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StVONorm
StVO 1960 §19 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden, Senatspräsidenten Dr. Porias, und die Hofräte Dr. Chamrath, Dr. Kaniak, Dr. Strau und Dr. Schmelz als Richter, im Beisein des Schriftführers, Ministerialoberkommissärs Dr. Svoboda, über die Beschwerde des DL in W gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 14. Dezember 1961, Zl. M. Abt. 70-IX/L 127/61, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Die Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Neubau, erkannte mit Straferkenntnis vom 11. November 1961 den Beschwerdeführer schuldig, am 6. August 1961 um. 16.45 Uhr in Wien VII, Siebensterngasse, als Lenker des Personenkraftwagens mit Kennzeichen W…. das vor der Kreuzung Neubaugasse aufgestellte Gefahrenzeichen „Achtung Vorrangverkehr“ nicht beachtet und in die Neubaugasse eingebogen zu sein, wodurch der Lenker eines Autobusses zum unvermittelten Abbremsen gezwungen gewesen sei. Dadurch habe er eine Verwaltungsübertretung nach § 19 Abs. 4 StVO 1960 begangen. Gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 wurde gegen den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von 200 S (Ersatzfreiheitsstrafe 48 Stunden) verhängt. In der Begründung des Straferkenntnisses führte die Behörde aus, der Tatbestand sei auf Grund der Meldung und der Zeugenaussage des anzeigenden Wachebeamten als erwiesen anzunehmen. Dem gegenüber sei den Angaben des Beschwerdeführers und seines im Wagen mitfahrenden Begleiters als Zeugen kein Glauben beigemessen worden. Der gegen dieses Straferkenntnis erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheide keine Folge.
Diesen Bescheid bekämpft der Beschwerdeführer mit der vorliegenden Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde führte in der Begründung des angefochtenen Bescheides aus, durch die Meldung und Zeugenaussage des Meldungslegers sei der Sachverhalt genügend geklärt gewesen, sodaß sich die Durchführung weiterer Beweisaufnahmen erübrige. Der Behörde lagen zwei verschiedene Aussagen zur Würdigung vor. Einerseits gaben der Beschwerdeführer und der in seinem Wagen mitgefahrene Zeuge an, der Beschwerdeführer habe die Kreuzung Siebensterngasse - Neubaugasse überquert und bereits die rechte Fahrbahn der Neubaugasse (Richtung Westbahnstraße) befahren, als sich der Autobus, dessen Haltestelle sich in der Neubaugasse vor dem Renaissancetheater befindet, erst in Richtung Josefstadt in Bewegung gesetzt habe. Der Beschwerdeführer habe erst vor der Kreuzung Westbahnstraße - Neubaugasse anhalten müssen, weil eine Passantin vor dem Autobus und dem Beschwerdeführer die Neubaugasse habe überqueren wollen. Demgegenüber gab der Meldungsleger sowohl in seiner Anzeige als auch in seiner Stellungnahme vom 7. September 1961 zu den Angaben des Beschwerdeführers und schließlich in seiner Zeugenaussage vom 30. Oktober 1961, in der er sich zu den neuerlichen Vorbringen des Beschwerdeführers und des Zeugen äußerte, an, er sei auf dem Gehsteig der Neubaugasse gegenüber der Westbahnstraße gestanden und habe gesehen, daß sich der Autobus bereits der Kreuzung Siebensterngasse - Neubaugasse genähert habe, als der Beschwerdeführer mit seinem Personenkraftwagen von der Siebensterngasse in die Neubaugasse eingebogen sei. Deswegen habe der Autobus abgebremst werden müssen. Dies habe er an den beleuchteten Stoplichtern und dem Quietschen der Bremsen bemerkt. Die belangte Behörde hatte nun zu wählen, welcher der beiden entgegengesetzten Aussagen bei der Sachverhaltsfeststellung mehr Glauben zu schenken sei. Sie maß den Aussagen des Meldungslegers einen höheren Beweiswert bei und begründete dies damit, daß für sie keine Veranlassung bestanden habe, die Glaubwürdigkeit der Wachemeldung und der Zeugenaussage des Meldungslegers, der schon auf Grund seines Diensteides zur Angabe der Wahrheit verpflichtet sei, in Zweifel zu ziehen. Außerdem müsse ihm als einem zur Wahrnehmung der Vorgänge im öffentlichen Straßenverkehr und insbesondere zur Überwachung der Einhaltung der verkehrspolizeilichen Vorschriften bestellten und geschulten Organ der Sicherheitswache zugebilligt werden, die gegenständliche Verkehrssituation richtig beobachtet und wiedergegeben zu haben. Die Behörde hat nach § 45 Abs. 2 AVG (§ 24 VStG) unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob sie eine Tatsache als erwiesen annimmt oder nicht. Sie kann auch den Angaben eines Sicherheitsorganes, des Meldungslegers, mehr Glauben beimessen als der Verantwortung des Beschuldigten und den Aussagen vernommener Zeugen; doch muß sie begründen, welche Umstände sie zu ihrem Urteil veranlaßt haben. Dies wurde aber in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausreichend dargelegt. Es kann nicht erkannt werden, daß die Beweiswürdigung auf einer unzulänglichen Sachverhaltsermittlung beruht oder gegen die Denkgesetze verstößt.
Die Beschwerde wendet auch ein, der Meldungsleger sei einem Beobachtungsirrtum unterlegen. Wenn er nämlich angegeben habe, das Aufleuchten der Stoplichter des Autobusses gesehen zu haben, dann müsse er jedenfalls hinter dem Autobus gestanden sein. Daher sei die Frau, die vor dem Autobus und vor dem Beschwerdeführer die Neubaugasse überquert habe, durch den Autobus verdeckt und demnach vom Meldungsleger nicht zu sehen gewesen. Sohin könne nicht als Begründung für die Annahme, daß die Frau die Straße nicht überquert habe, angeführt werden, daß sie vom Wachebeamten nicht gesehen worden sei. Die belangte Behörde hat aber auf Grund der Angaben des Meldungslegers als erwiesen angenommen, daß der Autobus vor der Siebensterngasse (nicht vor der Westbahnstraße) wegen des Einbiegens des Beschwerdeführers abgebremst werden mußte. Der Beschwerdeführer behauptete, die Frau habe die Neubaugasse überquert, als er schon auf der rechten Fahrbahn der Neubaugasse angelangt gewesen sei, um in die Westbahnstraße einzubiegen. Diese Frau kommt daher nicht als Grund für das Abbremsen des Autobusses in Betracht, weil dieser erst vor der Einmündung der Siebensterngasse bremsen mußte, während der Fußgängerin nach den Schilderungen des Beschwerdeführers, eben nicht bei dieser Einmündung sondern - in der Richtung Mariahilferstraße gesehen - vor dieser Einmündung über die Straße gegangen ist. Es ist denkbar, daß der Beschwerdeführer vorerst knapp vor dem Autobus in die Kreuzung Neubaugasse - Siebensterngasse eingefahren ist und dann (vor dem Einbiegen in die Westbahnstraße) wegen der überquerenden Frau anhalten mußte.
Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, die belangte Behörde hätte dem im Verwaltungsverfahren gestellten Beweisantrag auf Einvernahme des Autobuslenkers nachkommen müssen, ist darauf zu verweisen, daß sich die belangte Behörde mit diesem Antrag in der Begründung des angefochtenen Bescheides insofern auseinandergesetzt hat, als sie darlegte, der Sachverhalt sei durch die schon oben näher beschriebenen Ermittlungsergebnisse geklärt worden, sodaß sich die Durchführung weiterer Beweisaufnahmen erübrigte. Die belangte Behörde hat - wie oben schon ausgeführt wurde - begründet, warum sie den Angaben des Meldungslegers Glauben schenkte und sie in den Sachverhalt übernahm. Da dieser Sachverhalt eine ausreichende Grundlage für die Beurteilung der Frage bildete, ob eine Übertretung der Vorschrift des § 19 Abs. 4 StVO 1960 vorliege, bedurfe es keiner weiteren Sachverhaltsermittlungen.
Somit war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1952 als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 6. November 1963
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1963:1962000407.X00Im RIS seit
12.10.2020Zuletzt aktualisiert am
12.10.2020