TE Vwgh Erkenntnis 1997/10/28 97/04/0096

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.10.1997
beobachten
merken

Index

E3R E02401030;
E3R E02401040;
54/02 Außenhandelsgesetz;

Norm

31994R3381 AusfuhrkontrollV Güter Doppelter Verwendungszweck;
AußHG 1984 §9 Abs5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, in der Beschwerdesache der I Entwicklungs- und Förderungs-Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 18. April 1997, Zl. 23.109./39-II/A/2/97, betreffend Bewilligungspflicht der Ausfuhr von Kraftwerkskomponenten, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem Bescheid vom 18. April 1997 erklärte der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten gemäß Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 3381/94 des Rates ABl. Nr. L 367 vom 31. Dezember 1994 die Ausfuhr aller aus dem ehemaligen Kernkraftwerk Z stammenden Waren für bewilligungspflicht und widerrief gleichzeitig seine Bestätigung vom 26. Februar 1997, wonach für die Ausfuhr der dort genannten Kraftwerkskomponenten mangels Auflistung im Beschluß des Rates 94/942/GASP keine Bewilligung erforderlich sei, gemäß § 9 Abs. 5 Außenhandelsgesetz. Zur Begründung führte er aus, mit Schreiben vom 18. Dezember 1996 habe die Gemeinschaftskraftwerk T Gesellschaft m.b.H. um Überprüfung einer Liste von Waren ersucht, die zur Ausfuhr an Kernkraftwerke in Rußland bestimmt seien, auf das Vorliegen einer Genehmigungspflicht. Mit Schreiben vom 26. Februar 1997 habe der Bundesminister mitgeteilt, daß die zur Ausfuhr vorgesehenen Kraftwerkskomponenten nicht von der Verordnung (EG) Nr. 3381/94 über die Ausfuhr von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck erfaßt seien. Da dem Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten im Wege des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten danach Informationen zugegangen seien, wonach diese Kraftwerkskomponenten nicht wie im Antrag angegeben für Rußland, sondern für den Iran bestimmt sein sollten, habe der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten zur Klärung dieser Vorwürfe mit Fax vom 11. März 1997 um Stellungnahme und Vorlage näher bezeichneter Urkunden bis zum 14. April 1997 ersucht. Innerhalb dieser Frist seien die angeforderten Unterlagen nicht bzw. unvollständig vorgelegt worden und somit der Beweis, daß die Waren tatsächlich für den Endverbrauch in Rußland bestimmt seien, nicht erbracht worden. Im einzelnen sei dazu anzumerken, in einem Telefongespräch vom 23. März 1997 habe der Geschäftsführer des Gemeinschaftskraftwerkes T mitgeteilt, die Beschwerdeführerin sei mit der Durchführung des Geschäftes mit Rußland betraut und diese werde dem Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten die geforderten Unterlagen vorlegen. Der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin habe gegenüber dem Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten in Telefongesprächen vom 25. und 27. März 1997 mitgeteilt, die Kraftwerkskomponenten seien für das russische Ministerium für Energie bestimmt und sie würden in verschiedene Kraftwerke in Rußland, aber auch Aserbeidschan und Kasachstan eingebaut werden. Zugleich habe er aber nicht ausschließen können, daß der russische Käufer bestimmte Teile an das Kernkraftwerk B im Iran weiterverkaufen werde. Am 14. und 15. April 1997 sei beim Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten je ein Fax der Beschwerdeführerin eingegangen, mit dem ein näher bezeichnetes Institut in Moskau bestätigt habe, es werde die bei der Beschwerdeführerin erworbenen Kraftwerkskomponenten nicht für eine Produktion chemischer oder nuklearer Waffen verwenden. Alle anderen vom Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten eingeforderten Dokumente seien nicht vorgelegt worden. Das vorgelegte Endverbraucherzeugnis entspreche darüberhinaus nicht dem angeforderten Wortlaut. Darin hätte der Endabnehmer auch zu bestätigen gehabt, daß er die von ihm gekauften Waren nicht ohne Zustimmung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegeneiten in ein Drittland weiterexportieren werde, eine Verpflichtung, die somit nicht eingegangen worden sei. Zusammenfassend komme der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten mangels nicht oder unvollständiger Vorlage der angeforderten Dokumente und im Hinblick auf die telefonische Auskunft des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin, er könne nicht ausschließen, daß bestimmte Teile vom russischen Abnehmer an den Iran weiterverkauft würden, zu dem Ermittlungsergebnis, daß die Vorwürfe, die Kraftwerkskomponenten würden auch dem iranischen Kernkraftwerk B zugeführt werden, nicht hätten entkräftet werden können. Im Hinblick auf die widersprüchlichen Angaben über den Endverwender und die Endverwendung mache der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten von Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 3381/94 Gebrauch und erkläre die Ausfuhr der gegenständlichen Kraftwerkskomponenten für bewilligungspflichtig, da beim vorliegenden Stand der Aktenlage eine mißbräuchliche Verwendung für die Entwicklung, Herstellung, Umschlag, Handhabung, Wartung, Lagerung, Ortung, Identifizierung oder Verbreitung nuklearer Waffen, die Gegenstand entsprechender Nichtverbreitungsregelungen seien, nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden könnten. Auf Grund der zitierten Verordnungsbestimmung sei die Ausfuhr durch die Gemeinschaftskraftwerk T Gesellschaft m.b.H. und durch die Beschwerdeführerin oder einen sonstigen allfälligen nachfolgenden Ausführer nur nach Genehmigung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten, die unter Verwendung eines näher bezeichneten Formblattes zu stellen sei, zulässig. Eine allfällige Ausfuhr ohne entsprechende Genehmigung stelle eine strafbare Handlung gemäß § 17 Abs. 1 Außenhandelsgesetz dar.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in dem Recht "auf Nichtanwendung des Art. IV, Verordnung (EG) 3.381/94 des Rates ABl. Nr. L 367 vom 31.12.1994 sowie in ihrem Recht auf Durchführung einer ordnungsgemäßen Sachverhaltsermittlung und Erteilung einer entsprechenden Bewilligung nach dem Außenhandelsgesetz verletzt". In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes bringt sie vor, die belangte Behörde sei in einem Irrtum über die Natur der Kraftwerkskomponenten befangen. Es handle sich bei den betroffenen Waren nicht um technische Teile, die geeignet wären, mißbräuchlich für die Erzeugung von Nuklearwaffen, Raketenantrieben oder für die Erzeugung chemischer oder biologischer Waffen eingesetzt zu werden. Es handle sich vielmehr um Niedrigtechnologieteile und -vorrichtungen. Im Prinzip bestehe die technische Möglichkeit, diese Komponenten tatsächlich mit Hochtechnologieteilen, die für einen doppelten Verwendungszweck geeignet seien, zu verbinden, dies gelte insbesondere für Kabel, Rohre, Ventile, Pumpen, Transformatoren etc. Deshalb habe der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin auch gesagt, er könne nicht ausschließen, daß das russische Energieministerium Teile an ein Kraftwerk im Iran weiterverkaufe. In gleicher Weise könne aber jede Schraube, die in Österreich hergestellt und anschließend nach Russland verkauft werde, ihren Weg in ein iranisches Kernkraftwerk finden. Die sogenannten Kraftwerkskomponenten, für die ursprünglich die Ausfuhrbewilligung erteilt worden sei, befänden sich nicht in der Auflistung im Beschluß des Rates 94/942/GASP. Eine extensive Interpretation dieser Auflistung, und zwar in der Richtung, daß Gegenstände, die mit den aufgelisteten Waren in eine technische oder wirtschaftliche Verbindung gebracht werden könnten, darunter fielen, sei nicht zulässig und verletze die subjektiven Rechte der Beschwerdeführerin. Darüberhinaus sei die belangte Behörde nicht berechtigt gewesen, eine Endabnehmerbestätigung in der von ihr verlangten Form zu fordern. Es werde darin eine Bedingung gestellt, die von vornherein nicht erfüllbar gewesen sei, weil kein Ministerium einer Regierung eines IAEA-Mitgliedslandes sich den Weisungen der belangten Behörde unterwerfen werde. Der Inhalt des von der Beschwerdeführerin vorgelegten Endabnehmerzertifikates sei völlig ausreichend. Schließlich sei der angefochtene Bescheid auch nicht mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen Österreichs aus der Mitgliedschaft bei der IAEA vereinbar, wonach Österreich die Sicherheitskontrollen über die Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen der IAEA abgetreten habe.

Gemäß Art. 4 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 3381/94 des Rates vom 19. Dezember 1994 über eine Gemeinschaftsregelung der Ausfuhrkontrolle von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck, ist die Ausfuhr von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck die nicht in Anhang I des Beschlusses 94/942/GASP aufgeführt sind, genehmigungspflichtig, wenn der Ausführer von seinen Behörden davon unterrichtet worden ist, daß diese Güter ganz oder teilweise bestimmt sind oder bestimmt sein können für die Entwicklung, die Herstellung, den Umschlag, die Handhabung, die Wartung, Lagerung, Ortung, Identifizierung oder Verbreitung chemischer, biologischer oder nuklearer Waffen, die Gegenstand entsprechender Nichtverbreitungsregelungen sind, oder zur Entwicklung, Herstellung, Wartung oder Lagerung von Trägerraketen für derartige Waffen.

Nach dem Art. 2 lit. a dieser Verordnung bezeichnet der Begriff "Güter mit doppeltem Verwendungszweck" Güter, die sowohl zivilen als auch militärischen Zwecken zugeführt werden können.

Voraussetzung der Verhängung der Bewilligungspflicht (präzise: der mit der Rechtsfolge der Bewilligungspflicht verbundenen Mitteilung an den Ausführer über die entsprechende Bestimmung oder Eignung der in Rede stehenden Waren) nach Art. 4 Abs. 1 dieser Verordnung ist nach dem diesbezüglich eindeutigen Wortlaut dieser Regelung, daß es sich einerseits um Güter mit doppeltem Verwendungszweck, also um Güter handelt, die sowohl zivilen als auch militärischen Zwecken zugeführt werden können, und daß andererseits im konkreten Fall diese Güter tatsächlich für einen oder mehrere der in Art. 4 Abs. 1 der zitierten Verordnung genannten Zwecke bestimmt sind oder zumindest bestimmt sein können.

Wie die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde zutreffend rügt, hat sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid mit der Frage der Erfüllung dieser Tatbestandsvoraussetzungen nicht auseinandergesetzt, weshalb es dem Verwaltungsgerichtshof nicht möglich ist, der ihm obliegenden nachprüfenden Kontrolle in dieser Hinsicht nachzukommen. Der angefochtene Bescheid war daher wegen dieses Verstoßes gegen die in den §§ 58 und 60 AVG normierte Begründungspflicht gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997040096.X00

Im RIS seit

27.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten