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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Mag. Nedwed und Mag. Tolar als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des S H, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Jänner 2020, W272 2196696-1/24E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein der Volksgruppe der Paschtunen zugehöriger afghanischer Staatsangehöriger aus Kabul, reiste 2015 in das Bundesgebiet ein und stellte am 20. November 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er damit begründete, er habe für ein „Büro“ des Innenministeriums gearbeitet, das mit der ausländischen Besatzung zusammengearbeitet habe, weshalb ihn die Taliban in seiner Heimatstadt bedroht hätten.
2 Mit Bescheid vom 27. April 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, und legte eine zweiwöchige Frist für die freiwillige Ausreise fest.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) - nach Durchführung einer auf zwei Termine aufgeteilten mündlichen Verhandlung - mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 29. Jänner 2020 als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
4 Begründend führte das BVwG, das im Rahmen des zweiten Verhandlungstermins einen Sachverständigen für Afghanistan hinzuzog, aus, dass es zwar glaubhaft sei, dass der Revisionswerber für die angegebene Firma, die von Amerikanern unterstützt worden sei und Aufträge des Innenministeriums entgegengenommen habe, gearbeitet habe. Es sei dem Revisionswerber jedoch nicht gelungen, eine aktuelle Verfolgungsgefahr durch die Taliban glaubhaft zu machen.
5 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher mit Beschluss vom 8. Juni 2020, E 809/2020-7, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
6 In der vorliegenden außerordentlichen Revision wird zu ihrer Zulässigkeit vorgebracht, in den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30. August 2018 werde ausgeführt, dass Personen, die die Regierung vermeintlich unterstützen, indem sie beispielsweise für eine regierungsnahe Firma arbeiten, der Gefahr ausgesetzt seien, durch Anti-Regierungskräfte verfolgt zu werden. In den UNHCR-Richtlinien sei nicht die Rede davon, dass man eine bestimmte Position innehaben müsse, um in diese Risikogruppe zu fallen. Das BVwG habe festgestellt, dass der Revisionswerber als Vertragsbediensteter bei einer Firma gearbeitet habe, die Aufträge vom Innenministerium erhalten habe. Aus diesem Grund verstoße die Beweiswürdigung des BVwG gegen die UNHCR-Richtlinien. Die Position des Revisionswerbers sei für sich ausreichend gewesen, um von den Taliban verfolgt zu werden. Das BVwG begründe in seiner Entscheidung nicht, weshalb die Tätigkeit des Revisionswerbers als wenig exponiert aufgefasst werde. Aus diesen Gründen liege der Beweiswürdigung des BVwG ein unschlüssiger Denkvorgang zugrunde, weshalb gegen die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verstoßen worden sei.
7 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
Das BVwG stellte im vorliegenden Fall fest, dass der Revisionswerber in den Jahren 2011 bis 2013 als Vertragsbediensteter für eine Firma tätig gewesen sei, die auch Aufträge vom afghanischen Innenministerium für die Erfassung von Daten von Polizisten bekommen habe. Der Revisionswerber habe aber nicht glaubhaft machen können, deshalb vor seiner Flucht von den Taliban angegriffen oder bedroht worden zu sein.
Im Folgenden führte das BVwG unter anderem aus, aus den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30. August 2018 sei zwar erkennbar, dass Mitarbeiter von nationalen oder internationalen Organisationen bzw. Regierungsmitarbeiter einer potentiellen Gefährdung durch regierungsfeindliche Kräfte ausgesetzt seien. Jedoch nicht jede derartige Person werde durch die Taliban verfolgt. Im vorliegenden Fall sei von keiner maßgeblichen Gefährdung auszugehen, weil der Revisionswerber nur in untergeordneter Rolle bei der Datenerhebung mitgewirkt und sich nicht aktiv gegen die Taliban gewandt habe. Obwohl es in der Vergangenheit ein Leichtes gewesen wäre, ihn ausfindig zu machen, sei er nicht in das Blickfeld der Taliban geraten, weshalb auch in Zukunft keine Gefährdung zu erwarten sei.
11 Die Revision wendet sich gegen die vom BVwG vorgenommene Beweiswürdigung, vermag jedoch nicht aufzuzeigen, dass diese an einer vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Mangelhaftigkeit leidet (vgl. VwGH 5.6.2019, Ra 2019/18/0048, mwN).
12 Es trifft zunächst nicht zu, dass das BVwG nicht begründet hätte, warum es die Tätigkeit des Revisionswerbers für eine Firma, die Aufträge des Innenministeriums erfüllte, als wenig exponiert auffasste. Insoweit ist auf die oben auszugsweise wiedergegebene Begründung der angefochtenen Entscheidung zu verweisen.
13 Das BVwG hat sich darüber hinaus insgesamt mit den geltend gemachten Fluchtgründen beweiswürdigend ausführlich auseinandergesetzt. Es führte an zwei Terminen eine mündliche Verhandlung durch und zog zur Klärung der Frage, inwiefern durch die festgestellte konkrete Tätigkeit des Revisionswerbers eine Gefahr vorhanden sei, dass dieser von den Taliban verfolgt werde, einen Sachverständigen für Afghanistan hinzu. Das BVwG zog umfassend die für und gegen die Glaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens sprechenden Umstände in Betracht und bezog in seine Erwägungen ausdrücklich auch das Risikoprofil nach den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30. August 2018 ein, wonach Personen, die von den Taliban der Zusammenarbeit mit regierungsnahen Kräften oder den internationalen Streitkräften verdächtigt werden, Angriffen ausgesetzt sein können. Gleichzeitig legte das BVwG jedoch vertretbar dar, welche Gründe es dazu brachten, eine Rückkehrgefährdung im Falle des Revisionswerbers zu verneinen.
14 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 7. September 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020180278.L00Im RIS seit
02.11.2020Zuletzt aktualisiert am
02.11.2020