Entscheidungsdatum
08.07.2020Norm
AsylG 2005 §3Spruch
I417 2194917-3/7Z
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Friedrich Johannes ZANIER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , StA. GAMBIA, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, Alser Straße 20, 1090 Wien, gegen den Bescheid des BFA, Erstaufnahmestelle Ost (EASt-Ost) vom 29.01.2020, Zl. XXXX ,
beschlossen:
A)
I.
Der Beschwerde wird gemäß § 17 Abs 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
II.
Das Verfahren wird gemäß § 17 VwGVG iVm § 38 AVG bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes im Verfahren Ro 2019/14/0006 ausgesetzt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsbürger von Gambia, gelangte (spätestens) am 16.05.2017 unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich und stellte an diesem Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der Erstbefragung gab er zu seinen Fluchtgründen an, sein Vater sei 2007 verstorben, er habe die Schule nicht fertigmachen können. Sie seien sehr arm gewesen, er wisse gar nicht, wie seine Mutter es jetzt schaffe. Im Falle einer Rückkehr hätte er keine Hoffnung auf Arbeit. Diese Gründe konkretisierte er weiter bei seiner niederschriftlichen Einvernahme. Zusammengefasst habe er Gambia aus wirtschaftlichen Gründen verlassen. Probleme mit den Behörden habe er in Gambia nie gehabt. Auch sei er nie persönlich bedroht oder verfolgt worden. Im Falle einer Rückkehr fürchte er, dass es keine Zukunft für ihn gebe und er seine Ausbildung nicht machen werde könne. Es gebe dort niemanden, der ihm helfen könne.
2. Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 25.01.2018, Zl. XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen der Begehung des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgift nach § 15 StGB, § 27 Abs. 2a SMG und des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgift nach § 27 Abs. 1 Z 1 1. und 2. F, Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten verurteilt, wobei diese Strafe unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.
3. Mit Bescheid vom 23.03.2018 wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gem. § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und gem. § 8 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Gambia (Spruchpunkt II.) ab, erteilte ihm einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG 2005 nicht (Spruchpunkt III.), erließ gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.), stellte gem. § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung gem. § 46 FPG nach Gambia zulässig sei (Spruchpunkt V.), sprach gem. § 55 Abs. 1a FPG aus, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VI.), erkannte einer allfälligen gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde gem. § 18 Abs. 1 Z 4 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VII.) und sprach aus, dass der Beschwerdeführer gem. § 13 Abs. 2 Z 1 AsylG 2005 sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 25.01.2018 verloren habe (Spruchpunkt VIII.).
4. Mit Urteil vom 06.08.2018, Zl. XXXX wurde der Beschwerdeführer erneut vom LG für Strafsachen Wien wegen der Begehung von Rauschgiftdelikten wegen der Begehung des Delikts nach § 27 Abs. 2a und 3 SMG und § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt.
5. Die gegen den abweisenden Bescheid erhobene Beschwerde wurde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Erkenntnis vom 11.12.2018, GZ. W159 2194917-1/16, als unbegründet abgewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht stellte fest, dass der Beschwerdeführer Gambia ausschließlich aus wirtschaftlichen Motiven verlassen hat, in Österreich kein Familienleben führt und unter keinen organischen oder psychischen Problemen leidet. Das Erkenntnis erwuchs in Rechtskraft.
6. Am 15.01.2019 stellte der Fremde einen Antrag auf internationalen Schutz in Deutschland, am 09.04.2019 in den Niederlanden. Nach erfolgter Dublin-Zustimmung Österreichs wurde der Fremde am 08.10.2019 nach Österreich überstellt und stellte er am selben Tag gegenständlichen Folgeantrag.
Dazu gab er an: „Ich habe bei meinem ersten Antrag gelogen. Ich war in homosexuellen Aktivitäten involviert. Ich ging auch mit Touristen zum Strand. Die Polizei sah mich gemeinsam mit meinem Freund und will mich ins Gefängnis stecken. Ich befürchte sogar von der Polizei getötet zu werden. Ich habe dann einen Mann getroffen, der mich nach Europa brachte. Außerdem habe ich Probleme mit meiner Familie, die mir nicht helfen kann. Das sind alle und meine einzigen Fluchtgründe.“
Der Beschwerdeführer gab am 22.10.2019 vor dem BFA im Beisein des Rechtsberaters VMÖ zu seinem zweiten Antrag auf internationalen Schutz an, nunmehr die Wahrheit über seine Asylgründe sagen zu wollen. Nach den Gründen für seinen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz befragt, gab er zu Protokoll: „[…] Ich ging dann mit meinem Boyfriend zum Strand. Er arbeitete schon lange Zeit am Strand. Er hat mir vorgeschlagen, dass wir das gemeinsam machen können und Touristen bumsen können. Wir waren drei Jahre dort. Eines Tages hatte ich ein Problem mit meinem Freund, eigentlich kein Problem, aber wir wurden gesehen. Die Leute am Strand und die Polizei am Strand hat uns gesehen und sie hat uns gesagt, dass das nicht legal sei. Sie begannen uns zu durchsuchen und meinten, dass sie uns ins Gefängnis bringen werden und uns töten könnten. Dann begann ich wegzulaufen und verließ Gambia.“ Dies habe sich 2015 zugetragen und habe er Gambia 2015 verlassen. Er sei vom Strand zu seiner Mutter gegangen und habe ihm diese erzählt, dass die Polizei ihn suche. Auf Nachfrage führte er an, dass ihn die Polizei nicht am Strand mit Haft und Tod bedroht habe, sondern er dies im Nachhinein in den Nachrichten erfahren habe – hierbei sei er aber nicht persönlich genannt worden und sei dies allgemeiner Natur gewesen. Seit diesem Vorfall habe er weder in Gambia noch in Österreich eine Beziehung gehabt. Homosexuell geworden sei er durch seinen Boyfriend Camara – dies sei seine erste und letzte Beziehung gewesen. Im Erstverfahren habe man ihm geraten, wirtschaftliche Gründe vorzubringen. In einer Lebensgemeinschaft befinde er sich nicht. Die im ersten Asylverfahren namhaft gemachte Julia, sei lediglich eine Freundschaft und keine Beziehung gewesen und habe er mit ihr seither keinen Kontakt mehr.
7. Im Anschluss daran hob die belangte Behörde mit dem mündlich verkündeten Bescheid den faktischen Abschiebeschutz nach § 12 AsylG gemäß § 12a Abs. 2 AsylG auf, diese Entscheidung wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 05.11.2019, GZ I415 2194917-2/3E, für rechtmäßig befunden.
8. Gegenständlicher Folgeantrag auf internationalen Schutz wurde vom BFA mit Bescheid vom 29.01.2020 hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) verbunden mit einem fünfjährigen Einreiseverbot (Spruchpunkt VII.) erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Gambia zulässig ist (Spruchpunkt V.). Für die freiwillige Ausreise besteht keine Frist (Spruchpunkt VI.).
9. Dagegen richtet sich die Beschwerde vom 21.02.2020 an das Bundesverwaltungsgericht. Die Aktenvorlage erfolgte am 28.02.2020.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Der unter Pkt. I. dargestellte Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden nachstehende Feststellungen getroffen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Fremden:
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Gambia, volljährig, gesund, arbeitsfähig, ledig und kinderlos. Er ist sohin Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG sowie des § 2 Abs. 1 Z 20b AsylG 2005.
Seine Identität steht nicht fest.
Der Beschwerdeführer hält sich seit Mai 2017, aber nicht durchgehend in Österreich auf. Für etwa ein halbes Jahr war er in Deutschland und den Niederlanden aufhältig.
Er war und ist in Österreich auch nicht berufstätig und somit nicht selbsterhaltungsfähig. Er bezieht Leistungen von der staatlichen Grundversorgung und ist in einem Flüchtlingsquartier in Tirol untergebracht. Der Beschwerdeführer weist keine integrative Verfestigung in sprachlicher, beruflicher oder gesellschaftlicher Hinsicht auf.
Im Strafregister der Republik Österreich - geführt von der Landespolizeidirektion Wien - scheinen folgende Verurteilungen auf:
01) LG F.STRAFS.WIEN XXXX vom 25.01.2018 RK 25.01.2018
§§ 27 (1) Z 1 1. Fall, 27 (1) Z 1 2. Fall, 27 (2) SMG
§ 27 (2a) SMG § 15 StGB
Datum der (letzten) Tat 24.01.2018
Freiheitsstrafe 3 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre
Anordnung der Bewährungshilfe
Junge(r) Erwachsene(r)
zu LG F.STRAFS.WIEN XXXX RK 25.01.2018
Probezeit verlängert auf insgesamt 5 Jahre
LG F.STRAFS.WIEN XXXX vom 06.08.2018
zu LG F.STRAFS.WIEN XXXX RK 25.01.2018
Aufhebung der Bewährungshilfe
02) LG F.STRAFS.WIEN XXXX vom 07.02.2019 02) LG F.STRAFS.WIEN XXXX vom 06.08.2018 RK 06.08.2018
§ 27 (2a, 3) SMG § 15 StGB
Datum der (letzten) Tat 12.05.2018
Freiheitsstrafe 7 Monate, davon Freiheitsstrafe 6 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre
Junge(r) Erwachsene(r)
zu LG F.STRAFS.WIEN XXXX RK 06.08.2018
Unbedingter Teil der Freiheitsstrafe vollzogen am 06.08.2018
LG F.STRAFS.WIEN XXXX vom 08.08.2018
Am 29.01.2020 wurde der Beschwerdeführer und zwei weitere Asylwerber in ihrer Flüchtlingsunterkunft beim Konsum von Suchtgiften betreten, wobei alle Beteiligten sich geständig zeigten, kurz vor dem Eintreffen der Beamten gemeinsam einen „Joint“ geraucht zu haben.
Der Beschwerdeführer führt in Österreich keine Lebensgemeinschaft oder familienähnliche Beziehung, es leben keine Verwandten von ihm im Bundesgebiet. In Gambia leben seine Mutter und seine ältere Schwester. Er besuchte sechs Jahre lang eine Schule und betrieb anschließend ein Spielegeschäft mit installierten PlayStations. Aufgrund seiner Arbeitserfahrung hat er eine Chance, auch hinkünftig am dortigen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen.
Der erste Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 17.05.2017 wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.12.2018, GZ. W159 2194917-1 rechtskräftig als unbegründet abgewiesen.
1.2. Zum Fluchtvorbringen:
Im ersten, rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren brachte der Beschwerdeführer, wie bereits unter Punkt I. 1. Festgestellt, gleichbleibend wirtschaftliche Motive als Fluchtgrund vor.
Im gegenständlichen Asylverfahren machte der Beschwerdeführer keine neu entstandenen Fluchtgründe geltend. Die von ihm im gegenständlichen Folgeverfahren vorgebrachte Bedrohung aufgrund homosexueller Handlungen in Gambia war bereits vor seiner ersten Asylantragstellung bekannt und ließ er diesen Grund im Erstverfahren unerwähnt.
Eine wesentliche Änderung der Sachlage, auch in Bezug auf die Situation in Gambia, zwischen der Rechtskraft des Erkenntnisses vom 11.12.2018 und der Erlassung des gegenständlich angefochtenen Bescheides konnte nicht festgestellt werden. Ebenso wenig liegt eine Änderung der Rechtslage vor.
Der Beschwerdeführer wird im Falle seiner Rückkehr nach Gambia weiterhin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Gambia aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt wurde oder werden wird.
Ihm droht im Falle seiner Rückkehr keine Gefährdung in seinem Herkunftsstaat. Ihm droht auch keine Strafe nach seiner Rückkehr nach Gambia wegen illegaler Ausreise. Eine nach Gambia zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt.
Es ist nicht ersichtlich, dass seine Abschiebung nach Gambia eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen. Es existieren keine Umstände, welche einer Abschiebung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich entgegenstünden.
1.3. Zur (auszugsweise wiedergegebenen) Lage im Herkunftsstaat samt Quellenangabe:
Politische Lage:
Gambia ist eine Präsidialrepublik. Staatsoberhaupt und Regierungschef ist seit 2017 Adama Barrow von der United Democratic Party - UDP (AA 16.10.2018). Barrow gewann im Dezember 2016 die Wahl gegen den Amtsinhaver Jammeh, der nach einer knapp zweimonatigen innenpolitischen Krise schließlich zur Aufgabe seines Amtes bereit war (AA 5.8.2019).
Seit den Präsidentschaftswahlen vom 1.12.2016, die als weitgehend frei und fair bezeichnet werden (KAS 16.5.2018; vgl. HRW 18.1.2018; FH 4.2.2019), befindet sich das Land in einem tief greifenden und anhaltenden demokratischen Transformations- und Demokratisierungsprozess. Der seit 22 Jahren autoritär regierende Präsident, Yaya Jammeh, wurde abgewählt und durch Adama Barrow ersetzt (KAS 16.5.2018).
Seither befinden sich im Auftrag der CEDEAO/ECOWAS und auf Bitten der neuen Regierung Militärtruppen in Gambia (KAS 16.5.2018; vgl. FH 4.2.2019; HRW 18.1.2018), um die Sicherheit des Transformationsprozesses und der aktuellen Regierung zu gewährleisten (KAS 16.5.2018). Die internationale Gemeinschaft hat der Barrow - Regierung erhebliche finanzielle Unterstützung gewährt, einschließlich der Unterstützung bei der Untersuchung vergangener Menschenrechtsverletzungen und der Reform der Sicherheitskräfte und der Justiz (HRW 18.1.2018).
Barrow spricht von einem „neuen Gambia“ - öffnet seither das Land nach außen und reformiert es nach innen (KAS 16.5.2018; vgl. HRW 18.1.2018). Direkt nach seiner Amtsübernahme erklärte Barrow sein Land zur Republik und ließ den Zusatz „Islamische Republik“ streichen. Er stärkt die Freiheit der Bürger, indem Militär- und Polizei-Checkpoints im Land reduziert werden und der Stellenwert von Meinungs- und Pressefreiheit öffentlich beteuert wurde (KAS 16.5.2018). Am 13. 12.2017 wurde das Gesetz der Wahrheits-, Versöhnungs- und Reparationskommission (TRRC) von der Nationalversammlung verabschiedet und vom Präsidenten am 13.1.2018 bestätigt (LHG 2018). Unter der Leitung des Ministeriums für Justiz wurde eine „Truth, Reconciliation and Reparation Commission“ eingerichtet, welche an der Aufklärung der unter der Regierung Jammeh verübten Menschenrechtsverletzungen arbeitet (AA 5.8.2019; vgl. KAS 16.5.2018; LHB 2018). In den meisten Fällen gab es keine wirksamen Ermittlungen und die Täter wurden nicht vor Gericht gestellt. Das TRRC-Gesetz sieht die Erstellung einer historischen Aufzeichnung über Art, Ursachen und Ausmaß der im Zeitraum Juli 1994 bis Jänner 2017 begangenen Verstöße und Verletzungen der Menschenrechte und die Gewährung einer Entschädigung für die Opfer vor (LHG 2018).
Ein wichtiges Reformvorhaben der Regierung Barrow ist der am 6.2.2018 vorgestellte nationale Entwicklungsplan (The Gambia National Development Plan), der als Grundlage der Beratung der Geberkonferenz am 22.5.2018 in Brüssel gilt. Der Entwicklungsplan betont die Wichtigkeit von Demokratie, guter Regierungsführung, Menschenrechte, sowie Sicherheit und Wohlstand für alle (KAS 16.5.2018). Die innenpolitische Reformbereitschaft Barrows in Gambia wird auch durch das Moratorium zur Abschaffung der Todesstrafe deutlich, das am 18.2.2018 in Kraft trat. Vorerst wurden keine Hinrichtungen mehr vorgenommen, die Abschaffung der Todesstrafe soll noch folgen (KAS 16.5.2018).
In Gambia fanden am 12.4.2018 und am 12.5.2018 Lokal- und Kommunalwahlen statt. Die Wahlen verliefen friedlich ohne Zwischenfälle (KAS 16.5.2018; vgl. UNSC 29.6.2018). Als Bürgermeisterin in der Hauptstadt Banjul wurde mit Rohey Malick Lowe, erstmals eine Frau gewählt (KAS 16.5.2018). Die Vereinigte Demokratische Partei unter der Leitung von Außenminister Ousainou Darboe gewann die Mehrheit der Sitze, während die Alliance for Patriotic Reorientation and Construction of Ex-Präsident Yahya Jammeh weniger als 15 % der Sitze erlangte. In der Zwischenzeit hat die Regierung weitere Fortschritte gemacht bei der eine Reihe von Reformprozessen, unter anderem in den Bereichen Sicherheitssektor Reform und Übergangsjustiz, durchgeführt wurden (UNSC 29.6.2018).
Die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen Gambias ähneln einer Herkulesaufgabe und stehen unter Zeitdruck. Die Bevölkerung erwartet sichtbare Resultate in der Dezentralisierung des Landes, in der Schaffung von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen sowie in der Verbesserung ihrer persönlichen Lebenssituation. Dazu gehört auch ein Sicherheitsgefühl im öffentlichen Raum, die Reform des Sicherheitsapparates, die Aufarbeitung der Schreckenstaten während des Jammeh-Regimes und die sichtbare Entwicklung der Infrastruktur des Landes (KAS 16.5.2018).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (16.10.2018): Gambia: Überblick, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/gambia-node/gambia/213610, Zugriff 26.11.2019
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (5.8.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Gambia (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2014284/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Gambia_%28Stand_Juli_2019%29%2C_05.08.2019.pdf, Zugriff 25.11.2019
- FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Gambia, The, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2019/gambia, Zugriff 26.11.2019
- HRW - Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 - Gambia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1422435.html, Zugriff 18.9.2018
- KAS – Konrad-Adenauer-Stiftung (16.5.2018): Ein Jahr Demokratie in Gambia, http://www.kas.de/wf/doc/kas_52476-544-1-30.pdf?180516145500, Zugriff 4.9.2018
- LHB - Law Hub Gambia (2018): Truth, Reconciliation and Reparations Commission (TRRC) Act, https://www.lawhubgambia.com/truth-reconciliation-reparations-commission/, Zugriff 27.9.2018
- UNSC - UN Security Council (29.6.2018): Report of the Secretary-General on the activities of the United Nations Office for West Africa and the Sahel, https://www.ecoi.net/en/file/local/1438086/1226_1531382798_n1817627.pdf, Zugriff 6.9.2018
Sicherheitslage:
Laut France Diplomatie wird im gesamten Staatsgebiet zu erhöhter Wachsamkeit aufgerufen (FD 14.1.2020; vgl. BMEIA 3.12.2019), vor allem wegen Aktivitäten krimineller Netzwerke in entlegenen Teilen entlang der südlichen Grenze zum Senegal (BMEIA 3.12.2019). Gambia blieb bisher von terroristischen Anschlägen verschont. Angesichts möglicher terroristischer Aktivitäten in der ganzen Region Westafrika können jedoch auch in Gambia Anschläge gegen westliche Einrichtungen oder Staatsangehörige nicht ausgeschlossen werden (AA 8.1.2020). Im Rest des Landes wird ein erhöhtes Sicherheitsrisiko ausgerufen (BMEIA 3.12.2019).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (8.1.2020): Reise & Sicherheit - Gambia - Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/gambia-node/gambiasicherheit/213624, Zugriff 16.1.2020
- BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (3.12.2019): Reise & Aufenthalt - Gambia - Sicherheit und Kriminalität, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/gambia/, Zugriff 16.1.2020
- FD - France Diplomatie (14.1.2020): Conseils par pays, Gambie, Sécurité, https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/gambie/, Zugriff 16.1.2020
Grundversorgung:
Gambia ist im internationalen Vergleich eines der ärmsten und am wenigsten entwickelten Länder der Welt. Lediglich ein Drittel der Bevölkerung verfügt über eine garantierte Ernährungssicherheit. Laut Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) waren zwischen 2014 und 2016 über 200.000 Gambier gezwungen, sich auf humanitäre Hilfe zu verlassen (EASO 12.2017). Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist v.a. in ländlichen Gegenden nur beschränkt gewährleistet (EASO 12.2017). Das staatliche „Social Welfare Service“ bietet für bedürftige Frauen und Kinder Unterbringung, Nahrung und Kleidung. Nach Angaben der Weltbank sind knapp 40 % der Kinder unter 5 Jahren akut unterernährt. Sozialhilferegelungen etc. bestehen nicht (AA 5.8.2019).
Gambia ist wirtschaftlich schwach. Etwa drei Viertel der Bevölkerung arbeiten in der Landwirtschaft. Familien bauen auch in kleinem Umfang Produkte für den Eigenbedarf an. Viele führen kleine Einzelhandelsgeschäfte (EASO 12.2017).
Die Wirtschaft des Landes ist aufgrund von Rückschlägen abgewürgt (KAS 16.5.2018). Zudem ist die Landwirtschaft anfällig für Überschwemmungen und Dürren (EASO 12.2017). Die schlechte landwirtschaftliche Ernte führte 2016/2017 zu Ausfällen (KAS 16.5.2018). Der Landwirtschaftssektor ist nicht vielfältig genug aufgestellt, 91 % der Landbevölkerung sind Kleinbauern, mehrheitlich durch Subsistenzwirtschaft geprägt. Das Land ist stark importabhängig, praktisch alle Güter des täglichen Gebrauchs werden importiert. Die Preise sind entsprechend hoch (KAS 16.5.2018).
Negativ wirkte sich auch die politische Krise des Jahres 2017 aus. Der jüngste Länderbericht des Internationalen Währungsfonds schätzt, dass die Tourismuseinnahmen im ersten Quartal 2017 aufgrund der politischen Turbulenzen um rund ein Drittel (8,8 Mio. $) gesunken sind (EASO 12.2017) und sich nur zögerlich erholten (KAS 16.5.2018). Die Überweisungen (Geldtransfers) von Auswanderern in ihr Heimatland werden auf rund 10% des BIP geschätzt. Im internationalen Handel haben China und Indien die EU (insbesondere Frankreich und Großbritannien) als Hauptexporteur teilweise abgelöst (EASO 12.2017).
Eine zerstörte Wirtschaft, ausgebeutete Staatsressourcen, eine ineffiziente Infrastruktur, enorme soziale Herausforderungen sowie ein Mangel an Möglichkeiten für die junge Bevölkerung waren die Rahmenbedingungen, unter denen Barrow seine Präsidentschaft angetreten hat (KAS 16.5.2018).
Als Jammeh Anfang 2017 ins Exil nach Äquatorialguinea ging, nahm er Vermögenswerte mit unbekanntem Wert mit (EASO 12.2017). Der systematische Diebstahl von Staatseigentum wurde rückwirkend seit 2014 auf 4 % des BIP jährlich geschätzt (KAS 16.5.2018). Laut Medien sei das Land "fast bankrott". Niedrige Ernteerträge, ängstliche Touristen und Investoren sowie wachsende Staatsverschuldung tragen zur weiteren Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation bei (EASO 12.2017). Das Land ist auf finanzielle Unterstützung aus dem Ausland angewiesen. Nach Angaben der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) machten die Hilfen ausländischer Geber 2013 11% des BIP aus (EASO 12.2017). Die externe Schuldenlast beläuft sich auf über 1 Mrd. US-Dollar (20 % des BIP). Aufgrund der Schuldennotlage können keine neuen Investitionen im Land getätigt werden, der Privatsektor erhält auch keinen Zugang zu Krediten auf dem Finanzmarkt. Die Elektrizitätskrise mit mehrmals täglichen Stromausfällen behindert zudem wirtschaftliche Aktivitäten und Investitionen (KAS 16.5.2018).
Ausländische Geber versprachen der Barrow-Regierung finanzielle Unterstützung unter der Bedingung, dass die Entwicklung der Demokratie gefördert und die Menschenrechte geachtet werden (EASO 12.2017).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (5.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Gambia (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2014284/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Gambia_%28Stand_Juli_2019%29%2C_05.08.2019.pdf, Zugriff 25.11.2019
- EASO - European Asylum Support Office (12.2017): The Gambia - Country Focus, https://www.ecoi.net/en/file/local/1419801/90_1513324824_easo-201712-coi-report-gambia.pdf, Zugriff 20.9.2018
- KAS - Konrad-Adenauer-Stiftung (16.5.2018): Ein Jahr Demokratie in Gambia, http://www.kas.de/wf/doc/kas_52476-544-1-30.pdf?180516145500, Zugriff 20.9.2018
Rückkehr:
Staatliche Einrichtungen zur Aufnahme von Rückkehrerinnen und Rückkehrern existieren nicht. Rückkehrer werden in der Regel wieder von ihrer (Groß-) Familie aufgenommen. Zwischen der International Organisation of Migration (IOM) und der EU wurde eine Vereinbarung zum Schutz und zur Wiedereinbürgerung von Migranten getroffen (EU-IOM Initiative on Migrant Protection and Reintegration), welche Unterstützung für freiwillig oder zwangsweise zurückgekehrte Gambier vorsieht. Der erhebliche Rückstau bei den Reintegrationsmaßnahmen wegen unerwartet hohen Rückkehrerzahlen v.a. aus Libyen und Anlaufschwierigkeiten des 2017 eingerichteten IOM-Büros konnte seit Mitte 2018 in etwa halbiert werden. Zum Stand März 2019 erhielten knapp 2.500 von insgesamt ca. 4.100 Rückkehrern Reintegrationsunterstützungsmaßnahmen. Des Weiteren gibt es zahlreiche NGOs, die in Gambia tätig sind, hauptsächlich im Grundbildungsbereich (AA 5.8.2019).
Rückkehrer bzw. wiedereingebürgerte Personen unterliegen keiner besonderen Behandlung. Fälle von Misshandlung oder Festnahmen sind nicht bekannt. Bei Rückkehr muss nicht mit staatlichen Maßnahmen aufgrund der Asylantragstellung gerechnet werden. Der „Social Welfare Service“ unterhält eine Einrichtung zur Unterbringung von Minderjährigen, dürfte sich aber eher an Kinder jüngeren Alters richten. Ob eine Unterbringung von abgeschobenen Minderjährigen dort möglich ist, muss im Einzelfall geklärt werden (AA 5.8.2019).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (5.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Gambia (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2014284/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Gambia_%28Stand_Juli_2019%29%2C_05.08.2019.pdf, Zugriff 25.11.2019
Zur Covid-19 Pandemie:
COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet. Am 25.02.2020 wird das Coronavirus in Österreich registriert. In Gambia gibt es mit Stand 22.06.2020 37 bestätigte Infektionen und 2 Todesfälle sowie 24 genesene Patienten. Im Vergleich liegen die Zahlen in Österreich mit Stand 22.06.2020 bei 17.341 bestätigten Infektionen, 690 Todesfällen und 16.197 genesenen Patienten.
Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) auf.
Quellen:
https://www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus.html[02.04.2020]; https://www.ages.at/themen/krankheitserreger/coronavirus/[23.03.2020]; https://orf.at/corona/stories/3157170/[23.03.2020];
https://orf.at/corona/stories/3157533/ [23.03.2020];
https://www.tagesschau.de/ausland/coronavirus-karte-101.html [22.06.2020]).
Eine nach Gambia zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zum Sachverhalt:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in die Akten der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor dieser und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, den bekämpften Bescheid, den Beschwerdeschriftsatz das aktuelle „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Gambia, sowie die Gerichtsakte des Bundesverwaltungsgerichtes zum ersten Asylverfahren und zur Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister und der Grundversorgung wurden ergänzend eingeholt.
2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen eigenen Angaben vor der belangten Behörde und konnten aufgrund der zeitlichen Nähe auch aus dem Beschluss über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes des BVwG vom 05.11.2019 übernommen werden. Daraus sind auch die Angaben zu seinen familiären Anknüpfungspunkten und den Lebensumständen in Gambia abzuleiten. Aufgrund der in den Verfahren unterlassenen Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments bzw. sonstiger Bescheinigungsmittel konnte die Identität des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden. Es liegt sohin eine bloße Verfahrensidentität vor.
Die Feststellungen zu seinen Asylanträgen in Deutschland und den Niederlanden und den dortigen Aufenthalten ergeben sich aus dem Zentralen Fremdenregistern, worin auch die EURODAC-Treffer gespeichert sind.
Hinsichtlich seines Gesundheitszustandes ergeben sich aus dessen eigenen Angaben keinerlei Anhaltspunkte für eine Einschränkung bzw. wurden keine medizinischen Unterlagen in Vorlage gebracht. In Zusammenschau mit seinem Alter und mangels gegenteiligem Vorbringen, konnte auch von seiner Erwerbsfähigkeit ausgegangen werden. Die Feststellungen hinsichtlich der bisherigen Lebensumstände und Aufenthalte in Österreich ergeben sich aus den Abfragen des Zentralen Melderegisters, dem Betreuungsinformationssystem des Bundes und letztlich auch aus dem Strafregister der Republik Österreich, aus dem die zweimalige Verurteilung zu mehrmonatigen (teil-/bedingten) Haftstrafen wegen Drogendelikten ersichtlich ist. Aus der Meldung der PI XXXX vom 29.01.2020 ergibt sich der neuerliche Suchtmittelkonsum in der Unterkunft und die geständige Verantwortung des Beschwerdeführers (AS 239ff).
Der Beschwerdeführer konnte weder im gegenständlichen Asylverfahren, noch in den früheren Verfahren integrative Schritte in irgendeine Richtung belegen und behauptete solche auch nicht. Es musste festgestellt werden, dass er seinen bisherigen Aufenthalt nicht nutzte, um sich in Österreich zu verfestigen. Außer durch unrechtmäßiges Verbleiben bzw. Wiedereinreisen im/ins Bundesgebiet und der Begehung von Suchtgiftdelikten trat der Beschwerdeführer nicht in Erscheinung.
2.3. Zur Folgeantragstellung:
Die Feststellungen zu den im gegenständlichen Verfahren vorgebrachtes Fluchtgründen ergeben sich zweifelsfrei aus dem Protokoll der Ersteinvernahme vom 08.10.2019 (Protokoll S. 4) und aus dem Protokoll der niederschriftlichen Einvernahme durch die belangte Behörde am 22.10.2019 (Protokoll S. 4 ff.)
Der Beschwerdeführer stützt seinen gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz nicht mehr auf wirtschaftliche Motive, sondern auf Homosexualität. Er sei bereits in Gambia homosexuell gewesen und habe seine Dienste am Strand angeboten, weswegen ihm nun eine Verfolgung drohe (Protokoll der niederschriftlichen Einvernahme durch die belangte Behörde am 22.10.2019, S. 4 ff.)
2.4. Zum Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellsten Länderinformationsblatt der Staatendokumentation für Gambia samt den (oben) publizierten Quellen und Nachweisen. Bezüglich der Erkenntnisquellen zur Lage im Herkunftsstaat wurden sowohl Berichte verschiedener ausländischer Behörden, als auch jene von internationalen Organisationen, sowie Berichte von allgemein anerkannten und unabhängigen Nichtregierungsorganisationen herangezogen. Diese Erkenntnisquellen ermöglichen es, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Den Auskünften liegen in der Regel Recherchen von vor Ort tätigen Personen oder Organisationen zu Grunde, welche aufgrund der Ortsanwesenheit am besten zur Einschätzung der Lage fähig sind.
Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.
Der Beschwerdeführer trat den Länderberichten und deren Quellen und Kernaussagen zur Situation im Herkunftsland nicht entgegen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
§ 16 Abs. 2 BFA-VG lautet:
„(2) Einer Beschwerde gegen eine Entscheidung, mit der
1. ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird und diese mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden ist,
2. ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird und eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung bereits besteht oder
3. eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 2 FPG erlassen wird, sowie einem diesbezüglichen Vorlageantrag kommt die aufschiebende Wirkung nicht zu, es sei denn, sie wird vom Bundesverwaltungsgericht zuerkannt.“
§ 17 BFA-VG lautet:
„(1) Das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerde gegen eine Entscheidung, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird und
1. diese Zurückweisung mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden ist oder
2. eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung bereits besteht
sowie der Beschwerde gegen eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 2 FPG jeweils binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen durch Beschluss die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Staat, in den die aufenthaltsbeendende Maßnahme lautet, eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.
(2) Über eine Beschwerde gegen eine zurückweisende Entscheidung nach Abs. 1 oder gegen eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 2 FPG hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden.
(3) Bei der Entscheidung, ob einer Beschwerde gegen eine Anordnung zur Außerlandesbringung die aufschiebende Wirkung zuerkannt wird, ist auch auf die unionsrechtlichen Grundsätze der Art. 26 Abs. 2 und 27 Abs. 1 der Dublin-Verordnung und die Notwendigkeit der effektiven Umsetzung des Unionsrechtes Bedacht zu nehmen.
(4) Ein Ablauf der Frist nach Abs. 1 steht der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen.“
§ 32 AVG lautet:
„Sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, ist die Behörde berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. beim zuständigen Gericht bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.
3.2 Anwendung auf den gegenständlichen Fall:
Die belangte Behörde begründete ihre Zurückweisung des Antrages damit, dass von einer wesentlichen Änderung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts iSd § 68 AVG seit rechtskräftigem Abschluss des Vorverfahrens nicht die Rede sein könne.
Generell wäre der Antrag nach der aktuellen Rechtslage bzw. Rechtsprechung - unabhängig von der Frage der Glaubhaftmachung - wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, da der Beschwerdeführer bereits im ersten Asylverfahren homosexuell war und diesen Umstand nicht vorbrachte.
Nach österreichischem Recht kann eine rechtskräftig entschiedene Sache nicht neuerlich entschieden werden. Stellt ein Antragsteller in derselben Sache einen neuerlichen Antrag, ist eine inhaltliche Entscheidung darüber auch dann ausgeschlossen, wenn die Tatsachen und Beweismittel, auf die sich der Antragsteller beruft, schon vor Abschluss des Erstverfahrens bestanden haben. In so einem Fall kann ein Antragsteller nur die Wiederaufnahme des früheren Verfahrens begehren (VwGH 28.08.2019, Ra 2019/14/0091).
Diese Rechtslage gilt auch für wiederholte Anträge auf internationalen Schutz (sog. Folgeanträge). Das österreichische Asylrecht enthält insoweit keine Sonderregelungen.
Da der Beschwerdeführer (schuldhaft) erst im gegenständlichen zweiten und nicht bereits im ersten Asylverfahren vorgebracht hatte, homosexuell zu sein, stellt sich die Frage, ob die inhaltliche Prüfung des gegenständlichen Folgeantrages abgelehnt werden kann, obwohl Österreich die Vorschriften des Art. 40 Abs. 2 und Abs. 3 Verfahrensrichtlinie nicht ordnungsgemäß umgesetzt und infolge dessen auch nicht ausdrücklich von der in Art. 40 Abs. 4 Verfahrensrichtlinie eingeräumten Möglichkeit, eine Ausnahme von der inhaltlichen Prüfung des Folgeantrages vorsehen zu dürfen, Gebrauch gemacht hat.
In Zusammenhang mit dieser Rechtsfrage hat der Verwaltungsgerichtshof im Verfahren Ro 2019/14/0006 mit Beschluss vom 18.12.2019, ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gestellt (EU 2019/0008), mit folgenden Vorlagefragen:
„1. Erfassen die in Art. 40 Abs. 2 und Abs. 3 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Neufassung), im Weiteren:
Verfahrensrichtlinie, enthaltenen Wendungen "neue Elemente oder Erkenntnisse", die "zutage getreten oder vom Antragsteller vorgebracht worden sind", auch solche Umstände, die bereits vor rechtskräftigem Abschluss des früheren Asylverfahrens vorhanden waren?
Falls Frage 1. bejaht wird:
2. Ist es in jenem Fall, in dem neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im früheren Verfahren ohne Verschulden des Fremden nicht geltend gemacht werden konnten, ausreichend, dass es einem Asylwerber ermöglicht wird, die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen früheren Verfahrens verlangen zu können?
3. Darf die Behörde, wenn den Asylwerber ein Verschulden daran trifft, dass er das Vorbringen zu den neu geltend gemachten Gründen nicht bereits im früheren Asylverfahren erstattet hat, die inhaltliche Prüfung eines Folgeantrages infolge einer nationalen Norm, die einen im Verwaltungsverfahren allgemein geltenden Grundsatz festlegt, ablehnen, obwohl der Mitgliedstaat mangels Erlassung von Sondernormen die Vorschriften des Art. 40 Abs. 2 und Abs. 3 Verfahrensrichtlinie nicht ordnungsgemäß umgesetzt und infolge dessen auch nicht ausdrücklich von der in Art. 40 Abs. 4 Verfahrensrichtlinie eingeräumten Möglichkeit, eine Ausnahme von der inhaltlichen Prüfung des Folgeantrages vorsehen zu dürfen, Gebrauch gemacht hat?“
Dass § 38 AVG Anwendung bei Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) findet, wurde vom VwGH wiederholt judiziert (vgl VwGH 13.12.2011, 2011/22/0316). Der Ausgang des gegenständlichen Vorabentscheidungsverfahrens ist unmittelbar für die im gegenständlichen Verfahren zu treffende Rechtsfrage präjudiziell, weshalb das gegenständliche Verfahren bis zur Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof im Verfahren Ro 2019/14/0006 – nach entsprechender Beantwortung der vorgelegten Fragen durch den Europäischen Gerichtshof – auszusetzen war.
Die aufschiebende Wirkung war der Beschwerde gemäß § 17 VwGVG aus folgenden Gründen zuzuerkennen: Es liegt eine mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbundene Zurückweisung des zweiten) Antrages auf internationalen Schutz vor. Ohne eine meritorische Beurteilung der Frage der Asylrelevanz des Vorbringens des Beschwerdeführers in seinem jetzigen Verfahren kann nicht von Vornherein ausgeschlossen werden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat, eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK, Art 8 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Gambia ist kein sicherer Herkunftsstaat.
In der Beschwerde wird nur vorgebracht, dass die Zurückweisung des Antrags zu Unrecht erfolgt sei und die belangte Behörde es verabsäumt hätte, den vom Beschwerdeführer vorgebrachten Hinweisen von Amts wegen weiter nachzugehen.
Dennoch ist bis zur erfolgten Vorabentscheidung im Verfahren Ro 2019/14/0006 und dem Ausgang dieses Verfahrens – sohin bis zur Fortsetzung dieses Verfahrens – die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, ohne eine meritorische Entscheidung zu treffen. Mit der Aussage, eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat würde eine oder auch keine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK, Art 8 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen, erfolgt eine meritorische Prüfung des dem gegenständlichen Folgeantrag zugrundeliegenden Vorbringens, was jedoch die „Sache“ des gegenständlichen Verfahrens nach herrschender Rechtsprechung übersteigen würde. Hieran würde auch die Verneinung eines glaubhaften Kerns des nunmehrigen Vorbringens nichts ändern, weil gerade diese Fragestellung den Aussetzungsgrund betrifft.
Es waren daher die aufschiebende Wirkung nach § 17 Abs 1 BFA-VG und die Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung über das Vorabentscheidungsersuchen im Verfahren Ro 2019/14/0006, gemäß § 17 VwGVG iVm § 38 AVG auszusprechen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Der gegenständliche Beschluss betrifft die Regelung eines Einzelfalls, der für sich gesehen nicht reversibel ist. Er stützt sich auf die nicht als uneinheitlich zu beurteilende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, insbesondere die zitierte Rechtsprechung, und wirft keine Rechtsfrage von Bedeutung auf.
Schlagworte
aufschiebende Wirkung Aussetzung Einreiseverbot EuGH Folgeantrag Straffälligkeit Suchtmitteldelikt Vorabentscheidungsersuchen Vorabentscheidungsverfahren Vorfrage VwGHEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:I417.2194917.3.00Im RIS seit
13.10.2020Zuletzt aktualisiert am
13.10.2020