TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/13 L509 2164996-4

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Veröffentlicht am 13.11.2019
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Entscheidungsdatum

13.11.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §15b Abs1
AsylG 2005 §57
AVG §68 Abs1
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2
FPG §55 Abs1a

Spruch

L509 2164996-4/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Ewald HUBER-HUBER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Pakistan, vertreten durch RA Dr. Gerhard MORY, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.10.2019, Zl. 607737102-190994890, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Am 30.9.2019 stellte der Beschwerdeführer (BF) den zweiten (gegenständlichen) Antrag auf internationalen Schutz. Er führte zur Begründung des Antrags aus, er stelle diesen aus denselben Gründen wie im Vorverfahren sowie auch deshalb, weil er homosexuell sei. Er habe bereits in Pakistan einmal Sex mit einem Mann gehabt und es drohe ihm aufgrund seiner Homosexualität in Pakistan die Todesstrafe. Von seiner Homosexualität habe er bisher wegen starker Schamgefühle und das Furcht vor den Pakistani noch nichts gesagt.

2. In der Folge wurde der faktische Abschiebeschutzes des Beschwerdeführers gemäß § 12a Asylgesetz vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) aufgehoben. Der amtswegig vorgelegten Beschwerde gegen die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts Folge gegeben und die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 Asylgesetz für nicht rechtmäßig erklärt.

Das BFA hat den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 21.10.2019 mit Bescheid vom 30.9.2019 hinsichtlich des Status des Asylberichtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen, gleichzeitig wurde der Antrag hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 Asylgesetz nicht erteilt sowie gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 Asylgesetz eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG erlassen, festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Pakistan zulässig sei, keine Frist für die freiwillige Ausreise gesetzt und gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Schließlich wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 15b Abs. 1 Asylgesetz 2005 aufgetragen, ab 7.10.2019 durchgehend in einem bestimmten bezeichneten Quartier Unterkunft zu nehmen.

Die Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz ausschließlich aus den Gründen gestellt wurde, die bereits durch die Asylbehörden und Gerichte geprüft wurden. Es liege somit entschiedene Sache im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG vor. Der Beschwerdeführer habe zur Begründung des zweiten Asylantrages Umstände geltend gemacht, die schon vor Eintritt der Rechtskraft der ergangenen Entscheidung im ersten Asylverfahren vom 4.2.2019 bestanden hätten. Diese Umstände seien von vornherein nicht geeignet, eine neue Sachentscheidung herbeizuführen, zumal diese nicht nur bei identem Begehren aufgrund desselben Sachverhaltes, sondern wie sich aus § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG ergebe, auch im Fall desselben Begehrens aufgrund von Tatsachen und Rechtsmittel, die schon vor Abschluss des der Vorverfahren bestanden haben, ausgeschlossen seien. Anders als die nachträgliche Änderung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes ändere das nachträgliche Hervorkommen schon vor der Erlassung des Bescheides bestandener, aber bisher unbekannt gebliebener, relevanter Tatsachen für sich allein noch nichts an der grundsätzlichen Unabänderlichkeit des Bescheides. Aus welchen Gründen diese Umstände nicht bereits im ersten Asylverfahren erwähnt wurden, ändere an diesem Ergebnis nichts, weil derartige Umstände, die Rechtskraft des genannten Bescheides nur im Wege einer Wiederaufnahme nach § 69 AVG beseitigt werden könnten. Dafür sei unter anderem aber Voraussetzung, dass neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkamen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten. Für die allein im gegenständlichen Verfahren maßgebliche Frage, ob entschiedene Sache im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG vorliege, sei dies hingegen nicht von Bedeutung. Von einer wesentlichen Änderung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes im Sinne des § 68 AVG seit Abschluss des ersten Asylverfahrens könne daher nicht die Rede sein.

Seit rechtskräftigem Abschluss des ersten Asylverfahrens seien keine Sachverhaltsänderungen eingetreten, die vor dem Hintergrund der individuellen Situation des Beschwerdeführers die Erlassung eines inhaltlich anderslautenden Bescheides ermöglichen oder gebieten würden und die das BFA von amtswegen zu berücksichtigen hätte. Die von amtswegen zu berücksichtigende Ländersituation habe ebenfalls keinen entscheidungsrelevanten neuen Sachverhalt hervorgebracht, weshalb auch diesbezüglich von einer entschiedenen Sache auszugehen sei. Es stehe somit die Rechtskraft der ergangenen Entscheidung im Erstverfahren dem neuerlichen Antrag sowohl hinsichtlich des Status des Asylberichtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten entgegen.

Der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sei weder gemäß § 46a FPG geduldet. Noch sei aus der Aktenlage ersichtlich oder sei jemals behauptet worden, dass der BF Zeuge oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitender Prostitution oder Opfer von Gewalt geworden sei. Ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 Asylgesetz sei daher nicht zu erteilen.

Der Beschwerdeführer habe keine familiären Anknüpfungspunkte und keinen Familienbezug zu einem dauernd aufenthaltsberechtigten Fremden in Österreich oder einem österreichischen Staatsbürger. Da zwischen dem rechtskräftigen Abschluss des ersten Verfahrens am 4.2.2019 und dem Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides im gegenständlichen zweiten Verfahren keine entscheidungsrelevante Änderung der Situation im Familien und Privatleben des Beschwerdeführers eingetreten ist, könne die Rückkehrentscheidung auch in diesem Verfahren keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK darstellen.

Im Rahmen der Interessenabwägung sei festzustellen, dass die öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung den privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich überwiegen. Die Rückkehrentscheidung sei daher zulässig, eine Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 Asylgesetz habe zu unterbleiben, da die Rückkehrentscheidung nicht auf Dauer unzulässig sei.

Die Abschiebung Fremder in einen Staat sei gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde, oder für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre. Wie in den Spruchpunkten I. und II. dargelegt, ergebe sich im Fall des Beschwerdeführers keine derartige Gefährdung. Es komme dem Beschwerdeführer weder die Flüchtlingseigenschaft zu. Noch gebe es eine Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, die einer Abschiebung entgegenstünde. Im Fall einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG bestünde keine Frist für die freiwillige Ausreise, eine solche sei daher nicht zu erteilen.

Die Erlassung des Einreiseverbotes wurde damit begründet, dass der Beschwerdeführer seiner Ausreise- bzw. Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen sei. Es sei daher die Erlassung einer neuen Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot zu prüfen. In einem solchen Fall könne nicht mehr von einer nur geringfügigen Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung gesprochen werden. Der erste Antrag auf internationalen Schutz sei durch rechtskräftiges Erkenntnis des BVwG vom 4.2.2019 im Instanzenzug abgewiesen und mit einer Rückkehrentscheidung verbunden worden. Diese Entscheidung sei seit 4.2.2019 in Rechtskraft erwachsen. In weiterer Folge habe sich der Beschwerdeführer über Italien nach Deutschland begeben und sich somit seine Abschiebung entzogen. Seine Abschiebung in das Heimatland sei daher aufgrund mangelnden Willens zur Kooperation mit den zuständigen Behörden behindert und hinauszuzögern versucht worden. Das Verhalten des Beschwerdeführers zeige, dass er nicht gewillt sei, sich den Entscheidungen der österreichischen Behörden und Gerichte gegenüber zu fügen und sich rechtskonform zu verhalten. Der Beschwerdeführer habe sich zudem durchgehend bis auf seinen Aufenthalt in Italien und Deutschland in der Grundversorgung des Bundes bzw. des Landes Salzburg gefunden. Es sei daher bei ihm von Mittellosigkeit auszugehen. Die Gesamtbeurteilung seines Verhaltens, seiner Lebensumstände sowie seiner familiären und privaten Anknüpfungspunkte habe ergeben, dass die Voraussetzungen zur Erlassung des Einreiseverbotes gegeben sind. Der verhängte Dauer des Einreiseverbotes sei gerechtfertigt und notwendig, um von dem Beschwerdeführer ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu verhindern. Mit der Festsetzung der Dauer von zwei Jahren sei die für derartige Einreiseverbote festgelegte Höchstdauer im Sinne des § 53 Abs. 2 FPG von fünf Jahren nicht einmal zur Hälfte ausgeschöpft worden. Das Einreiseverbot sei zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten. Aus Gründen des öffentlichen Interesses, der öffentlichen Ordnung und aus Gründen der zügigen Bearbeitung und wirksamen Überwachung des Antrages auf internationalen Schutz - es handle sich beim gegenständlichen Antrag bereits um den zweiten unbegründeten Antrag auf internationalen Schutz - sei dem Beschwerdeführer aufzutragen gewesen, in der bezeichneten Betreuungsstelle des Bundes durchgehend Unterkunft zu nehmen. Die Anordnung der Unterkunftnahme sowie die Folgen einer allfälligen Missachtung seien ihm mit Verfahrensanordnung vom 7.10.2019 nachweislich zur Kenntnis gebracht worden, weshalb nun mit verfahrensabschließenden Bescheid über die Anordnung der Unterkunftnahme abzusprechen sei.

Mit Verfahrensanordnung vom 21.10.2019, wurde dem Beschwerdeführer der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt. Der angefochtene Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 21.10.2019 durch Hinterlegung im Akt wirksam zugestellt. Der Beschwerdeführer habe es unterlassen, der Behörde seine Abgabestelle bekanntzugeben und andere Anhaltspunkte über eine Abgabestelle seien nicht bekannt geworden.

Mit schriftlicher Eingabe des bevollmächtigten rechtsfreundlichen Vertreters des Beschwerdeführers vom 21.10.2019 wurde vorgebracht, der Antragsteller sei homosexuell. Er habe seine homosexuelle Veranlagung insbesondere nach Zustellung des Erkenntnisses vom Bundesverwaltungsgericht vom 4.2.2019 intensiv ausgelebt. Der Antragsteller sei von ca. Mitte Februar 2019 bis zu seiner Überstellung nach Österreich im Zuge einer Dublin-Abschiebung Ende September 2019 in Deutschland aufhältig gewesen. In Deutschland habe er in XXXX seinen späteren intimen Freund XXXX kennengelernt, der dort ein eigenes Lokal führe. Zu diesem habe der Antragsteller im Zeitraum Mitte Juli bis Ende September intensive homosexuelle Kontakte. Beide hätten in diesem Zeitraum miteinander häufig und intensiv Sex gehabt. Dies sei in der gastronomischen Lokalität des XXXX geschehen. XXXX stamme aus dem indischen Teil des Punjab und spreche die gleiche Sprache, wie der aus dem pakistanischen Teil des Punjab stammende Antragsteller. Beide kommunizierten daher in ihrer Muttersprache Punjabi. Der Antragsteller vermittle auch von seiner Ausstrahlung her den Eindruck, homosexuell veranlagt zu sein.

Es werde der Beweisantrag gestellt, dem Beschwerdeführer ergänzend asylbehördlich einzuvernehmen, zum Beweis dessen, dass der Antragsteller tatsächlich homosexuell veranlagt sei und dieser, insbesondere im Zeitraum Juli 2019 bis September 2019, in Deutschland intensive homosexuelle Kontakte mit einem dort ein gastronomisches Lokal betreibenden Bürger indischer Herkunft namens XXXX gehabt hätte. Die sexuelle Veranlagung beim Antragsteller sei persönlichkeitsprägend und könne ihm nicht zugemutet werden, ein Leben in Verleugnung dieser sexuellen Prädisposition und Veranlagung zu führen. Dieser Asylgrund sei im Zeitpunkt der Durchführung des ersten Asylverfahrens nicht bzw. jedenfalls nicht in dieser Ausprägung vorhanden gewesen, zumal der Antragsteller während seines Aufenthaltes in Österreich bis zu seiner Ausreise nach Deutschland bzw. bis zu seinem Aufenthalt in Deutschland im Sommer 2019 seine homosexuelle Veranlagung nicht in diese Intensität ausgeblieben gelebt habe. Der Antragsteller habe im Verfahren über seinen ersten Asylantrag seine homosexuelle Neigung und Veranlagung sowie die daraus resultierenden homosexuellen Handlungen aus Scham verschwiegen. Der in Deutschland lebende homosexuelle Freund des Antragstellers habe in einem Telefongespräch, welches er in Gegenwart des Rechtsvertreters geführt habe, seine homosexuellen Kontakte zum Antragsteller zugegeben, jedoch auch gleichzeitig zum Ausdruck gebracht, nicht bereit zu sein, diese homosexuellen Kontakte auch vor einer Behörde zu bezeugen und zu diesem Zwecke nach Österreich zu reisen.

Dieses Telefongespräch könne aber von einem ebenfalls anwesenden Dolmetscher, der es mitangehört habe, bezeugt werden. Es werde daher beantragt, diesen Dolmetscher als Zeugen zum Beweis für das vorstehend getätigte Vorbringen zu den homosexuellen Kontakten und Beziehungen des Antragstellers zu dem in Deutschland lebenden Freund im Zeitraum Mitte Juli 2019 bis Ende September 2019 beantragt.

Die Verfahrensanordnung zur Unterkunftnahme des Antragstellers in einer bestimmten Einrichtung möge aufgehoben werden, weil der Beschwerdeführer in Salzburg die Möglichkeit habe, einer selbstständigen Erwerbstätigkeit nachzugehen und daraus seinen Lebensunterhalt zu bestreiten bzw. er durch pakistanische Landsleute materiell unterstützt werde. Er würde daher im Falle der Genehmigung seines Aufenthaltes in Salzburg nur eine auf Krankenversicherungsleistungen eingeschränkte Grundversorgung benötigen. Der Antragsteller sei der Auffassung gewesen, dass die Anordnung der Unterkunftnahme in der vorgenannten Einrichtung aufgrund des Festnahmeauftrages und der nachfolgend erfolgten Vollziehung der Schubhaft gegenstandslos geworden sei. Er habe auch nicht gewusst, wohin er sich nach seiner Enthaftung wenden soll, zumal im seitens der Polizei in Wien keine entsprechende Information erteilt worden sei. Der Antragsteller habe sich daher wiederum an seine frühere Adresse in Salzburg begeben.

Mit Schriftsatz vom 31.10.2019 wurde vom ausgewiesenen Vertreter des Beschwerdeführers Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid eingebracht. Er stellte die Anträge, den angefochtenen Bescheid in allen Spruchpunkten zu beheben; in eventu den angefochtenen Bescheid hinsichtlich aller Spruchpunkte mit Ausnahme des Spruchpunktes I. zu beheben; in eventu die Entscheidung in Spruchpunkt IV. dahingehend abzuändern, dass festgestellt werde, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei; in eventu die Entscheidung in den Spruchpunkten IV., V. und VI. zu beheben; in eventu das verhängte Einreiseverbot aufzuheben. Außerdem wurde die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung beantragt. Als Beschwerdegründe wurde inhaltliche und verfahrensrechtliche Rechtswidrigkeit angeführt.

Mit der Beschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Annahme der belangten Behörde, dass er "Verfahrensentziehung" zu verantworten hätte und gegen den Vorwurf der Verletzung der Mitwirkungspflicht.

Der Bescheid sei verfrüht und vorschnell erlassen worden. Mit mündlich verkündeten Bescheid vom 8.10.2019 sei der faktische Abschiebeschutzes aufgehoben worden. Daraufhin sei ein Festnahmeauftrag ergangen und sei der Beschwerdeführer mit Mandatsbescheid vom 8.10.2019 zur Sicherung der Abschiebung in Schubhaft genommen worden. Zu diesem Zwecke sei der Beschwerdeführer nach Wien in ein polizeiliches Anhaltegefängnis für Fremde gebracht worden. Mit Beschluss vom 14.10.2019 habe das Bundesverwaltungsgericht die Entscheidung der belangten Behörde zur Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes wegen nicht gegebener Rechtmäßigkeit wieder aufgehoben. Daraufhin sei der Beschwerdeführer, der sich damals in Wien im Anhaltezentrum der Polizei befand, enthaftet worden. Ihm sei jedoch keine Beratung und Belehrung erteilt worden. Dem Beschwerdeführer sei daher nicht bewusst gewesen, dass er zur Unterkunftnahme in T. verpflichtet sei und dort hinfahren müsse. Es habe für ihn eine völlig verwirrende Situation bestanden. Zuerst sei er ohne Ankündigung festgenommen und nach Wien überstellt worden und dann sei er ohne nähere Aufklärung und Information wieder enthaftet worden. Er habe über kein Geld verfügt und habe auch keine materielle Hilfe in Anspruch nehmen können, um nach T. zu fahren. In diese Situation habe er nicht gewusst, wozu er verpflichtet war und dass die Verfahrensanordnung gemäß § 15b Asylgesetz nach der Enthaftung wieder gelte bzw. neu aufgelebt sei. Deshalb sei er nach Salzburg gefahren und habe er wiederum in seiner früheren Wohnung Unterkunft genommen. Eine Anmeldung sei ihm in Ermangelung von Identitätsdokumenten nicht möglich gewesen. Obwohl die Behörde wissen hätte müssen, dass der Sachverhalt nicht ausreichend geklärt sei, habe sie in weiterer Folge bereits am 21.10.2019 den gegenständlichen, 139 Seiten umfassenden Bescheid erlassen.

Entgegen der Auffassung der belangten Behörde habe sich daher der Beschwerdeführer bei Bedachtnahme auf die konkreten, dargelegten Umstände des Einzelfalles nicht dem Verfahren entzogen und habe die Behörde im Zeitpunkt der Bescheiderlassung und Zustellung nicht annehmen dürfen, dass eine derartige, schuldhaft zu verantwortende Verfahrensentziehung und Verletzung der Mitwirkungspflicht vorliegt.

Es würden - entgegen der Auffassung der Behörde - auch die Voraussetzungen des § 24 Abs. 3 Asylgesetz im Beschwerdefall nicht vorliegen. Die Behörde sei an die Entscheidung des BVwG vom 14.10.2019 gebunden.

Des Weiteren vertritt die Beschwerde im Wesentlichen die Ansicht, dass die belangte Behörde - in Ansehung des Vorbringens des Beschwerdeführers, dass er den Folgeantrag auf bestehende Homosexualität gründet und entgegen der Vorgabe des Verfassungsgerichtshofes und auch des Bundesverwaltungsgerichtes mit Entscheidung vom 14.10.2019 - nicht ausreichend geprüft habe, ob dem Beschwerdeführer in seiner konkreten Situation im Falle einer Rückführung in den Herkunftsstaat eine Gefährdung gemäß Art. 3 EMRK droht. Die belangte Behörde sei an die vom Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 14.10.2019 geäußerte Rechtsauffassung, welche dafür maßgeblich war, dass die Entscheidung über die Aufhebung von faktischem Abschiebeschutzes wiederum aufgehoben wurde, gebunden. Die belangte Behörde sei verpflichtet gewesen, weitere Beweisaufnahme durchzuführen, um definitiv zu klären, ob der Beschwerdeführer nun homosexuell ist. Die Beweiswürdigung im angefochtenen Erkenntnis greife zu kurz. Homosexuelle Neigung sei, bis hin zur Entwicklung einer homosexuellen Identität, ein Entwicklungsprozess, der sich nicht mit einem Tag festmachen lasse. Ein Ausleben seiner nicht heterosexuellen Orientierung sei für den Beschwerdeführer im Herkunftsstaat gänzlich unmöglich. In Österreich habe der Beschwerdeführer allmählich vermehrt homosexuelle Kontakte gepflegt. Nach Erlassung des Erkenntnisses vom 4.2.2019 habe der Beschwerdeführer in G. zu einem dort wohnhaften Mann indischer Herkunft, welche gleichfalls Punjabi spricht, intensive homosexuelle Kontakte über einen Zeitraum von zweieinhalb Monaten gepflegt. Der BF könne, Vornamen und Telefonnummer sowie Beruf seines Freundes nennen. Er habe auch geschildert, dass er schon in Pakistan wegen seiner Homosexualität Probleme gehabt habe, bedroht worden sei und dass über ihn schlecht gesprochen wurde. Aufgrund dieser schlechten Erfahrungen in Pakistan habe er befürchtet, dass ihm dies auch in Österreich widerfahren würde. Er hätte sich geschämt. Aus diesen Gründen habe er seine Homosexualität im ersten Verfahren nicht offengelegt. Die beweiswürdigenden Argumente der belangten Behörde seien nicht schlüssig und nicht zutreffend. Es beweise nichts, dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage war, den vollen Namen seines Intimfreundes zu kennen. Es könne in homosexuellen Kreisen durchaus üblich sein, dass sich Partner, nur mit dem Vornamen kennen. Maßgeblich sei die Beziehung und nicht der Familienname. Dies gebe es auch bei heterosexuelle Beziehungen. Wenn in der Beziehung der Sex so sehr im Vordergrund steht, komme es auf einen vollständigen Namen nicht an. Die Mutmaßung, nach einer so kurzen Zeit von zweieinhalb Monaten sei ein Heiratswunsch nicht nachvollziehbar, sei nicht begründet und widerspreche auch den Erfahrungen des täglichen Lebens. Es sei auch das Argument nicht begründet, dass jemand, der aufgrund sexueller Neigungen Verfolgung fürchtet, mehrere Jahre benötigt, um herauszufinden, dass es eine staatliche Verfolgung im Land der Asylantragsstellung nicht gibt. Der BF habe bei seiner Einvernahme ausgeführt, dass es seine Homosexualität im Erstverfahren aus Scham nicht vorgebracht habe. Er habe weiters zu der Frage, warum er nicht schon im ersten Verfahren auch die Homosexualität eingeführt habe, ausgesagt, er hätte Angst vor den Pakistanis gehabt, die hier leben. Damit erweise sich das in Rede stehende Ablehnungsargument als geradezu aktenwidrig. Es sei sogar in der österreichischen Gesellschaft Homosexualität noch weit verbreitet mit Tabus behaftet. Deshalb sind Personen, die sich als homosexuell outen oder deren Homosexualität bekannt wird, immer noch von gesellschaftlicher Stigmatisierung bedroht. Weite Teile der Gesellschaft würden Homosexualität als abnormal ansehen. Von gesellschaftlicher Akzeptanz sei Homosexualität auch heute noch weit entfernt. Der BF habe in Pakistan eine sexuelle Identität als Schwuler gar nicht entwickeln können und habe dies denkmöglich erst in Österreich allmählich geschehen können. Die belangte Behörde sei mit Vorurteilen behaftet und deshalb zum Ergebnis gelangt, dass der Beschwerdeführer eine Homosexualität im Asyl-Folgeverfahren nur behauptet, um einen neuen Asylgrund zu konstruieren. Sie hätte prüfen müssen, ob der BF seine Homosexualität nur aus Scham, im Vorverfahren verschwiegen hat, dass sich seine homosexuelle Neigung bis hin zu seiner homosexuellen Identität erst allmählich von ersten homosexuellen Erfahrungen in Pakistan bis zur intensiveren homosexuellen Erfahrungen in Österreich und schlussendlich zu verstärkten und intensivierten homosexuellen Beziehungen in Deutschland entwickelt hat und dass das Vorbringen, dass die intensive homosexuelle Beziehung zu einem in G. lebenden Mann im Sommer 2019 über einen Zeitraum von ca. zweieinhalb Monaten den Tatsachen entspricht. Die belangte Behörde habe es auch unterlassen, auf ein Telefongespräch, welches in Gegenwart des Rechtsvertreters in dessen Kanzlei am 18.10.2019 geführt worden war, Bedacht zu nehmen. Dabei habe der deutsche homosexuelle Freund des BF die Kontakte zum BF zugegeben, gleichzeitig aber auch zum Ausdruck gebracht habe, nicht bereit zu sein, diese homosexuellen Kontakte vor eine Behörde zu bezeugen und zu diesem Zweck nach Österreich zu reisen. Zum Beweis, dass dieses Telefongespräch stattgefunden hat, werde eine ergänzende Einvernahme des BF sowie die Einvernahme des bei dem Telefongespräch in der Kanzlei des Rechtsvertreters anwesenden Dolmetschers beantragt.

Der BF könne in Pakistan seine Homosexualität nicht ausleben, sondern wäre er gezwungen, diese extrem zu unterdrücken. Es drohe ihm nach den Feststellungen der belangten Behörde jedenfalls aufgrund seiner Homosexualität massive strafrechtliche Verfolgung sowie auch gesellschaftliche Diskriminierung sowie weitere Nachteile und Beeinträchtigungen, wenn er nach Pakistan abgeschoben werden würde. Diese Risiken seien unter Art. 3 EMRK zu subsumieren. Somit wären die Voraussetzungen erfüllt, der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Die Rückkehrentscheidung und das Einreiseverbot werden gesondert angefochten. Hinsichtlich des Einreiseverbote werde res iudicata eingewendet. Gegen die Rückkehrentscheidung wird eine Verletzung von Art. 8 EMRK geltend gemacht.

Nach der Beschwerde sei - bei Wahrunterstellung der vom Beschwerdeführer substantiiert vorgebrachten Homosexualität - für den BF in Pakistan ein nur sehr eingeschränktes Privatleben im Sinne des Art. 8 EMRK möglich. Er wäre gezwungen, seine homosexuelle Orientierung und Identität zu unterdrücken. Dies stelle für die Prüfung nach Art. 8 EMRK einen maßgeblichen Gesichtspunkt dar. Weshalb die Homosexualität des Beschwerdeführers jedenfalls auch eine wesentliche Vorfrage für die Rückkehrentscheidung sei. Glaubt man dem Beschwerdeführer, so wäre eine aufenthaltsbeendende Maßnahme für ihn mit schwerwiegenden und unverhältnismäßigen Eingriffen in sein Privatleben verbunden. Die Unterdrückung seine homosexuelle Neigung, Orientierung und Identität müsste er streng geheim halten und dürfte diese nicht öffentlich ausleben. Dies stelle eine wesentliche Beeinträchtigung des Rechts auf Schutz des Privatlebens dar. Der BF halte sich bereits jetzt sieben Jahren in Österreich auf und sei hier gut integriert, abgesehen von geringfügigen strafrechtlichen Verfehlungen liege ein Überwiegen jener Gründe vor, die unter den Gesichtspunkten des Art. 8 EMRK und des § 9 Abs. 2 BFA-VG für die Ermöglichung eines weiteren Aufenthalts des BF in Österreich und gegen eine aufenthaltsbeendende Maßnahme sprechen. Die Rückkehrentscheidung sei daher auf Dauer unzulässig.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Das Bundesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in die der erstinstanzlichen Entscheidung zugrundeliegenden Verfahrensakte sowie in die Entscheidung aus dem Vorverfahren, mit welcher der Erstantrag rechtskräftig abgewiesen worden war.

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen, ist an dem angegebenen Datum geboren, ist pakistanischer Staatangehöriger, stammt aus dem Punjab, spricht Punjabi als Muttersprache sowie Urdu als weitere Landessprache und bekennt sich zur islamischen Religionsgemeinschaft. Sein Familienstand ist ledig und er hat keine Kinder. Die Identität ist nicht nachgewiesen.

Der BF hat Familienangehörige in Pakistan (Eltern, Geschwister). In Österreich hat der BF keine Verwandten oder sonstige soziale Kontakte, die eine besondere Bindung zu Österreich darstellen würden. Es liegen auch sonst keine Anhaltspunkte vor, die für eine außergewöhnliche Integration des BF in Österreich sprechen würden.

Der BF ist illegal in das Bundesgebiet eingereist und sein bisheriger Aufenthalt stützt sich im Wesentlichen lediglich auf ein vorläufiges Aufenthaltsrecht aufgrund der Stellung von Asylanträgen nach dem Asylgesetz. Zwischen dem rechtskräftig negativen Abschluss des ersten Asylverfahrens im Februar 2019 und der Stellung des vorliegenden Folgeantrages im April 2019 hielt sich der BF illegal in Italien und in Deutschland auf. Aus Deutschland wurde der BF vor Stellung seines Folgeantrages gemäß der Dublin-Verordnung nach Österreich rücküberstellt.

Der BF wurde mit Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 21.06.2018, GZ 040 HV 77/2018z wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung gemäß § 107 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 3 Monaten mit einer Probezeit von 3 Jahren, rechtskräftig seit 26.06.2018, verurteilt.

Mit weiterem Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 10.12.2018, GZ 029 U 379/2018y wurde der BF wegen Vergehens nach dem Suchtmittelgesetz gemäß § 27 Abs. 1, 1.2. Fall und § 27 Abs. 2 Suchtmittelgesetz zu einer Geldstrafe von 280 Euro, rechtskräftig seit 14.12.2018, verurteilt.

1.2. Der erste Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 23.10.2012 wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.02.2019, L508 2164996-2/4E, zur Gänze rechtskräftig abgewiesen. Das Erkenntnis wurde dem rechtsfreundlichen Vertreter des BF am 04.02.2019 im elektronischen Rechtsverkehr erfolgreich hinterlegt und damit zugestellt.

Der BF hat mit 30.09.2019 (nach seiner Rücküberstellung aus Deutschland nach Österreich) den gegenständlichen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) eingebracht. Erstmalig im Folgeantragsverfahren macht der BF seine homosexuelle Orientierung als Grund für internationalen Schutz geltend. Die homosexuelle Orientierung war nicht Gegenstand seines Vorbringens im Erstverfahren, sondern hat sich der BF vielmehr auf eine angebliche Unterstützung einer Familie berufen, die dem Christentum angehört habe, was zu seiner - wie rechtskräftig festgestellt - nicht glaubhaften Verfolgung geführt habe.

Das gegenständliche Vorbringen ist als nicht glaubhaft zu beurteilen bzw. bewirkt das vom BF im Folgeantragsverfahren geltend gemachte Vorbringen nicht die Annahme eines im Vergleich zum rechtskräftig abgeschlossenen Erstverfahren geänderten Sachverhaltes sowohl im Hinblick auf den Status eines Asylberechtigten als auch eines subsidiär Schutzberechtigten. Selbst wenn man das Vorbringen als glaubhaft beurteilen möchte, handelt es sich um einen Sachverhalt, der schon im Erstverfahren vorgelegen war und daher von der Rechtskraft des Erkenntnisses vom 04.02.2019, L508 2164996-2/4E, mitumfasst war. Außerdem könnte das Vorbringen lediglich für die Wiederaufnahme des bereits rechtskräftig abgeschlossenen Erstverfahrens von Bedeutung, jedenfalls aber nicht Gegenstand eines neuen Asylverfahrens sein.

1.3. Die abschiebungsrelevante Lage hat sich in Pakistan seit der letzten Entscheidung im Februar 2019 ebenso wenig relevant verändert wie seine persönlichen/gesundheitlichen Umstände. Der BF leidet nicht an einer Erkrankung, die im Falle Rückkehr nach Pakistan einen lebensbedrohlichen Zustand hervorrufen würde.

Zum Herkunftsland Pakistan werden folgende Feststellungen getroffen:

Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 28.5.2019: Nord-Wasiristan: drei Tote bei Zusammenstößen zwischen Militär und PTM (Betrifft Abschnitte 5. Ethnische Minderheiten/Paschtunen; 5. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition; 3.2. Sicherheitslage/Khyber Pakhtunkhwa)

Während einer Demonstration der Pashtun Tahafuz Movement (PTM) kam es bei einem Kontrollpunkt in Boya, im Stammesdistrikt (Tribal District) Nord-Wasiristan (Provinz Khyber Pakhtunkhwa) am 26.5.2019 zu einem Schusswechsel (Standard 28.5.2019; vgl. AI 27.5.2019).

Gemäß Angaben des Nachrichtendienstes der pakistanischen Armee (Inter Services Public Relations, ISPR) wurde der Kontrollposten von einer von zwei führenden Mitgliedern der PTM sowie Mitgliedern der Nationalversammlung, Mohsin Dawar und Ali Wazir, angeführten Gruppe angegriffen. Beim darauffolgenden Schusswechsel wurden drei Personen getötet und 15 Personen - darunter fünf Soldaten - verletzt (Dawn 26.5.2019).

PTM-Aktivist Mohsin Dawar bestritt diese Version und beschuldigte die Armee, das Feuer auf die friedliche Kundgebung eröffnet zu haben (VOA 26.5.2019; vgl. Dawn 26.5.2019). Gemäß Angaben der PTM wurden dabei fünf Aktivisten getötet und 45 weitere verletzt (PT 27.5.2019). Der Abgeordnete zur Nationalversammlung Ali Wazir wurde gemeinsam mit einigen anderen Aktivisten der PTM verhaftet. Mohsin Dawar ist hingegen untergetaucht (VOA 26.5.2019; vgl. Dawn 27.5.2019).

Gemäß Angaben von Dawar wollte das Sicherheitspersonal verhindern, dass die Gruppe an einer Demonstration teilnimmt, die gegen mutmaßliche Übergriffe durch das Militär im Zuge einer Suchoperation gerichtet war (VOA 26.5.2019). Besagtem Protest durch die örtliche Bevölkerung, der am 25.5.2019 in Doga Macha Madakhel (Nord Wasiristan) begann, haben sich später Mitglieder der PTM angeschlossen (Dawn 26.5.2019; vgl. PT 27.5.2019). Im Zuge der Suchoperation wurde eine Frau zusammengeschlagen (VOA 26.5.2019; vgl. Dawn 26.5.2019) sowie einige Personen verhaftet (VOA 26.5.2019). Gemäß Angaben der PTM verlief diese Veranstaltung ruhig, bis Dawar und Wazir in der Gegend ankamen, um ebenfalls am Protest teilzunehmen. Nachdem bei dieser Demonstration Unruhen ausgebrochen waren, wurden mindestens 20 Personen verletzt (Dawn 26.5.2019).

In Folge dieser Zwischenfälle wurde in Nord-Wasiristan eine Ausgangssperre verhängt sowie Telefon- und Internetdienste abgeschalten (Dawn 26.5.2019; vgl. VOA 26.5.2019, PT 27.5.2019), weswegen es schwierig ist, Berichte aus dieser Region zu erhalten (VOA 26.5.2019).

Am 26.5.2019 wurde Ali Wazir einem Anti-Terror-Gericht in Bannu vorgeführt. Vom Gericht wurde eine achttägige Untersuchungshaft angeordnet und Wazir muss am 4.6.2019 wieder vor Gericht erscheinen. Er wurde u.A. wegen Terrorismus und Mordes angezeigt (Dawn 27.5.2019)

Die pakistanischen Behörden haben ihr Vorgehen gegen die PTM intensiviert (AI 27.5.2019). Im April 2019 richtete sich Premierminister Imran Khan an das PTM, wobei er die Anliegen der Paschtunen würdigte, jedoch klar machte, dass er Eskalationen nicht gutheiße (Dawn 26.5.2019). Ende April 2019 erhob die Armee Vorwürfe, dass die PTM Finanzierung durch afghanische und indische Geheimdienste erhalte (Dawn 26.5.2019; vgl. VOA 26.5.2019, Dawn 30.4.2019) und warnte die PTM, dass "ihre Zeit vorbei" sei, und dass diese die "roten Linien" nicht überschreiten solle (Dawn 26.5.2019; vgl. Dawn 30.4.2019). Es wurde eine mögliche nicht näher spezifizierte Aktion gegen die PTM angekündigt, wobei der Armeesprecher angab, dass diese Ansage keine "Kriegserklärung" sei und weder illegale Aktionen noch Unannehmlichkeiten für normale Paschtunen geplant seien (Dawn 30.4.2019).

Quellen:

? AI - Amnesty International (27.5.2019): Pakistan: Investigate North Waziristan killings, https://www.amnesty.org/en/latest/news/2019/05/pakistan-investigate-north-waziristan-killings/, Zugriff 28.5.2019

? Dawn (26.5.2019): 3 people killed, 5 soldiers injured in exchange of fire at check post in North Waziristan, https://www.dawn.com/news/1484709, Zugriff 28.5.2019

? Dawn (27.5.2019): MNA Ali Wazir produced before ATC, remanded in CTD custody for 8 days, https://www.dawn.com/news/1484918, Zugriff 28.5.2019

? Dawn (30.4.2019): Foreign spy agencies fund PTM, says army, https://www.dawn.com/news/1479321/foreign-spy-agencies-fund-ptm-says-army, Zugriff 28.5.2019

? PT - Pakistan Today (27.5.2019): 3 killed, 15 injured in 'PTM-Army clash' in North Waziristan, https://www.pakistantoday.com.pk/2019/05/26/3-killed-15-injured-in-ptm-army-clash-in-north-waziristan/, Zugriff 28.5.2019

? Standard, der (28.5.2019): Amnesty fordert Untersuchung des Todes von Demonstranten in Pakistan, http://derstandard.at/2000103942873/Amnesty-fordert-Untersuchung-des-Todes-von-Demonstranten-in-Pakistan, Zugriff 28.5.2019

? VOA - Voice of America (26.5.2019): 3 Killed in Skirmish Between Pakistan Security Forces, Rights Activists, https://www.voanews.com/a/killed-in-skirmish-between-pakistan-security-forces-rights-activists/4933709.html, Zugriff 28.5.2019

Sicherheitslage

Die Bedrohung durch Terrorismus und Extremismus bleibt zentrales Problem für die innere Sicherheit des Landes (AA 1.2.2019a; vgl. USDOS 19.9.2018). Landesweit ist die Zahl der terroristischen Angriffe seit 2009, zurückgegangen (PIPS 7.1.2019; vgl. AA 21.8.2018, USDOS 19.9.2018). Konflikte mit dem Nachbarland Indien werden gelegentlich gewaltsam ausgetragen (EASO 10.2018 S 16).

Die Taliban und andere militante Gruppen verüben Anschläge insbesondere in Belutschistan und in Khyber-Pakhtunkhwa (AA 21.8.2018), aber auch in Großstädten wie Karatschi (AA 1.2.2019a). Über 90 % der terroristischen Anschläge sowie Todesopfer entfielen 2018 auf die zwei Provinzen Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa (PIPS 7.1.2019). Die Anschläge zielen vor allem auf Einrichtungen des Militärs und der Polizei. Opfer sind aber auch politische Gegner der Taliban, Medienvertreter, religiöse Minderheiten, Schiiten, sowie Muslime, die nicht der strikt konservativen Islam-Auslegung der Taliban folgen, wie die Sufis (AA 1.2.2019a).

Die Operationen der Rangers [siehe dazu Abschnitt 4] in Karatschi (ab 2013), Militäroperationen in Nord-Wasiristan und der Khyber Agency [Stammesbezirke der Provinz Khyber Pakhtunkhwa, Anm.], sowie landesweite Anti-Terror-Operationen als Teil des National Action Plan (NAP) trugen dazu bei, den rückläufigen Trend bei der Zahl der Vorfälle und der Opfer auch 2018 aufrecht zu halten (PIPS 7.1.2019 S 20; vgl. EASO 10.2018 S 18). In den ehemaligen Stammesgebieten (Federally Administered Tribal Areas - FATA) konnte das staatliche Gewaltmonopol überwiegend wiederhergestellt werden (AA 21.8.2018), die Militäraktionen gelten als abgeschlossen (Dawn 29.5.2018). Viele militante Gruppen, insbesondere die pakistanischen Taliban, zogen sich auf die afghanische Seite der Grenze zurück und agitieren von dort gegen den pakistanischen Staat (AA 21.8.2018).

Im aktuellen Konflikt zwischen Indien und Pakistan demonstrierten beide Staaten, die über Nuklearwaffen verfügen, dass sie bereit sind, die Lage weiter eskalieren zu lassen (Dawn 8.4.2019 vgl. BMEIA 27.3.2019). Jedoch wird ein Atomkrieg als äußerst unwahrscheinlich gesehen (DW 28.2.2019).

Im Vorfeld der Parlamentswahlen am 25.7.2018 erlebte Pakistan eine Welle von Gewalt mit größeren Anschlägen in verschiedenen Provinzen, für die militante aufständische Gruppierungen die Verantwortung übernahmen. Der Selbstmordanschlag am 13.7.2018 auf eine politische Versammlung in Mastung, Belutschistan, mit 150 Toten war der Anschlag mit den dritt-meisten Todesopfern, der bis dahin jemals in Pakistan verübt wurde (EASO 10.2018 S 18; vgl. PIPS 7.1.2019 S 43). Am Wahltag waren 370.000 Soldaten und 450.000 Polizisten mit erweiterten Befugnissen im Einsatz, um die Wahllokale zu sichern. Am Wahltag kam es in Belutschistan zu zwei Anschlägen mit Todesopfern auf Wahllokale und es gab regional Zusammenstöße zwischen Anhängern unterschiedlicher Parteien (EUEOM 27.7.2018; vgl. Dawn 26.7.2018) vorwiegend in Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa (Dawn 26.7.2018).

Die verschiedenen militanten, nationalistisch-aufständischen und gewalttätigen religiös-konfessionellen Gruppierungen führten 2018 landesweit 262 terroristische Angriffe durch. Dabei kamen 595 Menschen ums Leben und weitere 1.030 wurden verletzt. Unter den Todesopfern waren 371 Zivilisten, 173 Angehörige der Sicherheitskräfte und 51 Aufständische. 136 (52 %) Angriffe zielten auf staatliche Sicherheitskräfte, jedoch die höchste Zahl an Opfern (218 Tote und 394 Verletzte) gab es bei insgesamt 24 Terrorangriffen auf politische Persönlichkeiten. Zivilisten waren das Ziel von 47 (18 %) Angriffen, acht waren Angriffe auf regierungsfreundliche Stammesälteste bzw. Mitglieder der Friedenskommittees und sieben hatten Mitglieder der schiitischen Gemeinschaft zum Ziel (PIPS 7.1.2019 S 17f). Im Vergleich zu 2017 gab es im Jahr 2018 29 Prozent weniger terroristische Angriffe, bei denen um 27 Prozent weniger Todesopfer und um 40 Prozent weniger Verletzte zu beklagen waren (PIPS 7.1.2019).

Tehreek-e-Taliban Pakistan (TTP) und ihre Splittergruppen, insbesondere Jamaatul Ahrar und Hizbul Ahrar, bzw. Gruppen mit ähnlichen Zielen wie lokale Talibanfraktionen, Lashkar-e-Islam und Islamischer Staat führten 2018 171 terroristische Angriffe mit 449 Toten und 769 Verletzten durch. Nationalistische Gruppierungen, vorwiegend belutschische, führten 80 terroristische Angriffe mit 96 Toten und 216 Verletzten durch. Elf terroristische Angriffe mit 50 Toten und 45 Verletzten waren konfessionell motiviert (PIPS 7.1.2019).

Das Pakistan Institute for Peace Studies (PIPS) registrierte für die Jahre 2017, 2018 bzw. das erste Quartal 2019 (1.1. bis 31.3.) für gesamt Pakistan sowie die unterschiedlichen Provinzen bzw. Gebiete nachfolgende Zahlen an terroristischen Anschlägen und Todesopfern (Quellenangabe siehe Tabelle; Darstellung BFA Staatendokumentation):

Insgesamt gab es im Jahr 2018 in Pakistan, inklusive der oben genannten terroristischen Anschläge, 497 Vorfälle von für die Sicherheitslage relevanter Gewalt (2017: 713; -30 %), darunter 31 operative Schläge der Sicherheitskräfte (2017: 75), 22 Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen (2017: 68), 131 Auseinandersetzungen an den Grenzen mit Indien, Afghanistan und Iran (2017: 171) und 22 Vorfälle von ethnischer oder politischer Gewalt (2017: vier) (PIPS 7.1.2019 S 19f; Zahlen für 2017: PIPS 7.1.2018 S 20). Die Zahl der bei diesen Vorfällen getöteten Personen sank um 46 % auf 869 von 1.611 im Jahr 2017, die Zahl der verletzten Personen sank im selben Zeitraum um 31 % von 2.212 auf 1.516 (PIPS 7.1.2019 S 20).

Im Februar 2019 eskalierten die Spannungen zwischen Indien und Pakistan im lang anhaltenden Kaschmir-Konflikt (Time 28.2.2019; vgl. UKFCO 7.3.2019). Der indische Luftangriff vom 26.2., bei dem laut pakistanischen Angaben keine Menschen zu Schaden kamen (Time 28.2.2019) in Balakot, Provinz Khyber Pakhtunkhwa, war seit 1971 der erste Angriff Indiens auf pakistanisches Gebiet außerhalb Kaschmirs (Spiegel 2.3.2019). Am 27.2. wurde ein indisches Kampfflugzeug in pakistanischem Luftraum abgeschossen (Time 28.2.2019). Es kommt zu wiederholten Grenzverletzungen und Militäraktionen zwischen Pakistan und Indien (BMEIA 27.3.2019). Durch Schusswechsel über die Demarkationslinie hinweg werden auf beiden Seiten immer wieder Soldaten und Zivilisten verletzt oder getötet (Standard 2.4.2019; vgl. Presse 2.3.2019, Reuters 3.3.2019). Siehe dazu auch Abschnitt 4.

Nach dem Angriff auf die Militärschule in Peschawar im Dezember 2014 wurde der National Action Plan (NAP) gegen Terrorismus in Kraft gesetzt. Die 20 Punkte des Plans umfassen Maßnahmen sowohl gegen Terrorismus als auch gegen Extremismus. Gemäß Einschätzung von PIPS wurden in den vier Jahren, die der Plan nun in Kraft ist, zufriedenstellende Fortschritte im Bereich der Terrorismusbekämpfung erzielt. Die Fortschritte im Bereich der Extremismusbekämpfung werden als nicht zufriedenstellend angesehen (PIPS 7.1.2019 S 89ff).

Die Regierung unterhält Deradikalisierungszentren, die "korrigierende religiöse Bildung", Berufsausbildung, Beratung und Therapie anbieten. Weithin gelobt ist das Sabaoon Rehabilitation Center einer NGO im Swat-Tal, das gemeinsam mit dem Militär gegründet wurde und sich an jugendliche ehemalige Extremisten richtet (USDOS 19.9.2018).

Trotz gesetzlicher Regelungen gegen die Finanzierung von Terrorismus, die internationalen Standards entsprechen, werden Gruppen wie Lashkar-e Tayyiba nicht effektiv daran gehindert, in Pakistan Spenden zu lukrieren oder auf ihre finanziellen Mittel zuzugreifen. Auch gibt es Lücken in der Umsetzung der Sanktionen des UN-Sicherheitsrates gegen Al-Qaeda und den Islamischen Staat (USDOS 19.9.2018).

Quellen:

? AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (1.2.2019a): Pakistan: Staatsaufbau und Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/pakistan-node/pakistan-innenpolitik/205010, Zugriff 25.2.2019

? AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (21.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN (Stand: August 2018), https://www.ecoi.net/en/file/local/1442726/4598_1536328003_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-pakistan-stand-august-2018-21-08-2018.pdf, Zugriff 21.2.2019

? BMEIA - Bundesministerium Europa, Integration und Äußeres der Republik Österreich (27.3.2019): Reiseinformation Pakistan, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/pakistan/, Zugriff 3.4.2019

? Dawn (8.4.2019): India-Pakistan conflict: Experts warn of harmful implications, https://www.dawn.com/news/1474645/india-pakistan-conflict-experts-warn-of-harmful-implications, Zugriff 8.4.2019

? Dawn (26.7.2018): 'Naya Pakistan' imminent: PTI leads in slow count of 11th general elections vote, https://www.dawn.com/news/1421984/voting-underway-across-pakistan-amid-tight-security-with-only-hours-left-till-polling-ends, Zugriff 3.4.2019

? Dawn (29.5.2018): Fata's historic transition, https://www.dawn.com/news/1410706/fatas-historic-transition, Zugriff 19.3.2019

? DW - Deutsche Welle (28.2.2019): Opinion: India, Pakistan, and the remote but real threat of nuclear war, https://www.dw.com/en/opinion-india-pakistan-and-the-remote-but-real-threat-of-nuclear-war/a-47721752, Zugriff 8.4.2019

? EASO - European Asylum Support Office (10.2018): EASO Informationsbericht über das Herkunftsland Pakistan - Sicherheitslage, https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/Plib/EASO_Pakistan_SecuritySituation_October2018_DE.pdf, Zugriff 12.3.2019

? EUEOM - European Union Election Observation Mission Islamic Republic of Pakistan (27.7.2018): Preliminary Statement - Positive changes to the legal framework were overshadowed by restrictions on freedom of expression and unequal campaign opportunities, https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/eu_eom_pakistan_2018_-_preliminary_statement_on_25_july_elections.pdf, Zugriff 1.4.2019

? PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (7.1.2018): Pakistan Security Report 2017, https://pakpips.com/app/reports/wp-content/uploads/2018/03/sr2017.pdf, Zugriff 8.4.2019

? PIPS - Pak Institute for Peace Studies (9.4.2019): Pakistan Monthly Security Report: March 2019, https://pakpips.com/app/reports/477, Zugriff 9.4.2019

? PIPS - Pak Institute for Peace Studies (6.2.2019): Pakistan Monthly Security Report: January 2019, https://pakpips.com/app/reports/433, Zugriff 2.4.2019

? PIPS - Pak Institute for Peace Studies (7.1.2019): Pakistan Security Report 2018, https://pakpips.com/app/reports/396, Zugriff 8.1.2019

? PIPS - Pak Institute for Peace Studies (7.3.2019): Pakistan Monthly Security Report: February 2019, https://pakpips.com/app/reports/453, Zugriff 2.4.2019

? Presse, die (2.3.2019): Kaschmir: Sieben Tote bei Schüssen an Grenze von Indien und Pakistan, https://diepresse.com/home/ausland/aussenpolitik/5588780/Kaschmir_Sieben-Tote-bei-Schuessen-an-Grenze-von-Indien-und-Pakistan, Zugriff 4.3.2019

? Reuters (3.3.2019): India-Pakistan border quiet but Kashmir tense amid militancy crackdown, https://www.reuters.com/article/us-india-kashmir-pakistan-idUSKCN1QK093, Zugriff 6.3.2019

? Spiegel (2.3.2019): "Die roten Linien wurden verschoben", http://www.spiegel.de/politik/ausland/kaschmir-konflikt-zwischen-indien-und-pakistan-die-roten-linien-verschoben-a-1255811.html, Zugriff 2.4.2019

? Standard, der (2.4.2019): Pakistan meldet mehrere Tote nach Beschuss aus Indien, https://derstandard.at/2000100638494/Pakistan-meldet-mehrere-Tote-nach-Beschuss-aus-Indien-in-Kaschmir, Zugriff 3.4.2019

? Time (28.2.2019): From Suicide Bombing to Captured Pilot: A Timeline of the Latest Crisis in Kashmir, http://time.com/5541090/india-pakistan-2019-tensions-timeline/, Zugriff 2.4.2019

? UKFCO - UK Foreign and Commonwealth Office (7.3.2019): Foreign travel advice - Pakistan, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/pakistan, Zugriff 3.4.2019

? USDOS - US Department of State (19.9.2018): Country Report on Terrorism 2017 - Chapter 1 - Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/1444941.html, Zugriff 2.4.2019

Punjab und Islamabad

Die Bevölkerung der Provinz Punjab beträgt laut Zensus 2017 110 Millionen. In der Provinzhauptstadt Lahore leben 11,1 Millionen Einwohner (PBS 2017d). Islamabad, die Hauptstadt Pakistans, ist verwaltungstechnisch nicht Teil der Provinz Punjab, sondern ein Territorium unter Bundesverwaltung (ICTA o.D.). Die Bevölkerung des Hauptstadtterritoriums beträgt laut Zensus 2017 ca. zwei Millionen Menschen (PBS 2017d).

Die Sicherheitslage in Islamabad ist besser als in anderen Regionen (EASO 10.2018 S 93). Die Sicherheitslage im Punjab gilt als gut (SAV 29.6.2018). Mehrere militante Gruppierungen, die in der Lage sind, Anschläge auszuüben, sind im Punjab aktiv (EASO 10.2018 S 63-64; vgl. SAV 29.6.2018). In großen Städten wie Lahore und Islamabad-Rawalpindi gibt es gelegentlich Anschläge mit einer hohen Zahl von Opfern, durchgeführt von Gruppen wie den Tehreek-i-Taliban Pakistan (TTP), Al Qaeda oder deren Verbündeten (ACLED 7.2.2017); beispielsweise wurden bei einem Bombenanschlag durch die TTP-Splittergruppe Hizbul-Ahrar auf Polizeieinheiten vor einem Sufi-Schrein in Lahore am 8.5.2019 zehn Personen getötet. (Guardian 8.5.2019; vgl. Reuters 8.5.2019). Der Südpunjab gilt als die Region, in der die militanten Netzwerke und Extremisten am stärksten präsent sind (EASO 10.2018 S 63-64).

Für das erste Quartal 2019 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS für das Hauptstadtterritorium Islamabad keinen und für den Punjab zwei terroristische Angriffe mit zwei Toten (Aggregat aus: PIPS 6.2.2019. PIPS 7.3.2019, PIPS 10.4.2019). Im Jahr 2018 wurde von PIPS im Hauptstadtterritorium kein terroristischer Angriff gemeldet. Im Punjab gab es vier terroristische Anschläge mit 20 Todesopfern. Zwei davon waren Selbstmordsprengangriffe durch die pakistanischen Taliban (PIPS 7.1.2019 S 49). Im Jahr 2017 kamen im Punjab bei 14 Anschlägen 61 Personen ums Leben, davon fanden sechs Vorfälle mit 54 Toten in Lahore statt. Das Hauptstadtterritorium verzeichnete drei Anschläge mit zwei Todesopfern (PIPS 7.1.2018).

Quellen:

? ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project (7.2.2017): Regional Violence in Pakistan, https://www.crisis.acleddata.com/regional-violence-in-pakistan/. Zugriff 5.4.2019

? EASO - European Asylum Support Office (10.2018): EASO Informationsbericht über das Herkunftsland Pakistan - Sicherheitslage, https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/Plib/EASO_Pakistan_SecuritySituation_October2018_DE.pdf, Zugriff 12.3.2019

? Guardian, the (8.5.2019): Pakistan: 10 dead after blast near Sufi shrine in Lahore, https://www.theguardian.com/world/2019/may/08/pakistan-dead-blast-near-major-sufi-shrine-lahore, Zugriff 15.5.2019

? ICTA - Islamabad Capital Territory Administration (o.D.): About ICTA, https://ictadministration.gov.pk/about-icta/, Zugriff 5.4.2019

? PBS - Pakistan Bureau of Statistics (2017d): PROVINCE WISE PROVISIONAL RESULTS OF CENSUS - 2017, http://www.pbs.gov.pk/sites/default/files/PAKISTAN%20TEHSIL%20WISE%20FOR%20WEB%20CENSUS_2017.pdf, Zugriff 26.3.2019

? PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (7.1.2018): Pakistan Security Report 2017, https://pakpips.com/app/reports/wp-content/uploads/2018/03/sr2017.pdf, Zugriff 8.4.2019

? PIPS - Pak Institute for Peace Studies (10.4.2019): Pakistan Monthly Security Report: March 2019, https://pakpips.com/app/reports/477, Zugriff 10.4.2019

? PIPS - Pak Institute for Peace Studies (6.2.2019): Pakistan Monthly Security Report: January 2019, https://pakpips.com/app/reports/433, Zugriff 2.4.2019

? PIPS - Pak Institute for Peace Studies (7.1.2019): Pakistan Security Report 2018, https://pakpips.com/app/reports/396, Zugriff 8.1.2019

? PIPS - Pak Institute for Peace Studies (7.3.2019): Pakistan Monthly Security Report: February 2019, https://pakpips.com/app/reports/453, Zugriff 2.4.2019

? Reuters (8.5.2019): Militant bomb near Sufi shrine kills 10 in Pakistan's Lahore, https://www.reuters.com/article/us-pakistan-blast/militant-bomb-near-sufi-shrine-kills-10-in-pakistans-lahore-idUSKCN1SE0C2, Zugriff 15.5.2019

? SAV - South Asian Voices (29.6.2018): What the Case of Punjab Says about Pakistan's Counterterrorism Policy, https://southasianvoices.org/pakistan-counterterrorism-punjab/, Zugriff 23.4.2019

Bewegungsfreiheit

Das Gesetz gewährleistet die Bewegungsfreiheit im Land sowie uneingeschränkte internationale Reisen, Emigration und Repatriierung (USDOS 13.3.2019). Die Regierung schränkt den Zugang zu bestimmten Gebieten der ehemaligen FATA und Belutschistan aufgrund von Sicherheitsbedenken ein (USDOS 13.3.2019; vgl. FH 1.2019, HRCP 3.2019). Es gibt einzelne rechtliche Einschränkungen, Wohnort, Arbeits- oder Ausbildungsplatz zu wechseln (FH 1.2019)

Die Regierung verbietet Reisen nach Israel. Regierungsangestellte und Studenten müssen vor Reisen ins Ausland ein "no objection certificate" einholen, doch von Studenten wird dies selten verlangt. Personen auf der Exit Control List ist es verboten, ins Ausland zu reisen. Diese Liste soll Personen, welche in staatsfeindliche Aktivitäten und Terrorismus involviert sind oder in Verbindung zu einer verbotenen Organisation stehen bzw. jene, gegen die ein Kriminalverfahren vor höheren Gerichten anhängig ist, von Auslandsreisen abhalten (USDOS 13.3.2019). Die NGO HRCP gibt an, dass Personen aus politischen Gründen auf die Exit Control List gesetzt werden und die genauen Voraussetzungen, wann eine Person auf diese Liste kommt, nicht transparent sind (HRCP 3.2019).

Reisebewegungen von bestimmten religiösen und Gender-Minderheiten bleiben gefährlich (HRCP 3.2019). Seit 2009 haben pakistanische Bürger das Recht, sich in Gilgit Baltistan anzusiedeln, jedoch gibt es weiterhin Einschränkungen für eine Ansiedlung in Azad-Jammu und Kaschmir (FH 1.2018). Einschränkungen der Bewegungsfreiheit gibt es für Bewohner der ehemaligen FATA durch Ausgangssperren, Umzäunungen und eine starke Zunahme an Kontrollpunkten (ICG 20.8.2018).

Quellen:

? FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Pakistani Kashmir, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2018/pakistani-kashmir, Zugriff 26.2.2019

? FH - Freedom House (1.2019): Freedom in the World 2019 - Pakistan, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2019/pakistan, Zugriff 12.3.2019

? HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (3.2019): State of Human Rights in 2018, http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2019/04/State-of-Human-Rights-in-2018-English-1.pdf, Zugriff 23.4.2019

? ICG - International Crisis Group (20.8.2018): Shaping a New Peace in Pakistan's Tribal Areas, https://www.ecoi.net/en/file/local/1442284/5351_1535998887_b150-shaping-a-new-peace-in-pakistans-tribal-areas.pdf, Zugriff 19.3.2019

? USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Reports on Human Rights Practices for 2018 - Pakistan https://www.state.gov/documents/organization/289500.pdf, Zugriff 14.3.2019

Meldewesen

Pakistan verfügt über eine der weltweit umfangreichsten Bürger-Registrierungssysteme. Die zuständige Behörde ist die National Database & Registration Authority (NADRA) (PI 1.2019). Um als Wähler in einem Wahlkreis registriert zu werden, muss man mittels Digitaler Nationaler Identitätskarte (CNIC) nachweisen, Bewohner dieses Wahlkreises zu sein (ECP o.D.). Auf der CNIC ist neben der permanenten Adresse auch die derzeitige Wohnadresse der Person angeführt (VB 4.11.2018).

IRBC gibt an, dass die Provinzen Belutschistan, Khyber Pakhtunkhwa, Punjab und Sindh sowie das Hauptstadtterritorium Islamabad ein System für die Registrierung der Bewohner haben. IRBC konnte keine Quellen zu solchen Systemen in Azad-Jammu und Kaschmir, Gilgit-Baltistan und die ehem. FATA finden. Die Meldung der Bewohner ist verpflichtend. Die Gesetze werden nur lückenhaft umgesetzt, aber Vergehen werden in allen Provinzen streng geahndet. Die zuständige Behörde zur Erhebung der Meldedaten ist die Polizei. Die Distriktleiter der Polizei sind für die lückenlose Erfassung der Bewohner in ihren Distrikten verantwortlich (IRBC 23.1.2018).

Bei gemieteten Wohnungen und Häusern ist der Bewohner, Vermieter oder Wohnungsvermittler verantwortlich, der Polizei den Mietvertrag sowie Kopien der CNIC aller Bewohner zu übermitteln. Wenn einer der drei zuerst genannten dies erledigt, müssen das die anderen nicht mehr machen. In den Provinzen Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa müssen zusätzlich noch zwei Referenzpersonen genannt werden, die den Bewohner identifizieren können. Hotels sind verpflichtet, Informationen über ihre Gäste zu übermitteln sowie diese Informationen zu archivieren und für die Polizei jederzeit einsehbar zu halten (IRBC 23.1.2018).

Quellen:

? PI - Privacy International (1.2019): State of Privacy Pakistan, https://privacyinternational.org/state-privacy/1008/state-privacy-pakistan, Zugriff 21.2.2019

? ECP - Election Commission of Pakistan (o.D): How To Register, https://www.ecp.gov.pk/frmGenericPage.aspx?PageID=4, Zugriff 18.3.2019

? IRBC - Immigration and Refugee Board of Canada (23.1.2018): Pakistan: Tenant registration systems, including implementation; whether authorities share information on tenant registration (2015-December 2017), https://www.refworld.org/docid/5aa8d84a7.html, Zugriff 9.4.2019

? VB - Büro des Verbindungsbeamten des BM.I in Islamabad (4.11.2018): Auskunft einer pakistanischen Anwaltskanzlei, per E-Mail.

Grundversorgung

Pakistan ist mit ca. 207 Millionen Einwohnern (PBS 2017a) der sechst-bevölkerungsreichste Staat der Erde. Über die Hälfte der Bevölkerung ist unter 25 Jahre alt, der Abhängigenquotient [Bevölkerung bis 14 und ab 65 Jahre / Bevölkerung 15-64 Jahre] liegt bei 65 % (CIA 5.2.2019).

Pakistans Wirtschaft hat wegen einer günstigen geographischen Lage, Ressourcenreichtum, niedrigen Lohnkosten, einer jungen Bevölkerung und einer wachsenden Mittelschicht Wachstumspotenzial. Dieses Potenzial ist jedoch aufgrund jahrzehntelanger Vernachlässigung der sozialen und wirtschaftlichen Infrastruktur, periodisch wiederkehrender makroökonomischer sowie politischer Instabilität und schwacher institutioneller Kapazitäten nicht ausgeschöpft. Als größte Wachstumshemmnisse gelten Korruption, ineffiziente Bürokratie, ein unsicheres regulatorisches Umfeld, eine trotz Verbesserungen in den letzten Jahren relativ teure bzw. unzureichende Energieversorgung und eine - trotz erheblicher Verbesserung seit 2014 - teils fragile Sicherheitslage (AA 5.3.2019).

Der wichtigste Wirtschaftssektor in Pakistan ist der Dienstleistungssektor (Beitrag zum BIP 59 %; der Sektor umfasst u. a. auch den überproportional großen öffentlichen Verwaltungsapparat). Auch der Industriesektor ist von Bedeutung (Beitrag zum BIP 21 %). Der bei weitem wichtigste Exportsektor ist die Textilbranche. Einen dem Industriesektor vergleichbaren Beitrag zum BIP (20 %) leistet die Landwirtschaft, in der jedoch 42 % der arbeitenden Bevölkerung tätig ist. Etwa 60 % der ländlichen Bevölkerung hängen direkt oder indirekt vom landwirtschaftlichen Sektor ab. Die Provinz Punjab gehört unter anderem bei Getreideanbau und Viehzucht zu den weltweit größten Produzenten (AA 5.3.2019; vgl. GIZ 2.2019a).

Die pakistanische Wirtschaft wächst bereits seit Jahren mit mehr als vier Prozent. Für 2018 gibt der Internationale Währungsfonds (IWF) sogar ein Plus von 5,6 Prozent an. Das Staatsbudget hat sich stabilisiert und die Börse in Karatschi hat in den vergangenen Jahren einen Aufschwung erlebt. Erreicht wurde dies durch einschneidende Reformen, teilweise unterstützt durch den IWF. In der Vergangenheit konnte Pakistan über die Jahrzehnte hinweg jedoch weder ein solides Wachstum halten noch die Wirtschaft entsprechend diversifizieren. Dies kombiniert mit anderen sozioökonomischen und politischen Faktoren führte dazu, dass immer noch etwa ein Drittel der pakistanischen Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebt (GIZ 2.2019a).

Die Arbeitslosigkeit in Pakistan liegt Stand 2017 offiziell etwa bei 6 % (CIA 5.2.2019). CIA hält fest, dass die offiziellen Arbeitslosenzahlen die Situation nicht vollständig beschreiben können, da ein großer Teil der Wirtschaft informell und die Unterbeschäftigung hoch ist (CIA 5.2.2019a; vgl. GIZ 2.2019). Kritisch ist vor allem die Situation von jungen erwerbslosen/arbeitslosen Männern zwischen 15 und 30 Jahren. Als Folge dieser hohen Arbeitslosigkeit gepaart mit einer Verknappung natürlicher Ressourcen, vor allem auf dem Land, kommt es zu einer verstärkten Arbeitsmigration nicht nur in die großen Städte, sondern traditionell auch in die Golfstaaten. Rücküberweisungen von Arbeitsmigranten und Gastarbeitern nach Pakistan belaufen sich gegenwärtig auf ca. 5% des BIP (GIZ 2.2019a). Für das Finanzjahr 2019 (Juli 2018 bis Juni 2019) werden Rücküberweisungen von 22 Milliarden US-Dollar erwartet (KT 30.10.2018).

Gemäß dem Global Education Monitoring Report 2017/18 der UNESCO stellen sich die Bildungserfolge Pakistans relativ schwach dar.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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