TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/13 I409 2161715-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.07.2020
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Entscheidungsdatum

13.07.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §57
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55 Abs1a
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I409 2161715-1/49E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Florian Schiffkorn als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Marokko, vertreten durch Dr. Martin Dellasega und Dr. Max Kapferer, Rechtsanwälte in 6020 XXXX , Schmerlinggasse 2/2, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 2. Juni 2017, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Der Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides, mit dem ein für die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen worden war, wird insoweit geändert, als das Einreiseverbot für die Dauer von drei Jahren erlassen wird.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer reiste am 10. November 2013 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 11. November 2013 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 13. November 2013 gab der Beschwerdeführer auf die Frage, warum er sein Land verlassen habe, Folgendes an:

„ XXXX und ich haben uns vor mehr als 3 Jahren über das Internet kennen gelernt. Sie kam dann vor mehr als 2 Jahren das erste Mal für 3 Monate auf Besuch bei mir in meiner Heimat. Es folgten dann noch 2 weitere Besuche (jeweils 2 Monate). Am XXXX 2012 wurde mein Sohn XXXX geboren, für den ich die Vaterschaft übernommen habe und das auch auf Formularen bestätigt habe. Diese Formulare wurden wieder nach Deutschland geschickt, da mein Sohn in Deutschland geboren wurde. Ich möchte nur mit meinem Sohn Alexander (welchen ich noch nicht gesehen habe) und meiner Lebensgefährtin XXXX zusammenleben.“

Mit dem im Betreff als „Beschwerdeeinschränkung Säumnisbeschwerde“ bezeichneten E-Mail vom 15. Februar 2016 teilte der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers der belangten Behörde (u.a.) Folgendes mit:

„Der Beschwerdeführer ist aktenkundig Ehegatte der Österreicherin A.T.-R. und Vater der beiden Österreicher A. und A.T. Er arbeitet als Saisonarbeiter in (…), verdient dort EUR 1.400,- brutto (…). Die Gattin wohnt noch bei ihrer Mutter, die Familie wird eine Wohnung anmieten, sobald der Beschwerdeführer eine Aufenthaltsberechtigung hat und damit hier unbefristet arbeiten darf und Zugang zum Arbeitsmarkt hat. Der Beschwerdeführer spricht Deutsch auf B1 Niveau. Bei ihm liegen die materiellen Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel nach dem NAG vor. Das Familienleben führt die Familie ungeachtet getrennter Wohnsitze, diese werden derzeit lediglich aus wirtschaftlichen Gründen – die Gattin und die Kinder müssen bei der Mutter der Gattin nicht für die Wohnung nichts zahlen, aufrecht erhalten, da die Ehegattin mit zwei kleinen Kindern nicht vollzeit arbeiten kann und der Beschwerdeführer wegen seines Aufenthaltsstatus ausser als Saisonarbeiter nicht regelmäßig arbeiten darf. Der Beschwerdeführer ist in Marokko und Österreich unbescholten.

Beweis; Heiratsurkunde und Geburtsurkunde der Kinder, marokkanischen Strafregisterauskunft, B 1 Zertifikat vom 14.0.2015, Saisonarbeitsbewilligungsbescheid

1.) Der Beschwerdeführer nimmt seinen Antrag auf internationalen und subsidiären Schutz zurück, beantragt aber weiterhin die Feststellung, dass eine Rückkehrentscheidung gegen ihn auf Dauer unzulässig ist.

2.) Der Beschwerdeführer ist seit 10.11.2013 in Österreich das Verfahren ist seit 20.10.2013 anhängig, die Behörde somit säumig.

Deshalb wird gestellt der

ANTRAG

Das Bundesverwaltungsgericht wolle wegen Verletzung der Entscheidungspflicht der Erstbehörde entscheiden und die Erstbehörde möge dem BVWG den Akt zur Entscheidung vorlegen.“

Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 1. April 2016 gab der Beschwerdeführer befragt zu den Gründen für das Verlassen seines Herkunftsstaates an, in Marokko eine Österreicherin kennen und lieben gelernt zu haben. Sie habe ihn zweimal in Marokko besucht und sei beim zweiten Besuch von ihm schwanger geworden und dann nach Österreich zurückgekehrt. Er habe zu seiner Ehefrau und seinem Kind wollen. Er habe bei der deutschen Botschaft ein Visum beantragt; dieser Antrag sei jedoch abgelehnt worden. Bei der österreichischen Botschaft in Rabat habe er keinen Antrag auf ein Visum gestellt, da er die Information bekommen habe, dass seine Ehefrau (damals Freundin) zuerst eine Arbeit und eine Wohnung brauche. Daher sei er von Marokko aus legal in die Türkei und von dort illegal weiter nach Österreich gereist.

Mit Bescheid vom 12. Mai 2016 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 11. November 2013 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß „§ 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr.100/2005 (AsylG) idgF“ als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Marokko gemäß „§ 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG“ als unbegründet ab (Spruchpunkte I und II). Dem Beschwerdeführer wurde überdies ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß „§§ 57 und 55 AsylG“ nicht erteilt. Gemäß „§ 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF“ wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß „§ 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr 100/2005 (FPG) idgF“ erlassen. Zudem wurde gemäß „§ 52 Absatz 9 FPG“ festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß „§ 46 FPG“ nach Marokko zulässig ist (Spruchpunkt III). Gemäß „§ 55 Absatz 1a FPG“ wurde festgestellt, dass keine Frist für eine freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt IV). Weiters wurde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß „§ 18 Absatz 1 Ziffer 1 und 4 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF“ die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V).

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit E-Mail vom 9. Juni 2016 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

Der Beschwerdeführer zog sodann in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 26. Jänner 2017 die Beschwerde, soweit sie sich gegen die Spruchpunkte I und II des angefochtenen Bescheides (Nichtzuerkennung von Asyl und subsidiärem Schutz) richtete, zurück.

Mit Beschluss vom 20. März 2017 stellte das Bundesverwaltungsgericht das Verfahren hinsichtlich der Spruchpunkte I und II des angefochtenen Bescheides (Nichtzuerkennung von Asyl und subsidiärem Schutz) ein; mit Erkenntnis vom gleichen Tag wurde die übrige Beschwerde im Wesentlichen als unbegründet abgewiesen und die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft dieses Erkenntnisses festgesetzt.

Der Beschwerdeführer ließ die Frist für die freiwillige Ausreise ungenützt verstreichen und verblieb unrechtmäßig im Bundesgebiet.

Am 8. April 2017 wurde der Beschwerdeführer in Wien festgenommen und mit Bescheid vom gleichen Tag die Schubhaft über ihn verhängt; er wurde von der belangten Behörde einvernommen und er gab dabei Folgendes an:

„F: Warum sind Sie bis dato der Möglichkeit der freiwilligen Ausreise nicht nachgekommen?

A: Ich habe im Hotel gearbeitet, ich verfüge über eine Genehmigung. Als ich das Schreiben vom BVwG erhalten habe, hatte ich keine Zeit mehr, rechtzeitig alle Unterlagen vorzubereiten. Ich hatte auch nicht ausreichend Zeit, Geld einzutreiben, welches mir zusteht.

F: Welche notwendigen Unterlagen wollten Sie vorbereiten?

A: Ich habe im Jahr 2015 vier Monate lang gearbeitet, habe aber Leistungen für ein komplettes Jahr an die Sozialversicherung geleistet. Bevor ich nachhause zurückfliege, wollte ich Beschwerde einreichen und diese Beträge zurückfordern. Unterlagen meine ich nicht, ich meinte finanzielle Verpflichtungen.

F: Wie viel Barmittel besitzen Sie?

A: Aktuell habe ich 50€.

F: Warum wurden Sie in Wien angetroffen?

A: Ein irakischer Mitbewohner bat mich, ihn nach Wien zu begleiten, weil er eine Wohnung mieten möchte.

F: Wann sind Sie nach Wien gekommen?

A: Gestern mit dem Zug. Ich habe keine Rückfahrkarte gekauft, da ich mir erst Wien anschauen wollte. Ich habe Wien lange nicht gesehen. Mein Freund noch gar nicht.“

Am 10. April 2017 wurde der Beschwerdeführer erneut von der belangten Behörde einvernommen und er machte dabei (u.a.) folgende Angaben:

„F: Warum sind Sie der Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen?

A: Ich habe bereits mit meinem Anwalt alles besprochen, dass ich zum VMÖ gehe und freiwillig ausreise. Ich möchte alles geregelt machen, mein Steuerausgleich machen und dann ausreisen aber dafür brauche ich noch Zeit. Das hat alles mein Anwalt protokolliert da ich schon wusste, dass wenn ich von der Polizei zwangsweise rücküberstellt würde, dass ich ein Einreiseverbot für Österreich erhalten würde und das möchten wir nicht deshalb will ich freiwillig ausreisen.

F: Verfügen Sie über Barmittel?

A: Hier habe ich 54 Euro. Bei einem Freund habe ich noch 200 Euro ansonsten gebe ich immer alles für meine Kinder aus.“

Mit Schriftsatz vom 11. April 2017 erhob der Beschwerdeführer eine Schubhaftbeschwerde.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 13. April 2017 wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß „§ 57 Asylgesetz 2005“ nicht erteilt. Gemäß „§ 10 Absatz 2 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF“ wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß „§ 52 Absatz 1 Ziffer 1 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (FPG) idgF“ erlassen (Spruchpunkt I) und es wurde gemäß „§ 52 Absatz 9 FPG“ festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß „§ 46 FPG“ nach Marokko zulässig ist (Spruchpunkt II). Zudem wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß „§ 53 Absatz 1 iVm Absatz 2 FPG“ ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III). Letztlich wurde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß „§ 18 Absatz 2 Ziffer 1 BFA-VG“ die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV) und festgestellt, dass eine Frist für eine freiwillige Ausreise gemäß „§ 55 Absatz 1a FPG“ nicht besteht (Spruchpunkt IV).

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit E-Mail vom 14. April 2017 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

Mit Erkenntnis vom 18. April 2017 gab das Bundesverwaltungsgericht der Schubhaftbeschwerde statt und erklärte den Schubhaftbescheid und die Anhaltung in Schubhaft seit 8. April 2017 für rechtswidrig; weiters wurde festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen würden. Begründend wurde (u.a.) ausgeführt, dass zur Sicherung der Abschiebung des Beschwerdeführers ein gelinderes Mittel für ausreichend erachtet werde.

Im Zuge seiner Entlassung aus der Schubhaft wurde der Beschwerdeführer am 18. April 2017 erneut von der belangten Behörde einvernommen und ihm wurde mitgeteilt, dass seine Abschiebung nach Marokko am 13. Mai 2017 erfolgen werde und dass er sich nach seiner Entlassung aus der Schubhaft täglich bei einer näher genannten Polizeiinspektion zu melden sowie in einer näher genannten Unterkunft in Wien Wohnsitz zu nehmen habe. Zugleich wurde sein marokkanischer Reisepass sichergestellt.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 18. April 2017 wurde dem Beschwerdeführer gemäß „§ 77 Absatz 1 und 3 iVm § 76 Absatz 2 Ziffer 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl I Nr. 100/2005 (FPG) idgF“ als gelinderes Mittel eine Meldeverpflichtung sowie eine Verpflichtung zur Wohnsitznahme auferlegt.

Da sich der Beschwerdeführer weder bei der genannten Polizeiinspektion noch bei der angegebenen Unterkunft meldete, wurde am 24. April 2017 ein Festnahmeauftrag erlassen.

Nachdem der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers mit E-Mail vom 24. April 2017 die Ausfolgung des sichergestellten Reisepasses beantragte, erklärte die belangte Behörde seinem Rechtsvertreter mit E-Mail vom gleichen Tag, dass der Reisepass solange sichergestellt bleibe, bis eine Flugbuchung vorgelegt werde.

Mit E-Mail ebenfalls vom 24. April 2017 teilte sein Rechtsvertreter der belangten Behörde mit, dass der Beschwerdeführer kein Problem mit einem gelinderen Mittel habe, wenn dieses in XXXX in der Nähe seiner Familie erfolge. Da ein Mitarbeiter der belangten Behörde ihm mitgeteilt habe, dass das gelindere Mittel hinfällig sei, werde er voraussichtlich keine Beschwerde dagegen erheben.

Mit Erkenntnis vom 25. April 2017 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I und II des Bescheides vom 13. April 2017 (Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 Asylgesetz 2005, Rückkehrentscheidung und Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung) als unbegründet ab; die Spruchpunkte III und IV (Einreiseverbot für die Dauer von zwei Jahren, Aberkennung der aufschiebenden Wirkung) wurden behoben und die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft dieses Erkenntnisses festgesetzt. Zur Behebung des zweijährigen Einreiseverbotes wurde in diesem Erkenntnis (u.a.) begründet ausgeführt, dass – sollte der Beschwerdeführer seiner Pflicht zur freiwilligen Ausreise nicht ehestmöglichst nachkommen – tatsächlich von einer gewichtigen Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen ausgegangen werden könnte.

Am 26. April 2017 stornierte die belangte Behörde die für den 13. Mai 2017 geplante Abschiebung des Beschwerdeführers nach Marokko und widerrief den Festnahmeauftrag, weil das Bundesverwaltungsgericht ihm neuerlich eine Frist für die freiwillige Ausreise von zwei Wochen gewährt habe.

Der Beschwerdeführer ließ die Frist für die freiwillige Ausreise erneut ungenützt verstreichen und verblieb wieder unrechtmäßig im Bundesgebiet.

Am 11. Mai 2017 ersuchte die belangte Behörde die Landespolizeidirektion XXXX um eine Hauserhebung, um abzuklären, ob der Beschwerdeführer an der Hauptwohnsitzadresse noch wohnhaft ist; zugleich erließ die belangte Behörde einen Festnahmeauftrag.

Am 16. Mai 2017 – sohin drei Tage nach dem ursprünglich geplanten Abschiebetermin, der dem Beschwerdeführer bekannt gegeben worden war – gab er eine auf ihn ausgestellte Bestätigung über einen Flug nach Casablanca am 10. Juni 2017 bei der belangten Behörde persönlich ab.

Mit Schreiben vom 23. Mai 2017 gewährte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer zur beabsichtigten Erlassung einer „Rückkehrentscheidung iVm. einem Einreiseverbot“ Parteiengehör.

Am 26. Mai 2017 füllte der Beschwerdeführer ein „Antragsformular für unterstützte freiwillige Rückkehrhilfe“ aus und verneinte jeweils die Fragen nach Eigenmitteln, zur Selbsterhaltungsfähigkeit und zum aktuellen Lebensunterhalt.

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 2. Juni 2017 wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß „§ 57 Asylgesetz 2005“ nicht erteilt. Gemäß „§ 10 Absatz 2 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF“ wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß „§ 52 Absatz 1 Ziffer 1 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (FPG) idgF“ erlassen (Spruchpunkt I) und es wurde gemäß „§ 52 Absatz 9 FPG“ festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß „§ 46 FPG“ nach Marokko zulässig ist (Spruchpunkt II). Zudem wurde gegen ihn gemäß „§ 53 Absatz 1 iVm Absatz 2 FPG“ ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III). Letztlich wurde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß „§ 18 Absatz 2 Ziffer 1 BFA-VG“ die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV) und festgestellt, dass eine Frist für eine freiwillige Ausreise gemäß „§ 55 Absatz 1a FPG“ nicht besteht (Spruchpunkt IV).

Mit Schreiben vom 2. Juni 2017 übermittelte die belangte Behörde dem Polizeikommando Schwechat den Originalreisepass des Beschwerdeführers zur „nachweislichen Ausfolgung“.

Mit Schriftsatz vom 6. Juni 2017 erhob die belangte Behörde gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25. April 2017 Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

Am 7. Juni 2017 nahm der Rechtsvertreter bei der belangten Behörde Akteneinsicht und fertigte Reisepasskopien an.

Am 10. Juni 2017 verließ der Beschwerdeführer das Bundesgebiet auf dem Luftweg und kehrte nach Marokko zurück.

Mit E-Mail vom 14. Juni 2017 erhob der Beschwerdeführer gegen den angefochtenen Bescheid vom 2. Juni 2017 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

Mit dem – unangefochten gebliebenen – Beschluss vom 20. Juni 2017 erkannte das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid vom 2. Juni 2017 gemäß § 18 Abs. 5 BFA-Verfahrensgesetz die aufschiebende Wirkung nicht zu.

Mit Beschluss vom 31. August 2017 wies der Verwaltungsgerichtshof die Amtsrevision gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25. April 2017 zurück. Begründend wurde in diesem Beschluss (u.a.) ausgeführt, dass das in Bezug auf die genannten Gesichtspunkte vom Bundesverwaltungsgericht fallbezogen erzielte Ergebnis, das sich tragend vor allem darauf stütze, dass eine zweijährige Trennung aus Sicht der Kinder, um die sich der Beschwerdeführer regelmäßig kümmere, ein schwerer Eingriff und in Hinblick auf Art. 8 EMRK und das Kindeswohl unverhältnismäßig wäre, jedenfalls nicht unvertretbar sei, möge auch der EGMR in einem nach Meinung der belangten Behörde vergleichbaren Fall (Urteil vom 31. Juli 2008, Appl. Nr. 265/07) eine Ausweisung mit einem fünfjährigen Einreiseverbot gebilligt haben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu A) Entscheidung über die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid

A) 1. Feststellungen

Der unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang wird – um Wiederholungen zu vermeiden – als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende weitere Feststellungen getroffen:

A) 1.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Der strafrechtlich unbescholtene Beschwerdeführer ist marokkanischer Staatsangehöriger und stammt aus dem Ort XXXX , in der Nähe der Stadt Fès, und hat dort bis zur Ausreise im Juni 2013 mit seiner Familie im Haus seiner Eltern gelebt, wo er auch nach seiner Ausreise aus Österreich wieder lebt. Seine Familie betreibt dort eine Landwirtschaft mit einigen Ziegen und einem Esel. Die Eltern des Beschwerdeführers, zwei Schwestern und eine Halbschwester sowie mehrere Tanten und Onkel und eine Großmutter leben in Marokko. Mit seinen Eltern pflegte der Beschwerdeführer während seines Aufenthaltes in Österreich regelmäßig telefonischen Kontakt. Ein Bruder des Beschwerdeführers sowie eine Tante und ein Onkel leben in Deutschland. Er ist volljährig, gesund und arbeitsfähig, hat vierzehn Jahre die Schule besucht – allerdings ohne Abschluss – und in Marokko Berufserfahrung in der Gastronomie und als Automechaniker gesammelt. Er spricht Arabisch, Deutsch und ein wenig Französisch. Der Beschwerdeführer erwarb am 14. September 2015 ein „ÖSD Zertifikat B1“; er hat bereits auf Anraten seines Bruders in seinem Herkunftsstaat die deutsche Sprache gelernt, mit der Absicht, später in Deutschland studieren zu können. Er war mehrmals als freiwilliger Dolmetscher für die XXXX GmbH tätig. Sonstige maßgebliche soziale oder gesellschaftliche Integrationsmerkmale im Bundesgebiet können nicht festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer versuchte, bei der deutschen Botschaft in Marokko ein Visum zu erhalten, jedoch schien ihm der legale Weg zu langsam zu sein, sodass er sich zur illegalen Einreise in das Bundesgebiet entschloss, weil ihm vorkam, dass das schneller geht. Nachdem er von der Deutschen Botschaft in Rabat kein Visum erhielt, verließ er im Juni 2013 Marokko legal mit einem marokkanischen Reisepass, flog von Casablanca aus nach Istanbul und reiste dann illegal nach Griechenland und weiter über die Balkanroute nach Österreich. Für die Schleppung bezahlte der Beschwerdeführer 3.000 Euro; das Geld hat er von seinem Bruder und seinem Vater erhalten. Er stellte am 11. November 2013 im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz, ohne einen Verfolgungsgrund vorzubringen. Er war seit 11. November 2013 für die Dauer seines Asylverfahrens vorläufig aufenthaltsberechtigt und durchgehend in Österreich aufhältig.

Nach dem negativen Abschluss seines Asylverfahrens und der Nichtbefolgung der ersten rechtskräftigen Rückkehrentscheidung (Erkenntnis vom 20. März 2017) kam der Beschwerdeführer vom 8. April bis zum 18. April 2017 in Schubhaft und ihm wurde nach seiner Entlassung als gelinderes Mittel eine Meldeverpflichtung sowie eine Verpflichtung zur Wohnsitznahme auferlegt, denen er beiden nicht Folge leistete. Bis zu seiner Ausreise aus dem Bundesgebiet am 10. Juni 2019 wohnte der Beschwerdeführer (u.a.) bei Freunden in XXXX und in XXXX ; er entzog sich damit dem Zugriff der belangten Behörde. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer am 8. April 2017 nach Wien reiste, um sich einen (weiteren) Reisepass bei der Botschaft des Königreichs Marokko ausstellen zu lassen; es kann auch nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer durch die belangte Behörde, insbesondere durch die Sicherstellung seines Reisepasses, an einer freiwilligen Ausreise aus dem Bundesgebiet gehindert wurde.

Der Beschwerdeführer hat am XXXX 2014 die österreichische Staatsangehörige A.T.-R. in Österreich standesamtlich geheiratet. Er lernte sie im Jahr 2011 in Marokko kennen, während sie dort auf Urlaub war. Anschließend besuchte sie ihn dort noch ein- oder zweimal und dann wurde sie schwanger. Der Beschwerdeführer hat mit seiner Ehefrau einen gemeinsamen Sohn, geboren am XXXX 2012 in Deutschland, und eine gemeinsame Tochter, geboren am XXXX 2014 in Österreich; beide Kinder sind österreichische Staatsangehörige. Der Beschwerdeführer lebte zu keiner Zeit mit seiner Ehefrau und seinen beiden Kindern in einem gemeinsamen Haushalt. Er lebte in Österreich seit seiner Asylantragstellung – mit einer Unterbrechung vom 23. Dezember 2015 bis 10. April 2016, während der er als Saisonarbeiter in einem Hotel tätig war, und anderen kurzen Unterbrechungen – in einer Asylunterkunft. Der Beschwerdeführer pflegte während seines Aufenthaltes in Österreich mit seiner Ehefrau und seinen Kindern in Form von gemeinsamen Ausflügen und Unternehmungen an Wochenenden bzw. an arbeitsfreien Tagen regelmäßigen Kontakt. Die tägliche Betreuung und Pflege der Kinder, die einen Kindergarten bzw. eine Volkschule besuchen, erfolgt durch die Ehefrau des Beschwerdeführers. Die Ehefrau des Beschwerdeführers bezieht Leistungen aus der Mindestsicherung und bezieht Kindergeld sowie Familienbeihilfe; damit bestreitet sie ihren Lebensunterhalt sowie den der beiden Kinder.

Der Beschwerdeführer bezog während seines Asylverfahrens verschiedene Leistungen aus der Grundversorgung (Unterbringung, Verpflegung, Taschengeld, Krankenversicherung, Bekleidungshilfe). Vom 23. Dezember 2015 bis zum 10. April 2016, sowie vom 15. Dezember 2016 bis zum 19. März 2017 arbeitete der Beschwerdeführer als Saisonarbeiter in einem Hotel als Küchenhilfe/Abwäscher bzw. Comis de range mit einem Bruttolohn von 1.400 bzw. 1.460 Euro im Monat. Regelmäßigen Unterhalt für die Kinder leistete der Beschwerdeführer bislang nicht. Es kann daher nicht festgestellt werden, wie der Beschwerdeführer sein Einkommen verwendete bzw. ob er dieses Einkommen sparte. Es kann auch nicht festgestellt werden, ob der einkommens- und mittellose Beschwerdeführer Schulden hat oder ob er in Marokko über Vermögen verfügt.

Die Ehefrau des Beschwerdeführers hielt sich ca. sechsmal mit ihren Kindern in Marokko auf. Unüberwindbare Hindernisse, die einer Fortsetzung des Familienlebens mit seiner Ehefrau und den beiden gemeinsamen Kindern im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers entgegenstehen würden, konnten nicht festgestellt werden.

Aufgrund der allgemeinen Lage im Land wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer in Marokko mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein wird.

A) 1.2. Zu den Feststellungen zur Lage in Marokko:

Zur Lage in Marokko werden folgende Feststellungen getroffen:

„Politische Lage

Letzte Änderung: 7.4.2020

Marokko ist ein zentralistisch geprägter Staat. Das Land ist eine Monarchie mit dem König als weltlichem und geistigem Staatsoberhaupt, Oberbefehlshaber der Streitkräfte und "Anführer der Gläubigen" (AA 6.5.2019a; vgl. USDOS 11.3.2020). Laut der Verfassung vom 1.7.2011 ist Marokko eine konstitutionelle, demokratische und soziale Erbmonarchie, mit direkter männlicher Erbfolge und dem Islam als Staatsreligion. Abweichend vom demokratischen Grundprinzip der Gewaltenteilung kontrolliert der König in letzter Instanz die Exekutive, die Judikative und teilweise die Legislative (GIZ 8.2019a; vgl. ÖB 5.2019). Im Zusammenhang mit den Protestbewegungen in Nordafrika im Frühjahr 2011 leitete der König im Jahr 2011 eine Verfassungsreform und vorgezogene Neuwahlen ein. Proteste im Norden des Landes sind vor allem Ausdruck der Unzufriedenheit mit der Umsetzung sozio-ökonomischer Reformen, die schleppend verläuft (AA 6.5.2019a). Die Verfassung vom 1.7.2011 brachte im Grundrechtsbereich einen deutlichen Fortschritt für das Land; in Bezug auf die Königsmacht jedoch nur eine Abschwächung der absolutistischen Stellung. Das Parlament wurde als Gesetzgebungsorgan durch die neue Verfassung aufgewertet und es ist eine spürbare Verlagerung des politischen Diskurses in die Volksvertretung hinein erkennbar. Die Judikative wird als unabhängige Staatsgewalt gleichberechtigt neben Legislative und Exekutive gestellt. Das System der checks und balances als Ergänzung zur Gewaltenteilung ist jedoch in der Verfassung vergleichsweise wenig ausgebildet (ÖB 5.2019).

Einige Schlüsselministerien sind in Marokko der Kontrolle des Parlamentes und des Premierministers entzogen. Dies betrifft folgenden vier Ressorts: Inneres, Äußeres, Verteidigung, Religiöse Angelegenheiten und Stiftungen. Soziale Reformen während der Regentschaft Mohamed VI sollten mehr Wohlstand für alle bringen - doch faktisch nahm die ohnehin starke Kontrolle der Königsfamilie und ihrer Entourage über die Reichtümer und Ressourcen des Landes weiter zu (GIZ 8.2019a). Hauptakteure der Exekutive sind die Minister, der Regierungschef und der König, der über einen Kreis hochrangiger Fachberater verfügt. Der König ist Vorsitzender des Ministerrates, hat Richtlinienkompetenz und ernennt nach Art. 47 der Verfassung von 2011 den Regierungschef aus der Partei, die bei den Wahlen als Sieger hervorgeht. Marokko verfügt seit der Unabhängigkeit über ein Mehrparteiensystem. Das Wahlrecht macht es schwierig für eine Partei, eine absolute Mehrheit zu erringen; Mehrparteienkoalitionen sind deshalb die Regel (AA 6.5.2019a).

Das marokkanische Parlament besteht aus zwei Kammern, dem Unterhaus (Chambre des Représentants, Madschliss an-Nuwwab) und dem Oberhaus (Chambre des conseillers, Madschliss al-Mustascharin). Die Abgeordneten des Unterhauses werden alle fünf Jahre in direkten allgemeinen Wahlen neu gewählt. Das Unterhaus besteht aus 395 Abgeordneten. Entsprechend einer gesetzlich festgelegten Quote sind mindestens 12% der Abgeordneten Frauen. Das Oberhaus (Chambre des Conseillers) besteht aus mindestens 90 und maximal 120 Abgeordneten, die in indirekten Wahlen für einen Zeitraum von sechs Jahren bestimmt werden (GIZ 8.2019a).

In Marokko haben am 7.10.2016 Wahlen zum Repräsentantenhaus stattgefunden. Als stärkste Kraft ging die seit 2011 an der Spitze der Regierung stehende Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung („Parti de la Justice et du Développement“) hervor. Am 5.4.2017 ernannte König Mohammed VI Saad-Eddine El Othmani zum Premier-Minister. Größte Oppositionspartei ist die Partei für Authentizität und Modernität (PAM) (AA 6.5.2019a). Sie rangiert an zweiter Stelle mit 102 Sitzen und konnte ihre Stimmengewinne mehr als verdoppeln und gilt daher als heimliche Siegerin. Dahinter gereiht ist mit 46 Sitzen die traditionsreiche Unabhängigkeitspartei (PI – Parti de l'Istiqlal), dahinter andere Parteien (GIZ 8.2019a).

Seit Anfang 2017 ist Marokko wieder offiziell Mitglied der Afrikanischen Union (GIZ 8.2019a).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (6.5.2019a): Marokko - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/marokko-node/-/224120, Zugriff 21.1.2020

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2019a), LIPortal - Marokko - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/marokko/geschichte-staat/, Zugriff 21.1.2020

-        ÖB - Österreichische Botschaft in Rabat (5.2019): Asylländerbericht Marokko

-        USDOS - United States Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Morocco, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/MOROCCO-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 2.4.2020

Sicherheitslage

Letzte Änderung: 7.4.2020

Marokko kann grundsätzlich als stabiles Land betrachtet werden (EDA 21.1.2020). Das französische Außenministerium rät bis auf einige Regionen zu normaler Aufmerksamkeit im Land, dem einzigen in Nordafrika, das auf diese Weise bewertet wird (FD 21.1.2020). In den Grenzregionen zu Algerien wird zu erhöhter Aufmerksamkeit geraten (FD 21.1.2020), bzw. wird von Reisen abgeraten (AA 21.1.2020).

Die Westsahara darf nur nach Genehmigung durch die marokkanischen Behörden und nur auf genehmigten Strecken bereist werden (FD 21.1.2020). Zusätzlich besteht für die Grenzregionen zu Mauretanien in der Westsahara eine Reisewarnung (AA 21.1.2020 ; vgl. FD 21.1.2020, BMEIA 21.1.2020 ).

Im Jahr 2018 konnte Marokko das Terrorismusrisiko weitgehend eindämmen, obwohl das Land weiterhin sporadischen Bedrohungen ausgesetzt war, vor allem von kleinen, unabhängigen Terrorzellen, von denen die Mehrheit behauptete, vom sogenannten Islamischen Staat (IS) inspiriert oder mit dem IS verbunden zu sein. Marokko erlebte mit der Ermordung zweier skandinavischer Touristen im Dezember 2018 den ersten terroristischen Zwischenfall seit 2011. Im Jahr 2018 wurden gemäß Berichten der marokkanischen Strafverfolgungsbehörden 71 Personen verhaftet und mehr als 20 Terroristenzellen, die Angriffe planten, zerschlagen (USDOS 1.11.2019; vgl. AT 28.11.2019).

Demonstrationen und Protestaktionen sind jederzeit im ganzen Land möglich (EDA 21.1.2020; vgl. IT-MAE 11.3.2020). Auch nicht genehmigte Demonstrationen verlaufen meist friedlich, es kommt jedoch vereinzelt zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften. Die Proteste entzünden sich meist an wirtschaftlichen und sozialen Missständen (IT-MAE 11.3.2020; vgl. AA 21.1.2020, BMEIA 21.1.2020, EDA 21.1.2020). In der Region Rif kann es zu Übergriffen durch Kriminelle kommen, die in Drogenproduktion und -handel involviert sind (FD 21.1.2020; vgl. EDA 21.1.2020).

In großen Teilen der Sahara sind bewaffnete Banden und islamistische Terroristen aktiv, die vom Schmuggel und von Entführungen leben. Das Entführungsrisiko ist in einigen Gebieten der Sahara und der Sahelzone hoch und nimmt noch zu. Die Grenze zu Algerien ist geschlossen (AA 21.1.2020; vgl. EDA 21.1.2020; BMEIA 21.1.2020).

Das völkerrechtlich umstrittene Gebiet der Westsahara erstreckt sich südlich der marokkanischen Stadt Tarfaya bis zur mauretanischen Grenze. Es wird sowohl von Marokko als auch von der Unabhängigkeitsbewegung Frente Polisario beansprucht. Die United Nations Mission for the Referendum in Western Sahara MINURSO überwacht den Waffenstillstand zwischen den beiden Parteien. Auf beiden Seiten der Demarkationslinie (Sandwall) sind diverse Minenfelder vorhanden (EDA 21.1.2020).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (21.1.2020): Marokko - Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/marokko-node/marokkosicherheit/224080, Zugriff 21.1.2020

-        AT - Africa Times (28.10.2019): Morocco’s latest terror arrests renew a focus on chemical weapons, https://africatimes.com/2019/10/28/moroccos-latest-terror-arrests-renew-a-focus-on-chemical-weapons/, Zugriff 2.4.2020

-        BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (21.1.2020): Reiseinformation Marokko, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/marokko/, Zugriff 21.1.2020

-        EDA - Eidgenössisches Departemenet für auswärtige Angelegenheiten (21.1.2020): Reisehinweise für Marokko, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/marokko/reisehinweise-marokko.html, Zugriff 21.1.2020

-        FD - France Diplomatie (21.1.2020): Conseils aux Voyageurs - Maroc - Sécurité, https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/maroc/#derniere_nopush, Zugriff 21.1.2020

-        IT-MAE - Ministero degli Affari Esteri e della Cooperazione Internazionale (11.3.2020) : Viaggiare Sicuri – Marocco, http://www.viaggiaresicuri.it/country/MAR, Zugriff 2.4.2020

-        USDOS - United States Department of State (1.11.2019): Country Reports on Terrorism 2018 – Morocco, S 143-145, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2019/11/Country-Reports-on-Terrorism-2018-FINAL.pdf, Zugriff 2.4.2020

Westsahara

Letzte Änderung: 23.1.2020

Der Konflikt in und um die Westsahara schwelt seit Jahrzehnten. Als sich nach dem Tod des Diktators Franco die Spanier 1975 aus ihrer damaligen Kolonie zurückzogen, marschierte Marokko im Rahmen des sogenannten Grünen Marsches in das Nachbarland ein. Seitdem hält Marokko große Teile des Territoriums besetzt und betrachtet das Gebiet seit der Annexion 1976 als Bestandteil seines Landes. Dagegen wehrt sich die Bewegung Frente Polisario, welche die Unabhängigkeit der Westsahara anstrebt. Ein rund 2.500 Kilometer langer Sandwall, dessen Baubeginn 1981 war, und der von der mauretanisch-marokkanischen Grenze durch die Sahara bis zum marokkanisch-algerisch-sahrauischen Dreiländereck verläuft, spaltet heute die Westsahara (GIZ 12.2019a). Auf der einen Seite liegt der von Marokko kontrollierte, größere Teil; er umfasst rund 75% des Territoriums. Die UNO erkennt Marokko jedoch nicht als Verwaltungsmacht für die Westsahara an. Seit 1991 überwacht sie den Waffenstillstand zwischen Marokko und der Frente Polisario und seit Dezember 2018 wurden die Verhandlungen über den Status des Territoriums wieder aufgenommen (CIA 3.1.2020). 1991 endeten die Kampfhandlungen zwischen der Frente Polisario und Marokko. Die UNO installierte an mehreren Orten in der Westsahara zur Friedenssicherung die MINURSO (CIA 8.1.2020; vgl. GIZ 12.2019a; AA 6.5.2019b), und verlängerte zuletzt am 30.4.2019 das Mandat um sechs Monate (AA 6.5.2019b). Die Frente Polisario hatte im Februar 1976 eine Exilregierung in Algerien, in der Nähe von Tindouf, gebildet, die bis zu seinem Tod im Mai 2016 von Präsident Mohamed Abdelaziz geführt wurde. Sein Nachfolger Brahim Ghali wurde im Juli 2016 gewählt (GIZ 12.2019a). Für Marokko ist die Sicherung der Zugehörigkeit der Westsahara zu Marokko Staatsräson und zentrales Anliegen der marokkanischen Politik (AA 6.5.2019b).

Seit dem Ende der Kampfhandlungen im Jahr 1991 gelang es nicht, ein Referendum bzgl. des Status der Westsahara durchzuführen bzw. scheiterten Anläufe für neue Gespräche zwischen Marokko und der Polisario immer wieder. Seit November 2010 gab es mehrere Anläufe für neue Gespräche zwischen Marokko und der Polisario, doch eine Lösung des Konfliktes ist zurzeit nicht in Sicht. Die Zahl der Staaten, die die sahrauische Exilregierung anerkennen, ist von 80 auf gut die Hälfte gesunken (GIZ 12.2019a). Im Dezember 2018 wurden die Verhandlungen über den Status des Territoriums wieder aufgenommen (CIA 3.1.2020).

Als 1982 die Demokratische Arabische Republik Sahara (DARS) als offizielles Mitglied in die Organisation der Afrikanischen Union aufgenommen wurde, verließ Marokko diese als Reaktion darauf im Jahr 1984. Aufgrund des Westsahara-Konfliktes war Marokkos politische Position jedoch über Jahrzehnte schwach. In der Afrikanischen Union war Marokko mehr als 30 Jahre nicht Mitglied. In den vergangenen Jahren hat Marokko seine Beziehungen und Aktivitäten in Afrika jedoch intensiviert. In Westafrika gewinnt Marokko wirtschaftlich an Einfluss. Seit Anfang 2017 ist Marokko wieder offiziell Mitglied der Afrikanischen Union (GIZ 12.2019a).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (6.5.2019b): Marokko - Außenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/marokko-node/-/224118, Zugriff 21.1.2020

-        CIA - Central Intelligence Agency (3.1.2020): The World Factbook - Morocco, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/mo.html, Zugriff 21.1.2020

-        CIA - Central Intelligence Agency (8.1.2020): The World Factbook - Western Sahara, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/wi.html, Zugriff 21.1.2020

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH (12.2019a), LIPortal - Marokko - Geschichte & Staat, http://liportal.giz.de/marokko/geschichte-staat/, Zugriff 21.1.2020

Rechtsschutz / Justizwesen

Letzte Änderung: 7.4.2020

Die Justiz ist laut Verfassung unabhängig (USDOS 11.3.2020). In der Praxis wird diese Unabhängigkeit jedoch durch Korruption (USDOS 11.3.2020; vgl. ÖB 5.2019; AA 14.2.2018) und außergerichtliche Einflüsse unterlaufen. Behörden setzen manchmal gerichtliche Anordnungen nicht zeitnah durch (USDOS 11.3.2020). Rechtsstaatlichkeit ist vorhanden, aber noch nicht ausreichend entwickelt. Unabhängigkeit der Justiz, Verfassungsgerichtsbarkeit, Transparenz durch Digitalisierung, Modernisierung der Justizverwaltung befinden sich noch im Entwicklungsprozess, der, teils von der Verfassung gefordert, teils von der Justizverwaltung angestoßen wurde. Mit dem in der Verfassung vorgesehenen und im April 2017 eingesetzten Conseil supérieur du pouvoir judiciaire (Oberster Rat der Rechtssprechenden Gewalt) wurden Richter- und Staatsanwaltschaft aus dem Verantwortungsbereich des Justizministeriums herausgelöst und verwalten sich nun selbst. Der Rat agiert als unabhängige Behörde. Mit der Herauslösung der Staatsanwaltschaft wurde formal die Unabhängigkeit der Ermittlungsbehörden von der Politik gestärkt. Es gibt jedoch Stimmen, die eine direkte Einflussnahme des Palastes befürchten, da sich Richterschaft und Staatsanwaltschaft nunmehr jeder demokratisch legitimierten Kontrolle entziehen (AA 14.2.2018).

Formal besteht Gleichheit vor dem Gesetz. Das extreme Gefälle in Bildung und Einkommen, die materielle Unterentwicklung ländlicher Gebiete und der allgegenwärtige gesellschaftliche Klientelismus behindern allerdings die Umsetzung des Gleichheitsgrundsatzes (AA 14.2.2018). Gesetzlich gilt die Unschuldsvermutung. Der Rechtsweg ist formal sichergestellt. Angeklagte haben das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren, auf rechtzeitigen Zugang zu ihrem Anwalt und das Recht, Berufung einzulegen. Das marokkanische Recht sieht Pflichtverteidiger für mittellose Angeklagte vor. Der Zugang zu juristischem Beistand ist in der Praxis noch immer unzulänglich (AA 14.2.2018; vgl. USDOS 11.3.2020). NGOs kritisieren, dass die Beschuldigten zu Geständnissen gedrängt werden. Das Strafprozessrecht erlaubt der Polizei, einen Verdächtigen bis zu 48 Stunden in Gewahrsam („garde à vue“) zu nehmen. Der Staatsanwalt kann diese Frist zweimal verlängern. Der Entwurf für ein neues Strafprozessgesetz sieht verbesserten Zugang zu Anwälten bereits im Gewahrsam vor. Das Gesetz ist noch nicht verabschiedet (AA 14.2.2018).

Im Bereich der Strafzumessung wird häufig kritisiert, dass bestehende Möglichkeiten zur Vermeidung von Haft bei minder schweren Delikten (z.B. Geldstrafen, Sozialstunden) nicht genutzt werden. Auch die Möglichkeit der Entlassung auf Bewährung (libération conditionnelle) wird kaum genutzt (AA 14.2.2018).

Seit Juli 2015 ist die Militärgerichtsbarkeit in Verfahren gegen Zivilisten nicht mehr zuständig. Im Juli 2016 wurden durch das Revisionsgericht die Urteile eines Militärgerichts gegen 23 sahrauische Aktivisten im Zusammenhang mit dem Tod von Sicherheitskräften bei der Räumung des Protestlagers Gdim Izik aufgehoben. Von der ordentlichen Gerichtsbarkeit wurden die Angeklagten 2017 zu Haftstrafen zwischen zwei Jahren und lebenslänglich verurteilt (AA 14.2.2018).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (14.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/1424844/4598_1519120123_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-im-koenigreich-marokko-stand-november-2017-14-02-2018.pdf, Zugriff 5.9.2019

-        ÖB - Österreichische Botschaft in Rabat (5.2019): Asylländerbericht Marokko

-        USDOS - United States Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Morocco, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/MOROCCO-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 2.4.2020

Sicherheitsbehörden

Letzte Änderung: 7.4.2020

Der Sicherheitsapparat verfügt über einige Polizei- und paramilitärische Organisationen, deren Zuständigkeitsbereiche sich teilweise überlappen. Die DGSN „Direction Générale de la Sûreté Nationale“ (Nationalpolizei) ist für die Umsetzung der Gesetze zuständig und untersteht dem Innenministerium. Bei den „Forces auxiliaires“ handelt es sich um paramilitärische Hilfskräfte, die dem Innenministerium unterstellt sind und die Arbeit der regulären Sicherheitskräfte unterstützen. Die Gendarmerie Royale ist zuständig für die Sicherheit in ländlichen Gegenden und patrouilliert auf Nationalstraßen. Sie untersteht dem Verteidigungsministerium (USDOS 11.3.2020; vgl. AA 14.2.2018). Es gibt zwei Nachrichtendienste: den Auslandsdienst DGED („Direction Générale des Etudes et de Documentation“) und den Inlandsdienst DGST („Direction Générale de la Surveillance du Territoire“) (AA 14.2.2018; vgl. ÖB 5.2019). Im April 2015 wurde zusätzlich das „Bureau central d'investigations judiciaires“ (BCIJ) geschaffen. Es untersteht dem Inlandsdienst DGST. Von der Funktion entspricht es etwa dem deutschen Bundeskriminalamt mit originären Zuständigkeiten und Ermittlungskompetenzen im Bereich von Staatsschutzdelikten sowie Rauschgift- und Finanzdelikten im Rahmen von Verfahren der Organisierten Kriminalität (AA 14.2.2018).

Die zivile Kontrolle über die Sicherheitskräfte ist gemäß USDOS wirksam (USDOS 11.3.2020), gemäß auswärtigem Amt hingegen sind die Sicherheitskräfte weitgehend der zivilen Kontrolle durch Parlament und Öffentlichkeit entzogen (AA 14.2.2018).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (14.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/1424844/4598_1519120123_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-im-koenigreich-marokko-stand-november-2017-14-02-2018.pdf, Zugriff 9.10.2019

-        ÖB - Österreichische Botschaft Rabat (5.2019): Asylländerbericht Marokko

-        USDOS - United States Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Morocco, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/MOROCCO-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 2.4.2020

Folter und unmenschliche Behandlung

Letzte Änderung: 7.4.2020

Die Verfassung gewährleistet die Grundrechte und verbietet Folter und unmenschliche Behandlung oder Bestrafung. Die Sicherheitsbehörden unterliegen der effektiven Kontrolle der zivilen Behörden. Für das Jahr 2018 lagen dem U.S. Department of State keine Berichte über willkürliche oder ungesetzliche Tötungen oder systematische Misshandlung oder Folter durch den Staat vor (BAMF 3.6.2019). Die Regierung bestreitet, dass sie die Anwendung von Folter erlaubt (USDOS 11.3.2020).

Folter ist gemäß Verfassung unter Strafe gestellt (USDOS 11.3.2020; vgl. AA 14.2.2018). Marokko ist Vertragsstaat der Anti-Folter-Konvention der Vereinten Nationen und hat auch das Zusatzprotokoll unterzeichnet (AA 14.2.2018; vgl. ÖB 5.2019). Der CNDH (Conseil National des Droits de l'Homme / Nationaler Menschenrechtsrat) ist für den soll künftig die Rolle des Nationalen Präventionsmechanismus gegen Folter zuständig (CDNH o.D.; vgl. AA 14.2.2018,A I 26.2.2019). Die marokkanische Regierung lehnt den Einsatz von Folter ab und bemüht sich um aktive Prävention. Systematische Folter findet nicht statt. Gleichwohl berichten NGOs über Fälle von nicht gesetzeskonformer Gewaltanwendung gegenüber Inhaftierten durch Sicherheitskräfte. Betroffen sind laut Bericht des UN-Menschenrechtsausschusses vom Oktober 2016 vor allem Terrorverdächtige und Personen, die Straftaten verdächtig sind, welche die Sicherheit oder die territoriale Integrität des Staats gefährden. Ein Einsatz von systematischer, staatlich angeordneter Folter wird auch von NGOs nicht bestätigt. Die marokkanische Menschenrechtsorganisation OMDH („Organisation Marocaine des Droits de l’Homme“) geht vom Fehlverhalten einzelner Personen aus (AA 14.2.2018).

Es gibt Berichte, dass Folter oder exzessive Polizeigewalt vorkommen (FH 1.4.2020). Der Staatsminister für Menschenrechte räumt ein, dass Folter in Einzelfällen auftritt, aber es sich nicht mehr um eine systematische Praxis handeln würde. Es besteht kein systematischer Mechanismus, Menschenrechtsverletzungen und Korruption wirksam zu untersuchen und zu bestrafen, was Straffreiheit bei Vergehen durch die Sicherheitskräfte begünstigt (USDOS 11.3.2020). Inhaftierte Islamisten werfen dem Sicherheitsapparat, insbesondere dem Inlandsgeheimdienst DGST, vor, Methoden anzuwenden, die rechtsstaatlichen Maßstäben nicht immer genügen (z.B. lange U-Haft unter schlechten Bedingungen, kein Anwaltszugang). Die zivilgesellschaftlichen Organisationen und Medien dokumentieren diese Vorwürfe nur bruchstückhaft (AA 14.2.2018).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (14.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/1424844/4598_1519120123_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-im-koenigreich-marokko-stand-november-2017-14-02-2018.pdf, Zugriff 9.10.2019

-        AI - Amnesty International (4.2.2019): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2018 - Morocco/Western Sahara, https://www.ecoi.net/en/file/local/2003693/MDE2998912019ENGLISH.pdf, Zugriff 9.10.2019

-        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Deutschland (3.6.2019): Länderreport 11 - Algerien, Marokko, Tunesien - Menschenrechtslage - Im Fokus: Vulnerable Personen, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/Laenderreporte/2019/laenderreport-11-algerien-marokko-tunesien.pdf?__blob=publicationFile&v=5, Zugriff am 10.10. 2019

-        CDNH - Kingdom of Morocco, National Human Rights Council (o.D.): CNDH mandate for the protection of human rights, https://www.cndh.org.ma/an/presentation/cndhs-mandate-area-human-rights-protection, Zugriff 2.4.2020

-        FH - Freedom House (1.4.2020): Freedom in the World 2020 – Morocco, https://freedomhouse.org/country/morocco/freedom-world/2020, Zugriff 2.4.2020

-        ÖB - Österreichische Botschaft Rabat (5.2019): Asylländerbericht Marokko

-        USDOS - United States Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Morocco, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/MOROCCO-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 2.4.2020

Korruption

Letzte Änderung: 7.4.2020

Das Gesetz sieht für behördliche Korruption Strafen vor, doch setzt die Regierung die gesetzlichen Regelungen nicht effektiv um (USDOS 11.3.2020). Korruption ist in den staatlichen Institutionen und in der Wirtschaft weit verbreitet (FH 1.4.2020; vgl. GIZ 8.2019a). Staatsbedienstete,die in Korruptionsfälle verwickelt sind, gehen straffrei aus. Es gibt Berichte über Korruptionsfälle bei der Exekutive, Legislative und in der Justiz. Korruption ist bei der Polizei weit verbreitet (USDOS 11.3.2020).

Trotz der offiziellen Rhetorik über die Korruptionsbekämpfung ist die Bilanz bei der Durchsetzung der Gesetze gemischt. Tiefgreifende Reformen zur Bekämpfung der Korruption werden durch einen Mangel an politischem Willen, geringe institutionelle Kapazitäten und den Einfluss von Eliten, die vom Status quo profitieren, gebremst (FH 1.4.2020; vgl. GIZ 8.2019a) .

Die Antikorruptionsbehörde National Authority for Probity, Prevention, and Fighting Corruption (INPPLC), das Justizministerium und die Hohe Rechnungskontrollbehörde (Government Accountability Court) sind für Korruptionsfragen zuständig. Die Behörden ermitteln in Fällen von Korruption kleineren Ausmaßes, jedoch hängen die Fälle manchmal in den Ermittlungs- oder Verhandlungsphasen fest. Korruptionsvorwürfe gegen die Polizei werden oft abgeschmettert, da ausschließlich die Aussagen der Polizisten berücksichtigt werden (USDOS 11.3.2020).

Marokko belegt im Korruptionswahrnehmungsindex 2019 den 80. von insgesamt 180 Plätzen (TI 23.1.2020).

Quellen:

-        FH - Freedom House (1.4.2020): Freedom in the World 2020 – Morocco, https://freedomhouse.org/country/morocco/freedom-world/2020, Zugriff 2.4.2020

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (8.2019a): LIPortal - Marokko - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/marokko/geschichte-staat/, Zugriff 9.10.2019

-        TI - Transparency International (23.1.2020): Corruption Perceptions Index 2019 – Full Data Set, https://files.transparency.org/content/download/2450/14822/file/2019_CPI_FULLDATA.zip, Zugriff 11.2.2020

-        USDOS - United States Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Morocco, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/MOROCCO-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 2.4.2020

NGOs und Menschenrechtsaktivisten

Letzte Änderung: 7.4.2020

Es gibt in Marokko eine lebendige und aktive Zivilgesellschaft mit nationalen und internationalen NGOs, die im Prinzip unbehelligt agieren kann. Verbote gegen einzelne Veranstaltungen und Einschränkungen für NGOs und Menschenrechtsorganisationen kommen jedoch vor. Ein NGO-Gesetz gibt es nicht. Für NGOs gilt das Vereinsrecht. Sie müssen sich beim Innenministerium registrieren lassen. Es kommt vor, dass die Registrierungsanzeigen nicht fristgemäß mit einer Eingangsbestätigung beantwortet werden (AA 14.2.2018).

Menschenrechtsorganisationen publizieren Berichte über Menschenrechtsfälle. Die Einstellung der Regierung gegenüber lokalen und internationalen Menschenrechtsorganisationen variiert jedoch, abhängig von der politischen Orientierung der Organisation und der Sensitivität der jeweiligen Angelegenheit. Lokale und internationale NGOs sind immer wieder Einschränkungen bei ihren Aktivitäten ausgesetzt (USDOS 11.3.2020; vgl. AA 14.2.2018).

Der Bereich NGOs/Menschenrechtsverteidiger stellt sich als breit gefächerte Landschaft (ca. 90.000 Vereinigungen) dar, mit einer aktiven und sich artikulierenden Menschenrechts-Verteidigerszene, die mit dem CNDH (Nationaler Rat für Menschenrechte) korreliert und dessen Arbeit ergänzt oder diesem sogar voraneilt. Sichtbarste und mit Veranstaltungen und Berichten hervortretende Protagonisten der Menschenrechtsszene sind die OMDH (Organisation Marocaine des Droits Humains) und die AMDH (Association Marocaine des Droits Humains). Die Zivilcourage der einzelnen Aktivisten verdient Anerkennung, weil nicht nur Gefahr besteht, mit staatlicher Repression in Konflikt zu geraten, sondern auch an die Grenzen des von der Gesellschaft Tolerierten zu stoßen (ÖB 5.2019).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (14.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/1424844/4598_1519120123_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-im-koenigreich-marokko-stand-november-2017-14-02-2018.pdf, Zugriff 9.10.2019

-        ÖB - Österreichische Botschaft Rabat (5.2019): Asylländerbericht Marokko

-        USDOS - United States Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Morocco, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/MOROCCO-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 2.4.2020

Ombudsmann

Letzte Änderung: 7.4.2020

Zur Kontrol

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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