TE Bvwg Beschluss 2020/7/15 W131 2229809-3

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Veröffentlicht am 15.07.2020
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Entscheidungsdatum

15.07.2020

Norm

AVG §17
BVergG 2018 §141 Abs1
BVergG 2018 §327
BVergG 2018 §328 Abs1
BVergG 2018 §333
BVergG 2018 §346
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W131 2229809-3/9E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag Reinhard GRASBÖCK als Vorsitzenden, durch die fachkundige Laienrichterin Dr´a Ilse POHL als Beisitzerin der Auftraggeberseite und durch den fachkundigen Laienrichter Mag Matthias WOHLGEMUTH als Beisitzer der Auftragnehmerseite betreffend das Vergabeverfahren der Auftraggeber 1. Republik Österreich (Bund), 2. Bundesbeschaffung GmbH (BBG) und 3. allen weiteren Auftraggeber gemäß der Drittkundenliste der Ausschreibungsunterlage mit der Vergabeverfahrenbezeichnung „Wartung (Prüfung und Instandhaltung) und Beschaffung von Feuerlöschern und vorbeugendem Brandschutz“ (BBG-interne GZ 2703.03321) –, und den diesbezüglich erhobenen Einwendungen der anwaltlich vertretenen XXXX (= MB) gegen den von der XXXX (ASt) betreffend die Lose 2, 3 und 4 wider eine Ausscheidensentscheidung gerichteten Nachprüfungs- und Nichtigerklärungsantrag beschlossen:

A)

Die Einwendungen der XXXX gegen den gegen eine Ausscheidensentscheidung gerichteten Nachprüfungsantrag werden zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig.


Text


BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

Die ASt stellte am 20.03.2020 einen Nachprüfungsantrag gegen eine Ausscheidensentscheidung, mit welcher deren Angebot wegen unplausiblen Preises gemäß § 141 Abs 1 Z 3 BVergG aus dem Vergabeverfahren ausgeschieden wurde.

Die MB erhob am 09.04.2020 anwaltlich vertreten Einwendungen und beantragte hilfsweise bzw eventualiter auch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand betreffend die zehntägige Einwendungsfrist.

Das Ermittlungsverfahren wurde zur Verfahrenszahl W131 2229809-1 durchgeführt, die Zurückweisung der Einwendungen erfolgt nunmehr zur Verfahrenszahl W131 2229809-3, um der unterschiedlichen Parteistruktur im Nachprüfungsverfahren Rechnung zu tragen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Für die Auftraggeber dieses Vergabeverfahrens soll jeweils eine Rahmenvereinbarung je Los mit einem einzigen Bieter abgeschlossen werden

Über den Verfahrensgang und die dort festgehaltenen Verfahrenstatsachen hinaus ist festzustellen, dass die ASt ihren Nachprüfungsantrag gegen eine Ausscheidensentscheidung bei den Losen 2, 3 und 4 der streitigen Vergabe richtet.

Unstrittig ist bei den Losen 2, 3 und 4 dieses Vergabeverfahrens neben der ASt jeweils nicht nur die MB eine Bieterin, die noch nicht endgültig iSd RL 89/665/EWG ausgeschieden ist. Die MB steht daher aktuell nicht nur mit der ASt im Vergabewettbewerb um die Lose 2, 3 und 4.

Eine Auswahlentscheidung zum Abschluss der Rahmenvereinbarung bei den Losen 2, 3 und 4 wurde noch nicht erlassen.

2. Beweiswürdigung:

Der Sachverhalt inkl Verfahrensgang ergeben sich aus den Gerichtsakten zu W 131 2229809-1, -2 und -3 inkl der auf Datenträger zur Verfügung gestellten Vergabeunterlagen. Dass es bei den Losen 2, 3 und 4 neben der ASt und der MB jeweils zumindest noch eine weitere Bieterin gibt, die noch nicht endgültig ausgeschieden wurde, ergibt sich aus dem zur Verfahrenszahl W131 2229809-1 durchgeführten Ermittlungsverfahren mit der dort durchgeführten ausdrücklichen Erörterung.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gegenständlich hatte gemäß § 328 Abs 1 BVergG 2018 = BVergG, BGBl I 2018/65 der Senat zu entscheiden und dabei abseits von Sonderverfahrensvorschriften im BVergG gemäß § 333 BVergG das VwGVG die in § 333 BvergG verwiesenen Bestimmungen des AVG anzuwenden.

Zu A)

3.2. Zur Frage der Rechtzeitigkeit der hier zurückgewiesenen Einwendungen ist festzuhalten, dass derartige Einwendungen iSd § 346 Abs 3 BVergG binnen einer 10 - Tagesfrist ab Internetkundmachung gemäß § 345 Abs 1 BVergG zu erheben (gewesen) sind.

Gemäß BGBl I 2020/16, dort Art 16 §§ 1 und 6, wurden auch Einwendungsfristen gemäß § 346 Abs 3 BVergG ab 22.03.2020 bis 30.04.2020 unterbrochen und begannen ab 01.05.2020 neu zu laufen.

Der Gesetzgeber derogierte der vorbezeichneten Gesetzeskundmachung allerdings bereits wieder mit Art 38 § 2 der Gesetzeskundmachung BGBl I 2020/24 mit einer Verfassungsvorschrift, dem Bundesverfassungsgesetz betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 in Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens (COVID-19 Begleitgesetz Vergabe), wonach ua auch die Einwendungsfristen ab 07.04.2020 neu zu laufen begannen.

Insoweit sind die Einwendungen der MB als rechtzeitig zu beurteilen und brauchte über den nur eventualiter (bzw hilfsweise) gestellten Wiedereinsetzungsantrag nicht mehr abgesprochen zu werden.

3.3. § 346 Abs 2 BVergG ermöglicht für Konkurrenten eines Nachprüfungsantragstellers eine (Neben-)Parteistellung, wohingegen § 346 Abs 3 BVergG die Erhebung von Einwendungen zur Aufrechterhaltung dieser Nebenparteistellung anordnet.

Ergo ist die vorhandene (Neben-) Parteistellung gemäß § 346 Abs 2 BVergG Voraussetzung für die Erhebung von gemäß § 346 Abs 3 zulässigen Einwendungen.

§ 346 lautet insoweit in den hier interessierenden Teilen:

§ 346. (1) Parteien des Nachprüfungsverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht sind jedenfalls der Antragsteller und der Auftraggeber. Soweit eine zentrale Beschaffungsstelle ein Vergabeverfahren oder Teile eines Vergabeverfahrens als vergebende Stelle durchführt, tritt sie als Partei des Nachprüfungsverfahrens an die Stelle des Auftraggebers. Der Auftraggeber kann, soweit die zentrale Beschaffungsstelle an seine Stelle tritt, dem Nachprüfungsverfahren als Nebenintervenient beitreten; §§ 17 Abs. 1, 18 Abs. 1 und 19 Abs. 1 ZPO sind sinngemäß anzuwenden. Wird ein Vergabeverfahren von mehreren Auftraggebern gemeinsam durchgeführt, so bilden die in der Ausschreibung genannten Auftraggeber eine Streitgenossenschaft im Nachprüfungsverfahren. Die Bestimmungen der §§ 14 und 15 ZPO sind sinngemäß anzuwenden.

(2) Parteien des Nachprüfungsverfahrens sind ferner jene Unternehmer, die durch die vom Antragsteller begehrte Entscheidung unmittelbar in ihren rechtlich geschützten Interessen nachteilig betroffen sein können (Antragsgegner); insbesondere ist im Falle der Bekämpfung der Zuschlagsentscheidung der für den Zuschlag in Aussicht genommene Bieter Partei des Nachprüfungsverfahrens.

(3) Der in einer Zuschlagsentscheidung [...]. Andere Parteien im Sinne des Abs. 2 verlieren ihre Parteistellung, wenn sie ihre begründeten Einwendungen gegen die vom Antragsteller begehrte Entscheidung nicht binnen zehn Tagen ab Bekanntmachung der Verfahrenseinleitung nach § 345 Abs. 1 erheben. Sofern eine mündliche Verhandlung vor Ablauf dieser Fristen stattfindet, können die Einwendungen spätestens in der mündlichen Verhandlung erhoben werden. § 42 Abs. 3 AVG gilt sinngemäß.

[...]

Da entsprechend den Feststellungen neben der ASt und der MB zumindest jeweils eine weitere Bieterin, die noch nicht endgültig ausgeschieden ist, bei den Losen 2, 3 und 4 dieser Vergabe mit einem Angebot am Vergabeverfahren beteiligt ist, ist auf § 346 Abs 2 und die darin enthaltene Wortfolge zu verweisen, die [mit tlw hier eingefügten Hervorhebungen] lautet:

... durch die vom Antragsteller begehrte Entscheidung unmittelbar in ihren rechtlich geschützten Interessen nachteilig betroffen sein können ... .

Nach hier vertretener Rechtsauffassung haben steht die MB dz mit der ASt und zumindest einer weiteren Konkurrentin je Los im Vergabewettbewerb um die jeweilige losweise Rahmenvereinbarung bei den Losen 2, 3 und 4; und ist die MB daher genau aus diesem Grund noch nicht unmittelbar iSd § 346 Abs 2 BVergG von der allfälligen Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidung betroffen. Dies wäre denkbar evtl dann der Fall, wenn die MB nurmehr mit der ASt im Wettbewerb stünde bzw wenn bereits eine Auswahlentscheidung zum Abschluss der Rahmenvereinbarung mit der MB erlassen worden wäre.

Da die MB sohin durch die von der ASt begehrte Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidung nicht unmittelbar in ihren rechtlich geschützten Interessen betroffen sein kann, weil eben neben der ASt noch ein weiterer Konkurrent im Vergabewettbewerb mit der MB steht, waren die Einwendungen der MB in Verneinung deren Parteistellung zurückzuweisen.

Allfällig gegenteilige Gesetzesmaterialien haben insoweit rücksichtlich des aufgezeigten Wortlauts des § 346 Abs 2 BVergG keinen Eingang in den Gesetzeswortlaut gefunden, zumal es bei gegenteiliger Auffassung sonst zu unlösbaren Verfahrenssituationen insb rücksichtlich des § 17 Abs 2 AVG kommen könnte. Eine gleiche Akteneinsicht für alle Verfahrensparteien bei idR geschäftsgeheimnisrelevanten Angebotsdetails im Angebot der ASt bei Erörterung der Ausscheidensentscheidung zu Lasten der ASt (beim Ausscheidensgrund des § 141 Abs 1 Z 3 BVergG) ist im Übrigen auch dem gebotenen raschen Nachprüfungsverfahren iSd Art 1 RL 89/665/EWG idgF nicht förderlich, wenn man zur Feststellung, ob tatsächlich (Betriebs- oder) Geschäftsgeheimnisse vorliegen, mitunter Sachverständige bestellen wird müssen. Geschäftsgeheimnisse, die entscheidungsrelevant für eine Entscheidungsbegründung sein können, müssen idZ mitunter als tragende Grunde wohl in der Entscheidung enthalten sein und zuvor dem Parteiengehör unterzogen werden, ohne dass das BVergG, VwGVG oder AVG insoweit eine Verfahrens- oder Begründungserleichterung bzw zB zwei Begründungsvarianten je Entscheidungsadressaten vorsehen würden.

Zu B) Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, weil es an einer verfestigten ausdrücklichen Rsp des VwGH dahin fehlt, ob bei der Anfechtung einer Ausscheidensentscheidung ein Konkurrent des Nachprüfungsantragstellers, der mit zumindest noch einem weiteren Konkurrenten aufrecht im Vergabewettbewerb steht, (Neben-) Parteistellung gemäß § 346 Abs 2 BVergG hat.

Schlagworte

Ausscheidensentscheidung Betroffenheit Einwendungen Kalkulation Konkurrenzsituation Nachprüfungsantrag Nachprüfungsverfahren Parteistellung Plausibilität Preisvergleich rechtliches Interesse Revision zulässig Vergabeverfahren Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W131.2229809.3.00

Im RIS seit

13.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

13.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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