TE Vwgh Beschluss 2020/9/14 Ra 2020/18/0337

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.09.2020
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin und die Hofräte Mag. Nedwed und Mag. Tolar als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des A A, vertreten durch Dr. Martin Dellasega & Dr. Max Kapferer, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Mai 2020, L519 2132944-1/23E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein irakischer Staatsangehöriger, stellte am 13. Juni 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Er gab an, aufgrund seines Berufs als Damenfriseur sowie aufgrund des Vorwurfs, mit dem Militär zu sympathisieren, von der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) Drohbriefe erhalten zu haben und aus diesem Grund geflüchtet zu sein.

2        Mit Bescheid vom 4. August 2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diesen Antrag zur Gänze ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte die Zulässigkeit der Abschiebung in den Irak fest und legte eine 14-tägige Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3        Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis ab. Das BVwG erklärte die Revision für nicht zulässig.

4        Begründend führte das BVwG zusammengefasst aus, das Vorbringen des Revisionswerbers zu seinen Fluchtgründen sei - wie im Einzelnen dargelegt wird - widersprüchlich und insgesamt unglaubhaft, sodass es ihm nicht gelungen sei, eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen darzulegen. Hinsichtlich der Nichtgewährung subsidiären Schutzes legte das BVwG, ohne die immer noch instabile, sich allerdings stabilisierende Sicherheitslage in Mossul verkennen zu wollen, dar, dass dem Revisionswerber eine Rückkehr nach Mossul bei hinreichender Existenzgrundlage möglich sei, da der Revisionswerber mobil, gesund und arbeitsfähig sei sowie vor Ort über familiäre Anknüpfungspunkte verfüge. Die Rückkehrentscheidung erklärte das BVwG nach Durchführung einer Interessenabwägung für zulässig.

5        Mit Beschluss vom 26. Juni 2020, E 2116/2020-5, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis gerichteten Beschwerde ab und trat diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

6        In der vorliegenden außerordentlichen Revision wird im Wesentlichen die Beweiswürdigung des BVwG sowie die unzureichende Berücksichtigung von aktuellen Länderberichten und der COVID-19-Pandemie gerügt.

7        Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.

8        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

9        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

10       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11       Soweit sich die Revision gegen die Beweiswürdigung des BVwG wendet, wird zwar behauptet, dass das BVwG diese in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen habe (zum diesbezüglichen Maßstab für das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vgl. VwGH 3.3.2020, Ra 2019/18/0447, mwN). Allerdings werden dafür in der Folge keinerlei stichhaltige Argumente vorgebracht. Der einzige näher präzisierte Vorwurf, die Beweiswürdigung beschränke sich fast ausschließlich auf das Zitieren vorgeformter, formelhafter Textbausteine, denen jeglicher Begründungswert fehle, trifft unter Bedachtnahme auf die Begründung des angefochtenen Erkenntnisses, die im Einzelnen ausführt, weshalb dem Fluchtvorbringen des Revisionswerbers kein Glauben geschenkt werde (S. 59 bis 63 des angefochtenen Erkenntnisses), nicht zu.

12       Das Vorbringen, der Revisionswerber sei aufgrund seines langen Aufenthalts in Europa und seiner Annahme einer liberal-westlichen Lebenseinstellung bei Rückkehr mit dem Tode bedroht, wurde weder im Verfahren vor dem BFA noch im Beschwerdeverfahren erstattet. Somit steht schon das im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof geltende Neuerungsverbot (§ 41 VwGG) der Berücksichtigung dieses Vorbringens entgegen.

13       Dem Vorwurf der mangelnden Berücksichtigung von (aktuellen) Länderberichten im Hinblick auf eine behauptete Gefahr für sunnitische Araber im Falle einer Rückkehr in den Irak ist zu entgegnen, dass das BVwG ausführlich begründet hat, weshalb es davon ausging, dass der Revisionswerber nicht der Gefahr einer Verfolgung als Angehöriger dieser Volksgruppe ausgesetzt sein werde. Das BVwG stützte sich dabei auf Länderberichte auf dem Stand vom 30. Oktober 2019. Die Revision legt nicht konkret dar, aufgrund welcher späterer Entwicklungen bzw. Berichte das BVwG zum Ergebnis hätte kommen müssen, dass dem Revisionswerber allein wegen der Zugehörigkeit zur genannten Volksgruppe in seiner Herkunftsstadt Mossul eine asylrelevante (Gruppen-)Verfolgung drohen würde. Somit fehlt es an der - zur Geltendmachung einer Rechtsfrage von grundlegender Bedeutung geforderten (vgl. VwGH 18.2.2020, Ra 2020/18/0032, mwN) - Darlegung der Relevanz eines allfälligen Verfahrensmangels im Hinblick auf die Verwendung von nicht mehr aktuellen Länderberichten.

14       Auch soweit die Revision vorbringt, dass sich das BVwG unzureichend mit den aktuellen Entwicklungen aufgrund der COVID-19-Pandemie im Irak auseinandergesetzt habe, ist auf die soeben zitierte Rechtsprechung zur Notwendigkeit der Darlegung der Relevanz bei behaupteten Verfahrensfehlern zu verweisen. Die Revision - die sich nicht gegen die Feststellungen des BVwG zum Revisionswerber und seinen im Irak verbliebenen Familienangehörigen wendet - vermag mit ihrem pauschal gehaltenen Vorbringen kein „real risk“, das die Gewährung subsidiären Schutzes rechtfertigen würde, darzulegen. Die Revision behauptet zwar unbelegt, der Revisionswerber werde „in ein Land in absolutem Lockdown“ zurückkehren und sich in einer aussichtslosen Lage wiederfinden, geht aber auf die gegenteiligen Erwägungen des BVwG, die insbesondere auch von einer Unterstützung des Revisionswerbers durch seine in der Herkunftsregion lebenden Familienangehörigen ausgehen, mit keinem Wort ein.

15       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 14. September 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020180337.L00

Im RIS seit

02.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

02.11.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten