TE Lvwg Erkenntnis 2020/8/10 LVwG-AV-753/001-2020

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.08.2020
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Entscheidungsdatum

10.08.2020

Norm

BAO §92 Abs1
BAO §93 Abs2
BAO §96
BAO §198 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch MMag. Kammerhofer als Einzelrichter über die Beschwerde des A vom 3. Juli 2020 gegen den Bescheid des Vorstandes des Gemeindeverbandes für Umweltschutz und Abgabeneinhebung im Bezirk *** vom 4. Juni 2020, mit welchem eine Berufung vom 11. Juni 2019 gegen eine als „Lastschriftanzeige/Rechnung“ bezeichnete Erledigung des Obmannes des Gemeindeverbandes für Umweltschutz und Abgabeneinhebung im Bezirk *** vom 15. Mai 2019 als unbegründet abgewiesen wurde zu Recht:

1.   Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass die Berufung vom 11. Juni 2019 als unzulässig eingebracht zurückgewiesen wird.

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

Rechtsgrundlagen:

§ 260 Abs. 1 lit. a Bundesabgabenordnung – BAO

§ 279 Bundesabgabenordnung – BAO

§ 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG

Entscheidungsgründe:

1.   Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:

Mit als „Lastschriftanzeige/Rechnung“ bezeichneter, automationsunterstützt erstellter Erledigung des Obmannes des Gemeindeverbandes für Umweltschutz und Abgabeneinhebung im Bezirk *** vom 15. Mai 2019, adressiert an B und A, wurde für die Liegenschaft *** in *** ein Vorschreibungsbetrag von € 744,08 für eine Wasserbezugsgebühr sowie eine Wasserbereitstellungsgebühr ausgewiesen.

Darin enthalten war eine „Abrechnung“ der Wasserbezugsgebühr für den Zeitraum 21. März 2018 bis 11. April 2019 über einen Betrag von € 753,45. In der Spalte „Bezeichnung“ war angeführt: Ablesung 1.227 m³, Verbrauch 656 m³ x Wasserbezugsgeb. 1,50 + 10 % Ust = 1.082,40. Gesamt 1.082,40, abzüglich bisheriges Akonto 328,95. Neues Akonto: 255,68.

Weiters enthalten war eine „Wasserbereitstellungsgebühr“ für den Zeitraum 1. April 2019 bis 30. Juni 2019 für einen Wasserzähler 3 m³/h in der Höhe von € 20,63.

Auf der Rückseite dieser Erledigung fanden sich mehrere Hinweise zu Lastschriftanzeige, Mahnung, Mahngebühr/Säumniszuschlag, Wasserbezugsgebühr/Bereitstellungsgebühr sowie ein Hinweis und eine Rechtsmittelbelehrung. Bei Wasserbezugsgebühr/Bereitstellungsgebühr war angeführt: „Bei Vorschreibung der jährlichen Wasserbezugsgebühr sowie der Bereitstellungsgebühr nach den Bestimmungen des NÖ Gemeindewasserleitungsgesetz, LGBl. 6930 (§§ 9, 10 und 11) und der Wasserabgabenordnung der Gemeinde gilt die Vorschreibung als Abgabenbescheid“.

Mit Schriftsatz vom 11. Juni 2019 erhob der Beschwerdeführer Berufung gegen den „Abgabenbescheid“ vom 15. Mai 2019. Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass am 10. Dezember 2011 der Einzug in das völlig neu gebaute Haus erfolgt sei. Alle Installationen seien völlig neu. Der Wasserverbrauch habe betragen 2011/2012: 32 m³ bei 2 Personen im Haushalt, 2012/2013: 129 m³ bei 2 Personen im Haushalt, 2013/2014: 125 m³ bei 2 Personen im Haushalt, 2014/2015: 163 m³ bei 2-3 Personen im Haushalt, 2015/2016: 180 m³ bei 3 Personen im Haushalt, 2016/2017: 269 m³ bei 4 Personen im Haushalt, 2017/2018: 275 m³ bei 4 Personen im Haushalt und 2018/2019 solle der Verbrauch dann 656 m³ bei 3 Personen im Haushalt betragen haben.

Die allenfalls vierte Person sei jeweils eine Austauschschülerin aus den USA gewesen. Die Ami-Girls würden täglich und lange duschen. Für 2018/2019 sei wieder ein Verbrauch von etwa 180 m³ oder etwas mehr wegen der Hitzeperiode, nämlich bis zu 200 m³, zu erwarten gewesen. Der Wasserverbrauch sei im Wesentlichen nicht anders als in den jeweils vorangegangenen Jahren gewesen. Es habe weder Gebrechen noch Reparaturen noch irgendwo einen Wasseraustritt gegeben. Die Nachbarn könnten das gleichbleibende Wasserverhalten bestätigen. Wasser zum Gießen von Pflanzen werde aus der 4000 l Zisterne entnommen, die vom Regenwasser der gesamten Dachfläche, das seien an die 200 m², gespeist werde. Der Wassermeister der Stadtgemeinde *** sei vor Ort gewesen und habe nichts Außergewöhnliches finden können. Ein Verbrauch von 656 m³ würde bei etwas geringer berechnetem Winterverbrauch einen täglichen Verbrauch von 2000 l in den wärmeren Monaten bedeuten. Die vorgeschriebene Verbrauchsmenge von 656 m³ sei sachlich völlig unbegründet und unbegründbar.

Am 26. Jänner 2016 sei ein neuer Wasserzähler montiert worden und zwar so, dass ein Ablesen unmöglich gewesen sei. Nach Ansicht des Beschwerdeführers habe der Zähler eine Funktionsstörung gehabt. Kein von Menschen erzeugtes Gerät funktioniere immer und absolut fehlerfrei.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 4. Juni 2020 wurde dieser Berufung vom Vorstand des Gemeindeverbandes für Umweltschutz und Abgabeneinhebung im Bezirk *** der Stadtgemeinde *** nicht stattgegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt.

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass aufgrund der Berufung ein Ermittlungsverfahren durchgeführt worden und eine Abklärung mit dem zuständigen Wasserwerk und der Stadtgemeinde *** erfolgt sei.

Die Vorschreibung des Wasserverbrauches/Endabrechnung sei aufgrund der jährlichen Zählerablesung mittels Funk am 11. April 2019 durch die Stadtgemeinde *** mit einem Zählerstand von 1227 m³ erfolgt. Aufgrund der Ablesung aus dem Jahr 2018 mit einem Stand von 571 m³ habe sich die Differenz von 656 m³ ergeben, die abzüglich des geleisteten Akontos verrechnet worden sei. Aufgrund der Berufung sei ein Ermittlungsverfahren durchgeführt und der Zählerstand am 3. Juni 2019 von einem Mitarbeiter der Stadtgemeinde *** vor Ort nochmals persönlich überprüft und mit einem Stand von 1259 m³ abgelesen worden. Es sei auch festgestellt worden, dass zu diesem Zeitpunkt kein außergewöhnlicher Verbrauch zu erkennen gewesen sei. Es sei auch eine Abklärung mit dem zuständigen Wasserwerk/Stadtgemeinde *** erfolgt, nachdem auf Wunsch des Beschwerdeführers nach Annahme des Angebotes der Stadtgemeinde *** vom 17. Juni 2019 auf Überprüfung des Wasserzählers am 2. Juli 2019 der Wasserzähler auf eine allenfalls vorliegende Funktionsstörung durch das Eichamt überprüft worden sei. Die Überprüfung durch das Eichamt habe ergeben, dass keine Funktionsstörung vorliege und der Wasserzähler richtig Anzeige. Die Vorschreibung der Wassergebühr sei aufgrund der in der Stadtgemeinde *** verwendeten Wasserzähler mit einer Nennbelastung von 3 m³/h und der beschlossenen Gebühr laut gültiger Wasserabgabenordnung der Stadtgemeinde *** erfolgt. Laut Wasserabgabenordnung der Stadtgemeinde *** vom 14. Dezember 2017 mit Wirksamkeit 1. Jänner 2018 betrage die Gebühr pro Kubikmeter € 1,50 exklusive 10 % Umsatzsteuer. Daraus ergebe sich bei einem Verbrauch von 656 m³ eine Jahresgebühr von € 1082,40 inklusive Umsatzsteuer abzüglich der geleisteten Akontos in Höhe von € 328,95 inklusive Umsatzsteuer Vorschreibung von € 753,45 inklusive Umsatzsteuer.

Da keine Funktionsstörung des Wasserzählers vorgelegen sei und kein sonstiges Gebrechen oder Wasseraustritt festgestellt werden habe können, sei der Wasserverbrauch mit dem abgelesenen Wasserverbrauch sachlich begründet. Die vom Wasserzähler angezeigte Menge gelte als verbraucht, auch wenn sie ungenutzt wie etwa bei Undichtheiten, Rohrgebrechen oder offenen Entnahmestellen bezogen worden sei. Hinsichtlich der Überprüfung des Wasserzählers werde festgehalten, dass es davor ein Angebot vom 17. Juni 2019 an den Beschwerdeführer von der Stadtgemeinde *** gegeben habe. Es sei darauf hingewiesen worden, dass bei einer Funktionsstörung die Kosten durch die Gemeinde getragen würden, andernfalls seien sie von Beschwerdeführer zu begleichen. Das Angebot sei am 2. Juli 2019 vom Beschwerdeführer schriftlich angenommen worden.

Zum Beschwerdevorbringen:

Gegen diese Berufungsentscheidung vom 4. Juni 2020 richtet sich die gegenständliche Beschwerde vom 3. Juli 2020. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Wasserverbrauch von 656 m³ total überhöht sei. Das Haus des Beschwerdeführers seit 2010/2011 vollkommen neu und mit bestem Material gebaut worden. Eine Leckortung 2019 habe ergeben, dass im gesamten Haus kein Tropfen Wasserverlust bestehe.

Das gröbste Versäumnis des Wasserwerkes *** sei, dass der neue Wasserzähler waagrecht montiert worden sei und der Abstand zum darüberliegenden Rohr lediglich 21 cm betragen habe. Das bedeute, dass für jeden normalen Kopf dies unabsehbar sei. Der überprüfende Mitarbeiter habe am 3. Juni den Zählerstand auch nur mittels Handyfoto feststellen können. Wäre der Zähler ablesbar montiert gewesen dann hätte der Beschwerdeführer die unsinnigen Zahlen früher sehen und dementsprechend handeln können.

Ein Mehrverbrauch von 436 m³ als Differenz zwischen 656 m³ und dem Durchschnittsverbrauch von 220 m³ der Jahre davor und danach in einer Saison, wo im Juni bis August ca. zweitägig gegossen werde, bedeute, dass ein Mehrgießen von über 10 000 l pro Tag stattgefunden haben solle. Es gebe auf dieser Erde kein ideales, immer 100-prozentig funktionierendes Gerät. Es könne zu Stromausfall oder Blitzeinschlag kommen.

Die Überprüfung des Wasserzählers sei sehr fragwürdig. Der Zähler sei Eigentum der Stadtgemeinde und der Beschwerdeführer müsse Miete zahlen. Daher sei allein der Vermieter für die einwandfreie Funktion zuständig. Nach Auffassung des Beschwerdeführers sei ihm die Zustimmung zur Bezahlung der Überprüfung des Zählers aufgedrängt worden. Die Rechnung der Stadt *** vom 19. Dezember 2019 enthalte die Wasserzählerüberprüfung mit € 336 und dazu einen Tauschwasserzähler sowie 0,5 Partiestunde mit € 93,60. Dies völlig entgegen der „Vereinbarung“.

Im angefochtenen Bescheid werde ausgeführt, dass die vom Wasserzähler angezeigte Menge als verbraucht gelte, auch wenn sie ungenutzt (bei Undichtheiten, Rohrgebrechen, offenen Entnahmestellen, etc.) bezogen worden sei. Das lateinische etc. bedeute rechtlich gleichartiges. All das sei aber völlig ausgeschlossen. Damit könne der Wasserverbrauch sachlich nicht begründet werden.

2.   Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:

Die Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt des Gemeindeverbandes für Umweltschutz und Abgabeneinhebung im Bezirk *** wurden dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich mit Schreiben vom 10. Juli 2020 zur Entscheidung vorgelegt und nahm das Landesverwaltungsgericht Einsicht in diese.

3.   Feststellungen:

Mit als „Lastschriftanzeige/Rechnung“ bezeichneter, automationsunterstützt erstellter Erledigung des Obmannes des Gemeindeverbandes für Umweltschutz und Abgabeneinhebung im Bezirk *** vom 15. Mai 2019, adressiert an B und A, wurde für die Liegenschaft *** in *** ein Vorschreibungsbetrag von € 744,08 für eine Wasserbezugsgebühr sowie eine Wasserbereitstellungsgebühr ausgewiesen.

Darin enthalten war eine „Abrechnung“ der Wasserbezugsgebühr für den Zeitraum 21. März 2018 bis 11. April 2019 über einen Betrag von € 753,45. In der Spalte „Bezeichnung“ war angeführt: Ablesung 1.227 m³, Verbrauch 656 m³ x Wasserbezugsgeb. 1,50 + 10 % Ust = 1.082,40. Gesamt 1.082,40, abzüglich bisheriges Akonto 328,95. Neues Akonto: 255,68.

Weiters enthalten war eine „Wasserbereitstellungsgebühr“ für den Zeitraum 1. April 2019 bis 30. Juni 2019 für einen Wasserzähler 3 m³/h in der Höhe von € 20,63.

Auf der Rückseite dieser Erledigung fanden sich mehrere Hinweise zu Lastschriftanzeige, Mahnung, Mahngebühr/Säumniszuschlag, Wasserbezugsgebühr/Bereitstellungsgebühr sowie ein Hinweis und eine Rechtsmittelbelehrung. Bei Wasserbezugsgebühr/Bereitstellungsgebühr war angeführt: „Bei Vorschreibung der jährlichen Wasserbezugsgebühr sowie der Bereitstellungsgebühr nach den Bestimmungen des NÖ Gemeindewasserleitungsgesetz, LGBl. 6930 (§§ 9, 10 und 11) und der Wasserabgabenordnung der Gemeinde gilt die Vorschreibung als Abgabenbescheid.“

4.   Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt einschließlich der Beschwerde.

5.   Rechtslage:

Bundesabgabenordnung (BAO):

§ 1. ( 1) Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und der Gemeinden) sowie der auf Grund unmittelbar wirksamer Rechtsvorschriften der Europäischen Union zu erhebenden öffentlichen Abgaben, in Angelegenheiten der Eingangs- und Ausgangsabgaben jedoch nur insoweit, als in den zollrechtlichen Vorschriften nicht anderes bestimmt ist, soweit diese Abgaben durch Abgabenbehörden des Bundes, der Länder oder der Gemeinden zu erheben sind.

§ 2a. Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten sinngemäß in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, soweit sie im Verfahren vor der belangten Abgabenbehörde gelten. In solchen Verfahren ist das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) nicht anzuwenden. …

§ 92. (1) Erledigungen einer Abgabenbehörde sind als Bescheide zu erlassen, wenn sie für einzelne Personen

a)       Rechte oder Pflichten begründen, abändern oder aufheben, oder

b)       abgabenrechtlich bedeutsame Tatsachen feststellen, oder

c)       über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses absprechen.

(2) Bescheide bedürfen der Schriftform, wenn nicht die Abgabenvorschriften die mündliche Form vorschreiben oder gestatten.

§ 93. (1) Für schriftliche Bescheide gelten außer den ihren Inhalt betreffenden besonderen Vorschriften die Bestimmungen der Abs. 2 bis 6, wenn nicht nach gesetzlicher Anordnung die öffentliche Bekanntmachung oder die Auflegung von Listen genügt.

(2) Jeder Bescheid ist ausdrücklich als solcher zu bezeichnen, er hat den Spruch zu enthalten und in diesem die Person (Personenvereinigung, Personengemeinschaft) zu nennen, an die er ergeht.

(3) Der Bescheid hat ferner zu enthalten

a)       eine Begründung, wenn ihm ein Anbringen (§ 85 Abs. 1 oder 3) zugrunde liegt, dem nicht vollinhaltlich Rechnung getragen wird, oder wenn er von Amts wegen erlassen wird;

b)       eine Belehrung, ob ein Rechtsmittel zulässig ist, innerhalb welcher Frist und bei welcher Behörde das Rechtsmittel einzubringen ist, ferner, daß das Rechtsmittel begründet werden muß und daß ihm eine aufschiebende Wirkung nicht zukommt (§ 254).

(4) Enthält der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung oder keine Angabe über die Rechtsmittelfrist oder erklärt er zu Unrecht ein Rechtsmittel für unzulässig, so wird die Rechtsmittelfrist nicht in Lauf gesetzt.

(5) Ist in dem Bescheid eine kürzere oder längere als die gesetzliche Frist angegeben, so gilt das innerhalb der gesetzlichen oder der angegebenen längeren Frist eingebrachte Rechtsmittel als rechtzeitig erhoben.

(6) Enthält der Bescheid keine oder eine unrichtige Angabe über die Abgabenbehörde, bei welcher das Rechtsmittel einzubringen ist, so ist das Rechtsmittel richtig eingebracht, wenn es bei der Abgabenbehörde, die den Bescheid ausgefertigt hat, oder bei der angegebenen Abgabenbehörde eingebracht wurde.

§ 198. (1) Soweit in Abgabenvorschriften nicht anderes vorgeschrieben ist, hat die Abgabenbehörde die Abgaben durch Abgabenbescheide festzusetzen.

(2) Abgabenbescheide haben im Spruch die Art und Höhe der Abgaben, den Zeitpunkt ihrer Fälligkeit und die Grundlagen der Abgabenfestsetzung (Bemessungsgrundlagen) zu enthalten. …

§ 227. (1) Vollstreckbar gewordene Abgabenschuldigkeiten sind einzumahnen.

(4) Eine Mahnung ist nicht erforderlich,

a) wenn dem Abgabepflichtigen spätestens eine Woche vor dem Eintritt der Fälligkeit oder, wenn eine Mahnung bis dahin nicht erfolgt sein sollte, spätestens eine Woche vor dem Ablauf einer gesetzlich zustehenden oder durch Bescheid zuerkannten Zahlungsfrist eine Verständigung (Buchungsmitteilung, Lastschriftanzeige) zugesendet wurde, die ihn über Art, Höhe und Zeitpunkt der Zahlungsverpflichtung unterrichtet oder der Abgabepflichtige auf elektronischem Wege (§ 98 Abs. 2) davon in Kenntnis gesetzt wurde, dass auf dem Abgabenkonto Buchungen erfolgt sind;

§ 260. (1) Die Bescheidbeschwerde ist mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) zurückzuweisen, wenn sie

a)       nicht zulässig ist oder

b)       nicht fristgerecht eingebracht wurde.

§ 288. (1) Besteht ein zweistufiger Instanzenzug für Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinden, so gelten für das Berufungsverfahren die für Bescheidbeschwerden und für den Inhalt der Berufungsentscheidungen die für Beschwerdevorentscheidungen anzuwendenden Bestimmungen sinngemäß. Weiters sind die Beschwerden betreffenden Bestimmungen (insbesondere die §§ 76 Abs. 1 lit. d, 209a, 212 Abs. 4, 212a und 254) sowie § 93 Abs. 3 lit. b und Abs. 4 bis 6 sinngemäß anzuwenden.

§ 279. (1) Außer in den Fällen des § 278 hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

6.   Würdigung:

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde vom Vorstand des Gemeindeverbandes für Umweltschutz und Abgabeneinhebung im Bezirk *** einer Berufung gegen eine als „Lastschriftanzeige/Rechnung“ bezeichnete Erledigung des Obmannes des Gemeindeverbandes für Umweltschutz und Abgabeneinhebung im Bezirk *** nicht Folge gegeben.

Fraglich ist aufgrund der gegenständlichen Beschwerde zunächst, ob es sich bei der erstinstanzlichen Erledigung des Obmannes des Gemeindeverbandes für Umweltschutz und Abgabeneinhebung im Bezirk *** vom 15. Mai 2019 überhaupt um einen Bescheid handelt oder nicht.

Unverzichtbar für die Bescheidqualität sind die Bezeichnung der Behörde (§96 BAO), der Spruch, der die Person zu nennen hat, an die der Bescheid ergeht (§ 93 Abs. 2 BAO) sowie (nach Maßgabe des § 96 BAO) die Unterschrift (vgl. z.B. VwGH 14.12.2000, 95/15/0171; 28.9.2004, 2002/14/0035; 21.12.2005, 2004/14/0111, 2005/14/0006).

Die gegenständliche Erledigung ist unzweifelhaft dem Obmann des Gemeindeverbandes zuzurechnen, was sich aus der Zusammenschau von Briefkopf und Fertigung bzw. Fertigungsklausel ganz eindeutig ergibt. Im Adressfeld ist das Schreiben namentlich ausdrücklich an den Beschwerdeführer und dessen Frau adressiert. Auch das Fehlen einer Unterschrift auf der mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellten (in Kopie als Anlage der Berufung vom 11. Juni 2019 vom Beschwerdeführer beigefügten) Ausfertigung begegnet im Hinblick auf die Genehmigungsfiktion des § 96 letzter Satz BAO keinen Bedenken.

Bezeichnet ist diese Erledigung im Betreff als „Lastschriftanzeige/Rechnung“.

Das Wort „Bescheid“ kommt auf der Vorderseite der Erledigung vom 15. Mai 2019 gar nicht vor. In der Erledigung scheint auf eine „Abrechnung“ der Wasserbezugsgebühr für den Zeitraum 21. März 2018 bis 11. April 2019 über einen Betrag von € 753,45. In der Spalte „Bezeichnung“ war angeführt: Ablesung 1.227 m³, Verbrauch 656 m³ x Wasserbezugsgeb. 1,50 + 10 % Ust = 1.082,40. Gesamt 1.082,40, abzüglich bisheriges Akonto 328,95. Neues Akonto: 255,68. Weiters enthalten war eine „Wasserbereitstellungsgebühr“ für den Zeitraum 1. April 2019 bis 30. Juni 2019 für einen Wasserzähler 3 m³/h in der Höhe von € 20,63.

Auf der Rückseite dieser Erledigung fanden sich mehrere Hinweise zu Lastschriftanzeige, Mahnung, Mahngebühr/Säumniszuschlag, Wasserbezugsgebühr/Bereitstellungsgebühr sowie ein Hinweis und eine Rechtsmittelbelehrung. Bei Wasserbezugsgebühr/Bereitstellungsgebühr war angeführt: „Bei Vorschreibung der jährlichen Wasserbezugsgebühr sowie der Bereitstellungsgebühr nach den Bestimmungen des NÖ Gemeindewasserleitungsgesetz, LGBl. 6930 (§§ 9, 10 und 11) und der Wasserabgabenordnung der Gemeinde gilt die Vorschreibung als Abgabenbescheid.“

Fraglich erscheint somit, da die gegenständliche Erledigung an sich als Lastschriftanzeige bezeichnet ist und bei Vorschreibung der jährlichen Wasserbezugsgebühr sowie der Bereitstellungsgebühr als Abgabenbescheid gelten solle, ob dieses Schreiben einen Spruch, d.h. einen unzweifelhaft normativen Inhalt, enthält.

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 26. September 1985, 85/14/0127, ausgesprochen, dass Lastschriftanzeigen keine Bescheide sind.

Die Lastschriftanzeige ist eine öffentliche Urkunde, jedoch kein Bescheid (VwGH 11.11.1987, 87/13/0104, 0105).

Das Gesetz selbst unterstreicht den bloßen Mitteilungscharakter einer Lastschriftanzeige. Sprechen doch die §§ 227 Abs. 4 lit. a und 228 BAO im Zusammenhang mit der Lastschriftanzeige von einer Verständigung, die den Abgabepflichtigen über Art, Höhe und Zeitpunkt der Zahlungsverpflichtung unterrichtet. Lastschriftanzeige kommt kein Bescheidcharakter zu (vgl. VwGH 14.1.1953, 956/51, 26.9.1985, 85/14/0127, 27. 3. 1996, 92/13/0299).

Die gegenständliche Erledigung weist eine „Abrechnung“ der Wasserbezugsgebühr für den Zeitraum 21. März 2018 bis 11. April 2019 über einen Betrag von € 753,45 (Ablesung 1.227 m³, Verbrauch 656 m³ x Wasserbezugsgeb. 1,50 + 10 % Ust = 1.082,40. Gesamt 1.082,40, abzüglich bisheriges Akonto 328,95. Neues Akonto: 255,68) und eine „Wasserbereitstellungsgebühr“ für den Zeitraum 1. April 2019 bis 30. Juni 2019 für einen Wasserzähler 3 m³/h in der Höhe von € 20,63 aus.

Hinsichtlich dieser Verständigung über die Fälligkeit der offenen Abgabenbeträge stellt sich die gegenständliche Erledigung nicht als Bescheid, sondern als Lastschriftanzeige gemäß § 227 Abs. 4 lit. a BAO ohne normative Bedeutung dar. Dies ergibt sich schon daraus, dass das Gesetz (und zwar weder die BAO noch das NÖ Gemeindewasserleitungsgesetz 1978) die Behörde zur Teilung einer einheitlichen Erledigung in einen als Bescheid geltenden Teil (Wasserendabrechnung) und einen nicht bescheidmäßigen Teil (Lastschriftanzeige) mit unterschiedlichen Rechtsfolgen und Rechtsmitteln nicht ermächtigt. Da eine Lastschriftanzeige keinen Bescheid darstellen kann, fehlt es der gesamten Erledigung am Bescheidcharakter.

Daran ändert auch nichts der auf der Rückseite aufgedruckte Hinweis, dass bei Vorschreibung der jährlichen Wasserbezugsgebühr sowie der Bereitstellungsgebühr die umseitige Vorschreibung als Abgabenbescheid gelte.

Es ist insbesondere für den Adressaten nicht erkennbar, für welche Beträge bestehende Bescheide vorliegen, an deren Fälligkeit nunmehr erinnert wird und (oder) welche Beträge (neu) festgesetzt werden sollen. Insofern erscheint auch

eine Trennung der Erledigung in einen normativen und einen nicht normativen Teil nicht möglich, sodass vom Vorliegen eines normativen Spruches nicht ausgegangen werden kann.

Durch die Erledigung des Obmannes vom 15. Mai 2019 wurde somit keine bestimmte Abgabe festgesetzt, insbesondere auch keine jährliche Wasserbezugsgebühr festgesetzt.

Entsprechend der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes fehlt einem Verwaltungsakt, der keinen bestimmten Spruch enthält, die Rechtsqualität als Bescheid. Im Ergebnis zeigt sich daher, dass die Erledigung des Obmannes des Gemeindeverbandes für Umweltschutz und Abgabeneinhebung im Bezirk *** vom 15. Mai 2019 keinen Bescheid darstellt. Eine Zahlungsverpflichtung zur Abgabenentrichtung wurde durch dieses Schreiben nicht begründet.

Mit Berufung anfechtbar sind jedoch nur Bescheide. Daher sind Berufungen gegen Schriftstücke ohne Bescheidcharakter als unzulässig zurückzuweisen (vgl. VwGH 15.2.2006, 2005/13/0179; 22.3.2006, 2006/13/0001; 28.11.2007, 2004/15/0131,0132; 11.11.2010, 2010/17/0066).

Somit hätte die Berufung des Beschwerdeführers vom 11. Juni 2019 gegen die erstinstanzliche Erledigung mangels eines tauglichen Berufungsgegenstandes als unzulässig zurückgewiesen werden müssen.

Stattdessen hat die Berufungsbehörde die (als Bescheid nicht existente) erstinstanzliche Abgabenvorschreibung im Berufungsbescheid bestätigt und dadurch die unzulässige Berufung inhaltlich erledigt.

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als rechtswidrig, da einerseits mangels eines tauglichen Anfechtungsgegenstandes der belangten Behörde keine Zuständigkeit zur inhaltlichen Erledigung zukam und andererseits auf Grund des angefochtenen Bescheides davon auszugehen wäre, dass eine bescheidmäßige Abgabenvorschreibung des Stadtamts vorliegt, wovon aber angesichts des fehlenden Bescheidcharakters der erstinstanzlichen Erledigung nicht die Rede sein kann. Der angefochtene Bescheid war daher spruchgemäß abzuändern.

7.   Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Diese Entscheidung konnte gemäß § 274 Abs. 3 Z.1 BAO unter Entfall der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung getroffen werden. Ungeachtet eines entsprechenden Antrages konnte von einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden, da die Berufung als unzulässig zurückzuweisen war. Die Unzulässigkeit der Berufung wegen Fehlens eines erstinstanzlichen Bescheides entspricht sinngemäß (aufgrund des Vorliegens eines zweistufigen Instanzenzuges im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde iVm § 288 Abs. 1 BAO) dem in § 274 Abs. 3 Z.1 BAO ausdrücklich angeführten Fall der Unzulässigkeit der Beschwerde wegen Fehlens einer bekämpfbaren behördlichen Entscheidung.

Es handelt sich im gegenständlichen Fall eben um eine (wegen Abänderung der zu Unrecht ergangenen inhaltlichen Berufungsentscheidung mit Erkenntnis zu treffende) Formalentscheidung, für welche gerade § 274 Abs. 3 Z.1 BAO eine Ausnahme von der Verhandlungspflicht vorsieht.

Auch aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ist ersichtlich, dass eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt.

Der in der Beschwerde bestrittene Sachverhalt, ob und in welcher Menge Wasser im Ablesezeitraum verbraucht wurde, ist für diese Formalentscheidung weder verfahrensgegenständlich noch entscheidungsrelevant.

8.   Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß
Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Revision gegen eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Hinblick auf die obigen Ausführungen liegen jedoch keine Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor.

Schlagworte

Finanzrecht; Abgabenbescheid; Lastschriftanzeige; Bescheidspruch; Bescheidqualität;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2020:LVwG.AV.753.001.2020

Zuletzt aktualisiert am

12.10.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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