 4 leg. cit. ist das Modul 1 der Integrationsvereinbarung erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige

1. einen Deutsch-Integrationskurs besucht und einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über den erfolgreichen Abschluss des Deutsch-Integrationskurses vorlegt,

2. einen allgemein anerkannten Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse gemäß § 14 Abs. 2 Z 1 [= Kenntnisse der deutschen Sprache zur vertiefenden elementaren Sprachverwendung] vorlegt,

[...]

Nähere Bestimmungen über die Durchführung von Deutsch-Integrationskursen und den Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über den erfolgreichen Abschluss des Deutsch-Integrationskurses gemäß Abs. 4 Z 1 sowie über Nachweise gemäß Abs. 4 Z 2 hat der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festzulegen (§ 14a Abs. 6 NAG).

Die aufgrund dieser Ermächtigung erlassene Integrationsvereinbarungs-Verordnung, BGBl II Nr. 449/2005 bestimmt Folgendes:

§ 7 (1) Ziel des Deutsch-Integrationskurses (Modul 1 der Integrationsvereinbarung) ist die Erreichung des A2-Niveaus des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen, wie im Rahmencurriculum für Deutsch-Integrationskurse (Anlage A) beschrieben.

(2) Den Abschluss des Deutsch-Integrationskurses bildet eine Abschlussprüfung, zumindest auf dem A2-Nivau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen, durch den ÖIF.

Der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung" unterscheidet sich von der "Aufenthaltsberechtigung plus" gemäß § 54 Abs. 1 AsylG 2005 nur in Bezug auf die Berechtigung zur Ausübung von Erwerbstätigkeiten, und zwar dahin, dass die "Aufenthaltsberechtigung" insoweit weniger Rechte einräumt. Statt wie bei der "Aufenthaltsberechtigung plus", die einen unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt iSd § 17 AuslBG vermittelt, besteht nämlich für die Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit das Erfordernis einer Berechtigung nach dem AuslBG.

In seinem Erkenntnis vom 04.08.2016, Ra 2016/210203, betonte der Verwaltungsgerichtshof, dass hinsichtlich der Beurteilung der Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG (nunmehr §§ 9 ff Integrationsgesetz) eine formalistische Sichtweise anzuwenden sei und die Vorlage eines der in § 9 der Integrationsvereinbarungs-Verordnung (aF) aufgezählten Zertifikate nicht im Rahmen der freien Beweiswürdigung ersetzt werden könne.

3.4.4. Im gegenständlichen Fall verfügt der BF hinsichtlich seiner Deutschkenntnisse über ein Zeugnis des ÖSD des Niveaus B1 vom 24.11.2017, welches bestätigt, dass die in dieser Kursstufe erworbenen Kenntnisse des BF dem Niveau B1 des Referenzniveaus des Europarates entsprechen, weshalb er das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 68/2017 vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 68/2017 erfüllt hat.

Gemäß der zitierten Übergangsbestimmung ist die mangelnde Absolvierung eines Wertekurses gemäß § 11 Abs. 2 IntG als Nachweis, dass der BF mit den Werten der Republik Österreich in Kenntnis und verbunden ist, nicht maßgeblich für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung plus" gemäß § 55 Abs. 1 AsylG, soweit er die Voraussetzungen des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG idF vor dem BGBl. I Nr. 68/2017, vor dem Zeitpunkt seines Inkrafttretens erfüllt hat. Er erfüllt somit auch ohne Vorlage eines Nachweises über die Absolvierung eines Wertekurses über die Kenntnisse der grundlegenden Werte der Rechts- und Gesellschaftsordnung der Republik Österreich bzw. nur mittels Vorlage seines Zeugnisses die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 AsylG.

Da die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG im Falle des BF in Folge des Ausspruches der dauerhaften Unzulässigkeit der ihn betreffenden Rückkehrentscheidung gegeben sind, war dem BF eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen. Die faktische Ausstellung der entsprechenden Karte fällt unter die Kompetenz des BFA. Die Aufenthaltstitel gelten gemäß § 54 Abs. 2 AsylG zwölf Monate lang, beginnend mit dem Ausstellungsdatum.

Da mit der Zuerkennung der Aufenthaltsberechtigung die rechtlichen Voraussetzungen für die Erlassung des Spruchpunktes IV. des angefochtenen Bescheides wegfallen, ist dieser Spruchpunkt ersatzlos zu beheben.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt I. und II. B) wegen Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Im gegenständlichen Fall konnte sich daher das Bundesverwaltungsgericht auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Asylverfahren Aufenthaltsberechtigung plus Aufenthaltstitel befristete Aufenthaltsberechtigung Beschwerdeverzicht Beschwerdezurückziehung Deutschkenntnisse Ehe Einstellung Einstellung des (Beschwerde) Verfahrens ersatzlose Teilbehebung Integration Integrationsvereinbarung Interessenabwägung Kassation mündliche Verhandlung öffentliche Interessen Privat- und Familienleben private Interessen Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig Spruchpunktbehebung subsidiärer Schutz Unbescholtenheit Verfahrenseinstellung Zurückziehung Zurückziehung der Beschwerde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W189.2123417.1.00

Im RIS seit

13.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

13.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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