TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/25 I417 2159705-1

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Veröffentlicht am 25.06.2020
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Entscheidungsdatum

25.06.2020

Norm

AsylG 2005 §3
BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §31 Abs1
VwGVG §33
VwGVG §33 Abs1
VwGVG §33 Abs3
VwGVG §33 Abs4
VwGVG §7 Abs4 Z1

Spruch

I417 2159705-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Friedrich ZANIER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , alias XXXX , geb. XXXX , alias XXXX , StA. Nigeria, vertreten durch: RA Dr. Martina Schweiger-Apfelthaler, Graf Starhemberg-Gasse 39/12, 1040 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 21.09.2016, Zl. XXXX ,

A)

I. zu Recht erkannt:

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird als unbegründet abgewiesen.

II. beschlossen:

Die Beschwerde wird als verspätet zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer reiste spätestens am 21.08.2015 illegal in das Bundesgebiet ein. Am selben Tag stellte er einen Antrag auf internationalen Schutz, wobei er angab, den Namen XXXX zu führen, nigerianischer Staatsbürger und am XXXX geboren zu sein.

Der Beschwerdeführer gab in seiner Einvernahme im Wesentlichen an, deshalb geflüchtet zu sein, da er zu Sylvester 2013 erwischt worden wäre als er mit seinem Chef Sex hatte. Da es in Nigeria traditionell verboten sei homosexuell zu sein und sein Chef deswegen verurteilt worden und ins Gefängnis gekommen wäre, habe er aus Angst, selbst ins Gefängnis zu kommen, die Flucht ergriffen.

Mit dem Bescheid vom 21.09.2016 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgestellt (Spruchpunkt III.).

Dieser Bescheid wurde mittels Hinterlegung am 04.10.2016, wobei die Verständigung der Hinterlegung durch Einlegen in die Abgabeneinrichtung an der im ZMR ersichtlichen Adresse erfolgte, rechtswirksam zugestellt. Da die Postsendung vom Beschwerdeführer nicht behoben worden war, langte das Poststück am 27.10.2016 wieder bei der belangten Behörde ein.

Mit Schriftsatz vom 17.01.2017 stellte der Beschwerdeführer, den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und legte mit gleichem Schriftsatz Beschwerde gegen oben genannten Bescheid ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.Feststellungen:

Obenstehender Sachverhalt ergibt sich aus dem unzweifelhaft vorliegenden und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsverfahrensaktes der belangten Behörde, weshalb obiger Verfahrensgang festgestellt wird.

Es steht fest, dass kein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis vorgelegen hat, das den Beschwerdeführer daran gehindert hat, die Rechtsmittelfrist in Hinblick auf den Bescheid vom 21.09.2016 zu wahren.

2. Beweiswürdigung:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in die Beschwerde und in den angefochtenen Bescheid und in den vorgelegten Verwaltungsakt unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer die Rechtsmittelfrist in Hinblick auf den Bescheid vom 21.09.2016 hätte wahren können, ergibt sich aus folgenden Überlegungen:

Mit Ausnahme der Behauptung, dass der Beschwerdeführer durch ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis gehindert gewesen wäre, von der Zustellung zu erfahren, bleibt der Beschwerdeführer es schuldig, zu benennen, worin diese Gründe gelegen sind. Aus dem vorliegenden Akteninhalt ist klar ersichtlich, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt des Zustellversuches eine „Abgabeeinrichtung“ hatte, in welche die Verständigung von der Hinterlegung eingelegt worden ist (AS 221) und dass die Hinterlegung an der im (historischen) ZMR ersichtlichen Adresse hinterlegt worden ist.

Es wäre daher leicht möglich gewesen, die Rechtsmittelfrist zu wahren. Ein unabwendbares und unvorhersehbares Ereignis liegt sohin nicht vor.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG entscheiden die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 145/2017 (im Folgenden: BFA-VG), entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 6 BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 idF BGBl. I Nr. 24/2017, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da weder im BFA-VG noch im AsylG 2005 eine Senatsentscheidung vorgesehen ist, liegt in der vorliegenden Rechtssache Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß Abs. 2 hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zur Rechtswirksamkeit des Bescheides vom 21.09.2016

Zunächst ist zu prüfen, ob eine wirksame Zustellung des Bescheides vom 21.09.2016 stattgefunden hat.

Zu A)

Spruchpunkt I.

Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

Macht eine Partei gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG glaubhaft, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Nach § 33 Abs. 3 VwGVG ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen.

Gemäß § 33 Abs. 4 VwGVG hat bis zur Vorlage der Beschwerde über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden, § 15 Abs. 3 leg. cit. ist sinngemäß anzuwenden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden.

§ 33 Abs. 4 VwGVG kann verfassungskonform nur die Bedeutung zugemessen werden, dass über Wiedereinsetzungsanträge, die bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde eingebracht werden, von dieser, und über jene, die ab Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht eingebracht werden, von jenem mit Beschluss zu entscheiden ist (VwGH 28.09.2016, Ro 2016/16/0013).

Ein Ereignis ist dann unabwendbar, wenn es durch einen Durchschnittsmenschen objektiv nicht verhindert werden konnte. Es ist als unvorhergesehen zu werten, wenn die Partei es tatsächlich nicht einberechnet hat, und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf die zumutbare Aufmerksamkeit und Vorsicht nicht erwarten konnte (VwGH 17.02.1994, Zl. 93/16/0020).

Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB zu verstehen.

Der geltend gemachte Wiedereinsetzungsgrund muss bereits im Wiedereinsetzungsantrag bezeichnet und sein Vorliegen glaubhaft gemacht werden. Die Partei muss also jene Umstände, durch die sie an der Vornahme der Prozesshandlung gehindert wurde, konkret beschreiben. Glaubhaftmachung bedeutet, dass die Partei Beweismittel anbieten muss, durch die die Wahrscheinlichkeit des Vorliegens des Wiedereinsetzungsgrundes dargetan wird. Es ist allein das Vorliegen des geltend gemachten Wiedereinsetzungsgrundes zu prüfen. Eine amtswegige Prüfung, ob allenfalls weitere Gründe für eine Wiedereinsetzung vorliegen, ist nicht vorgesehen. Nach Ablauf der Frist für den Wiedereinsetzungsantrag kann der geltend gemachte Wiedereinsetzungsgrund auch nicht mehr ausgewechselt werden (VwGH 25.02.2003, 2002/10/0223).

Im konkreten Fall bringt der Beschwerdeführer in seinem Wiedereinsetzungsantrag keinen einzigen Grund vor, dass ein unabwendbares und unvorhergesehenes Ereignis vorgelegen hat und er darum keine Kenntnis von der Hinterlegung des Bescheides erlangen konnte. Der Wiedereinsetzungsantrag blieb sohin zur Gänze unbegründet.

Ein unvorhersehbares und unabwendbares Ereignis, das den Beschwerdeführer daran gehindert hätte, die Rechtsmittelfrist zu wahren, liegt sohin nicht vor, weshalb der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abzuweisen war.

Spruchpunkt II:

Zurückweisung der Beschwerde

Gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG vier Wochen. Sie beginnt in den Fällen des Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG (= Parteibeschwerde) dann, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung.

Da die verspätete Vorlage der Beschwerde gegen den Bescheid vom 21.09.2016 unstrittig ist, war diese zurückzuweisen.

Entfall der mündlichen Verhandlung

Angesichts der Tatsache, dass das Bundesverwaltungsgericht seiner Entscheidung als maßgebender Sachverhalt den unstrittigen Akteninhalt und das Beschwerdevorbringen zugrunde gelegt hat, konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 21 Abs. 7 BFA-Verfahrensgesetz unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Asylantragstellung Asylverfahren Beschwerdefrist Fahrlässigkeit Fristablauf Fristüberschreitung Fristversäumung Glaubhaftmachung minderer Grad eines Versehens objektiver Maßstab Rechtsmittelfrist unabwendbares Ereignis unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis Verschulden verspätete Beschwerde Verspätung Wiedereinsetzungsantrag zumutbare Sorgfalt Zurückweisung Zustellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I417.2159705.1.00

Im RIS seit

13.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

13.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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