TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/7 W270 2227457-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.07.2020
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Entscheidungsdatum

07.07.2020

Norm

AVG §6
B-VG Art133 Abs4
UVP-G 2000 §1
UVP-G 2000 §19 Abs7
UVP-G 2000 §2 Abs2
UVP-G 2000 §23a
UVP-G 2000 §23b
UVP-G 2000 §24 Abs1
UVP-G 2000 §24a
UVP-G 2000 §3 Abs1
UVP-G 2000 §3 Abs7
UVP-G 2000 §40 Abs1
UVP-G 2000 §5 Abs1
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W270 2227457-1/5E

Schriftliche Ausfertigung der am 16.06.2020 mündlich verkündeten Entscheidung

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Günther GRASSL als Vorsitzenden und die Richter Mag. Karl Thomas BÜCHELE und Dr. Matthias NEUBAUER als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX , vertreten durch RA Dr. Lorenz E. Riegler, LL.M., Mariahilfer Straße 124/15, 1070 Wien, gegen den Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 04.12.2019, Zl. XXXX , betreffend Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 (mitbeteiligte Partei: XXXX , vertreten durch die Eisenberger & Herzog Rechtsanwalts GmbH, Hilmgasse 10, 8010 Graz), nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Verwaltungsbehördliches Verfahren

1. Mit Schreiben vom 09.11.2019 stellte die Beschwerdeführerin bei der belangten Behörde u.a. den Antrag auf „Durchführung einer UVP“ für ein Vorhaben „ XXXX “. Sie verwies darin auf eine für dieses Vorhaben erteilte Baugenehmigung, die aus ihrer Sicht schwere inhaltliche und rechtliche Mängel aufweise. Die Beschwerdeführerin führte zu ihrem Antrag zusammengefasst außerdem aus, dass für das Vorhaben infolge von Flächenausmaß und Art „UVP-Pflicht“ gegeben sei. Es bestehe auch ein Widerspruch zu Vorschriften des UVP-G 2000 (und dessen § 3 Abs. 7 und 9), weil die Behörde in Erledigung einer Anfrage die UVP-Pflicht nur durch ein E-Mail und nicht einen Bescheid verneint habe.

2. Mit Bescheid vom 04.12.2019 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung zurück. Sie begründete dies im Wesentlichen damit, dass die Beschwerdeführerin dazu nicht antragslegitimiert wäre.

3. Gegen diese Entscheidung erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde und führte darin begründend insbesondere aus, dass für das Vorhaben „ XXXX “ eine UVP durchzuführen sei. Dies u.a. in Anbetracht „ungeeigneter Schwellenwerte“. Weiters brachte die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde vor, dass sie in einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht unmittelbar anwendbare Vorschriften des Umweltrechts der Europäischen Union geltend machen können müsse. Dies werde durch das „Amt der Burgenländischen Landesregierung“ verhindert. Dabei verwies die Beschwerdeführerin auch auf eine Reihe von Entscheidungen des EuGH.

4. Mit Schreiben vom 08.01.2020 legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt den Verfahrensakten zur Behandlung vor.

Verwaltungsgerichtliches Verfahren

5. Am 16.06.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durch. In dieser wurden zum Sachverhalt ergänzende Beweise aufgenommen und ein Rechtsgespräch geführt.

II. Feststellungen:

1. Die mitbeteiligte Partei plant die Errichtung und den Betrieb eines Lagers auf diversen Grundstücken im Gebiet der Gemeinde XXXX westlich der XXXX und XXXX (in Folge: „Vorhaben“).

2. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom 26.04.2019, Zl. XXXX , wurde der mitbeteiligten Partei eine gewerbebehördliche Genehmigung für das Vorhaben erteilt.

3. Ebenso wurde mit Bescheid vom 26.04.2019, Zl. XXXX , für das Vorhaben eine baubehördliche Genehmigung erteilt.

4. Die Beschwerdeführerin, eine gemäß § 19 Abs. 7 UVP-G 2000 anerkannte Umweltorganisation, stellte am 09.11.2019 an die belangte Behörde den Antrag, eine Umweltverträglichkeitsprüfung für das Vorhaben durchzuführen.

5. Gegen die unter II.2. und II.3. erwähnten behördlichen Entscheidungen erhob die Beschwerdeführerin Beschwerden, die das Landesverwaltungsgericht Burgenland mit Erkenntnissen vom 30.09.2019, Zl. EB05/09/2019.002/015, sowie vom 25.11.2019, Zl. B02-09/2019.001/027, als unbegründet abwies. Das Gericht setzte sich in seinen Entscheidungen u.a. mit der Anwendbarkeit des UVP-G 2000 auseinander und verneinte diese jeweils. Gegen die baubehördliche Bewilligung wurde Beschwerde an den VfGH erhoben, gegen die gewerbebehördliche Entscheidung eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof. Die Verfahren sind derzeit bei den Gerichtshöfen anhängig.

7. Mit Bescheid vom 04.12.2019 wies die belangte Behörde den unter II.4. erwähnten Antrag der Beschwerdeführerin zurück.

8. Mit Bescheid vom 27.12.2019 wurde zum Vorhaben zu Zl. XXXX auch eine naturschutzbehördliche Entscheidung getroffen. Auch dagegen erhob die Beschwerdeführerin eine Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Burgenland, das dieses Rechtsmittel mit Beschluss vom 17.04.2020, Zl. EB06/10/2020.001/005, wegen Verspätung zurückwies. Dagegen wiederum erhob die Beschwerdeführerin eine außerordentliche Revision, die derzeit beim Verwaltungsgerichtshof anhängig ist.

9. Die Beschwerdeführerin plant weder die Errichtung noch den Betrieb einer Anlage oder eines sonstigen Eingriffs in Natur und Landschaft noch für eine solche Errichtung einen solchen Betrieb einen Antrag auf Genehmigung gemäß dem UVP-G 2000 (oder einem sonstigen Materiengesetz) zu stellen. Ihr Wille war nur darauf gerichtet, dass für das Vorhaben eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt wird.

III. Beweiswürdigung:

1. Die Feststellungen unter II.1. bis II.8. ergeben sich aus dem Inhalt der Verfahrensakten sowie dem Vorhalt bisheriger Sachverhaltsermittlungen durch das erkennende Gericht sowie dazugehörigen Parteiäußerungen, jeweils in der mündlichen Verhandlung. Die Akteninhalte sowie die getätigten Äußerungen blieben jeweils unbestritten (s. dazu insbesondere die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung [in Folge: „VHS“], S. 5).

2. Die Feststellung unter II.9. folgt aus der Vernehmung der Vertreter der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung (VHS, S. 5). Sie blieben von den übrigen Verfahrensparteien unbestritten und auch sonst sah sich das erkennende Gericht nicht veranlasst, an der Glaubwürdigkeit der Aussagen zu zweifeln.

IV. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.1. Zum Verfahrensgegenstand:

3.1.1. Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es gemäß § 27 VwGVG den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde zu überprüfen.

3.1.2. Hat die Behörde einen Antrag zurückgewiesen, ist „Sache“ eines Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ausschließlich die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung (vgl. etwa VwGH 17.12.2019, Ra 2017/04/0141, Rz. 19).

3.2. Zur inhaltlichen Begründetheit der Beschwerde:

3.2.1. Strittig ist gegenständlich, ob die belangte Behörde verpflichtet war, aufgrund eines von ihr gestellten Antrags eine Umweltverträglichkeitsprüfung gemäß dem UVP-G 2000 durchzuführen.

3.2.2. Folgende nationale Rechtslage stellt sich für das Bundesverwaltungsgericht als maßgeblich dar:

3.2.2.1. Die §§ 1, 2 Abs. 2, 3 Abs. 1 und 5 Abs. 1 UVP-G 2000 lauten jeweils samt Überschrift:

„Aufgabe von Umweltverträglichkeitsprüfung und Bürgerbeteiligung

§ 1. (1) Aufgabe der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) ist es, unter Beteiligung der Öffentlichkeit auf fachlicher Grundlage

1. die unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen festzustellen, zu beschreiben und zu bewerten, die ein Vorhaben

a) auf Menschen und die biologische Vielfalt einschließlich der, Tiere, Pflanzen und deren Lebensräume,

b) auf Fläche und Boden, Wasser, Luft und Klima,

c) auf die Landschaft und

d) auf Sach- und Kulturgüter

hat oder haben kann, wobei Wechselwirkungen mehrerer Auswirkungen untereinander miteinzubeziehen sind,

2. Maßnahmen zu prüfen, durch die schädliche, belästigende oder belastende Auswirkungen des Vorhabens auf die Umwelt verhindert oder verringert oder günstige Auswirkungen des Vorhabens vergrößert werden,

3. die Vor- und Nachteile der vom Projektwerber/von der Projektwerberin geprüften Alternativen sowie die umweltrelevanten Vor- und Nachteile des Unterbleibens des Vorhabens darzulegen und

4. bei Vorhaben, für die gesetzlich die Möglichkeit einer Enteignung oder eines Eingriffs in private Rechte vorgesehen ist, die umweltrelevanten Vor- und Nachteile der vom Projektwerber/von der Projektwerberin geprüften Standort- oder Trassenvarianten darzulegen.

(2) Durch dieses Bundesgesetz wird die Richtlinie 2011/92/EU über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, ABl. Nr. L 26 vom 28.1.2012 S. 1, in der Fassung der Richtlinie 2014/52/EU, ABl. Nr. L 124 vom 25.04.2014 S. 1, umgesetzt und werden begleitende Bestimmungen zur Verordnung (EU) Nr. 347/2013 zu Leitlinien für die transeuropäische Energieinfrastruktur und zur Aufhebung der Entscheidung Nr. 1364/2006/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 713/2009, (EG) Nr. 714/2009 und (EG) Nr. 715/2009, ABl. Nr. L115 vom 25.4.2013, S. 39, erlassen.“

[…]

„Begriffsbestimmungen

§ 2. (1)…

(2) Vorhaben ist die Errichtung einer Anlage oder ein sonstiger Eingriff in Natur und Landschaft unter Einschluss sämtlicher damit in einem räumlichen und sachlichen Zusammenhang stehender Maßnahmen. Ein Vorhaben kann eine oder mehrere Anlagen oder Eingriffe umfassen, wenn diese in einem räumlichen und sachlichen Zusammenhang stehen.“

[…]

„Gegenstand der Umweltverträglichkeitsprüfung

§ 3. (1) Vorhaben, die in Anhang 1 angeführt sind, sowie Änderungen dieser Vorhaben sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen. Für Vorhaben, die in Spalte 2 und 3 des Anhanges 1 angeführt sind, ist das vereinfachte Verfahren durchzuführen. Im vereinfachten Verfahren sind § 3a Abs. 2, § 6 Abs. 1 Z 1 lit. d, § 7 Abs. 2, § 12, § 13 Abs. 2, § 16 Abs. 2, § 20 Abs. 5 und § 22 nicht anzuwenden, stattdessen sind die Bestimmungen des § 3a Abs. 3, § 7 Abs. 3, § 12a und § 19 Abs. 2 anzuwenden.“

[…]

„Einleitung der Umweltverträglichkeitsprüfung

§ 5. (1) Der Projektwerber/die Projektwerberin eines Vorhabens, für das gemäß §§ 3 oder 3a eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist, hat bei der Behörde einen Genehmigungsantrag einzubringen, der die nach den Verwaltungsvorschriften für die Genehmigung des Vorhabens erforderlichen Unterlagen und die Umweltverträglichkeitserklärung in der jeweils erforderlichen Anzahl enthält. Diese Dokumente sind, soweit technisch möglich, elektronisch einzubringen. Nicht als erforderlich gelten Nachweise über Berechtigungen, soweit diesbezüglich in einer Verwaltungsvorschrift die Einräumung von Zwangsrechten vorgesehen ist. Der Projektwerber/die Projektwerberin hat auch anzugeben, ob und in welcher Weise er/sie die Öffentlichkeit vom Vorhaben informiert hat. Projektunterlagen, die nach Auffassung des Projektwerbers/der Projektwerberin Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthalten, sind besonders zu kennzeichnen.“

[…]

3.2.2.2. Die §§ 23a und 23b UVP-G 2000 zählen eine Reihe von Vorhaben auf, für welche eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem 3. Abschnitt leg. cit. durchzuführen ist. Unter der Überschrift „Einleitung der Umweltverträglichkeitsprüfung“ legt § 24a Abs. 1 erster Satz leg. cit. auch fest, dass der Projektwerber/die Projektwerberin bei der Behörde gemäß § 24 Abs. 1 UVP-RG einen Genehmigungsantrag einzubringen hat, der die nach den in § 24 Abs. 1 dieses Gesetzes genannten Verwaltungsvorschriften für die Genehmigung des Vorhabens erforderlichen Unterlagen und die Umweltverträglichkeitserklärung in der jeweils erforderlichen Anzahl enthält.

3.2.3. Nun hatte (und hat) – wie festzustellen war (II.9.) – die Beschwerdeführerin jedoch keinen Willen, einen ein „Vorhaben“ i.S.d. § 2 Abs. 2 UVP-G 2000 ausmachenden Eingriff in Natur und Landschaft zu errichten oder zu betreiben; weder ein solches, das unter Umständen gemäß § 3 Abs. 1 erster Satz leg. cit. in Zusammenschau mit weiteren Bestimmungen des UVP-G 2000 einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen sein könnte, noch eines, für das dies aufgrund der §§ 23a Abs. 1 oder Abs. 2 in Verbindung mit weiteren Bestimmungen des UVP-G 2000 der Fall sein könnte. Sie hatte im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung auch keinen Willen, einen Antrag auf „Genehmigung“ eines Vorhabens zu stellen.

3.2.4. Die Beschwerdeführerin ist damit im Lichte § 5 oder § 24a Abs. 1 UVP-G 2000 weder als „Projektwerberin“ anzusehen noch wollte sie die „Genehmigung“ eines „Vorhabens“ nach diesem Gesetz beantragen.

3.2.5. Damit fehlen aber, worauf die belangte Behörde in der mündlichen Verhandlung zu Recht hinwies (VHS, S. 8), schon grundsätzlich (Prozess-)Voraussetzungen dafür, welche die belangte Behörde verhalten hätten auch nur (als Vorfrage) prüfen zu müssen, ob für das streitgegenständliche Vorhaben – eben als weiteres Tatbestandselement der im Vorabsatz genannten Rechtsvorschriften – unter Umständen eine Umweltverträglichkeitsprüfung gemäß den Vorgaben des UVP-G 2000 durchzuführen sein könnte bzw. – falls die Erforderlichkeit dieser Prüfung zu bejahen gewesen wäre – eine Umweltverträglichkeitsprüfung auch tatsächlich durchzuführen.

3.2.6. Diese Sichtweise lässt sich auch dem Schrifttum entnehmen, wonach Personen, die offenkundig kein Interesse an der Projektrealisierung haben, nicht als Antragsteller in Betracht kommen (vgl. Schmelz/Schwarzer, UVP-G, § 5, Rz. 9, unter Hinweis auf die Entscheidung VwGH 2003/10/0232, in welcher der Verwaltungsgerichtshof, wenn dort auch nur obiter, aussprach, dass das UVP-G 2000 etwa Nachbarn kein Antragsrecht auf Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung einräume; i.d.S. auch Ennöckl/N. Raschauer/Bergthaler, UVP-G3, § 5, Rz. 3).

3.2.7. Als Zwischenergebnis lässt sich daher festhalten, dass die Entscheidung nach dem UVP-G 2000 rechtmäßig erging.

3.2.8. Die Beschwerdeführerin vermeint jedoch, dass ihr Anspruch auf Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung durch die belangte Behörde sich auch aus dem Unionsrecht sowie dem internationalen Recht, und dort der AK, ergebe. Sie verwies in diesem Zusammenhang in ihrer Beschwerde insbesondere auf das Urteil des EuGH vom 20.12.2017, Rs. C-664/17. Außerdem zeigten aus ihrer Sicht die Bewilligungsverfahren für das streitgegenständliche Vorhaben (beabsichtigte) Mängel der Regelung des § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 auf. Die Beschwerdeführerin führte dazu die Urteile des EuGH in den Rs. C-570/13 sowie C- 723/13 zur Bindungswirkung eines Feststellungsbescheids sowie zum Recht Einzelner, sich auf Bestimmungen einer UVP-Richtlinie zu berufen, an und erwähnte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Pflicht angerufener Gerichte, eine mögliche Unanwendbarkeit nationalen Rechts zu beachten (Beschwerde, S.5f).

3.2.9. Zur Beurteilung dieses Vorbringens sind nun folgende Bestimmungen des internationalen Rechts wie des Unionsrechts in ihrer jeweils für den gegenständlichen Fall relevanten Fassung zu beachten:

3.2.9.1. Art. 9 Abs. 2 des Übereinkommens von Aarhus über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (in Folge: „AK“) lautet:

„(2) Jede Vertragspartei stellt im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicher, dass Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit,

(a) die ein ausreichendes Interesse haben oder alternativ (b) eine Rechtsverletzung geltend machen, sofern das Verwaltungsverfahrensrecht einer Vertragspartei dies als Voraussetzung erfordert,

Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht und/oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und unparteiischen Stelle haben, um die materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen anzufechten, für die Artikel 6 und – sofern dies nach dem jeweiligen innerstaatlichen Recht vorgesehen ist und unbeschadet des Absatzes 3 – sonstige einschlägige Bestimmungen dieses Übereinkommens gelten.

Was als ausreichendes Interesse und als Rechtsverletzung gilt, bestimmt sich nach den Erfordernissen innerstaatlichen Rechts und im Einklang mit dem Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit im Rahmen dieses Übereinkommens einen weiten Zugang zu Gerichten zu gewähren. Zu diesem Zweck gilt das Interesse jeder Nichtregierungsorganisation, welche die in Artikel 2 Nummer 5 genannten Voraussetzungen erfüllt, als ausreichend im Sinne des Buchstaben a. Derartige Organisationen gelten auch als Träger von Rechten, die im Sinne des Buchstaben b verletzt werden können.

Absatz 2 schließt die Möglichkeit eines vorangehenden Überprüfungsverfahrens vor einer Verwaltungsbehörde nicht aus und lässt das Erfordernis der Ausschöpfung verwaltungsbehördlicher Überprüfungsverfahren vor der Einleitung gerichtlicher Überprüfungsverfahren unberührt, sofern ein derartiges Erfordernis nach innerstaatlichem Recht besteht.“

3.2.9.2. Die Art. 3, 4 Abs. 1 und 2 und 11 der EU-Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (in Folge: „UVP-RL“) lauten:

„Artikel 2

(1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit vor Erteilung der Genehmigung die Projekte, bei denen unter anderem aufgrund ihrer Art, ihrer Größe oder ihres Standortes mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, einer Genehmigungspflicht unterworfen und einer Prüfung in Bezug auf ihre Auswirkungen auf die Umwelt unterzogen werden. Diese Projekte sind in Artikel 4 definiert.“

[…]

„Artikel 3

(1) Die Umweltverträglichkeitsprüfung identifiziert, beschreibt und bewertet in geeigneter Weise nach Maßgabe eines jeden Einzelfalls die unmittelbaren und mittelbaren erheblichen Auswirkungen eines Projekts auf folgende Faktoren:

a) Bevölkerung und menschliche Gesundheit;

b) biologische Vielfalt, unter besonderer Berücksichtigung der gemäß der Richtlinie 92/43/EWG und der Richtlinie 2009/147/EG geschützten Arten und Lebensräume;

c) Fläche, Boden, Wasser, Luft und Klima;

d) Sachgüter, kulturelles Erbe und Landschaft;

e) Wechselbeziehung zwischen den unter den Buchstaben a bis d genannten Faktoren.

(2) Die in Absatz 1 genannten Auswirkungen auf die dort genannten Faktoren schließen die Auswirkungen ein, die aufgrund der Anfälligkeit des Projekts für schwere Unfälle und/oder Katastrophen zu erwarten sind, die für das betroffene Projekt relevant sind.

Artikel 4

(1) Projekte des Anhangs I werden vorbehaltlich des Artikels 2 Absatz 4 einer Prüfung gemäß den Artikeln 5 bis 10 unterzogen.

(2) Bei Projekten des Anhangs II bestimmen die Mitgliedstaaten vorbehaltlich des Artikels 2 Absatz 4, ob das Projekt einer Prüfung gemäß den Artikeln 5 bis 10 unterzogen werden muss. Die Mitgliedstaaten treffen diese Entscheidung anhand

a) einer Einzelfalluntersuchung

oder

b) der von den Mitgliedstaaten festgelegten Schwellenwerte bzw. Kriterien.

Die Mitgliedstaaten können entscheiden, beide unter den Buchstaben a und b genannten Verfahren anzuwenden.“

[…]

„Artikel 11

(1) Die Mitgliedstaaten stellen im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicher, dass Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit, die

a) ein ausreichendes Interesse haben oder alternativ

b) eine Rechtsverletzung geltend machen, sofern das Verwaltungsverfahrensrecht bzw. Verwaltungsprozessrecht eines Mitgliedstaats dies als Voraussetzung erfordert,

Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und unparteiischen Stelle haben, um die materiellrechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen anzufechten, für die die Bestimmungen dieser Richtlinie über die Öffentlichkeitsbeteiligung gelten.

(2) Die Mitgliedstaaten legen fest, in welchem Verfahrensstadium die Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen angefochten werden können.

(3) Was als ausreichendes Interesse und als Rechtsverletzung gilt, bestimmen die Mitgliedstaaten im Einklang mit dem Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit einen weiten Zugang zu Gerichten zu gewähren. Zu diesem Zweck gilt das Interesse jeder Nichtregierungsorganisation, welche die in Artikel 1 Absatz 2 genannten Voraussetzungen erfüllt, als ausreichend im Sinne von Absatz 1 Buchstabe a dieses Artikels. Derartige Organisationen gelten auch als Träger von Rechten, die im Sinne von Absatz 1 Buchstabe b dieses Artikels verletzt werden können.

(4) Dieser Artikel schließt die Möglichkeit eines vorausgehenden Überprüfungsverfahrens bei einer Verwaltungsbehörde nicht aus und lässt das Erfordernis einer Ausschöpfung der verwaltungsbehördlichen Überprüfungsverfahren vor der Einleitung gerichtlicher Überprüfungsverfahren unberührt, sofern ein derartiges Erfordernis nach innerstaatlichem Recht besteht.

Die betreffenden Verfahren werden fair, gerecht, zügig und nicht übermäßig teuer durchgeführt.

(5) Um die Effektivität dieses Artikels zu fördern, stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass der Öffentlichkeit praktische Informationen über den Zugang zu verwaltungsbehördlichen und gerichtlichen Überprüfungsverfahren zugänglich gemacht werden.

3.2.10. Nun darf zunächst nicht übersehen werden, dass gemäß Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 oder Abs. 2 UVP-RL bestimmte Vorhaben einer Genehmigungspflicht zu unterwerfen sind und vor Erteilung oder Versagung einer solchen Genehmigung für diese Vorhaben eine Umweltverträglichkeitsprüfung gemäß den Bestimmungen der Art. 5 bis 10 UVP-RL und mit dem in Art. 3 leg. cit. dargelegten Zweck durchzuführen ist.

3.2.11. Gegenständlich ist unstrittig, dass die Beschwerdeführerin als anerkannte Umweltorganisation unter die besonderen Bestimmungen von Art. 11 Abs. 3 Satz 2 und 3 UVP-RL fällt. Ihr ist daher jedenfalls Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und unparteiischen Stelle einzuräumen, um die materiellrechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen anzufechten, für die die Bestimmungen der erwähnten Richtlinie über die Öffentlichkeitsbeteiligung gelten.

3.2.12. Der, auch von der Beschwerdeführerin erwähnten Entscheidung vom 16.04.2015, Gruber, kann vor dem Hintergrund von Art. 11 Abs. 1 UVP-RL (auch) entnommen werden, dass eine getroffene Verwaltungsentscheidung, keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, ein Mitglied der „betroffenen Öffentlichkeit“ im Sinne der UVP-RL nicht daran hindern darf, diese Entscheidung im Rahmen eines gegen sie oder gegen einen späteren Genehmigungsbescheid eingelegten Rechtsbehelfs anzufechten (Rs. C-570/13, Rz. 44).

3.2.13. Für den EuGH ist es mangels unionsrechtlicher Vorgaben jedoch Aufgabe der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten, die zuständigen Gerichte zu bestimmen und die Verfahrensmodalitäten der Rechtsbehelfe zu regeln, die den Schutz der aus Art. 11 Abs. 1 UVP-RL erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, wobei diese Modalitäten nicht weniger günstig ausgestaltet sein dürfen als ein entsprechender innerstaatlicher Rechtsbehelf und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren dürfen (EuGH 12.05.2011, Rs. C?115/09, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Landesverband Nordrhein-Westfalen, Rz. 43).

3.2.14. Art. 11 Abs. 1 UVP-RL entspricht fast wortgleich der Bestimmung von Art. 9 Abs. 2 Unterabs. 1 der AK und ist daher im Licht dieser Bestimmung auszulegen (vgl. das erwähnte Urteil des EuGH vom 12.05.2011, Rz. 41; vgl. auch VwGH 28.05.2015, 2013/07/0105).

3.2.15. Nun obliegt es – worauf die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde sowie in der mündlichen Verhandlung auch („Vorzug des Gemeinschaftsrechts vor nationalen Rechtsvorschriften“, s. auf S. 4 von Beilage ./2 zur VHS) grundsätzlich zu Recht hinwies – nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH gemäß Art. 288 Abs. 3 AEUV den nationalen Gerichten jenen Rechtsschutz sicherzustellen, der sich für den Einzelnen aus den unionsrechtlichen Bestimmungen ergibt, und dessen volle Wirkung zu gewährleisten. Dies primär durch eine unionsrechtskonforme Auslegung der Bestimmungen nationalen Rechts, einem allenfalls erforderlichen Abgehen von ständiger Rechtsprechung oder – sofern die zuvor genannten Maßnahmen nicht möglich sind oder mit ihnen nicht das Auslangen gefunden werden kann – auch, indem unter Umständen sogar Vorschriften nationalen Rechts unangewendet gelassen werden (vgl. etwa EuGH 19.04.2016, Rs. C-441/14, Rasmussen, Rz. 30ff, m.w.N., oder VwGH 28.04.2020, Ro 2019/09/0011, Rz. 18, m.w.N.).

3.2.16. Dazu hat auch der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 01.10.2018 zu Zl. Ra 2016/04/0141 bereits ausgesprochen, dass um den Anforderungen des EuGH in Auslegung der UVP-Richtlinie, dass nämlich die betroffene Öffentlichkeit eine auf der Grundlage einer nationalen Regelung getroffene Verwaltungsentscheidung, keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, im Rahmen eines gegen diese Entscheidung oder gegen einen späteren Genehmigungsbescheid eingelegten Rechtsbehelfes anfechten können muss Genüge zu tun, den Mitgliedern der betroffenen Öffentlichkeit Parteistellung im jeweiligen Genehmigungsverfahren einzuräumen ist, um diesen die Möglichkeit zu eröffnen, vorzubringen, dass das jeweilige Projekt einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen ist. Eines darüberhinausgehenden „Antragsrechts“ auf Feststellung des Erfordernisses einer Umweltverträglichkeitsprüfung – um ein solches ging es bei dem jener Entscheidung zugrundeliegenden Rechtsstreit – sowie „auf Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung“ bedarf es aus Sicht des Gerichtshofs zur Wahrung der von der UVP-Richtlinie eingeräumten Mitspracherechte nicht (vgl. die Rz. 29 und 30 der Entscheidung).

3.2.17. Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts existiert in Österreich ein zur Erreichung der Ziele des Art. 11 Abs. 1 UVP-RL konformer, weil effektiver – und i.S.d. Abs. 3 dieser Bestimmung auch „weiter“ – Zugang zu Rechtsschutz zur Geltendmachung, dass eine Genehmigung für ein Vorhaben entgegen der UVP-RL erteilt wurde. Dieses stand der Beschwerdeführerin offen und wurde von ihr auch in Anspruch genommen: So erhob sie Rechtsmittel gegen die erteilte Baubewilligung wie auch die erteilte gewerbebehördliche Genehmigung für das Vorhaben. Die Rechtsmittel wurden vom Landesverwaltungsgericht Burgenland in Behandlung gezogen. Das Gericht setzte sich – was auch von der Beschwerdeführerin unbestritten blieb (VHS, S. 5) – samt Begründung mit den vorgebrachten Einwendungen der Beschwerdeführerin wegen von ihr behaupteter Verstöße der verwaltungsbehördlichen „Entscheidungen“ gegen die UVP-RL, konkret die Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung für ein Vorhaben und die daraus jeweils folgende behördliche Unzuständigkeit, auseinander (oben II.5.)

3.2.18. Für das Bundesverwaltungsgericht schadet auch die Tatsache, dass sich die Bau- sowie die Gewerbebehörde in ihren Entscheidungen nicht bereits (begründet) mit der Zuständigkeitsfrage – und damit der Erforderlichkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung für das Vorhaben – auseinandersetzten, dem i.S.d. Art. 11 UVP-RL gegebenen – auch weiten – Rechtsschutzzugang nicht. Ebenso nicht (s. dazu die Ausführungen der Beschwerdeführerin auf S. 8 der VHS), dass der Spruch der verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen auf „Abweisung“ der Beschwerden lautete und nicht (auch) auf eine Feststellung der Erforderlichkeit oder Nichterforderlichkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung.

3.2.19. Der vorhandene Rechtsschutzzugang ist auch adäquat zum grundsätzlichen Rechtsschutz wegen einer vermeintlichen Unzuständigkeit einer Verwaltungsbehörde: So kann sich jede Partei im verwaltungsbehördlichen Verfahren auf die Unzuständigkeit berufen und eine aus ihrer Sicht durch eine Behörde unrechtmäßig in Anspruch genommene Zuständigkeit als Verletzung eines subjektiven Rechts auch in einer Beschwerde geltend machen (vgl. etwa VwGH 09.10.2014, 2013/05/0015).

3.2.20. Anders als die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vortrug (VHS, S. 8) gab es, wie zuvor erwogen, auch durch die gerichtlichen Entscheidungen des Landesverwaltungsgerichts Burgenland über die Beschwerden der Beschwerdeführerin „materielle“ („inhaltliche“) Entscheidungen über die Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung. So setzte sich das Gericht mit dem Einwand der Unzuständigkeit auseinander traf damit – implizit und anders als dies die Beschwerdeführerin vermeint (VHS, S. 8) – eine „inhaltliche Entscheidung“ über die (aus seiner Sicht nicht gegebene) Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung. Die Beschwerdeführerin konnte sich vor dieser Entscheidung – und nichts Anderes folgt auch aus den zahlreichen Urteilen des EuGH auf die sie in der Beschwerde sowie der mündlichen Verhandlung in Zusammenhang mit diesem „Recht zur Berufung“ hinwies – im Verfahren vor einem gerichtlichen Organ auf Bestimmungen der UVP-RL berufen (s. dazu die auf S. 6 der Beschwerde sowie auf S. 5 von Beilage ./2 zur VHS genannte Rechtsprechung). Gegen diese Entscheidungen stand ihr wiederum – wovon sie ebenfalls Gebrauch machte – das Recht einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof wegen einer Verletzung subjektiver Rechte zu. Dabei konnte sie auch eine allenfalls unrichtige Beurteilung der Zuständigkeit geltend machen (vgl. dazu etwa VwGH 21.12.2016, Ra 2016/04/0117, Rz. 10ff, wonach einer [gemäß § 19 Abs. 7 UVP-G 2000 anerkannten] Umweltorganisation im Hinblick auf die Revisionslegitimation dieselben Rechte wie einem Einzelnen zukommen, der – wie zuvor dargestellt – auch die unrichtige Beurteilung im Hinblick auf die verwaltungsbehördliche Zuständigkeit wegen eines Widerspruchs zum UVP-G 2000 [oder auch unmittelbar zur UVP-RL] aufgreifen könnte).

3.2.21. Auf der anderen Seite erfordert Art. 11 UVP-RL im Lichte der vorigen Erwägungen keinen (weitergehenden) Rechtsschutz dahingehend, dass – auch – die zur Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung für ein Vorhaben zuständigen Behörden auf Antrag die Erforderlichkeit einer solchen Prüfung (neuerlich oder zusätzlich) zu prüfen hätten; bzw. über etwa ein (negatives) Prüfergebnis wiederum ein Zugang zur gerichtlichen Nachprüfung (allenfalls durch ein anderes Gericht) der behördlichen Entscheidung vorhanden sein müsste.

3.2.22. Auch aus Art. 9 Abs. 2 AK folgen keine weitergehenden Verpflichtungen zur Einräumung von Rechtsschutz für ein Mitglied der betroffenen Öffentlichkeit.

3.2.23. Auch die Tatsache, dass für das streitgegenständliche Vorhaben gegenständlich kein Feststellungsverfahren nach dem UVP-G 2000 – und sei es auch von Amts wegen –durchgeführt wurde (und die Beschwerdeführerin somit in einem solchen Verfahren keine Parteistellung hatte), veranlasst zu keiner anderslautenden Sichtweise: So verpflichtet die UVP-RL die Mitgliedstaaten nicht dazu, ein solches – abgesondertes, nur auf die Entscheidung über die Frage der Erforderlichkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung für ein Vorhaben gerichtetes – Verfahren einzuführen. Ebenso lässt sich dem Unionsrecht kein Recht eines Mitglieds der betroffenen Öffentlichkeit (oder überhaupt eines Einzelnen) auf Einleitung und Durchführung eines solchen Verfahrens samt abschließender Entscheidung über die Erforderlichkeit oder Nichterforderlichkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung entnehmen (vgl. dazu etwa VwGH 29.11.2018, Ra 2016/06/0034, Rz. 36, m.w.N.). Wesentlich ist hingegen, dass ein Zugang zu einer gerichtlichen Überprüfung besteht, ob eine Genehmigung für ein Vorhaben nach der UVP-RL zu Recht erfolgte, ohne dass zuvor eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt wurde.

3.2.24. Im Ergebnis folgt aus den vorstehenden Erwägungen, dass auch aufgrund unionsrechtlicher Vorschriften (bzw. bei völkerrechtskonformer Auslegung derselben) kein Anspruch der Beschwerdeführerin auf eine inhaltliche Erledigung ihres Antrags durch die belangte Behörde bestand, und sei es auch nur in Form der Prüfung (der Vorfrage), ob überhaupt eine Umweltverträglichkeitsprüfung für ein Vorhaben durchzuführen ist (vgl. zur diesbezüglichen Auseinandersetzungspflicht u.a. VwGH 25.02.2020, Ra 2019/03/0120, Rz. 20). Die streitgegenständliche Zurückweisungsentscheidung erging sohin auch diesbezüglich rechtmäßig, weswegen die Beschwerde abzuweisen war.

3.2.25. Ergänzend ist noch auf folgenden Umstand hinzuweisen: Im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht hat die Beschwerdeführerin auch noch beantragt, „im Sinne des Urteils des EuGH vom 12.11.2019 zur Rechtssache C-261/18, Rz. 75“ die „bereits erteilten Genehmigungen zurückzunehmen bzw. auszusetzen“, damit eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden kann (protokolliert, VHS S. 10, Beilage ./2, S. 5). Für die (inhaltliche) Behandlung dieses Antrags ist das Bundesverwaltungsgericht weder gemäß Art. 130 B-VG noch einer ersichtlichen einfachgesetzlichen Bestimmung zuständig. Das Gericht hält am ehesten jene Verwaltungsbehörde für zuständig, welche die – gemeint können nur die im gegenständlichen Verfahren erwähnten sein – Genehmigungen erteilt hat. An diese erfolgt eine Weiterleitung gemäß § 6 AVG.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Die Revision gegen die Entscheidung ist nicht zulässig, weil die streitwesentliche Rechtsfrage, nämlich ob ein Mitglied der betroffenen Öffentlichkeit, wenn dieses weder einen Projektwillen hat (also nicht als Projektwerber anzusehen ist) noch einen Genehmigungsantrag für ein dem UVP-G 2000 unterliegendes Vorhaben gestellt hat, legitimiert ist, bei einer Behörde gemäß § 39 Abs. 1 oder § 24 Abs. 1 UVP-G 2000, die Einleitung (Durchführung) einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu beantragen, keine Frage gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist. So kann diese Frage nach der ersichtlichen und oben wiedergegebenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, insbesondere der Entscheidung Ra 2016/04/0141, wie auch des EuGH, als beantwortet angesehen werden. Auch die mündliche Rechtserörterung mit den Verfahrensparteien in der Verhandlung hat diesbezüglich für den erkennenden Senat nichts Neues ergeben.

Schlagworte

Aarhus - Konvention Antragslegimitation Antragsrecht Antragsteller effektiver Rechtsschutz Genehmigung Genehmigungspflicht mündliche Verhandlung mündliche Verkündung Projektabsicht Prozessvoraussetzung schriftliche Ausfertigung Umweltverträglichkeitsprüfung Unionsrecht Unzuständigkeit BVwG UVP-Pflicht Vorhabensbegriff Weiterleitung Zurückweisung Zuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W270.2227457.1.00

Im RIS seit

13.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

13.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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