TE Vwgh Beschluss 2020/9/10 Ra 2020/18/0343

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Veröffentlicht am 10.09.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

BFA-VG 2014 §21 Abs7
B-VG Art133 Abs4
MRK Art3
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer, den Hofrat Dr. Sutter und die Hofrätin Dr.in Sembacher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des O T, vertreten durch Mag. Dr. Anton Karner, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Steyrergasse 103/2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Juli 2020, L503 2197091-2/8E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Georgiens, stellte am 18. September 2017 einen Antrag auf internationalen Schutz. Er gab an, mit seiner (mittlerweile verstorbenen Gattin) Georgien verlassen zu haben, da beide an einer lebensbedrohlichen Krankheit leiden würden, deren Behandlung sie sich nicht leisten könnten.

2        Mit Bescheid vom 4. Mai 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diesen Antrag zur Gänze ab (Spruchpunkte I. und II.), erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.), und stellte die Zulässigkeit der Abschiebung nach Georgien fest (Spruchpunkt V.). Überdies erkannte das BFA einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VI.).

3        Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Erkenntnis vom 5. Juni 2018 hinsichtlich Spruchpunkt I. als unbegründet ab und erklärte die Revision für nicht zulässig. Unter einem behob das BVwG mit Beschluss die Spruchpunkte II. bis V. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG und verwies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurück. Die Revision dagegen sei ebenfalls nicht zulässig.

4        Begründend führte das BVwG aus, dass dem Revisionswerber kein Asylstatus zuzuerkennen sei, da keine Hinweise auf eine asylrelevante Verfolgung bestünden. Da auf das Vorbringen des Revisionswerbers, dass er seine finanziellen Ressourcen erschöpft habe und sich keine weitere Behandlung in Georgien mehr leisten könne, vom BFA im Bescheid nicht eingegangen worden sei und der Revisionswerber an einer schweren Krankheit leide, die ohne Behandlung zum Tod führen könne, habe das BFA in Bezug auf die individuellen Behandlungschancen des Revisionswerbers die entsprechenden Ermittlungen nachzuholen.

5        Mit Bescheid vom 17. Mai 2019 wies das BFA im zweiten Rechtsgang den Antrag auf subsidiären Schutz ab (Spruchpunkt I.), erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt II.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte die Zulässigkeit der Abschiebung nach Georgien fest (Spruchpunkt III.). Überdies legte das BFA keine Frist für die freiwillige Ausreise fest (Spruchpunkt V.) und erkannte einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VI.).

6        Die dagegen erhobene Beschwerde wies das BVwG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Erkenntnis vom 15. Juli 2020 mit der Maßgabe, dass die Frist für die freiwillige Ausreise nunmehr acht Wochen betrage, als unbegründet ab und erklärte die Revision für nicht zulässig.

7        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in welcher im Wesentlichen geltend gemacht wird, dass das BVwG nicht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung hätte absehen dürfen sowie hinsichtlich der Krankenunterlagen ein unzureichendes Vorlageersuchen gestellt bzw. diese von Amts wegen beischaffen hätte müssen.

8        Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.

9        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

10       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

11       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

12       Gemäß der Rechtsprechung des EGMR hat im Allgemeinen kein Fremder ein Recht, in Österreich zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung in seinem Herkunftsstaat nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, soweit der Betroffene tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung hat. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt eine Abschiebung in den Herkunftsstaat zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Herkunftsstaat oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (vgl. EGMR 13.12.2016, Paposhvili gegen Belgien, 41738/10, Z 183; VwGH 19.12.2017, Ra 2017/18/0325).

13       Soweit die Revision einen Verstoß des BVwG gegen die Verhandlungspflicht geltend macht, ist zunächst festzuhalten, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum auch hier maßgeblichen § 21 Abs. 7 erster Fall BFA-VG ein Absehen von der mündlichen Verhandlung dann gerechtfertigt ist, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das BVwG die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (vgl. grundlegend VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017, 0018).

14       Die Revision vermag mit ihrem Zulässigkeitsvorbringen nicht aufzuzeigen, dass das BVwG von diesen Leitlinien abgewichen wäre. Fallbezogen ist nicht ersichtlich, dass der Revisionswerber in seiner Beschwerde Behauptungen aufgestellt hätte, die die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erforderlich gemacht hätten, indem er etwa den Feststellungen des BFA, insbesondere hinsichtlich der in Georgien vorhandenen Behandlungsmöglichkeiten, substantiiert entgegen getreten wäre.

15       Soweit die Revision schließlich hinsichtlich der Vorlage bzw. Beischaffung der Krankenunterlagen des Revisionswerbers Verfahrensfehler des BVwG geltend macht, ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, nach der bei Behauptung von Verfahrensmängeln deren Relevanz in konkreter Weise darzulegen ist (vgl. zB VwGH 10.9.2018, Ra 2017/19/0431, mwN). Eine solche Relevanz wird in der vorliegenden Revision vor dem Hintergrund der dargelegten Rechtsprechung des EGMR nicht konkret aufgezeigt.

16       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 10. September 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020180343.L00

Im RIS seit

02.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

02.11.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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