TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/2 L506 2174290-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.01.2020
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Entscheidungsdatum

02.01.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

L506 2174290-1/21E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. GABRIEL als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Pakistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , Regionaldirektion Burgenland, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27.11.2019, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß den § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, und § 57 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer (nachfolgend BF), ein pakistanischer Staatsangehöriger aus XXXX /Punjab, dem sunnitischen Glauben und der Volksgruppe der Punjabi zugehörig, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet gemeinsam mit seiner Schwester und deren beiden minderjährigen Kindern am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Anlässlich der Erstbefragung am 07.03.2016 gab der BF zu seinen Ausreisegründen an, dass sein Schwager sich von seiner Schwester, welche am selben Tag gemeinsam mit ihren beiden Kindern und ihm nach Österreich eingereist sei, habe scheiden lassen. Seine Schwester und ihre Kinder seien von der Familie des Exmannes bedroht worden. Um seiner Schwester zu helfen, sei er mit ihr und ihren Kindern ausgereist. Außerdem habe er in Pakistan nie genug Geld gehabt, um seine eigene Familie, seine Frau und drei Kinder, zu ernähren; dies seien seine Gründe.

3. Am 19.09.2017 erfolgte eine Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (nachfolgend BFA). Dort führte der BF zusammengefasst aus, er habe in Pakistan gemeinsam mit seiner Familie, seiner Frau und seinen Kindern in seinem eigenen Haus in XXXX gelebt, bis er dieses verkauft habe und sei er dann gemeinsam mit seiner Familie in sein Elternhaus zu seiner Mutter und seinen Geschwistern nach XXXX gezogen. Seine Familie befände sich nach wie vor in XXXX und habe er auch regelmäßig telefonischen Kontakt zu dieser. Seinen Lebensunterhalt in Pakistan habe er zuletzt als Rikscha-Fahrer bestritten, zuvor habe er als Hilfsarbeiter in einer Bekleidungsfirma gearbeitet und dort Handschuhe hergestellt. Seine Frau sei Hausfrau gewesen. Durch seine Tätigkeit habe er täglich ca. 500 pakistanische Rupien (umgerechnet ca. 4 Euro) verdient. Auch die anderen Brüder in Pakistan hätten gearbeitet. Jedoch hätten alle sehr schlecht verdient. Bedauerlicherweise habe er seine Familie, seine Frau und seine Kinder bei der Ausreise nicht mitnehmen können, da die Reisekosten sehr hoch gewesen seien; hätte er mehr Geld gehabt, so hätte er auch seine Familie mitgenommen. Das Geld habe nur für ihn und die Familie seiner Schwester gereicht. Der Grund für die Ausreise aus Pakistan sei gewesen, dass sie durch den Exmann seiner Schwester bedroht worden seien. Der Exmann habe seine eigenen Kinder, die Kinder der Schwester des BF, umbringen wollen, damit er das Erbe nicht an die Kinder weitergeben müsse. Auch habe der Exmann der Schwester ihn umbringen wollen und sei er ebenfalls in Gefahr gewesen. Auch seine Kinder und seine Frau, welche sich noch in Pakistan aufhalten und nun bei den Schwiegereltern leben würden, seien in Gefahr. Der Exmann habe die Schwester geschlagen und habe sie davon auch viele Narben davongetragen. Er sei seiner Schwester immer zu Hilfe gekommen. Der Grund, weshalb der Schwager auch ihm gedroht habe, sei gewesen, dass er seiner Schwester immer wieder Schutz gewährt habe. Geschlagen sei er von dem Schwager nicht geworden, jedoch habe er ihn immer wieder beschimpft und habe er auch Angst vor ihm gehabt. Angezeigt habe er den Schwager aber nicht. Auch die anderen Brüder seien vom Schwager beschimpft worden, deshalb seien sie auch nicht mehr in der Stadt und würden nur noch die Mutter, welche auch in Gefahr sei, besuchen kommen. Auch sei er in keinem anderen Teil Pakistans sicher, da ihn sein Schwager überall finden werde und er die Kinder (gemeint die des Schwagers) umbringen werde. Wenn die Bedrohung durch den Ex-Schwager nicht wäre, wäre es ihnen grundsätzlich auch möglich, in Pakistan zu leben.

4. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde dem BF nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise vierzehn Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Das BFA führte beweiswürdigend aus, dass nach eingehender Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des BF, diesem aufgrund seiner unterschiedlichen Aussagen bzw. Widersprüche im Zuge des Verfahrens, die Glaubwürdigkeit abzusprechen sei.

Zum einen habe sich der Antragsteller hinsichtlich der Geburtsdaten seiner Frau und seiner Kinder, der Daten der Ausreise und auch hinsichtlich der Reisekosten immer wieder widersprochen. Widersprüche hätten sich auch hinsichtlich der Fluchtgründe ergeben, denn der BF habe bei der Erstbefragung bei der Polizei angegeben, dass der Exmann der Schwester die Scheidung ausgesprochen habe, er sich nicht um die Kinder gekümmert habe und dass die Schwester von der Familie der Schwiegermutter bedroht worden sei. Vor dem Bundesamt habe er hingegen ausgesagt, dass der Schwager die eigenen Kinder umbringen wolle, da er ihnen sein Erbe nicht vermachen wolle. Er wolle auch den BF umbringen, da er der Schwester immer wieder zu Hilfe gekommen sei. Auch sei die in Pakistan verbliebene Familie in Gefahr, da diese vom Schwager bedroht werde. Dies sei aus der Sicht des Bundesamtes aufgrund der mehrfach auftretenden Widersprüche nicht glaubhaft. Auch mache nach Ansicht des BFA, die Tatsache, dass die Familie der BF (Frau und Kinder sowie Mutter und Geschwister) am Wohnsitz in Pakistan verblieben und nicht ausgereist sei, deutlich, dass eine Gefahr nicht existent sei. Des Weiteren stellte das Bundesamt fest, dass der BF aus rein wirtschaftlichen Gründen sein Heimatland verlassen habe, dies schloss das BFA daraus, dass der BF angab, dass seine finanzielle Situation in Pakistan schlecht gewesen sei und er in Österreich Essen, Kleidung und Geld zur Verfügung gestellt bekommen würde. Auch das Unterlassen einer Asylantragstellung in anderen, seitens des Beschwerdeführers durchreisten Länder indiziere nach Ansicht des Bundeamtes die mangelnde Existenz einer Verfolgung.

Aus diesen Gründen läge keine nach der GFK asylrelevante Verfolgung vor; auch sei keine nennenswerte Integration des BF in Österreich existent.

Eine innerstaatliche Fluchtalternative würde überdies beispielweise in Islamabad bestehen und auch andere Provinzen Pakistans seien sicher und können diese sicheren Provinzen auch ungehindert erreicht werden. Der BF sei ein gesunder und arbeitsfähiger Mann und sei seine Existenz in Pakistan daher gesichert. In jedem Fall sei es ihm daher möglich, durch Gelegenheitsarbeit seinen Unterhalt zu sichern und verfüge er zusätzlich in mehreren Teilen Pakistans über familiäre Anknüpfungspunkte und könne er daher im Fall der Rückreise nach Pakistan auch mit Unterstützung rechnen. Ferner stellte das Bundesamt fest, dass der BF seine Mitwirkungspflicht im Verfahren verletzt habe, indem er seinen Reisepass nicht vorgelegt habe.

Festgestellt wurde weiter, dass der BF im Herkunftsstaat niemals Probleme mit der Polizei oder den Justizbehörden gehabt habe, niemals in Haft gewesen sei und auch nicht von staatlichen Behörden gesucht werde. Ferner hätte er weder aus politischen, religiösen oder ethnischen Gründen eine Verfolgung im Herkunftsstaat zu befürchten.

Spruchpunkt II. begründete die Behörde zusammengefasst damit, dass das Bestehen einer Gefährdungssituation iSd § 8 Abs 1 Z 1 AsylG aufgrund der Länderkenntnisse und den Feststellungen zu den persönlichen Umständen zu verneinen sei. Es bestehe nach Ansicht des Bundesamtes eine innerstaatliche Fluchtalternative (beispielsweise in Islamabad). Die sicheren Provinzen in Pakistan seien außerdem auch ungehindert zu erreichen. Der Beschwerdeführer sei gesund und arbeitsfähig und daher sei eine Existenzgründung im Herkunftsstaat nach Ansicht des BFA auch möglich. Ferner verfüge der Beschwerdeführer über familiäre Anknüpfungspunkte und sei im Fall der Rückkehr mit familiärer Unterstützung von den Angehörigen zu rechnen.

Zu Spruchpunkt III. hielt das BFA fest, dass die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung für den BF keinen Eingriff in Art. 8 EMRK darstelle und wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF in den Herkunftsstaat zulässig sei, ein Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG nicht erteilt werde und die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

5. Mit Schriftsatz vom 18.10.2017 erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst GmbH, binnen offener Frist Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht hinsichtlich aller Spruchpunkte. Zu deren Inhalt im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen (zur Zulässigkeit dieser Vorgangsweise: VwGH 16.12.1999, 99/20/0524). Anzumerken ist, dass die Beschwerde als Sammelbeschwerde für den BF, XXXX , gemeinsam mit der Beschwerde für die Schwester des Beschwerdeführers, XXXX , und deren beiden Kinder XXXX und XXXX , eingebracht wurde und sich daher einige der Beschwerdepunkte auf die Schwester und ihre Kinder beziehen.

Nach Schilderung eines kurzen Sachverhalts wurde darin im Wesentlichen ausgeführt, dass es die Behörde unterlassen habe, notwendige Feststellungen vorzunehmen und diese teils unrichtige Feststellungen getroffen habe. Des Weiteren wurde moniert, dass sich die Entscheidungen des Bundesamtes auf nicht aktuelle Länderberichte stützen, weshalb das Ermittlungsverfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden und die Entscheidungen daher mit einem Verfahrensfehler belastet seien. Sofern die Behörde in ihren Entscheidungen Widersprüche von der polizeilichen Erstbefragung und der weiteren Einvernahmen aufzeige, werde auf die Judikatur des VfGH verwiesen, wonach Asylwerber in der Erstbefragung gar nicht näher zu ihren Asylgründen befragt werden dürfen. Daraus würde sich ergeben, dass die Asylbehörde ihre Entscheidung nicht vorrangig auf Widersprüche im Fluchtvorbringen bei der polizeilichen Erstbefragung und bei der Einvernahme stützen dürfe. Auch müsse in diesem Zusammenhang der psychische und physische Zustand des Asylwerbers bei der Erstbefragung berücksichtigt werden. Sofern von der Behörde Widersprüche im Vorbringen des BF, XXXX , und seiner Schwester XXXX aufgezeigt werden, so wird in der Beschwerde ausgeführt, dass beide eine nachvollziehbare Bedrohung durch den Ex-Mann der XXXX dargetan haben. Feststellungen, dass durch den Verkauf des Hauses genug Geld vorhanden gewesen sei, um auch die Familie des BF mitzunehmen, hätten nicht erfolgen dürfen, da diesbezüglich keine weiteren Ermittlungen durch die Behörde erfolgt seien. Die Beschwerdeführer seien überdies in Österreich, entgegen der Auffassung der Behörde, sehr gut integriert. Der BF besuche auch einen Alphabetisierungskurs und habe diesbezüglich Unterlagen vorgelegt. Im Ergebnis hätte die Behörde zum Schluss kommen müssen, dass eine asylrelevante Verfolgung vorliege. Diese Verfolgung gehe zwar nicht vom pakistanischen Staat aus, sondern von der Familie des Ex-Mannes der Schwester des BF, jedoch sei der Staat nicht in der Lage, die Beschwerdeführer vor der Verfolgung zu schützen. Eine innerstaatliche Fluchtalternative bestehe nicht.

6. Die Beschwerde wurde am 19.10.2017 vom BFA, Regionaldirektion Burgenland, dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

7. Am 29.08.2018 langte hg. eine Mitteilung der Diakonie Flüchtlingsberatung XXXX ein, wonach das Geburtsdatum des BF auf der Aufenthaltsberechtigungskarte nicht korrekt angegeben sei, mit der Bitte eine Korrektur vorzunehmen. Dieser Mitteilung wurde eine Kopie des Reisepasses des BF, ausgestellt am XXXX , beigefügt.

8. Am 11.10.2018 langte bei Gericht die Vollmachtbekanntgabe von RA Dr. Michael Vallender ein, wonach der Beschwerdeführer diesen mit der weiteren Vertretung im Verfahren beauftragt habe. Das Vollmachtverhältnis wurde sodann am 25.03.2019 aufgelöst und dieser Umstand mit Eingabe vom 26.03.2019 dem Gericht zur Kenntnis gebracht.

9. Das Bundesverwaltungsgericht übermittelte mit Schreiben vom 04.11.2019 die Länderfeststellungen (LIB, Stand: 16.05.2019) zu Pakistan an den Beschwerdeführer und räumte ihm die Möglichkeit ein, bis spätestens in der Verhandlung, am 27.11.2019 dazu Stellung zu nehmen.

10. Beweis wurde erhoben durch die Einsichtnahme in den behördlichen Verwaltungsakt unter zentraler Zugrundelegung der niederschriftlichen Angaben des BF und seiner Schwester, des Bescheidinhaltes sowie des Inhaltes der gegen den Bescheid des BFA erhobenen Beschwerde. Einsicht genommen wurde zudem in die vom BFA in das Verfahren eingebrachten Erkenntnisquellen betreffend die allgemeine Lage im Herkunftsstaat des BF, die dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegen sowie durch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27.11.2019.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Verfahrensbestimmungen

1.1. Zuständigkeit der entscheidenden Einzelrichterin

1.1.1. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA das Bundesverwaltungsgericht.

1.1.2. Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Aufgrund der geltenden Geschäftsverteilung wurde der gegenständliche Verfahrensakt der erkennenden Einzelrichterin zugewiesen, woraus sich deren Zuständigkeit ergibt.

2. Feststellungen (Sachverhalt):

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers wird festgestellt:

Der Beschwerdeführer ist pakistanischer Staatsangehöriger und stammt aus der Stadt XXXX in der Provinz Punjab. Die Identität des Beschwerdeführers steht nicht fest. Der Beschwerdeführer gehört dem sunnitischen Glauben und der Volksgruppe der Punjabi an. Er ist am XXXX illegal, gemeinsam mit seiner Schwester, XXXX , und ihren beiden Kindern, XXXX und Samar XXXX , in Österreich eingereist und stellten alle genannten Personen am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Der Beschwerdeführer hat eine Frau und drei Kinder, welche im Pakistan geblieben sind. Auch seine Mutter und seine vier Brüder leben nach wie vor in Pakistan. Der Beschwerdeführer hat in Pakistan in einer Bekleidungsfabrik und zuletzt als Rikscha-Fahrer gearbeitet. Er telefoniert monatlich ca. einmal mit seiner Frau in Pakistan und schickt ihr auch gelegentlich Geld.

Der Beschwerdeführer hält sich seit März 2016 in Österreich auf. Er hat in Österreich einen Alphabetisierungskurs besucht. Des Weiteren hat er vier Monate lang einen Deutschkurs besucht, welcher eingestellt wurde. Der Beschwerdeführer pflegt in Österreich überwiegend Kontakt zu seiner Schwester und ihren beiden Kindern. Weitere Bindungen hat er in Österreich nicht. Er geht in Österreich keiner Tätigkeit nach und bestreitet seinen Unterhalt von der staatlichen Grundversorgung. Der Beschwerdeführer verfügt in Pakistan über eine Vielzahl an familiären Anknüpfungspunkten, seine Frau und drei Kinder, seine Mutter und vier Brüder leben alle nach wie vor in Pakistan.

Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer von seinem Ex-Schwager, dem Ex-Mann seiner mit ihm nach Österreich eingereisten Schwester, mit dem Umbringen bedroht wurde.

Auch weitere Bedrohungen welchen der Beschwerdeführer durch den Ex-Mann seiner Schwester in Pakistan behauptete, konnten nicht festgestellt werden.

Ferner konnte nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat Pakistan Probleme aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit hatte oder pro futuro solche haben wird.

Es können keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer Gefahr liefe, in Pakistan einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr iSd Art 2 und 3 EMRK unterworfen zu werden.

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Pakistan in eine existenzgefährdende Notsituation geraten würde oder als Zivilpersonen einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen oder internationalen Konfliktes ausgesetzt wäre.

Zum Entscheidungszeitpunkt konnte auch keine sonstige aktuelle Gefährdung des Beschwerdeführers in seinem Herkunftsstaat festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer pflegt in Österreich überwiegend Kontakt zu seiner mit ihm eingereisten Schwester und ihren beiden Kindern. Weitere enge Bezugspersonen hat der Beschwerdeführer in Österreich nicht. Der Beschwerdeführer, der einen Alphabetisierungskurs abgeschlossen hat, hat in Österreich keinen Deutschkurs absolviert und versteht und spricht die deutsche Sprache nicht.

Auch sonst konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration des Beschwerdeführers in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden.

Im Strafregisterauszug scheint keine Verurteilungen des Beschwerdeführers auf und ist dieser unbescholten.

2.2. Zur Lage im Herkunftsstaat wird festgestellt:

* 1.Politische Lage

Pakistan ist ein Bundesstaat mit den vier Provinzen Punjab, Sindh, Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa. Die FATA (Federally Administered Tribal Areas / Stammesgebiete unter Bundesverwaltung) sind nach einer Verfassungsänderung im Mai 2018 offiziell in die Provinz Khyber Pakhtunkhwa eingegliedert worden. Daneben kontrolliert Pakistan die Gebiete von Gilgit-Baltistan und Azad Jammu & Kashmir, dem auf der pakistanischen Seite der Demarkationslinie ("Line of Control") zwischen Indien und Pakistan liegenden Teil Kaschmirs. Beide Gebiete werden offiziell nicht zum pakistanischen Staatsgebiet gerechnet und sind in Teilen autonom. Das Hauptstadtterritorium Islamabad ("Islamabad Capital Territory") bildet eine eigene Verwaltungseinheit (AA 1.2.2019a).

Das Ergebnis der Volkszählung 2017 ergab für Pakistan ca. 207,8 Millionen Einwohner ohne Berücksichtigung von Azad Jammu & Kashmir und Gilgit-Baltistan (PBS 2017a), wo zusammengerechnet weitere ca. 5,5 Millionen Menschen leben (AJK PDD 2017 + Khan 2017 S 88-89). Das Land ist der sechst-bevölkerungsreichste Staat der Welt (CIA 5.2.2019).

Die gesetzgebende Gewalt in Pakistan liegt beim Parlament (Nationalversammlung und Senat). Daneben werden in den Provinzen Pakistans Provinzversammlungen gewählt. Die Nationalversammlung umfasst 342 Abgeordnete, von denen 272 vom Volk direkt für fünf Jahre gewählt werden. Es gilt das Mehrheitswahlrecht. 60 Sitze sind für Frauen, 10 weitere für Vertreter religiöser Minderheiten reserviert (AA 1.2.2019a). Die reservierten Sitze werden von den Parteien gemäß ihrem Stimmenanteil nach Provinzen besetzt, wobei die Parteien eigene Kandidatenlisten für diese Sitze erstellen. (Dawn 2.7.2018).

Bei der Wahl zur Nationalversammlung (Unterhaus) am 25. Juli 2018 gewann erstmals die Pakistan Tehreek-e-Insaf (PTI: Pakistanische Bewegung für Gerechtigkeit) unter Führung Imran Khans die Mehrheit (AA 1.2.2019a). Es war dies der zweite verfassungsmäßig erfolgte Machtwechsel des Landes in Folge (HRW 17.1.2019). Die PTI konnte durch eine Koalition mit fünf kleineren Parteien sowie der Unterstützung von neun unabhängigen Abgeordneten eine Mehrheit in der Nationalversammlung herstellen (ET 3.8.2018). Imran Khan ist seit Mitte August 2018 Premierminister Pakistans (AA 1.2.2019).

Unabhängige Beobachter berichten von technischen Verbesserungen beim Wahlablauf (USDOS 13.3.2019), jedoch war die Vorwahlzeit geprägt von Einflussnahmen durch Militär und Nachrichtendienste (USDOS 13.3.2019; vgl. FH 1.2019) insbesondere gegen die bisherige Regierungspartei Pakistan Muslim League-Nawaz (PML-N) (FH 1.2019). Die Wahlbeobachtermission der EU schätzte den Wahlverlauf als transparent und gut durchgeführt ein, jedoch erschwerte die Selbstzensur der Berichterstatter das Treffen von qualifizierten Wahlentscheidungen für die Wähler (EUEOM 27.7.2018).

Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von Parlament und Provinzversammlungen gewählt. Am 9. September 2018 löste Arif Alvi von der Regierungspartei PTI den seit 2013 amtierenden Präsidenten Mamnoon Hussain (PML-N) Staatspräsident regulär ab (AA 1.2.2019a).

Der Fokus der PTI-Koalitionsregierung liegt laut offizieller Darstellung auf dem Kampf gegen Korruption, der Sanierung von Wirtschaft und Finanzen sowie einem besseren Bildungs- und Gesundheitssystem (AA 1.2.2019a). In der Praxis dominiert das Militär wichtige Politikbereiche, insbesondere innere sowie äußere Sicherheit und Beziehungen zu - für Pakistans äußere Sicherheit zentralen - Staaten wie Afghanistan, Indien und USA (AA 21.8.2018; vgl. FH 1.2019). Der pakistanische Geheimdienst ist auch intensiv in der Innenpolitik Pakistans involviert und der Generaldirektor des Inter-Services Intelligence (ISI) gilt neben dem Armeechef als mächtigste Person im Land (Globalsecurity.org o.D.).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (1.2.2019a): Pakistan: Staatsaufbau und Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/pakistan-node/pakistan-innenpolitik/205010, Zugriff 25.2.2019

* AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (21.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN (Stand: August 2018), https://www.ecoi.net/en/file/local/1442726/4598_1536328003_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-pakistan-stand-august-2018-21-08-2018.pdf, Zugriff 21.2.2019

* AJK PDD - Azad Government of the State of Jammu and Kashmir - Planning & Development Department (2017): Azad Jammu & Kashmir at a Glance 2017, https://pndajk.gov.pk/uploadfiles/downloads/At%20a%20Glance%202017.pdf, Zugriff 4.4.2019

* CIA - Central Intelligence Agency (5.2.2019): World Factbook - Pakistan, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/pk.html, Zugriff 21.2.2019

* Dawn (2.7.2018): Mechanism for filling reserved seats seen as flawed, https://www.dawn.com/news/1417406, Zugriff 23.4.2019

* EUEOM - European Union Election Observation Mission Islamic Republic of Pakistan (27.7.2018): Preliminary Statement - Positive changes to the legal framework were overshadowed by restrictions on freedom of expression and unequal campaign opportunities, https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/eu_eom_pakistan_2018_-_preliminary_statement_on_25_july_elections.pdf, Zugriff 1.4.2019

* ET - Express Tribune, the (3.8.2018): MQM support gives PTI required majority in NA, https://tribune.com.pk/story/1772639/1-mqm-p-throws-weight-behind-pti/, Zugriff 23.4.2019

* FH - Freedom House (1.2019): Freedom in the World 2019 - Pakistan, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2019/pakistan, Zugriff 12.3.2019

* Globalsecurity.org (o.D.): Directorate for Inter-Services Intelligence [ISI] http://www.globalsecurity.org/intell/world/pakistan/isi.htm, Zugriff 12.3.2019

* HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002256.html, Zugriff 12.3.2019

* Khan, Ehsan Mehmood (2017): Constitutional Status of Gilgit Baltistan: An Issue of Human Security, https://www.ndu.edu.pk/issra/issra_pub/articles/margalla-paper/Margalla-Paper-2017/7-Constitutional-Status-Dr-Ehsan-Mehmood-Khan.pdf, Zugriff 4.4.2019

* PBS - Pakistan Bureau of Statistics (2017a): Press Release on Provisional Results of 6th Population and Housing Census - 2017, http://www.statistics.gov.pk/assets/publications/Population_Results.pdf, Zugriff 1.4.2019

* USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Reports on Human Rights Practices for 2018 - Pakistan https://www.state.gov/documents/organization/289500.pdf, Zugriff 14.3.2019

1. Sicherheitslage

Die Bedrohung durch Terrorismus und Extremismus bleibt zentrales Problem für die innere Sicherheit des Landes (AA 1.2.2019a; vgl. USDOS 19.9.2018). Landesweit ist die Zahl der terroristischen Angriffe seit 2009, zurückgegangen (PIPS 7.1.2019; vgl. AA 21.8.2018, USDOS 19.9.2018). Konflikte mit dem Nachbarland Indien werden gelegentlich gewaltsam ausgetragen (EASO 10.2018 S 16).

Die Taliban und andere militante Gruppen verüben Anschläge insbesondere in Belutschistan und in Khyber-Pakhtunkhwa (AA 21.8.2018), aber auch in Großstädten wie Karatschi (AA 1.2.2019a). Über 90 % der terroristischen Anschläge sowie Todesopfer entfielen 2018 auf die zwei Provinzen Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa (PIPS 7.1.2019). Die Anschläge zielen vor allem auf Einrichtungen des Militärs und der Polizei. Opfer sind aber auch politische Gegner der Taliban, Medienvertreter, religiöse Minderheiten, Schiiten, sowie Muslime, die nicht der strikt konservativen Islam-Auslegung der Taliban folgen, wie die Sufis (AA 1.2.2019a).

Die Operationen der Rangers [siehe dazu Abschnitt Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.] in Karatschi (ab 2013), Militäroperationen in Nord-Wasiristan und der Khyber Agency [Stammesbezirke der Provinz Khyber Pakhtunkhwa, Anm.], sowie landesweite Anti-Terror-Operationen als Teil des National Action Plan (NAP) trugen dazu bei, den rückläufigen Trend bei der Zahl der Vorfälle und der Opfer auch 2018 aufrecht zu halten (PIPS 7.1.2019 S 20; vgl. EASO 10.2018 S 18). In den ehemaligen Stammesgebieten (Federally Administered Tribal Areas - FATA) konnte das staatliche Gewaltmonopol überwiegend wiederhergestellt werden (AA 21.8.2018), die Militäraktionen gelten als abgeschlossen (Dawn 29.5.2018). Viele militante Gruppen, insbesondere die pakistanischen Taliban, zogen sich auf die afghanische Seite der Grenze zurück und agitieren von dort gegen den pakistanischen Staat (AA 21.8.2018).

Im aktuellen Konflikt zwischen Indien und Pakistan demonstrierten beide Staaten, die über Nuklearwaffen verfügen, dass sie bereit sind, die Lage weiter eskalieren zu lassen (Dawn 8.4.2019 vgl. BMEIA 27.3.2019). Jedoch wird ein Atomkrieg als äußerst unwahrscheinlich gesehen (DW 28.2.2019).

Im Vorfeld der Parlamentswahlen am 25.7.2018 erlebte Pakistan eine Welle von Gewalt mit größeren Anschlägen in verschiedenen Provinzen, für die militante aufständische Gruppierungen die Verantwortung übernahmen. Der Selbstmordanschlag am 13.7.2018 auf eine politische Versammlung in Mastung, Belutschistan, mit 150 Toten war der Anschlag mit den dritt-meisten Todesopfern, der bis dahin jemals in Pakistan verübt wurde (EASO 10.2018 S 18; vgl. PIPS 7.1.2019 S 43). Am Wahltag waren 370.000 Soldaten und 450.000 Polizisten mit erweiterten Befugnissen im Einsatz, um die Wahllokale zu sichern. Am Wahltag kam es in Belutschistan zu zwei Anschlägen mit Todesopfern auf Wahllokale und es gab regional Zusammenstöße zwischen Anhängern unterschiedlicher Parteien (EUEOM 27.7.2018; vgl. Dawn 26.7.2018) vorwiegend in Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa (Dawn 26.7.2018).

Die verschiedenen militanten, nationalistisch-aufständischen und gewalttätigen religiös-konfessionellen Gruppierungen führten 2018 landesweit 262 terroristische Angriffe durch. Dabei kamen 595 Menschen ums Leben und weitere 1.030 wurden verletzt. Unter den Todesopfern waren 371 Zivilisten, 173 Angehörige der Sicherheitskräfte und 51 Aufständische. 136 (52 %) Angriffe zielten auf staatliche Sicherheitskräfte, jedoch die höchste Zahl an Opfern (218 Tote und 394 Verletzte) gab es bei insgesamt 24 Terrorangriffen auf politische Persönlichkeiten. Zivilisten waren das Ziel von 47 (18 %) Angriffen, acht waren Angriffe auf regierungsfreundliche Stammesälteste bzw. Mitglieder der Friedenskommittees und sieben hatten Mitglieder der schiitischen Gemeinschaft zum Ziel (PIPS 7.1.2019 S 17f). Im Vergleich zu 2017 gab es im Jahr 2018 29 Prozent weniger terroristische Angriffe, bei denen um 27 Prozent weniger Todesopfer und um 40 Prozent weniger Verletzte zu beklagen waren (PIPS 7.1.2019).

Tehreek-e-Taliban Pakistan (TTP) und ihre Splittergruppen, insbesondere Jamaatul Ahrar und Hizbul Ahrar, bzw. Gruppen mit ähnlichen Zielen wie lokale Talibanfraktionen, Lashkar-e-Islam und Islamischer Staat führten 2018 171 terroristische Angriffe mit 449 Toten und 769 Verletzten durch. Nationalistische Gruppierungen, vorwiegend belutschische, führten 80 terroristische Angriffe mit 96 Toten und 216 Verletzten durch. Elf terroristische Angriffe mit 50 Toten und 45 Verletzten waren konfessionell motiviert (PIPS 7.1.2019).

Das Pakistan Institute for Peace Studies (PIPS) registrierte für die Jahre 2017, 2018 bzw. das erste Quartal 2019 (1.1. bis 31.3.) für gesamt Pakistan sowie die unterschiedlichen Provinzen bzw. Gebiete nachfolgende Zahlen an terroristischen Anschlägen und Todesopfern (Quellenangabe siehe Tabelle; Darstellung BFA Staatendokumentation):

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Insgesamt gab es im Jahr 2018 in Pakistan, inklusive der oben genannten terroristischen Anschläge, 497 Vorfälle von für die Sicherheitslage relevanter Gewalt (2017: 713; -30 %), darunter 31 operative Schläge der Sicherheitskräfte (2017: 75), 22 Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen (2017: 68), 131 Auseinandersetzungen an den Grenzen mit Indien, Afghanistan und Iran (2017: 171) und 22 Vorfälle von ethnischer oder politischer Gewalt (2017: vier) (PIPS 7.1.2019 S 19f; Zahlen für 2017: PIPS 7.1.2018 S 20). Die Zahl der bei diesen Vorfällen getöteten Personen sank um 46 % auf 869 von 1.611 im Jahr 2017, die Zahl der verletzten Personen sank im selben Zeitraum um 31 % von 2.212 auf 1.516 (PIPS 7.1.2019 S 20).

Im Februar 2019 eskalierten die Spannungen zwischen Indien und Pakistan im lang anhaltenden Kaschmir-Konflikt (Time 28.2.2019; vgl. UKFCO 7.3.2019). Der indische Luftangriff vom 26.2., bei dem laut pakistanischen Angaben keine Menschen zu Schaden kamen (Time 28.2.2019) in Balakot, Provinz Khyber Pakhtunkhwa, war seit 1971 der erste Angriff Indiens auf pakistanisches Gebiet außerhalb Kaschmirs (Spiegel 2.3.2019). Am 27.2. wurde ein indisches Kampfflugzeug in pakistanischem Luftraum abgeschossen (Time 28.2.2019). Es kommt zu wiederholten Grenzverletzungen und Militäraktionen zwischen Pakistan und Indien (BMEIA 27.3.2019). Durch Schusswechsel über die Demarkationslinie hinweg werden auf beiden Seiten immer wieder Soldaten und Zivilisten verletzt oder getötet (Standard 2.4.2019; vgl. Presse 2.3.2019, Reuters 3.3.2019). Siehe dazu auch Abschnitt 0.

Nach dem Angriff auf die Militärschule in Peschawar im Dezember 2014 wurde der National Action Plan (NAP) gegen Terrorismus in Kraft gesetzt. Die 20 Punkte des Plans umfassen Maßnahmen sowohl gegen Terrorismus als auch gegen Extremismus. Gemäß Einschätzung von PIPS wurden in den vier Jahren, die der Plan nun in Kraft ist, zufriedenstellende Fortschritte im Bereich der Terrorismusbekämpfung erzielt. Die Fortschritte im Bereich der Extremismusbekämpfung werden als nicht zufriedenstellend angesehen (PIPS 7.1.2019 S 89ff).

Die Regierung unterhält Deradikalisierungszentren, die "korrigierende religiöse Bildung", Berufsausbildung, Beratung und Therapie anbieten. Weithin gelobt ist das Sabaoon Rehabilitation Center einer NGO im Swat-Tal, das gemeinsam mit dem Militär gegründet wurde und sich an jugendliche ehemalige Extremisten richtet (USDOS 19.9.2018).

Trotz gesetzlicher Regelungen gegen die Finanzierung von Terrorismus, die internationalen Standards entsprechen, werden Gruppen wie Lashkar-e Tayyiba nicht effektiv daran gehindert, in Pakistan Spenden zu lukrieren oder auf ihre finanziellen Mittel zuzugreifen. Auch gibt es Lücken in der Umsetzung der Sanktionen des UN-Sicherheitsrates gegen Al-Qaeda und den Islamischen Staat (USDOS 19.9.2018).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (1.2.2019a): Pakistan: Staatsaufbau und Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/pakistan-node/pakistan-innenpolitik/205010, Zugriff 25.2.2019

* AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (21.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN (Stand: August 2018), https://www.ecoi.net/en/file/local/1442726/4598_1536328003_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-pakistan-stand-august-2018-21-08-2018.pdf, Zugriff 21.2.2019

* BMEIA - Bundesministerium Europa, Integration und Äußeres der Republik Österreich (27.3.2019): Reiseinformation Pakistan, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/pakistan/, Zugriff 3.4.2019

* Dawn (8.4.2019): India-Pakistan conflict: Experts warn of harmful implications, https://www.dawn.com/news/1474645/india-pakistan-conflict-experts-warn-of-harmful-implications, Zugriff 8.4.2019

* Dawn (26.7.2018): 'Naya Pakistan' imminent: PTI leads in slow count of 11th general elections vote, https://www.dawn.com/news/1421984/voting-underway-across-pakistan-amid-tight-security-with-only-hours-left-till-polling-ends, Zugriff 3.4.2019

* Dawn (29.5.2018): Fata's historic transition, https://www.dawn.com/news/1410706/fatas-historic-transition, Zugriff 19.3.2019

* DW - Deutsche Welle (28.2.2019): Opinion: India, Pakistan, and the remote but real threat of nuclear war, https://www.dw.com/en/opinion-india-pakistan-and-the-remote-but-real-threat-of-nuclear-war/a-47721752, Zugriff 8.4.2019

* EASO - European Asylum Support Office (10.2018): EASO Informationsbericht über das Herkunftsland Pakistan - Sicherheitslage, https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/Plib/EASO_Pakistan_SecuritySituation_October2018_DE.pdf, Zugriff 12.3.2019

* EUEOM - European Union Election Observation Mission Islamic Republic of Pakistan (27.7.2018): Preliminary Statement - Positive changes to the legal framework were overshadowed by restrictions on freedom of expression and unequal campaign opportunities, https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/eu_eom_pakistan_2018_-_preliminary_statement_on_25_july_elections.pdf, Zugriff 1.4.2019

* PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (7.1.2018): Pakistan Security Report 2017, https://pakpips.com/app/reports/wp-content/uploads/2018/03/sr2017.pdf, Zugriff 8.4.2019

* PIPS - Pak Institute for Peace Studies (9.4.2019): Pakistan Monthly Security Report: March 2019, https://pakpips.com/app/reports/477, Zugriff 9.4.2019

* PIPS - Pak Institute for Peace Studies (6.2.2019): Pakistan Monthly Security Report: January 2019, https://pakpips.com/app/reports/433, Zugriff 2.4.2019

* PIPS - Pak Institute for Peace Studies (7.1.2019): Pakistan Security Report 2018, https://pakpips.com/app/reports/396, Zugriff 8.1.2019

* PIPS - Pak Institute for Peace Studies (7.3.2019): Pakistan Monthly Security Report: February 2019, https://pakpips.com/app/reports/453, Zugriff 2.4.2019

* Presse, die (2.3.2019): Kaschmir: Sieben Tote bei Schüssen an Grenze von Indien und Pakistan, https://diepresse.com/home/ausland/aussenpolitik/5588780/Kaschmir_Sieben-Tote-bei-Schuessen-an-Grenze-von-Indien-und-Pakistan, Zugriff 4.3.2019

* Reuters (3.3.2019): India-Pakistan border quiet but Kashmir tense amid militancy crackdown, https://www.reuters.com/article/us-india-kashmir-pakistan-idUSKCN1QK093, Zugriff 6.3.2019

* Spiegel (2.3.2019): "Die roten Linien wurden verschoben", http://www.spiegel.de/politik/ausland/kaschmir-konflikt-zwischen-indien-und-pakistan-die-roten-linien-verschoben-a-1255811.html, Zugriff 2.4.2019

* Standard, der (2.4.2019): Pakistan meldet mehrere Tote nach Beschuss aus Indien, https://derstandard.at/2000100638494/Pakistan-meldet-mehrere-Tote-nach-Beschuss-aus-Indien-in-Kaschmir, Zugriff 3.4.2019

* Time (28.2.2019): From Suicide Bombing to Captured Pilot: A Timeline of the Latest Crisis in Kashmir, http://time.com/5541090/india-pakistan-2019-tensions-timeline/, Zugriff 2.4.2019

* UKFCO - UK Foreign and Commonwealth Office (7.3.2019): Foreign travel advice - Pakistan, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/pakistan, Zugriff 3.4.2019

* USDOS - US Department of State (19.9.2018): Country Report on Terrorism 2017 - Chapter 1 - Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/1444941.html, Zugriff 2.4.2019

1.1. Wichtige Terrorgruppen

Die Tehrik-e-Taliban Pakistan (TTP) ist die größte der in Pakistan aktiven militanten regierungsfeindlichen Gruppen. Die TTP ist eine Dachorganisation 13 verschiedener - also ungefähr der Hälfte aller pakistanischen - Talibanfraktionen. Die Hochburgen der TTP in den ehem. FATA wurden durch militärische Operationen beseitigt, jedoch hält die TTP nach wie vor Rückzugsgebiete in Ostafghanistan. Analysten meinen, dass die TTP sich Mitte 2018 unter neuer Führung in Süd-Wasiristan vereinen konnte und wieder schlagkräftiger würde (EASO 10.2018 S 24f). PIPS hingegen gibt an, dass TTP verzweifelt darum kämpfe, ihr Netzwerk zu erhalten, innere Streitereien zu überwinden und die Finanzierung sicherzustellen (PIPS 7.1.2019 S 74).

Gemäß PIPS war die TTP im Jahr 2018 für 79 Terroranschläge mit 185 Toten verantwortlich. 57 dieser Anschläge wurden in Khyber Pakhtunkhwa, wo die Gruppe für den größten Teil aller Anschläge verantwortlich war, und 18 in Belutschistan durchgeführt (PIPS 7.1.2019 S 74f). Im Vorfeld der Parlamentswahlen 2018 hat die TTP die Verantwortung für mehrere Anschläge übernommen (EASO 10.2018 S 26).

Kleinere militante Organisationen, die in Khyber Pakhtunkhwa - insbesondere in den ehem. Stammesgebieten - aktiv sind, werden als Lokale Taliban bezeichnet. Diese Gruppen führten 2018 28 terroristische Anschläge mit elf Todesopfern durch. Die meisten dieser Vorfälle sind religiös motiviert und zielen auf Mädchenschulen, NGOs, Sicherheitskräfte oder Stammesälteste ab. Eine Talibangruppe unter Mullah Nazir ist in Nord-Wasiristan aktiv. Sie wurde einst als "gute Taliban" bezeichnet und nennt sich heute Friedenskommittee. Sie bedroht Mitglieder des Pakhtun Tahaffuz Movement [siehe auch Abschnitt 0] (PIPS 7.1.2019 S 74f).

Jamaatul Ahrar (JuA) ist eine Fraktion der TTP, operiert aber mit einer gewissen Eigenständigkeit aus der Provinz Nangarhar in Afghanistan heraus. Ziele der Gruppe sind Mitglieder der Sicherheitskräfte, Regierungsgebäude, Politiker, Minderheiten und Rechtsanwälte. Die Hizbul Ahrar (HuA) spaltete sich 2017 von der JuA ab (EASO 10.2018 S 26f). Gemäß PIPS waren im Jahr 2018 JuA für 15 terroristische Anschläge (2017: 37) mit elf Toten, alle in Khyber Pakhtunkhwa, sowie HuA für sechs Anschläge in vier verschiedenen Provinzen verantwortlich (PIPS 7.1.2019 S 74).

Der Islamische Staat in der Provinz Khorasan (IS / ISKP / Daesh) ist seit 2015 in Pakistan aktiv. Der IS konnte seinen Einfluss durch taktische Bündnisse mit ähnlich ausgerichteten örtlichen Gruppen vergrößern. IS hat lokale Zweigstellen und Rekrutierungsnetzwerke in einigen Großstädten wie Peschawar oder Karatschi (EASO 10.2018 S 29f). Der IS war 2018 für zwei große Anschläge im Zusammenhang mit den Wahlen in Belutschistan verantwortlich und war vermehrt in konfessionelle Gewalt involviert. Im Jahr 2018 wurden bei insgesamt fünf Anschlägen durch den IS 224 Menschen getötet. Der IS ist insbesondere in Belutschistan präsent, wo er 2018 vier große terroristische Anschläge durchführte; ein weiterer Anschlag geschah in Khyber Pakhtunkhwa (PIPS 7.1.2019 S 76f).

Lashkar-e-Jhangvi (LeJ) ist eine Deobandi-Terroristengruppe. Die Gewalt von LeJ richtet sich größtenteils gegen Schiiten; die Organisation vertritt auch radikale Standpunkte gegenüber Christen, Ahmadis und sufistischen Muslimen (EASO 10.2018 S 32). Im Jahr 2018 war LeJ für sieben terroristische Angriffe, darunter sechs in Belutschistan und einem in Khyber Pakhtunkhwa, mit insgesamt neun Toten, verantwortlich (PIPS 7.1.2019 S 78). Im Jahr 2017 war die LeJ mit ihren Splittergruppen, darunter die Lashkar-e-Jhangvi Al-Alami, insgesamt für 18 Anschläge mit 132 Toten verantwortlich. 90 % davon betrafen die erste Jahreshälfte. Die verminderte Aktivität im zweiten Halbjahr ist durch die Zerschlagung ihrer Hauptnetzwerke zu erklären (PIPS 7.1.2018 S 87).

Die Schlagkraft der belutschischen nationalistischen Gruppen ist trotz einer verminderten Zahl an durchgeführten Anschlägen intakt. Die Balochistan Liberation Army (BLA) und die Baloch Liberation Front (BLF) führten 2018 addiert 45 terroristische Anschläge in Belutschistan und zwei in Karatschi durch [siehe auch Abschnitt 0]. 2018 wurden erstmals zwei Selbstmordangriffe durchgeführt. Diese Taktik wird normalerweise von religiösen Gruppierungen verwendet, hingegen sind die belutschischen Gruppierungen nationalistisch und politisch links einzuordnen (PIPS 7.1.2019).

Quellen:

* EASO - European Asylum Support Office (10.2018): EASO Informationsbericht über das Herkunftsland Pakistan - Sicherheitslage, https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/Plib/EASO_Pakistan_SecuritySituation_October2018_DE.pdf, Zugriff 12.3.2019

* PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (7.1.2018): Pakistan Security Report 2017, https://pakpips.com/app/reports/wp-content/uploads/2018/03/sr2017.pdf, Zugriff 8.4.2019

* PIPS - Pak Institute for Peace Studies (7.1.2019): Pakistan Security Report 2018, https://pakpips.com/app/reports/396, Zugriff 8.1.2019

1.2. Belutschistan

Die Provinz Belutschistan ist in 32 Distrikte mit insgesamt 134 Tehsils (administrative Einheit unterhalb der Distrikte) eingeteilt. Zur Volkszählung 2017 hat die Provinz 12,3 Millionen Einwohner; in der Hauptstadt Quetta leben ca. 1,7 Millionen Menschen (PBS 2017d).

Die Provinz Belutschistan ist mit einer Vielzahl von Konflikten belastet, wie zum Beispiel zwischen dem Staat und Nationalisten (Militär gegen bewaffnete Gruppen), Stammesfehden sowie ethnisch und religiös motivierte Auseinandersetzungen. Diese Konflikte werden durch die Beteiligung ausländischer Staaten mit einem wirtschaftlichen oder politischen Interesse in der Provinz, wie zum Beispiel China, weiter verkompliziert (EASO 10.2018).

Aufständische und separatistische Kräfte greifen Infrastruktureinrichtungen und Armeekräfte an und verüben Sprengstoffanschläge. Armee und Luftwaffe gehen gegen die Aufständischen vor. Auch Aktivitäten afghanischer und pakistanischer Taliban (TTP) werden in Belutschistan beobachtet (AA 13.3.2019). Es gibt Anzeichen wachsender Taliban-Präsenz insbesondere in Gebieten mit paschtunischer Bevölkerung (PIPS 10.4.2019). Daneben kommt es zu religiös motivierten Anschlägen, denen v. a. Schiiten zum Opfer fallen. In Quetta richten sich die Anschläge vielfach gegen die Volksgruppe der Hazara bzw. gegen Christen, die des Missionierens verdächtigt werden (AA 13.3.2019).

Die lokale Presse in Belutschistan wird von der Regierung Pakistans eingeschüchtert. Im November 2017 wurden lokale Journalisten von belutschischen Aufständischen bedroht, die die Journalisten der Kollaboration mit der Armee bezichtigten. Über Militäroperationen wird in Medien kaum berichtet und es gibt große Informationslücken über die Auswirkungen der Militäroperationen auf die Zivilbevölkerung (EASO 10.2018 S 72). Die militärische Führung hat durch Zugangssperren zu bestimmten Regionen u.a. der Provinz Belutschistan sowie durch Aufforderungen zur Selbstzensur mittels direkter und indirekter Einschüchterungsmethoden auf unauffällige, jedoch sehr effektive Art, die Berichterstattung beschränkt (ÖB 10.2018). Es gibt Hinweise, dass nicht alle Zwischenfälle gemeldet werden, da Journalisten und Blogger Selbstzensur betreiben (EASO 10.2018 S 13).

Es gibt Berichte über Binnenvertreibungen in Belutschistan. Wegen des eingeschränkten Zugangs zu betroffenen Gebieten seien die Informationen hierüber aber beschränkt. EASO gibt an, dass bei der Erstellung des Berichtes zur Sicherheitslage Pakistan mit dem Berichtszeitraum 1.6.2017 bis 15.8.2018 nur wenige Quellen zu Binnenvertreibungen in Belutschistan gefunden wurden (EASO 10.2018 S 76).

Für das erste Quartal 2019 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS in Belutschistan 29 terroristische Anschläge mit 49 Toten. Belutschische nationalistische Gruppierungen waren für 20 Anschläge verantwortlich und religiöse militante Aufständischengruppierungen, hauptsächlich TTP, für sieben. Weitere zwei Anschläge waren religiös-konfessionell motiviert. Unter den Todesopfern befanden sich 19 Sicherheitskräfte, 23 Zivilisten und sieben Aufständische (Aggregat aus: PIPS 6.2.2019. PIPS 7.3.2019, PIPS 10.4.2019).

Im Jahr 2018 war Belutschistan bezüglich Opferzahlen die am stärksten von Terrorismus betroffene Provinz. Fast 60 % aller Todesopfer landesweit kamen bei terroristischen Angriffen in Belutschistan ums Leben. Während die Zahl der Terrorangriffe im Vergleich zum Vorjahr um 30 % auf 115 gesunken war, stieg die Zahl der Todesopfer um 23 % auf 354 und die Zahl der Verletzten um 10 % auf 589. Unter den Getöteten waren 237 Zivilisten, 91 Sicherheitskräfte und 26 Aufständische. 261 Personen wurden durch 35 religiös motivierte Angriffe von Gruppen wie Tehreek-e-Taliban Pakistan (TTP), Hizbul Ahrar oder Islamischer Staat (IS) getötet. Belutschische Nationalistengruppen führten 74 Angriffe mit 85 Toten durch. Bei sechs konfessionell motivierten Angriffen wurden acht Menschen getötet (PIPS 7.1.2019 S 40).

Im Distrikt Quetta fanden 38 terroristische Angriffe - etwa ein Drittel - mit 111 Toten statt. In anderen Distrikten wurden 14 Angriffe aus Kech, sieben aus Qilla Abdullah, und je sechs aus Dera Bugti, Kohlu und Mastung gemeldet. Je vier Angriffe wurden in Gwadar, Kharan, Khuzdar, Nasirabad und Qilla Saifullah; je drei in Chagai, Kalat und Lasbela; je zwei in Panjgur und Sibi; je einer in Awaran, Bolan, Pishin und Washuk (jeweils Distrikte) registriert. Am 13. Juli 2018 kamen bei einem Selbstmord-Sprengstoffanschlag auf eine Wahlkampfveranstaltung in Mastung 150 Menschen ums Leben. Am 25. Juli 2018 wurden bei einem Selbstmord-Sprengstoffanschlag in Quetta, zu dem sich der IS bekannte, 31 Menschen getötet (PIPS 7.1.2019 S 40, 43)

Zusätzlich zu den o. a. 115 terroristischen Angriffen kam es im Jahr 2018 in Belutschistan zu 34 anderen gewalttätigen Vorfällen mit 66 Toten; darunter 15 Militäraktionen gegen Aufständische, acht bewaffnete Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen, sieben grenzüberschreitende Zusammenstöße aus Afghanistan oder dem Iran. Sicherheitskräfte konnten 2018 zwei größere Terroranschläge vereiteln (PIPS 7.1.2019).

Im Jahr 2017 wurden aus Belutschistan 165 terroristische Anschläge gemeldet, bei denen 288 Menschen getötet wurden, darunter 193 Zivilisten, 84 Mitglieder der Sicherheitskräfte und elf Aufständische. Belutschische Nationallistengruppen führten 131 Anschläge mit 138 Toten durch, sieben Anschläge mit 17 Toten waren konfessionell motiviert und richteten sich vorwiegend gegen Hazara. In der Hauptstadt Quetta kam es zu 35 Anschlägen mit 90 Todesopfern; 23 Anschläge gab es in Kech, 16 in Dera Bugti, 13 in Gwadar, zwölf in Panjgur, neun in Nasirabad und acht in Mastung. 133 Todesopfer waren 2017 bei 27 terroristischen Anschlägen durch islamistisch-militante Gruppierungen, wie die TTP, Jamaatul Ahrar, IS, Lashkar-e-Jhangvi Al-Alami, zu beklagen (PIPS 7.1.2018).

Zusätzlich zu den o.a. 165 terroristischen Angriffen kam es im Jahr 2017 in Belutschistan zu 39 Militäraktionen gegen Aufständische, 13 bewaffneten Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen, 13 grenzüberschreitenden Zusammenstößen aus Afghanistan oder dem Iran, fünf stammesübergreifenden Fehden und zwei Fällen von Mob-Gewalt. Bei insgesamt 237 für die Sicherheitslage relevanten Vorfällen von Gewalt verloren 430 Menschen ihr Leben. Zusätzlich wurden während des Jahres 29 Leichen in der Provinz aufgefunden. In den meisten Fällen sind die Identitäten der Toten sowie ihrer Mörder nicht bekannt. Sicherheitskräfte konnten 2017 insgesamt 17 Terroranschläge vereiteln (PIPS 7.1.2018).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt Deutschland (13.3.2019): Länderinformationen - Pakistan - Reise- und Sicherheitshinweise, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/PakistanSicherheit_node.html#doc344284bodyText7, Zugriff 3.4.2019

* EASO - European Asylum Support Office (10.2018): EASO Informationsbericht über das Herkunftsland Pakistan - Sicherheitslage, https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/Plib/EASO_Pakistan_SecuritySituation_October2018_DE.pdf, Zugriff 12.3.2019

* ÖB - Österreichische Botschaft Islamabad (10.2018): Asylländerbericht Pakistan [Arbeitsversion]

* PBS - Pakistan Bureau of Statistics (2017d): PROVINCE WISE PROVISIONAL RESULTS OF CENSUS - 2017, http://www.pbs.gov.pk/sites/default/files/PAKISTAN%20TEHSIL%20WISE%20FOR%20WEB%20CENSUS_2017.pdf, Zugriff 26.3.2019

* PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (7.1.2018): Pakistan Security Report 2017, https://pakpips.com/app/reports/wp-content/uploads/2018/03/sr2017.pdf, Zugriff 8.4.2019

* PIPS - Pak Institute for Peace Studies (10.4.2019): Pakistan Monthly Security Report: March 2019, https://pakpips.com/app/reports/477, Zugriff 10.4.2019

* PIPS - Pak Institute for Peace Studies (6.2.2019): Pakistan Monthly Security Report: January 2019, https://pakpips.com/app/reports/433, Zugriff 2.4.2019

* PIPS - Pak Institute for Peace Studies (7.1.2019): Pakistan Security Report 2018, https://pakpips.com/app/reports/396, Zugriff 8.1.2019

* PIPS - Pak Institute for Peace Studies (7.3.2019): Pakistan Monthly Security Report: February 2019, https://pakpips.com/app/reports/453, Zugriff 2.4.2019

1.3. Khyber Pakhtunkhwa

Die Provinz Khyber Pakhtunkhwa (KP) ist in 25 Distrikte (PBS 2017d) und sieben Tribal Districts unterteilt (Dawn 31.5.2018). Die FATA (Federally Administered Tribal Areas / Stammesgebiete unter Bundesverwaltung) wurden Ende Mai 2018 offiziell in die Provinz Khyber Pakhtunkhwa eingegliedert (AA 1.2.2019a). Die sieben Tribal Districts Bajaur, Khyber, Kurram, Mohmand, Orakzai, Nord- und Süd-Wasiristan waren bis 31. Mai 2018 Agencies der FATA (FRC 15.1.2019; vgl. PBS 2017d, Dawn 31.5.2018). Die bis 31.5.2018 bestehenden Frontier Regions der FATA wurden als Subdivisions in die bestehenden Distrikte Bannu, Dera Ismail Khan, Kohat, Lakki Marwat, Peschawar und Tank eingegliedert (Dawn 31.5.2018; vgl. PBS 2017d).

Laut Zensus 2017 hat die Provinz [im Gebietsstand ab 1.6.2018] ca. 35,5 Millionen Einwohner, wovon ca. fünf Millionen auf dem Gebiet der ehemaligen FATA leben. Die Hauptstadt Peschawar hat 4,3 Millionen Einwohner (PBS 2017d).

2009 begann die pakistanische Armee mit einer Reihe militärischer Einsätze gegen Tehreek-e-Taliban Pakistan (TTP) in Khyber Pakhtunkhwa. Diese Offensive war gekennzeichnet durch Menschenrechtsverletzungen und willkürliche Verhaftungen. Die militärischen Einsätze gegen Aufständische trugen auf lange Sicht zu mehr Sicherheit in der Provinz bei (EASO 10.2018 S 67); auch auf dem Gebiet der ehem. FATA hat sich die Lage verbessert und viele Gebiete sind von Aufständischen geräumt worden (EASO 10.2018 S 82; vgl. FRC 15.1.2019). In den ehemaligen FATA konnte das staatliche Gewaltmonopol überwiegend wiederhergestellt werden (AA 21.8.2018; vgl. FRC 15.1.2019), die Militäraktionen gelten als abgeschlossen (Dawn 29.5.2018).

Dennoch bleibt die Bedrohung durch Gewalttaten der TTP weiter aufrecht. Zahlreiche Taliban-Fraktionen konnten ihre Netzwerke auf afghanischer Seite der Grenze wieder herstellen und sind in der Lage, terroristische Angriffe auf Sicherheitskräfte und Zivilisten in den Tribal Districts Nord- und Süd-Wasiristan durchzuführen (FRC 15.1.2019; vgl. AA 21.8.2018). Andere Gruppen, die zur Instabilität in den Stammesdistrikten beitragen und ebenfalls grenzüberschreitend von Afghanistan aus operieren, sind der Islamische Staat, die Wazir- und Mahsud-Taliban, Lashkar-e-Islam und Tauheed-ul-Islam (FRC 15.1.2019). In Süd-Wasiristan wurde eine bewaffnete Gruppe, die als "gute Taliban" bezeichnet wird, zu einer staatlich gestützten Miliz (EASO 10.2018 S 82). Eine lokale Talibangruppe um Mullah Nazir aus Nord-Wasiristan, die ebenfalls als "gute Taliban" bezeichnet wurde, ist jetzt unter dem Deckmantel eines Friedenskommittees tätig und bedroht Mitglieder des Pakhtun Tahaffuz Movement (PTM, siehe auch Abschnitt 0) (PIPS 7.1.2019 S 75).

Als Folge der Mitte 2014 begonnenen Militäroperation Zarb-e-Azb, die sich im Wesentlichen auf das Gebiet der ehem. FATA konzentrierte, mussten rund 1,4-1,8 Mio. Menschen ihre Wohngebiete verlassen und galten seither als IDPs (ÖB 10.2018; vgl. AA 21.8.2018). Die geordnete Rückführung der Binnenvertriebenen in die betroffenen Regionen der Stammesgebiete, die Beseitigung der Schäden an Infrastruktur und privatem Eigentum, ebenso wie der Wiederaufbau in den Bereichen zivile Sicherheitsorgane, Wirtschaft, Verwaltung und Justiz stellen Regierung, Behörden und Militär vor große Herausforderungen (AA 21.8.2018; vgl. Abschnitt 0).

Gegen die Ausdehnung des Rechtssystems auf die Tribal Districts gibt es starken Widerstand der Stammeseliten. Ebenso besteht Widerstand gegen die Finanzierung des infrastrukturellen und institutionellen Aufbaus von Gerichten und anderen Behörden (FRC 15.1.2019; vgl. Abschnitt 0).

Nach der Aufnahme der Stammesgebiete in die Provinz Khyber Pakhtunkhwa begann die Polizei gemeinsam mit den paramilitärischen Einheiten in den ehem. Stammesgebieten tätig zu werden. Die Provinzpolizei ist im Prozess der Aufnahme und der Ausbildung zusätzlichen Personals, um die Präsenz auf das gesamte Gebiet der ehem. FATA auszudehnen (USDOS 13.3.2019). Es gibt jedoch großen Widerstand gegen die Auflösung paramilitärischer Einheiten, die bis zur Eingliederung der FATA in die Provinz KP dort tätig waren und die Übernahme deren Personals in die Provinzpolizei (FRC 15.1.2019).

Die militärische Führung hat durch Zugangssperren u.a. zu Teilen von Khyber Pakhtunkhwa, sowie durch Aufforderungen zur Selbstzensur mittels direkter und indirekter Einschüchterungsmethoden auf unauffällige, jedoch sehr effektive Art, die Berichterstattung beschränkt (ÖB 10.2018). Es gibt Hinweise, dass nicht alle Zwischenfälle gemeldet werden, da Journalisten und Blogger Selbstzensur betreiben (EASO 10.2018 S 13).

Für das erste Quartal 2019 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS in Khyber Pakhtunhkwa 29 terroristische Angriffe mit 16 Todesopfern. Von diesen fanden 15 Anschläge mit drei Todesopfern auf dem Gebiet der ehemaligen FATA statt. 14 Anschläge zielten auf die staatlichen Sicherheitskräfte und acht auf Zivilisten. Unter den Toten waren zwölf Sicherheitskräfte und vier Zivilisten. Insgesamt zehn der 29 Vorfälle mit insgesamt zwei Toten entfielen auf den Tribal District Nord-Wasiristan. Für einen Großteil der Anschläge waren die Taliban verantwortlich (Aggregat aus: PIPS 6.2.2019. PIPS 7.3.2019, PIPS 10.4.2019). Bei einem Angriff der Indischen Luftwaffe nahe Balakot im Februar 2019 kamen keine Menschen zu Schaden (PIPS 7.3.2019). Dies war seit 1971 der erste Angriff Indiens auf pakistanisches Gebiet außerhalb Kaschmirs (Spiegel 2.3.2019).

Im Jahr 2018 war Khyber Pakhtunkhwa die Provinz, die von der höchsten Zahl terroristischer Angriffe betroffen war, wobei es im Vergleich zum Vorjahr einen Rückgang der Anzahl der Anschläge um 19 Prozent und Rückgänge bei der Zahl der Todesopfer und Verletzten um 43 bzw. 46 Prozent gab. Insgesamt wurden bei 125 terroristischen Anschlägen 196 Personen getötet und 376 Personen verletzt. Davon wurden 75 Anschläge mit 116 Todesopfern und 194 Verletzten in den sieben Tribal Districts verzeichnet (PIPS 7.1.2019 S 36).

Die Sicherheitslage im Tribal District Nord-Wasiristan war 2018 am volatilsten (FRC 15.1.2019). Die höchste Zahl an Anschlägen wurden in den Distrikten Nord-Wasiristan (33; 44 Tote), Dera Ismail Khan (18; 19 Tote), Peschawar (12; 28 Tote), Bannu (11; 10 Tote), Khyber (11; 7 Tote), Süd-Wasiristan (10; 9 Tote) und Bajaur (10; 8 Tote) registriert. Insgesamt wurde in 18 Distrikten, darunter in allen sieben Tribal Districts, Terroranschläge registriert (PIPS 7.1.2019 S 36).

Weiters waren im Jahr 2018 13 operative Schläge der Sicherheitskräfte sowie sechs bewaffnete Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen zu verzeichnen. Zudem fanden 15 grenzüberschreitende Angriffe aus Afghanistan statt, vorwiegend von pakistanischen Talibanmitgliedern, die sich dorthin zurückgezogen hatten, und es gab sechs Fälle von politischer bzw. wahlbezogener Gewalt (PIPS 7.1.2019 S 35-36).

Insgesamt 62, d.h. die Hälfte aller terroristischen Angriffe in Khyber Pakhtunkhwa, hatten im Jahr 2018 Sicherheitskräfte zum Ziel. Bei diesen Angriffen wurden 63 Sicherheitskräfte, zwölf Aufständische und zwei Zivilisten getötet. Im Vergleich zum Vorjahr fanden deutlich weniger High-Profile-Angriffe auf Sicherheitskräfte statt (PIPS 7.1.2019 S 36-37). Bei 27 gezielten Angriffen auf Zivilisten, die vorwiegend in den Tribal Districts stattfanden, wurden 28 Personen getötet; der deutliche Rückgang der Opferzahlen im Vergleich zum Vorjahr (130 zivile Todesopfer bei 32 Anschlägen auf Zivilisten 2017) lässt darauf schließen, dass es sich vorwiegend um Angriffe niederer Intensität handelte (PIPS 7.1.2019 S 38).

Es gab elf politisch motivierte terroristische Anschläge, die vorwiegend durch die Taliban verübt wurden, bei denen 34 Menschen ums Leben kamen. Im Vorfeld der Wahlen kam es im Juli 2018 in Peschawar zu einem Selbstmordanschlag auf eine politische Veranstaltung, bei dem 21 Menschen ums Leben kamen. Bei fünf konfessionell motivierten Anschlägen kamen 40 Personen ums Leben; alleine bei einem Anschlag in Orakzai durch den Islamischen Staat im November 2018 kamen 35 Personen, darunter ca. 25 Schiiten, ums Leben (PIPS 7.1.2019 S 39-40, 54).

Im Jahr 2017 wurden von PIPS 154 terroristische Anschläge in Khyber Pakhtunkhwa registriert, bei denen 344 Personen getötet wurden. Von diesen fanden 83 Anschläge mit 253 Todesopfern auf dem Gebiet der damals noch existenten FATA statt. Im Tribal District Kurram (damals: Kurram Agency) kamen bei elf Terrorangriffen insgesamt 154 Menschen ums Leben (PIPS 7.1.2018).

Quellen:

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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