Entscheidungsdatum
30.07.2020Norm
ASVG §18aSpruch
W145 2192261-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Daniela HUBER-HENSELER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , SVNR XXXX , gegen den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt vom 25.01.2018, AZ XXXX , wegen Ablehnung des Antrages auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes gemäß § 18a iVm § 669 Abs. 3 ASVG zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) idgF als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Bescheid vom 25.01.2018, AZ XXXX , hat die Pensionsversicherungsanstalt (im Folgenden: belangte Behörde) den Antrag vom 31.07.2017 von Frau XXXX , SVNR XXXX , (im Folgenden: Beschwerdeführerin) auf rückwirkende Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes (Sohnes Ing. XXXX , geboren am XXXX ) gemäß § 18a iVm § 669 Abs. 3 ASVG abgelehnt.
Begründend wurde ausgeführt, dass Personen, die sich der Pflege eines im gemeinsamen Haushalt lebenden behinderten Kindes, für das erhöhte Familienbeihilfe im Sinne des § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 gewährt wird, widmen und deren Arbeitskraft aus diesem Grund gänzlich beansprucht werde, würden sich, solange sie während dieses Zeitraums ihren Wohnsitz im Inland haben, längstens jedoch bis zur Vollendung des 40. Lebensjahres des Kindes, in der Pensionsversicherung selbst versichern können.
Die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung nach § 18a ASVG könne auf Antrag von Personen, die irgendwann in der Zeit zwischen dem 1. Jänner 1988 und dem 31. Dezember 2012 die Voraussetzungen für diese Selbstversicherung erfüllt hätten, nachträglich beansprucht werden - für alle oder einzelne Monate, längstens jedoch für 120 Monate, in denen die genannten Voraussetzungen vorlagen.
Der Sohn der Beschwerdeführerin habe die vom Arzt angeordnete Untersuchung abgelehnt. Wie ärztlicherseits festgestellt worden sei, könne mit den vorgelegten Befunden eine Selbstversicherung gemäß § 18a ASVG wegen ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege des behinderten Kindes medizinisch nicht ausreichend begründet werden. Es sei somit die Berechtigung zur Selbstversicherung gemäß § 18a ASVG nicht gegeben.
2. Mit Beschwerde vom 10.02.2018 brachte die Beschwerdeführerin vor, dass ihr aufgrund ihres Antrages vom 31.07.2017 auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung ein Schreiben der belangten Behörde zugesandt und eine Untersuchung ihres Sohnes angeordnet worden sei. In einem Schreiben an die belangte Behörde habe die Beschwerdeführerin ausreichend Nachweise erbracht, die die Behinderung ihres Sohnes aus den Jahren 1990-2006 dokumentieren würden und sie habe darauf hingewiesen, dass ihr Sohn aufgrund der zahlreichen, bereits stattgefundenen Untersuchungen, von weiteren Untersuchungen Abstand nehme. Auch entspreche der heutige Gesundheitszustand ihres Sohnes nicht mehr jenem, für den der gegenständliche Antrag gestellt wurde, da der betroffene Zeitraum 15 bis 16 Jahre zurückliege. Die Untersuchungen und Dokumentationen durch Fachärzte, Amtsärzte und das Bundessozialamt sowie die Zuerkennung der erhöhten Familienbeihilfe über einen Zeitraum von 16 Jahren sollten glaubhaft und ausreichend sein.
3. Mit Schreiben vom 11.04.2018 legte die belangte Behörde die verfahrensgegenständliche Rechtssache dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor und führte aus, dass der Sohn der Beschwerdeführerin zu der aufgrund des Antrages vorgesehenen medizinischen Begutachtung nicht erschienen sei. Eine neuerliche Untersuchung sei nicht angeordnet worden, zumal die Beschwerdeführerin entsprechende Unterlagen vorlegt habe, die eine aktenmäßige Absprache ermöglicht hätten. Von größerer Bedeutung seien zwei Sachverständigengutachten vom 03.03.2003 und 30.05.2003. Hierbei sei festgehalten worden, dass der Sohn der Beschwerdeführerin eine Beinverkürzung links von 1 cm und einlagenversorgte Knicksenkfüße habe. Durch eine beträchtliche Zahnfehlstellung sei er dazu gezwungen, eine festsitzende kieferorthopädische Versorgung zu tragen. Seit einigen Jahren liege auch eine bekannte Allergie vor, dennoch sei in der Pollenzeit keine Dosieraerosole oder Inhalationen notwendig gewesen. Turnen und Sport privat seien bejaht worden. Der Untersuchungsbefund habe zwar eine beträchtliche Oberkieferprominenz ergeben, jedoch eine gerade Wirbelsäule. Der Beckenschiefstand sei nicht mehr erkennbar und das Gangbild unauffällig. Diagnostiziert sei eine allergische Rhinokonjunktivitis und ein Asthma bronchiale sowie eine festsitzende kieferorthopädische Behandlung, die die Respiration beeinflusst. Weiters sei eine Gebissfehlstellung mit sagittaler Stufe von 11 mm dargestellt worden. Insgesamt sei aufgrund einer beträchtlichen Beeinträchtigung des Sprechens und der Nahrungsaufnahme durch den festsitzenden kieferorthopädischen Behelf ein Gesamtgrad an Behinderung von 60% bejahrt worden.
Aufgrund dieser Unterlagen in Verbindung mit der Abänderung der Begutachtung sei vom chefärztlichen Bereich der belangten Behörde entschieden worden, dass die behauptete Notwendigkeit einer ständigen persönlichen Hilfe und besonderen Pflege medizinisch nicht habe ausreichend begründet werden können. Zwar stelle die bestätigte Beeinträchtigung des Sprechens und der Nahrungsaufnahme durch den festsitzenden kieferorthopädischen Behelf eine deutliche Beeinträchtigung der Lebensführung dar, jedoch keine Begründung für besondere Pflege und Betreuung.
4. Mit Beschluss vom 15.10.2019 wurde die gegenständliche Rechtssache der Abteilung W145 per 04.11.2019 neu zugewiesen.
5. Mit Schreiben vom 24.03.2020 des Bundesverwaltungsgerichtes wurde der Beschwerdeführerin der Vorlageantrag und die Stellungnahme der belangten Behörde übermittelt und die Möglichkeit zur Vornahme einer Stellungnahme eingeräumt. Das Schreiben wurde mittels Zustellnachweise gesendet und am 26.03.2020 übernommen. Die Frist zur Abgabe einer Stellungnahme lief aufgrund des Artikel 16 § 1 Abs. 1 2. Covid-19-Gesetz bis zum 15.05.2020. Es erfolgte bis dato keine Stellungnahme.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin stellte am 31.07.2017 einen Antrag auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege ihres behinderten Kindes Ing. XXXX , geb. XXXX .1990 , gemäß § 18a ASVG iVm § 669 Abs. 3 ASVG rückwirkend für den Zeitraum März 2001 bis November 2002.
Auch im verfahrensgegenständlichen Zeitraum März 2001 bis November 2002 bezog die Beschwerdeführerin erhöhte Familienbeihilfe im Sinne des § 8 Abs. 4 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) für ihren Sohn und lagen in diesem Zeitraum keine Versicherungszeiten bei der Beschwerdeführerin vor.
Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz im Inland ( XXXX , XXXX ); an dieser Adresse ist auch ihr Sohn gemeldet. Der Sohn der Beschwerdeführerin hat das 40. Lebensjahr noch nicht erreicht.
Laut Sachverständigengutachten vom 06.03.2003 von Dr. XXXX , und vom 16.06.2003 von Dr. XXXX , beide Fachärzte für Kinderheilkunde, bestehen beim Sohn der Beschwerdeführerin eine Allergie (1990), Beinverkürzung links von 1 cm (1995), ein einlagenversorgter Knicksenkfuß beidseits, eine allergische Rhinoconjunctivitis, Asthma bronchiale, eine Gebißfehlstellung mit Beeinflussung der Respiration durch die festsitzende kieferorthopädische Behandlung (Behandlungsbeginn 1996). Durch den festsitzenden kieferorthopädischen Behelf besteht eine beträchtliche Beeinträchtigung des Sprechens und der Nahrungsaufnahme.
Pflegegeld wird für den Sohn nicht bezogen; auch ist der Sohn weder bettlägrig noch von der allgemeinen Schulpflicht gänzlich – nur für einen kurzen Zeitraum vom 18.04. bis 21.04.2001 - befreit gewesen.
Ein Bedarf an Pflege des Sohnes durch die Beschwerdeführerin, die die Arbeitskraft der Beschwerdeführerin überwiegend beansprucht, konnte nicht festgestellt werden.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Ausführungen zum Verfahrensgang und zu den Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichts.
Die Feststellungen zum Bezug über die erhöhte Familienbeihilfe ergeben sich aus der im Akt befindlichen Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe des Finanzamtes XXXX vom 24.06.2003.
Die Feststellung, dass im Zeitraum März 2001 bis November 2002 keine Versicherungszeiten vorgelegen haben, ergeben sich aus dem Versicherungsdatenauszug der Pensionsversicherungsanstalt.
Das Alter des Sohnes der Beschwerdeführerin und die Feststellung, dass er das 40. Lebensjahr noch nicht erreicht hat, ergeben sich aus der Geburtsurkunde des Sohnes der Beschwerdeführerin.
Der Sachverhalt ist bis auf die Frage, ob durch die Pflege des Sohnes eine überwiegende Beanspruchung der Arbeitskraft der Beschwerdeführerin bestanden hat, unstrittig.
Die Feststellung, dass jedoch keine überwiegende Beanspruchung der Arbeitskraft bestand, wird wie folgt begründet:
Der Sohn der Beschwerdeführerin war in dem beantragten Zeitraum 11 bzw. 12 Jahre alt. Nach § 18a Abs. 3 ASVG liegt eine überwiegende Beanspruchung der Arbeitskraft jedenfalls dann vor, wenn das behinderte Kind entweder schulunfähig oder bettlägrig ist. Das traf auf den Sohn der Beschwerdeführerin nicht zu. Ein Schulbesuch war dem Sohn der Beschwerdeführerin – bis auf 4 Tage im Jahr 2001 - möglich.
Es ist demnach zu prüfen, ob der Sohn der Beschwerdeführerin ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedarf. Das Vorliegen der ständigen persönlichen Hilfe und besonderer Pflege festzustellen, ist in erster Linie eine medizinische Frage, die nicht ohne Zuhilfenahme eines Gutachtens einschlägiger Sachverständiger gelöst werden darf. (Pfeil in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 18a ASVG, Stand 1.7.2018, rdb.at). Die belangte Behörde hat den Sohn der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 08.08.2017 zwecks Erstellung eines medizinischen Gutachtens geladen. Der Sohn der Beschwerdeführerin wollte nicht an der Untersuchung teilnehmen, weshalb die Erstellung eines medizinischen Gutachtens aufgrund einer persönlichen Untersuchung nicht möglich war und daher aufgrund der Aktenlage entschieden werden muss. Die Verweigerung der Untersuchung ist unstrittig.
Wie aus dem im Akt aufliegenden Gutachten ersichtlich, wurde dem Beschwerdeführer mit Gutachten vom 16.06.2003 des Bundessozialamtes XXXX ein Grad der Behinderung in Höhe von 60 vH rückwirkend für den Zeitraum Februar 1996 bis September 2002 zugesprochen. Der Zuspruch des Grades der Behinderung erfolgte unter anderem aufgrund der Diagnose „Gebissfehlstellung“, bei welcher der obere Rahmensatz angewendet wurde, da eine Beeinträchtigung der Sprache und Nahrungsaufnahme vorlag. Weiters wurde ausgeführt, dass der Untersuchte voraussichtlich nicht dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Die Bestimmung des § 18a Abs. 3 versteht der VwGH inhaltlich so, dass das Kind aufgrund der Behinderung zwar nicht körperlich hinfällig ist, aber aus anderen Gründen rund um die Uhr einer intensiven persönlichen Betreuung bedarf, ohne die es gänzlich außerstande wäre, seinen Tagesablauf zu bewältigen. (00/08/0053, VwSlg 15.235 A). Die Beeinträchtigung des Sprechens und der Nahrungsaufnahme durch den festsitzenden kieferorthopädischen Behelf stellte zwar eine deutliche Beeinträchtigung der Lebensführung dar, jedoch war der Sohn der Beschwerdeführerin dadurch nicht außerstande seinen Tagesablauf zu bewältigen, weshalb hier keine Begründung für eine besondere Pflege und Betreuung erblickt wird.
Weiters wurde von der Beschwerdeführerin beim Beiblatt zum Antrag auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes bei den Angaben zum Gesundheitszustandes des behinderten Kindes unter Punkt 1 „Bedarf das Kind ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege?“ „Ja“ angekreuzt. Bei der konkreteren Frage „Welche Tätigkeiten hinsichtlich der Pflege des Kindes werden von Ihnen täglich erbracht und wie hoch ist der tägliche Zeitaufwand hierfür?“ wurde von der Beschwerdeführerin lediglich „siehe Beilage“ angeführt. Dabei handelt es sich um ein ärztliches Sachverständigengutachten des Bundessozialamtes, das den Grad der Behinderung feststellte, jedoch nicht den konkreten Aufwand, den die Beschwerdeführerin mit der Betreuung ihres Sohnes hat. Auch die Möglichkeit auf diese Frage im Rahmen des vom Bundesverwaltungsgerichtes eingeräumten Parteiengehörs vom 24.03.2020 Stellung zu nehmen, hat die Beschwerdeführerin bis dato nicht wahrgenommen.
Aus den dargelegten Gründen konnte daher keine überwiegende Beanspruchung der Arbeitskraft erblickt werden.
2.2. Entfall der mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Nach der Rechtsprechung des EGMR kann eine mündliche Verhandlung in Verfahren gemäß Art. 6 Abs.1 EMRK unterbleiben, wenn besondere beziehungsweise außergewöhnliche Umstände dies rechtfertigen (vgl. EGMR 05.09.2002, Speil/Österreich, Appl. 42057/98, VwGH 17.09.2009, 2008/07/0015). Derartige außergewöhnliche Umstände hat der EGMR etwa bei Entscheidungen über sozialversicherungsrechtliche Ansprüche, die ausschließlich rechtliche oder in hohem Maße technische Fragen aufwerfen, als gegeben erachtet. Hier kann das Gericht unter Berücksichtigung der Anforderungen an Verfahrensökonomie und Effektivität von einer mündlichen Verhandlung absehen, wenn der Fall auf Grundlage der Akten und der schriftlichen Stellungnahme der Parteien angemessen entschieden werden kann (vgl EGMR 12.11.2002, Fall Döry, Appl. 28.394/95, Z 37 ff.; EGMR 8.2.2005, Fall Miller, Appl. 55.853/00).
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgerichte ungeachtet eines Parteienantrages – welchen die Beschwerdeführerin nicht stellte – von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und der Entfall der mündlichen Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Abl. Nr. C 83 vom 30.03.2010, S. 389 entgegenstehen. Im gegenständlichen Fall ergab sich klar aus der Aktenlage, dass von einer mündlichen Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache mehr zu erwarten war und sich der Sachverhalt zur Beurteilung der Rechtsmäßigkeit der Abweisung des Antrages auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als hinreichend geklärt darstellte. Die belangte Behörde führte ein ordnungsgemäßes Beweisverfahren durch. Der Sachverhalt war weder in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig noch erschien er in entscheidenden Punkten als nicht richtig. Es wurden keine Rechts- und Tatfragen aufgeworfen, deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte (vgl ua VwGV 18.06.2012, B 155/12, wonach eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt unbestritten und die Rechtsfrage von keiner besonderen Komplexität ist).
Dem Entfall der mündlichen Verhandlung stehen weder Art. 6 EMRK noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegen.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Nach § 9 Abs. 2 Z 1 ist belangte Behörde in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat – vorliegend die Pensionsversicherungsanstalt.
§ 414 Abs. 1 ASVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide eines Versicherungsträgers.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgerichts durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
In Ermangelung einer entsprechenden Anordnung der Senatszuständigkeit liegt im gegenständlichen Fall Einzelrichterzuständigkeit vor.
3.2. Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. Nr. 33/2013, idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
3.3. Prüfungsumfang und Entscheidungsbefugnis des Bundesverwaltungsgerichts
§ 27 VwGVG legt den Prüfungsumfang fest und beschränkt diesen insoweit als das Verwaltungsgericht (bei Bescheidbeschwerden) prinzipiell (Ausnahme: Unzuständigkeit der Behörde) an das Beschwerdevorbringen gebunden ist (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013], Anm. 1 zu § 27 VwGVG). Konkret normiert die zitierte Bestimmung: „Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.“
Die zentrale Regelung der Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte bildet § 28 VwGVG. Die vorliegend relevanten Abs. 1 und 2 dieser Bestimmung lauten wie folgt:
„28 (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.“
Gegenständlich steht der maßgebliche Sachverhalt im Sinne von § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG fest. Das Bundesverwaltungsgericht hat folglich in der Sache selbst zu entscheiden.
3.4. Zu A) Abweisung der Beschwerde
„18a (1) Personen, die ein behindertes Kind, für das erhöhte Familienbeihilfe im Sinne des § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376, gewährt wird, unter überwiegender Beanspruchung ihrer Arbeitskraft in häuslicher Umgebung pflegen, können sich, solange sie während dieses Zeitraumes ihren Wohnsitz im Inland haben, längstens jedoch bis zu Vollendung des 40. Lebensjahres des Kindes, in der Pensionsversicherung selbst versichern. Der gemeinsame Haushalt besteht weiter, wenn sich das behinderte Kind nur zeitweilig wegen Heilbehandlung außerhalb der Hausgemeinschaft aufhält. Eine Selbstversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes kann jeweils nur für eine Person bestehen.
(2) Die Selbstversicherung ist für Zeiten ausgeschlossen, während der
1. (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 2/2015)
2. eine Ausnahme von der Vollversicherung gemäß § 5 Abs. 1 Z 3 besteht oder auf Grund eines dort genannten Dienstverhältnisses ein Ruhegenuss bezogen wird oder
3. eine Ersatzzeit gemäß § 227 Abs. 1 Z 3 bis 6 oder § 227a vorliegt.
(3) Eine überwiegende Beanspruchung der Arbeitskraft im Sinne des Abs. 1 wird jedenfalls dann angenommen, wenn und so lange das behinderte Kind
1. das Alter für den Beginn der allgemeinen Schulpflicht (§ 2 des Schulpflichtgesetzes 1985, BGBl. Nr. 76/1985) noch nicht erreicht hat und ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedarf,
2. während der Dauer der allgemeinen Schulpflicht wegen Schulunfähigkeit (§ 15 des Schulpflichtgesetzes 1985) entweder von der allgemeinen Schulpflicht befreit ist oder ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedarf,
3. nach Vollendung der allgemeinen Schulpflicht und vor Vollendung des 40. Lebensjahrs dauernd bettlägrig ist oder ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedarf.
(4) bis (7).“
§ 669 Abs. 3 ASVG lautet:
„Die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung nach § 18a ASVG kann auf Antrag von Personen, die irgendwann in der Zeit zwischen dem 1. Jänner 1988 und dem 31. Dezember 2012 die Voraussetzungen für diese Selbstversicherung erfüllt haben, nachträglich beansprucht werden, und zwar zurückgerechnet vom Tag der Antragstellung für alle oder einzelne Monate, längstens jedoch für 120 Monate, in denen die genannten Voraussetzungen vorlagen. § 18 Abs. 2 ist sinngemäß anzuwenden.“
Die Übergangsvorschrift des § 669 Abs. 3 ASVG regelt den rückwirkenden Erwerb von Pensionsversicherungszeiten. Diese Bestimmung ermöglicht eine rückwirkende Antragstellung im Ausmaß von höchstens 120 Monaten und kann diese rückwirkende Selbstversicherung für ganze Monate in Anspruch genommen werden, die im Rahmenzeitraum zwischen 1.1.1988 und 31.12.2010 liegen - dies bei Erfüllung der Voraussetzung für diese Versicherung.
Die Beschwerdeführerin hat die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für den Zeitraum März 2001 bis November 2002 beantragt. Wie festgestellt und in der Beweiswürdigung ausgeführt, lag jedoch keine überwiegende Beanspruchung der Arbeitskraft vor und sind daher die Voraussetzungen des § 18a iVm § 669 Abs. 3 ASVG nicht erfüllt.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
3.5. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Die Abweisung der Beschwerde ergeht in Anlehnung an die oben zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum ASVG. Die gegenständliche Entscheidung weicht daher weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch mangelt es an derartiger Rechtsprechung; sie ist auch nicht uneinheitlich. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage liegen nicht vor.
Schlagworte
Arbeitskraft naher Angehöriger Pensionsversicherung Pflegebedarf Selbstversicherung UntersuchungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W145.2192261.1.00Im RIS seit
13.10.2020Zuletzt aktualisiert am
13.10.2020