TE Bvwg Erkenntnis 2019/10/17 L510 2224347-1

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Veröffentlicht am 17.10.2019
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Entscheidungsdatum

17.10.2019

Norm

BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs4
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs4
VwGVG §28 Abs5

Spruch

L510 2224347-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. INDERLIETH als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Türkei, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.09.2019, Zl: XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrenshergang

1. Die beschwerdeführende Partei (bP) reiste in einem Alter von etwa 6 1/2 Jahren in Österreich ein. Ihre Identität steht fest, sie ist türkischer Staatsangehöriger. Sie hatte den Titel "Familienangehöriger" bis zum 28.11.2016 inne. Sonstige Aufenthaltsberechtigungen sind nicht aktenkundig.

Die bP wurde mehrmals strafrechtlich rechtskräftig verurteilt.

Gegen die bP besteht ein rechtskräftiges Waffenverbot.

2. Am 27.08.2019 erfolgte in der Justizanstalt XXXX eine niederschriftliche Einvernahme mit der bP.

3. Mit im Spruch bezeichneten Bescheid des BFA wurde gemäß § 52 Abs 4 FPG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) gegen die bP eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 52 Abs 9 FPG wurde festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Türkei zulässig sei (Spruchpunkt II.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs 3 Z 1 FPG wurde gegen sie ein auf die Dauer von 8 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.). Gem. § 55 Abs. 4 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt. (Spruchpunkt IV). Einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung wurde gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.).

Mit Verfahrensanordnung vom 16.09.2019 wurde ihr ein Rechtsberater gemäß § 52 BFA-VG für ein allfälliges Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt.

4. Mit Schriftsatz der Vertretung vom 10.10.2019 wurde fristgerecht Beschwerde eingebracht.

5. Mit 15.10.2019 langte der Verwaltungsverfahrensakt bei der zuständigen Gerichtsabteilung ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt)

1.1. Zur Person der beschwerdeführenden Partei:

Das BFA stellte fest, dass die bP den im Spruch genannten Namen und das im Spruch genannte Geburtsdatum führt. Sie wurde in der Türkei geboren, ist türkischer Staatsangehöriger und somit Fremder. Die bP kam mit etwa 6 1/2 Jahren nach Österreich. Sie absolvierte in Österreich die Volksschule. Im Anschluss besuchte sie eine Berufsvorbereitungsklasse. Während ihres Aufenthaltes in Österreich war sie lediglich 2 Tage in Vollbeschäftigung und 18 Tage als geringfügig beschäftigter Arbeitnehmer in einem Arbeitsverhältnis tätig. Sie wurde in Österreich wegen der Begehung von 113 Delikten zur Anzeige gebracht. Die bP wurde 6 Mal rechtskräftig verurteilt. Derzeit verbüßt sie eine mehrjährige Haftstrafe in der Justizanstalt XXXX .

Die bP verfügt seit 29.11.2016 über keinen Aufenthaltstitel in Österreich. Sie fällt nicht unter das Assoziationsabkommen.

2. Beweiswürdigung

Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsverfahrensaktes. Zentral wurden berücksichtig:

- Die niederschriftliche Einvernahme

- Der fremdenpolizeiliche Akt

- SA Auszug

- Gerichtsurteile

- KPA- Auszug

- ZMR-Anfrage

- IZF-Anfrage

- AJ-WEB-Anfrage

- Beschwerdeangaben

3. Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des BFA.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

§ 52 FPF lautet:

Rückkehrentscheidung

§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder

2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre,

1a. nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Einreisetitels entgegengestanden wäre oder eine Voraussetzung gemäß § 31 Abs. 1 wegfällt, die für die erlaubte visumfreie Einreise oder den rechtmäßigen Aufenthalt erforderlich ist,

2. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

3. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

4. der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder

5. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.

Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.

[...]

Gegenständlich ergibt sich folgendes:

Das BFA stellte selbst fest, dass die bP seit 28.11.2016 über keinen Aufenthaltstitel mehr in Österreich verfügt, was auch durch die Daten im IZF und in der Beschwerde bestätigt wird. Eine sonstige Aufenthaltsberechtigung im Bundesgebiet kam dem Akteninhalt nach nicht hervor und wurde im Verfahren auch nicht behauptet.

Dennoch stütze das BFA die Rückkehrentscheidung auf § 52 Abs 4 FPG. Eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 4 FPG bezieht sich jedoch auf Drittstaatsangehörige, welche sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten.

Richtigerweise hätte die Rückkehrentscheidung auf § 52 Abs 1 FPG gestützt werden müssen, welcher von anderen Voraussetzungen ausgeht.

Ein nicht rechtmäßiger Aufenthalt des Fremden setzt zudem gemäß § 58 Abs 1 Z 5 AsylG voraus, dass die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG von Amts wegen zu prüfen ist. Eine derartige Prüfung kann jedoch nicht erstmals durch das BVwG erfolgen.

Da das BFA eine für diesen Fall nicht anzuwendende Rechtsnorm ihrer Entscheidung zu Grunde legte, war spruchgemäß zu entscheiden.

Absehen von einer mündlichen Beschwerdeverhandlung

Gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben, da aufgrund der Aktenlage feststand, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Aufenthaltstitel Behebung der Entscheidung Rechtsgrundlage Rechtsirrtum Rückkehrentscheidung behoben

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L510.2224347.1.00

Im RIS seit

12.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

12.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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