Entscheidungsdatum
24.06.2020Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
I403 2231629-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Bundesrepublik Deutschland, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.05.2020, Zl. XXXX , zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Mit Schreiben vom 27.11.2019 informierte das Amt der Wiener Landesregierung, MA 35, das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), dass bei der Überprüfung des Verlängerungsantrages der Beschwerdeführerin auf Ausstellung der Dokumentation eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechtes die Voraussetzungen gemäß § 51 NAG nicht vorliegen würden.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.05.2020 wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs 1 FPG iVm § 55 Abs 3 NAG aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 70 Abs 3 FPG wurde der Beschwerdeführerin ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt (Spruchpunkt II.). Grundlage der Entscheidung war, dass die Beschwerdeführerin keinen Studiennachweis, keine Krankenversicherung und keine ausreichenden Existenzmittel nachgewiesen hatte.
Mit Schriftsatz vom 03.06.2020, bei der belangten Behörde am selben Tag eingelangt, erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und legte einen Studiennachweis, einen Nachweis eines umfassenden Krankenversicherungsschutzes und eine Erklärung ihrer Eltern, dass sie von diesen finanziell unterstützt würde.
Beschwerde und Bezug habender Akt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 05.06.2020 vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die volljährige Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige der Bundesrepublik Deutschland. Ihre Identität steht fest. Sie lebt seit November 2017 im österreichischen Bundesgebiet.
Die Beschwerdeführerin stellte am 02.02.2018 einen Verlängerungsantrag auf Ausstellung einer „Anmeldebescheinigung – Ausbildung“. Die Beschwerdeführerin ist ordentliche Studentin an der Universität XXXX . Sie verfügt über einen aufrechten und umfassenden Versicherungsschutz und über ausreichende Existenzmittel, da sie von ihren Eltern unterstützt wird.
2. Beweiswürdigung:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichts.
Die Identität der Beschwerdeführerin steht aufgrund des vorgelegten Personalausweises fest.
Aus dem Auszug des ZMR geht hervor, dass die Beschwerdeführerin seit November 2017 im österreichischen Bundesgebiet aufhältig ist.
Der Verlängerungsantrag geht aus dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister und dem unbestrittenen Akteninhalt hervor.
Dass die Beschwerdeführerin ordentliche Studentin an der Universität XXXX ist, geht aus den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Studienbestätigungen hervor.
Der bestehende Versicherungsschutz geht aus dem vorgelegten Bestätigungsschreiben der Deutschen Krankenversicherung AG hervor.
Dass die Beschwerdeführerin über ausreichende Existenzmittel verfügt, wird durch das vorgelegte Schreiben der Eltern der Beschwerdeführerin bestätigt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Zu Spruchpunkt I. und II. des angefochtenen Bescheides:
Der mit „Ausweisung“ betitelte § 66 FPG lautet:
"§ 66. (1) EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige können ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.
(2) Soll ein EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigter Drittstaatsangehöriger ausgewiesen werden, hat das Bundesamt insbesondere die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seiner Bindung zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen.
(3) Die Erlassung einer Ausweisung gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, die Ausweisung wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist."
Gemäß § 55 Abs. 3 NAG hat die Behörde für den Fall, dass das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52 und 54 nicht besteht, weil eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt, die Nachweise nach § 53 Abs. 2 oder § 54 Abs. 2 nicht erbracht werden oder die Voraussetzungen für dieses Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr vorliegen, hat die Behörde den Betroffenen hiervon schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wurde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist unverzüglich, spätestens jedoch gleichzeitig mit der Mitteilung an den Antragsteller, zu befassen. Dies gilt nicht in einem Fall gemäß § 54 Abs. 7. Während eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist der Ablauf der Frist gemäß § 8 VwGVG gehemmt.“
§ 51 Abs. 1 NAG lautet:
"Auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie sind EWR-Bürger zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie
1. in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind;
2. für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, so dass sie während ihres Aufenthalts weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen müssen, oder
3. als Hauptzweck ihres Aufenthalts eine Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung bei einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule oder Bildungseinrichtung absolvieren und die Voraussetzungen der Z 2 erfüllen."
Der mit "Anmeldebescheinigung" betitelte § 53 Abs. 1 und 2 Z 1-3 NAG lautet:
"§ 53. (1) EWR-Bürger, denen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zukommt (§§ 51 und 52), haben, wenn sie sich länger als drei Monate im Bundesgebiet aufhalten, dies binnen vier Monaten ab Einreise der Behörde anzuzeigen. Bei Vorliegen der Voraussetzungen (§§ 51 oder 52) ist von der Behörde auf Antrag eine Anmeldebescheinigung auszustellen.
(2) Zum Nachweis des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts sind ein gültiger Personalausweis oder Reisepass sowie folgende Nachweise vorzulegen:
1. nach § 51 Abs. 1 Z 1: eine Bestätigung des Arbeitgebers oder ein Nachweis der Selbständigkeit;
2. nach § 51 Abs. 1 Z 2: Nachweise über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz;
3. nach § 51 Abs. 1 Z 3: Nachweise über die Zulassung zu einer Schule oder Bildungseinrichtung und über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz sowie eine Erklärung oder sonstige Nachweise über ausreichende Existenzmittel;"
Fallbezogen ergibt sich daraus:
Die Beschwerdeführerin ist deutsche Staatsbürgerin und als solche auch Unionsbürgerin.
Durch die Vorlage der Studienbestätigungen, des Schreibens ihrer Krankenversicherung und des Schreibens ihrer Eltern über die finanzielle Unterstützung erbrachte die Beschwerdeführerin den notwendigen Nachweis gemäß § 53 Abs 2 Z 3 NAG. Sie betreibt das Bacherlorstudium der Astronomie, steht kurz vor ihrem Abschluss und wird finanziell von ihren Eltern unterstützt.
Die Voraussetzungen für ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht iSd § 51 Abs. 1 Z 2 iVm Z 3 NAG liegen daher zum aktuellen Zeitpunkt vor.
Die Ausweisung erweist sich nunmehr als rechtswidrig. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Im gegenständlichen Fall konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 Abs. 1 Z 1 VwGVG unterbleiben, da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zur Glaubhaftmachung von Asylgründen und zur Relevanz des Privat- und Familienlebens und der Aufenthaltsdauer bei Rückkehrentscheidungen; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.
Schlagworte
Ausbildung Ausweisung Ausweisung aufgehoben Ausweisung nicht rechtmäßig Ausweisungsverfahren Behebung der Entscheidung Durchsetzungsaufschub EWR-Bürger finanzielle Mittel finanzielle und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Kassation Krankenversicherung Nachweismangel Studiennachweise UnionsbürgerEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:I403.2231629.1.00Im RIS seit
13.10.2020Zuletzt aktualisiert am
13.10.2020