TE Vwgh Erkenntnis 1997/10/29 96/09/0053

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Veröffentlicht am 29.10.1997
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Index

63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;

Norm

BDG 1979 §126 Abs2;
BDG 1979 §43 Abs1;
BDG 1979 §43 Abs2;
BDG 1979 §59 Abs1;
BDG 1979 §59 Abs2;
BDG 1979 §91;
BDG 1979 §92 Abs1 Z4;
BDG 1979 §92;
BDG 1979 §95 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des WP in Klingenbach, vertreten durch Dr. Michael Subarsky, Rechtsanwalt in Wien I, Tuchlauben 14, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom 14. Dezember 1995, Zl. 82/11-DOK/95, betreffend Disziplinarstrafe der Entlassung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer versah als Zollwachebeamter im Jahr 1989 Dienst an der Grenzzollstelle Klingenbach. Er wurde mit Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt vom 22. Juni 1994, Zl. 15 Vr 1147/92, Hv 24/93, für schuldig erkannt, in der Zeit vom 12. November bis 30. Dezember 1989 zu wiederholten Malen als Zollwachebeamter der Grenzkontrollstelle Klingenbach mit dem Vorsatz, den Staat in seinem konkreten Recht auf kontrollierte Einreise ausländischer Staatsbürger in das Bundesgebiet zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch, daß er zumindest 27 Sichtvermerke für chinesische Staatsangehörige ausstellte, ohne in jedem einzelnen Fall die Identität des jeweiligen Sichtvermerkswerbers mit der im Reisepaß eingetragenen Person, dessen persönliche Verhältnisse sowie die Voraussetzungen für eine gesicherte Wiederausreise des Sichtvermerkswerbers zu prüfen, wissentlich mißbraucht zu haben.

Er wurde gemäß § 302 Abs. 1 StGB wegen Mißbrauches der Amtsgewalt schuldig erkannt.

Gemäß § 302 Abs. 1 StGB wurde über ihn eine Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr verhängt. Gemäß § 43 Abs. 1 StGB wurde die verhängte Freiheitsstrafe für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Die dagegen erhobene Nichtigkeitsbeschwerde wurde vom Obersten Gerichtshof mit Beschluß vom 12. Jänner 1995, GZ 15 Os 154/94, zurückgewiesen.

Mit Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 4. April 1995, GZ 18 BS 77/95, wurde die Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen. Damit erwuchs das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt vom 22. Juni 1994 in Rechtskraft.

Das Landesgericht Eisenstadt nahm folgenden Sachverhalt als erwiesen an:

"Grundsätzlich war im Jahre 1989 die Ausstellung eines Einreisesichtvermerkes im Sinne des Paßgesetzes außer durch österreichische Vertretungsbehörden im Ausland auch durch eine hiezu ermächtigte Grenzkontrollstelle möglich.

Grenzkontrollvermerke durften laut einem Erlaß des Bundesministeriums für Inneres vom 28. Dezember 1970, Zahl 106000-24/70, nur dann ausgestellt werden, wenn anläßlich einer Grenzkontrolle festgestellt wurde, daß ein Fremder einen Sichtvermerk benötigt und bereit ist, diesen zu beantragen. In einem solchen Falle war ihm zur eigenhändigen Ausfüllung ein Antragsformular auszuhändigen, wobei das Kontrollorgan im Falle des Auftretens von Schwierigkeiten bei der Ausfüllung des Formulars behilflich zu sein hatte. Vor der Erteilung eines Sichtvermerkes war zu prüfen, ob nicht allenfalls ein Sichtvermerksversagungsgrund im Sinne des § 25 Abs. 3 lit. b bis f Paßgesetz vorliegt und verneinendenfalls, ob die Voraussetzungen für eine positive Ermessensentscheidung gegeben sind. Ein Sichtvermerksversagungsgrund lag und liegt auch derzeit vor allem dann vor, wenn die Wiederausreise des Fremden in rechtlicher und materieller Weise, vor allem auch in finanzieller Hinsicht, nicht gesichert ist.

Gemäß § 25 Abs. 4 lit. c Paßgesetz war und ist der Sichtvermerkswerber verpflichtet, den Nachweis über den Besitz der für den Aufenthalt im Bundesgebiet und der Wiederausreise erforderlichen Mittel zu erbringen, wobei mit Ausnahme der Fälle zwingender humanitärer Gründe (Besuch kranker Angehöriger, Begräbnisse etc.) die Behörden einen strengen Maßstab anzulegen haben.

Nur wenn kein Sichtvermerksversagungsgrund vorlag, konnte die Grenzkontrollstelle in Ausübung des für sie eingeräumten freien Ermessens entscheiden, ob der begehrte Einreisesichtvermerk zu erteilen ist, wobei die Behörde jedoch gemäß § 25 Abs. 2 Paßgesetz in Ausübung des freien Ermessens sowohl auf die persönlichen Verhältnisse des Sichtvermerkswerbers als auch auf die öffentlichen Interessen, insbesondere auf die wirtschaftlichen und kulturellen Belange, auf die Lage des Arbeitsmarktes und auf die Volksgesundheit Bedacht zu nehmen hatte bzw. hat.

Gemäß dem zitierten Erlaß ist daher die Sichtvermerkserteilung an einen Fremden zu versagen, der erklärt, Österreich als Tourist besuchen zu wollen, wenn aufgrund seiner persönlichen Verhältnisse (Beruf, finanzielle Möglichkeiten u.a.) angenommen werden muß, daß er versuchen wird, in Österreich eine Beschäftigung aufzunehmen.

...

Obwohl er in Kenntnis dieser fremdenrechtlichen Gesetzbestimmungen und der darauf beruhenden Verordnungen bzw. Erlässe zum Zwecke der Regelung einer kontrollierten Einreise ausländischer Staatsangehöriger auf österreichischem Bundesgebiet war, stellte der Angeklagte WP Ende Juni des Jahres 1989 mindestens 27 Grenzsichtvermerke an chinesische Staatsangehörige aus, ohne jeweils das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung solcher Bewilligungen zu überprüfen

...

Die angeführten Vorschriften mißachtete WP wissentlich, indem er an den Ausstellungstagen sich jeweils von Angehörigen einer chinesischen Schlepperbande mehrere chinesische Reisepässe, lautend jeweils auf die angeführten Personen, samt den notwendigen Stempelmarken vorlegen ließ, und sodann in die Reisepapiere die Eintragung der Sichtvermerke vornahm, ohne in jedem einzelnen Fall persönlich mit den einreisewilligen Fremden Kontakt aufzunehmen, ohne die Identität des jeweiligen Sichtvermerkswerbers mit der im Reisepaß eingetragenen Person zu überprüfen und ohne zu erforschen, ob allenfalls ein Sichtvermerksversagungsgrund vorliegt. Insbesondere unterließ er es auch zu erheben, ob die Einreisewerber mit den für den Aufenthalt auf österreichischem Bundesgebiet und für die Wiederausreise erforderlichen Geldbeträge ausgestattet waren und ob Grund für die Annahme bestand, sie würden trachten, im Inland eine Beschäftigung anzunehmen. Sämtliche der genannten Antragsteller reisten sodann in Begleitung eines oder mehrerer Mitglieder der Schlepperbande mit Kraftfahrzeugen über den Grenzübergang Klingenbach auf österreichisches Bundesgebiet ein, wobei jeweils auch beim Grenzübertritt keine gesonderte Überprüfung der einzelnen Reisenden erfolgte.

Tatsächlich konnten 7 der solcherart eingereisten Personen noch im Jahre 1993 von Beamten der burgenländischen Sicherheitsdirektion auf österreichischem Staatsgebiet ausgeforscht werden, wobei sie allesamt als Koch bzw. Kellner in Chinarestaurants beschäftigt waren.

Für diese von ihm bewußt pflichtwidrig und daher im Mißbrauch seiner Befugnisse ausgestellten Sichtvermerke nahm WP jeweils Geldzuwendungen in nicht näher bestimmbarem Ausmaß entgegen, welche ihm von Angehörigen der Schlepperorganisation für die inkriminierte Vorgangsweise ausbezahlt wurden. Er hielt es dabei stets zumindest ernsthaft für möglich und fand sich damit ab, der Republik Österreich auf solche Art an ihrem konkreten Recht auf kontrollierte Einreise ausländischer Staatsangehöriger bzw. deren Zurückweisung im Falle des Vorliegens eines Sichtvermerksversagungsgrundes schädigen werde."

Die Verantwortung des Beschwerdeführers in der Hauptverhandlung vom 22. Juni 1994 wertete das Gericht als reine Schutzbehauptung.

Das Landesgericht Eisenstadt setzte fort:

"Selbst wenn ihm von den Kontaktpersonen nennenswerte Geldbeträge vorgewiesen worden sein sollen, konnte er nicht zum Schluß, diese finanziellen Mittel stünden den Einreisewerbern zur Verfügung, berechtigt sein, was der Angeklagte WP aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung zweifellos erkannte. Ebensowenig kann der Umstand, daß er die Visaanträge ordnungsgemäß ablegte, seiner Entlastung dienen. Aus einem Beiseiteschaffen dieser Anträge hätte er nämlich nichts gewinnen können, weil seine Unterschrift schließlich auch in den jeweiligen Reisedokumenten aufscheint und die Verbringung der bezugshabenden Unterlagen ihn jedenfalls in das Licht krimineller Machenschaften gesetzt hätte.

Jedem vernunftbegabten Beamten wäre die vom Angeklagten WP gewählte Vorgangsweise zumindest in hohem Grade bedenklich erschienen, warum dies nun beim Genannten - der schließlich zugab, daß er die erwähnten Gesetzesbestimmungen und den darauf fußenden Erlaß vom 28.12.1970 mißachtete und der naturgemäß in Kenntnis dieser Anordnungen war - anders sein sollte, ist nicht ersichtlich. Aus eben diesem Wissen um die Rechtslage ergibt sich zwingend, daß WP bewußt seine Befugnisse mißbrauchte, jede andere Deutung der gegebenen Umstände wäre lebensfremd, dies auch im Hinblick darauf, daß er nicht davor zurückscheute, für die rechtswidrigen Amtshandlungen Geldbeträge entgegenzunehmen.

Gewinnen läßt sich für den Angeklagten auch nichts, wenn er behauptet, er habe die Begehung eines Amtsmißbrauches nicht notwendig gehabt, weil zu den fraglichen Zeiten seine finanziellen Verhältnisse geordnet gewesen seien, zumal das Motiv für eine solche Straftat nicht unbedingt in einer drückenden wirtschaftlichen Situation des Täters liegen muß. Daß WP für die inkriminierten Amtshandlungen Geldzuwendungen in Empfang nahm, ergibt sich klar aus seiner eigenen Verantwortung und den Angaben der genannten Zeugin. Im übrigen wäre es lebensfremd, anzunehmen, ein Beamter setze sich durch Malversationen der beschriebenen Art der Gefahr dienstaufsichtsbehördlicher Konsequenzen und der strafgerichtlichen Verfolgung aus, ohne hiefür persönliche Vorteile zu erzielen."

Die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen führte eine mündliche Verhandlung durch, in der der Beschwerdeführer seine bisherige Verantwortung bezüglich der erhaltenen Beträge reduzierte, indem er nunmehr behauptete, es seien ihm nur sehr kleine Geldbeträge (z.B., wenn S 780,-- an Stempelmarken zu zahlen waren, habe er nur die Differenz auf S 800,-- behalten) zugeflossen. Zudem behauptete er, er habe Fahndungsanfragen gestellt.

Mit dem Disziplinarerkenntnis vom 20. Juni 1995 erkannte die Behörde erster Instanz den Beschwerdeführer schuldig, er habe dadurch, daß er vorsätzlich als Zollwachebeamter des Grenzzollamtes Klingenbach in der Zeit vom 12. November bis 30. November 1989 zu wiederholten Malen - zumindest 27 - Sichtvermerke für chinesische Staatsangehörige gegen Entgelt ausgestellt habe, ohne in jedem einzelnen Fall die Identität des Sichtvermerkswerber mit der im Paß eingetragenen Person, dessen persönliche Verhältnisse sowie die Voraussetzungen für eine gesicherte Wiederausreise des Sichtvermerkswerbers zu überprüfen, den Bestimmungen des § 43 Abs. 1 und 2 Beamtendienstrechtsgesetz 1979 (BDG) sowie des § 59 Abs. 1 BDG zuwidergehandelt und damit eine Dienstpflichtverletzung gemäß § 91 BDG begangen. Gemäß § 92 Abs. 1 Z. 4 BDG werde die Disziplinarstrafe der Entlassung ausgesprochen. Die Behörde erster Instanz begründete den Bescheid unter anderem damit, daß sie gemäß § 95 Abs. 2 BDG an die dem Spruch eines rechtskräftigen Urteils zugrundegelegte Tatsachenentscheidung eines Strafgerichtes gebunden sei. Die Behörde erster Instanz bejahte das Bestehen eines "disziplinären Überhanges" im Sinne des § 95 Abs. 1 BDG. Sie ging von einer Zuwendung von "nur einigen 1.000 Schillinge für die gesetzwidrige Ausstellung der Sichtvermerke" gemäß der gerichtlichen Sachverhaltsfeststellung aus. Das Funktionieren der gesetzlichen Regelung des Aufenthalts von Ausländern im Inland hänge davon ab, wie korrekt die jeweiligen Gesetze von den die Grenzkontrolle durchführenden Zollbeamten gehandhabt würden. Der Beschwerdeführer habe die Rechtsvorschriften "gröblichst mißachtet" und durch sein Verhalten bewirkt, daß Sichtvermerke an chinesische Staatsbürger zu Unrecht ausgestellt worden seien. Diese Vorgangsweise sei als ein "so schweres Vergehen zu qualifizieren, daß ein Verbleiben des Beschuldigten in der Zollwachabteilung nicht vertretbar" sei. Sein unauffälliges dienstliches Verhalten vor und nach den Tatzeiten sei ohne Relevanz.

Der dagegen erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge. Die belangte Behörde ging ebenfalls vom Vorliegen eines "disziplinären Überhanges" im Sinne des § 95 Abs. 1 BDG aus, zumal das Strafgericht nur auf den strafrechtlichen Tatbestand Bedacht zu nehmen gehabt habe und den Gesichtspunkten, die den vom Beschuldigten begangenen Verfehlungen aus disziplinärer Sicht ihr besonderes Gewicht verleiten, nicht Rechnung zu tragen gehabt habe. Im Hinblick auf die Schwere der Verfehlungen und deren Auswirkungen auf die dienstrechtlichen Belange, die sich in einer wesentlichen Beeinträchtigung des in den Beschuldigten gesetzten Vertrauens äußerten, sprächen sowohl spezial- als auch generalpräventive Erwägungen für die Verhängung einer zusätzlichen Disziplinarstrafe. Die belangte Behörde führte aus, der Beschwerdeführer habe in der mündlichen Verhandlung vor der Disziplinaroberkommission im Hinblick auf seine erstinstanzliche Verantwortung selbst nicht mehr angeben können, ob das "Nachschauen im Fahndungsbuch" in einem Buch oder auf einem Terminal erfolgt sei. Das Mitführen der erforderlichen Geldmittel der Chinesen habe er erst nach Erteilung der Sichtvermerke überprüft. Die Verantwortung, der Beschwerdeführer habe geglaubt, die Einreisewilligen würden sich nur für kurze Zeit zu einem Einkauf in Österreich aufhalten, sei durch die von ihm ausgestellten Sichtvermerke widerlegt, weil darin durchwegs als Reisegrund "Durchreise" oder "Familienbesuch bzw. Urlaub in Wien" angegeben sei.

Daß der Beschwerdeführer von Angehörigen der Schlepperorganisation für die inkriminierte Vorgangsweise wiederholt Geldzuwendungen erhalten habe, sei vom Strafgericht bindend festgestellt worden. Die Höhe der erhaltenen Beträge sei hiebei nicht von entscheidender Bedeutung. Es handle sich nach herrschender Lehre und Rechtsprechung jedenfalls nicht um landes- oder ortsübliche Aufmerksamkeiten von geringem Wert im Sinne des § 59 Abs. 2 BDG. Die belangte Behörde wies darauf hin, daß der Beschwerdeführer in der mit ihm aufgenommenen Niederschrift vom 1. April 1993 angegeben habe, er habe ohne Verlangen "Trinkgeld" in der Form erhalten, daß die zu bezahlenden Beträge auf eine runde Summe aufgerundet worden seien. Habe die Summe z.B. S 4.700,-- ausgemacht, seien ihm S 6.000,-- übergeben worden und er habe diese auch angenommen. Nach allgemeiner Lebenserfahrung entspreche die zeitlich früher gemachte Aussage eher der Wahrheit, weshalb die folgenden abschwächenden Aussagen des Beschwerdeführers eine Schutzbehauptung seien. Des weiteren wies die belangte Behörde auf die Bindungswirkung gemäß § 95 Abs. 2 BDG hin und gab die wesentlichen Ausführungen des Urteils des Landesgerichtes Eisenstadt zur Tatsachenfeststellung wieder.

Die belangte Behörde führte zur Beurteilung der Schwere der begangenen Dienstpflichtverletzungen und in der Frage der Strafbemessung aus, daß ein langjährig erfahrener Zollwachebeamter, der Schlepperorganisationen und der Erschleichung von Einreisebewilligungen Vorschub leiste, damit gerade jene Rechtsgüter verletze, zu deren Schutz er nach den Gesetzen dieses Staates berufen sei. Damit zeige er ein bedenkliches charakterliches und moralisches Versagen und ein unwürdiges Verhalten, durch das er nicht nur sein eigenes Ansehen, sondern auch das der Beamten im allgemeinen und seines Wachkörpers im besonderen herabsetze. Wegen dieses außerordentlich schweren Ansehens- und Vertrauensverlustes könne daher eine weitere Tragbarkeit des Beschuldigten für einen geordneten Dienstbetrieb nicht mehr angenommen werden. Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen könne das vom Beschuldigten ins Treffen geführte (seinerzeitige und derzeitige) Wohlverhalten den eingetretenen schweren Vertrauensverlust nicht aufheben oder soweit mindern, daß von der Disziplinarstrafe der Entlassung abzusehen wäre. Daß der Beschwerdeführer nicht suspendiert worden sei und weiter an einer anderen Dienststelle Dienst versehe, entfalte keine Bindungswirkung für den im Disziplinarerkenntnis nach § 126 Abs. 2 BDG aufzunehmenden Strafausspruch.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 43 Abs. 2 BDG lautet:

"Der Beamte hat in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, daß das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt."

§ 59 BDG lautet:

"(1) Den Beamten ist es untersagt, im Hinblick auf seine amtliche Stellung für sich oder einen Dritten ein Geschenk, einen anderen Vermögensvorteil oder einen sonstigen Vorteil zu fordern, anzunehmen oder sich versprechen zu lassen.

(2) Orts- oder landesübliche Aufmerksamkeiten von geringem Wert gelten nicht als Geschenk im Sinne des Abs. 1.

(3) Ehrengeschenke darf der Beamte entgegennehmen. Er hat seine Dienstbehörde hievon in Kenntnis zu setzen. Untersagt die Dienstbehörde innerhalb eines Monats die Annahme, so ist das Ehrengeschenk zurückzugeben."

§ 91 BDG lautet:

"Der Beamte, der schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt, ist nach diesem Abschnitt zur Verantwortung zu ziehen."

§ 92 Abs. 1 BDG lautet:

"Disziplinarstrafen sind

1.

der Verweis,

2.

die Geldbuße bis zur Höhe eines halben Monatsbezuges unter Ausschluß der Kinderzulage,

              3.              die Geldstrafe bis zur Höhe von fünf Monatsbezügen unter Ausschluß der Kinderzulage,

              4.              die Entlassung."

§ 95 BDG lautet:

"(1) Wurde der Beamte wegen einer gerichtlich oder verwaltungsbehördlich strafbaren Handlung rechtskräftig verurteilt und erschöpft sich die Dienstpflichtverletzung in der Verwirklichung des strafbaren Tatbestandes, so ist von der Verfolgung abzusehen, wenn anzunehmen ist, daß die Verhängung einer Disziplinarstrafe nicht erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten.

(2) Die Disziplinarbehörde ist an die dem Spruch eines rechtskräftigen Urteils zugrunde gelegte Tatsachenfeststellung eines Strafgerichtes (Straferkenntnis eines unabhängigen Verwaltungssenates) gebunden. Sie darf auch nicht eine Tatsache als erwiesen annehmen, die das Gericht (der unabhängige Verwaltungssenat) als nicht erweisbar angenommen hat.

(3) Wird von der Verfolgung nicht abgesehen, dann ist, wenn sich eine strafgerichtliche oder verwaltungsbehördliche Verurteilung auf denselben Sachverhalt bezieht, eine Strafe nur auszusprechen, wenn und soweit dies zusätzlich erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten."

Insoferne der Beschwerdeführer der belangten Behörde Aktenwidrigkeit vorwirft, weil sie davon ausgegangen sei, daß der Beschwerdeführer nach der gerichtlichen Sachverhaltsdarstellung nur einige 1.000 Schilling für die gesetzwidrige Ausstellung der Sichtvermerke bekommen habe (angefochtener Bescheid, Seite 7, vierter Absatz) und hiezu auch kein Parteiengehör gewährt habe, übersieht der Beschwerdeführer, daß es sich hiebei bloß um die Wiedergabe der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides und nicht um die Begründung der belangten Behörde handelt, weshalb die Ausführungen des Beschwerdeführers ins Leere gehen.

Insofern der Beschwerdeführer als Begründungsmangel rügt, die belangte Behörde sei nicht "im Detail" darauf eingegangen, warum das ins Treffen geführte seinerzeitige und derzeitige Wohlverhalten den eingetretenen schweren Vertrauensverlust nicht aufheben könne, verkennt der Beschwerdeführer, daß die belangte Behörde ausdrücklich die objektive Schwere der Dienstpflichtverletzungen des Beschwerdeführers hervorgehoben hat. Zudem kann ein Wohlverhalten des Beschwerdeführers, aber auch eine günstige Zukunftsprognose im vorliegenden Fall nicht den eingetretenen schweren Vertrauensverlust aufheben (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom 8. Februar 1996, Zl. 95/09/0032).

Der Beschwerdeführer ist des weiteren der Meinung, es käme entscheidend auf die Ermittlung der Höhe der ihm zugekommenen Geldbeträge an. Es seien keine Beweisergebnisse im Disziplinarverfahren zutage getreten, die auf die Höhe der entgegengenommenen Geldbeträge schließen ließen. Auch im Gerichtsverfahren sei die Höhe der Geldzuwendungen nicht hervorgekommen, sondern nur der Umstand, daß der Beschwerdeführer für rechtswidrige Amtshandlungen Geldbeträge entgegengenommen habe.

Einerseits übersieht der Beschwerdeführer die Begründung der belangten Behörde, wonach frühere Aussagen eher der Wahrheit entsprächen als spätere Aussagen, und der Beschwerdeführer niederschriftlich am 1. April 1993 als Beispiel die Annahme von S 1.300,-- angegeben habe (gegen diese schlüssigen Ausführungen der belangten Behörde wendet er nichts ein), andererseits aber, daß die Annahme von Geldleistungen selbst geringen Ausmaßes ("Trinkgeld") zur Durchführung einer (gleichgültig ob rechtmäßigen oder rechtswidrigen) Amtshandlung keine orts- oder landesübliche Aufmerksamkeiten (§ 59 Abs. 2 BDG) sind. Daher ist eine ziffernmäßige Feststellung der Höhe der für die Ausstellung von Sichtvermerken vom Beschwerdeführer angenommenen Geldbeträge für die Annahme des Vorliegens von Dienstpflichtverletzungen nach § 59 Abs. 1 BDG 1979 nicht erheblich.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Annahme eines disziplinären Überhanges, wobei er seine Argumentation in nicht nachvollziehbarer Weise mit der rechtlichen Qualifikation eines Erlasses als "lex specialis" vermengt.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgeführt hat, wird - soweit eine Ahndung des Verhaltens gemäß § 43 Abs. 2 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 in Betracht kommt - ein "disziplinärer Überhang" immer vorliegen, weil diese Bestimmung des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 auf einen spezifisch dienstrechtlichen Aspekt abstellt, der von keinem Tatbestand eines anderen Strafrechtsbereiches wahrgenommen wird (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 18. Oktober 1989, Zl. 86/09/0178, und die dort angeführte Vorjudikatur, sowie vom 18. November 1993, Zlen. 93/09/0320 und 93/09/0361).

Eine andere Auffassung hätte im übrigen die zweifellos vom Gesetzgeber nicht beabsichtigte Folge, daß im Falle einer entsprechenden gerichtlichen Bestrafung des Beamten eine Auflösung von dessen öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis trotz gegebener Untragbarkeit nicht zulässig wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. November 1993, Zl. 93/09/0320).

Die belangte Behörde ist daher zu Recht vom Vorliegen eines "disziplinären Überhanges" im konkreten Fall ausgegangen.

Soweit der Beschwerdeführer meint, er hätte nur weisungswidriges Verhalten wegen des Verstoßes gegen "B.1.c. der Richtlinien für die Erteilung von Sichtvermerken im Erlaß des Bundesministeriums für Inneres vom 28. Dezember 1970, Zl. 106000-24/70 (243 erster Absatz/II)" zu verantworten, verkennt er, daß er für dieses Verhalten auch einen Vermögensvorteil angenommen hat. Dieses Verhalten wurde von der belangten Behörde daher zu Recht nach § 43 Abs. 1 und 2 BDG 1979 qualifiziert. Der Hinweis des Beschwerdeführers auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. März 1991, Zl. 91/09/0002, ZfVB 1992/94, geht ins Leere, da in diesem Erkenntnis eine ausschließlich unter eine andere Norm des BDG zu subsumierende Dienstpflichtverletzung vorlag und aus diesem Grund die subsidiär anzuwendende "Wohlverhaltensklausel" des § 43 Abs. 1 BDG ausschied.

Des weiteren wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Annahme des Vertrauensverlustes mit dem Argument, die belangte Behörde sei nicht auf seine konkrete Person eingegangen. Ein verwerfliches Motiv sei ihm nicht vorgeworfen worden. Es bestehe der dringende Verdacht, die Behörde wolle ihn, der nach einem schweren Unfall gesundheitlich angeschlagen sei, loswerden.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 29. September 1992, Zl. 92/09/0025, und vom 11. April 1996, Zl. 95/09/0050) ausgesprochen hat, ist die Disziplinarstrafe der Entlassung keine Strafe, die der Sicherung der Gesellschaft, der Resozialisierung des Täters oder gar der Vergeltung dient, sondern eine dienstrechtliche Maßnahme zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes. Im Vordergrund steht dabei die Frage des durch die Verfehlung eingetretenen Vertrauensverlustes. Die Gründe für eine solche Unvereinbarkeit lassen sich nur den Anforderungen entnehmen, die das Dienstrecht an einen Beamten stellt. Wird dieser überhaupt nicht mehr der Achtung und dem Vertrauen gerecht, das seine Stellung als Beamter fordert, hat er das Vertrauensverhältnis zwischen sich und der Verwaltung zerstört, dann kann er auch nicht mehr im Dienst verbleiben. Ist das gegenseitige Vertrauensverhältnis zerstört, fehlt es an der Grundlage für weitere Differenzierungen und Ermessenserwägungen. Verträgt die Funktion der staatlichen Verwaltung die Weiterbeschäftigung eines Beamten nicht mehr, dann auch nicht teilweise. Hier geht es nicht, wie beim Strafrecht, um die Wiedereingliederung in die soziale Gemeinschaft, sondern um die weitere Tragbarkeit in einem besonderen Dienstverhältnis (vgl. zu diesen Ausführungen und insbesondere zum sogenannten "Untragbarkeitsgrundsatz" das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Februar 1991, Zl. 90/09/0191, mit zahlreichen Beispielen aus der Vorjudikatur). Gerade der Exekutivdienst erfordert ein ungetrübtes Vertrauensverhältnis zwischen der Verwaltung und dem Beamten (vgl. in dieser Hinsicht beispielsweise die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. Mai 1990, Zl. 86/09/0200, vom 19. Dezember 1996, Zl. 96/09/0153, und vom 7. Mai 1997, Zl. 95/09/0045).

Es kann kein Zweifel aufkommen, daß gerade das Funktionieren der gesetzlichen Regelung des Aufenthaltes von Ausländern im Inland davon abhängt, wie korrekt die den Aufenthalt der Ausländer im Inland regelnden Gesetze von den die Grenzkontrolle durchführenden Zollwachebeamten gehandhabt werden. Ein Zollwachebeamter, der dem Schlepperwesen Vorschub leistet, verletzt seine unmittelbaren Dienstpflichten, mißachtet er doch gerade jene Rechtsgüter, zu deren Schutz er nach den Gesetzen dieses Staates berufen ist. Der belangten Behörde ist beizupflichten, daß der Beschwerdeführer mit seinem Verhalten ein bedenkliches charakterliches und moralisches Versagen und ein unwürdiges Verhalten gezeigt hat, durch das er nicht nur sein eigenes Ansehen, sondern auch das der Beamtenschaft im allgemeinen und seines Exekutivkörpers im besonderen in einem Ausmaß herabgesetzt hat. Dies mußte die Fortsetzung des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses als unzumutbar erscheinen lassen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 1995, Zl. 93/09/0418). Daß in einem derartigen Fall ein Wohlverhalten bis und nach den Verfehlungen nicht geeignet ist, den eingetretenen schweren Vertrauensverlust aufzuheben, wurde bereits bei den Ausführungen zum behaupteten Begründungsmangel behandelt. Es war nicht notwendig, daß dem Beschwerdeführer noch ein spezifisches, besonders verwerfliches Motiv hätte vorgeworfen werden können. Daran kann auch die Ernennung zum Fachoberinspektor vom 11. Oktober 1995 nichts ändern.

Im gegenständlichen Fall kommt noch hinzu, daß der Beschwerdeführer Geld angenommen hat. Da die Unbestechlichkeit eines Beamten zu den unabdingbaren Voraussetzungen für eine geordnete Amtstätigkeit und für das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben gehört, hat die belangte Behörde dies zu Recht in die Strafbemessung als erschwerend und die "Untragbarkeit" des Beschwerdeführers stützend miteinbezogen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996090053.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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