TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/8 L504 2224694-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.01.2020
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Entscheidungsdatum

08.01.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

L504 2224694-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. R. ENGEL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX geb., StA. Türkei, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.09.2019, Zl. 1233518001-190591272, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrenshergang

Die beschwerdeführende Partei [bP] stellte am 12.06.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Es handelt sich dabei um einen Mann, welcher seinen Angaben nach Staatsangehöriger der Türkei ist, der Volksgruppe der Kurden angehört und aus XXXX stammt.

In der von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes durchgeführten Erstbefragung gab die bP zu ihrer Ausreisemotivation Folgendes an:

"[...]

Warum haben sie ihr Land verlassen?

Ich bin ein Kurde und ein Freund von mir wurde bei Kämpfen auf Gebirgen getötet. Ich war bei seinem Begräbnis. Nach diesem Vorfall wurde ich von der Zivilpolizei für 1 Stunde angehalten und befragt, warum ich diesen Freund unterstützt habe. Ich wurde dann entlassen, aber hatte Angst vor einer Festnahme, aufgrund dessen bin ich geflüchtet.

[...]"

Im Falle einer Rückkehr in die Türkei habe sie Angst vor einer Festnahme.

In der nachfolgenden Einvernahme beim Bundesamt gab die beschwerdeführende Partei im Wesentlichen eine gleichlautende Ausreisemotivation an. Die Nachfrage durch das Bundesamt gestaltete sich wie folgt:

"[...]

F: Was wurden Sie bei der Polizei gefragt?

A: Sie fragten warum ich beim Begräbnis anwesend war, weil dort ein Ort der Terroristen wäre. Mein Freund war bei den Guerillas und diesen werden von den türkischen Behörden als Terroristen bezeichnet. Für mich sind diese keine Terroristen.

F: War Ihr Freund Mitglied bei der PKK?

A: Ja.

F: Wann war das Begräbnis?

A: Er ist am 30.04.2019 ums Leben gekommen und ich war ein paar Tage danach dort. Es war im Mai.

F: Wie hieß Ihr Freund?

A: XXXX .

F: Warum sollten Sie nach der Befragung noch festgenommen werden?

A: In der Türkei ist die Lage nicht normal und insbesondere für die Kurden gibt es keine Rechte und keine Gerechtigkeit.

F: Wie haben Sie die HDP unterstützt?

A: Ich war bei den Wahlen im Wahllokal anwesend und habe die Stimmen gezählt.

F: Gab es noch Vorfälle nach dieser einen Festnahme?

A: Nein.

F: Wie sind Sie ausgereist?

A: Illegal auf der Ladefläche eines LKWs.

F: Waren andere Mitglieder Ihrer Familie auf dem Begräbnis?

A: Nein.

F: Warum sollten die türkischen Behörden ein derart großes Interesse an Ihnen haben?

A: Wenn man Kurde ist bekommt man Probleme. So ist die türkische Politik.

F: In der Türkei besteht grundsätzlich die Möglichkeit auch woanders zu leben. Warum haben sie von dieser Möglichkeit nicht Gebraucht gemacht?

A: Ich hatte Angst, dass die türkischen Kräfte mich dort töten und als Terrorist bezeichnen.

F.: Haben Sie sämtliche Gründe, warum Sie die Heimat verlassen haben, vollständig geschildert.

A.: Ja.

F.: Möchten Sie von sich aus noch etwas zu Ihrem Fluchtgrund angeben?

A.: Nein.

F.: Was würde Sie konkret erwarten, wenn jetzt sie in ihren Herkunftsstaat zurückkehren müssten?

A.: Ich weiß es nicht. Es kann alles Mögliche passieren.

[...]"

Das Bundesamt folgte der Partei den Ländervorhalt aus und räumte eine Frist von 2 Wochen zur schriftlichen Stellungnahme ein. Eine Stellungnahme ist dem Akteninhalt nicht zu entnehmen.

Der Antrag auf internationalen Schutz wurde folglich vom Bundesamt gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt.

Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei nicht zugesprochen.

Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in die Türkei gemäß § 46 FPG zulässig sei.

Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

Das Bundesamt gelangte im Wesentlichen zur Erkenntnis, dass hinsichtlich der Gründe für die Zuerkennung des Status eines asyl- oder subsidiär Schutzberechtigten eine aktuelle und entscheidungsrelevante Bedrohungssituation nicht glaubhaft gemacht worden sei. Ebenso ergebe sich aus allgemeinen Lage im Herkunftsstaat keine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende bzw. reale Gefährdung der bP. Abschiebungshindernisse lägen demnach nicht vor. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen seien nicht gegeben. Ein die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung übersteigendes Privat- und Familienleben würde nicht vorliegen und wurde daher eine Rückkehrentscheidung verfügt.

Dagegen wurde durch die gewillkürte Vertretung innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben und im Wesentlichen Folgendes moniert:

* Die Länderfeststellung würde sich nicht mit dem konkreten Fluchtvorbringen der beschwerdeführenden Partei auseinandersetzen. Die Lage habe sich seit dem Putschversuch massiv verschlechtert. Beispielsweise würden viele kurdisch-freundliche HDP-Politiker in der Türkei festgenommen, dies mit dem Vorwurf, den Terrorismus zu unterstützen. Dass die beschwerdeführende Partei die HDP ehrenamtlich unterstützt habe sei aktenkundig.

* Die beschwerdeführende Partei habe wegen ihrer Nähe zu einem Angehörigen der PKK wohl erhebliche Nachteile bis hin zu Gefängnisstrafen zu erwarten.

* Die Befragung der beschwerdeführende Partei sei mangelhaft gewesen. So gebe die Partei beispielsweise glaubhaft an, dass schon alleine aufgrund ihrer Teilnahme am Begräbnis des Freundes und nach ihrer diesbezüglichen, wohl sie einschüchternden Einvernahme bei der Polizei weitere Repressionen und Verfolgungsschritte durch die türkischen Behörden sehr wahrscheinlich seien. Warum zu diesem Punkt keine weiteren Fragen gestellt worden seien, bliebe im Dunkeln.

Gegen die Beweiswürdigung wird eingewandt:

* Die beschwerdeführende Partei habe wegen der Teilnahme am Begräbnis und der Einvernahme durch die Polizei weitere Repressionen, Einschüchterungsversuchen und asylrelevante Diskriminierungen zu erwarten.

* Entgegen der Auffassung des Bundesamtes könne sie bei der Familie keinen Schutz finden, diese habe nämlich selber große Angst, wenn die Polizei nach der beschwerdeführende Partei suchen sollte, dass sie dann drangsaliert würde und Sanktionen zu befürchten habe.

* Ihre Nähe zu PKK-Mitgliedern sei nun aktenkundig und auch dem gesamten Staatsgebiet einseh-und recherchierbar.

* Der türkische Staat sei nicht willens, der beschwerdeführende Partei als Kurde ein rechtsstaatliches Verfahren angedeihen zu lassen.

* Die beschwerdeführende Partei habe ihr Vorbringen lebensnah erbracht. Bei einer weiteren Einvernahme ließe sich noch Vieles in der Rechtssache präzisieren und herauskristallisieren. Es liege kein unglaubwürdiges Verhalten vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Das BVwG hat durch den Inhalt des übermittelten Verwaltungsaktes der belangten Behörde, einschließlich der Beschwerde Beweis erhoben.

1. Feststellungen (Sachverhalt)

1.1. Identität und Herkunftsstaat:

Name und Geburtsdatum stehen (lt. Bundesamt) fest.

Sie legte türkische Identitätsdokumente vor.

Die bP bezeichnet sich der Volksgruppe der Kurden zugehörig und paraktiziert keine Religion.

Ihre Staatsangehörigkeit und der hier der Prüfung zugrundeliegende Herkunftsstaat ist die Türkei.

1.2. Regionale Herkunft und persönliche Lebensverhältnisse vor der Ausreise:

Die bP ist in XXXX geboren und absolvierte in der Türkei ihre elfjährige Schulbildung. Sie hat in weiterer Folge in der Landwirtschaft und dann bis ca. 1 Monat vor der Ausreise als LKW-Fahrer in XXXX gearbeitet

Sie wohnte bis zur Ausreise immer in XXXX .

1.3. Familiäres/verwandtschaftliches bzw. soziales Netzwerk im Herkunftsstaat

Die bP war in der Türkei verheiratet, aktuell ist sie geschieden. 2 Töchter (2007 u. 2016 geb.) leben mit der Mutter nach wie vor in XXXX .

Die Eltern, sowie 6 Brüder und 3 Schwestern leben in Istanbul bzw.in XXXX .

Die Brüder sind in der Türkei erwerbstätig als Kraftfahrer, Lehrer, Rechtsanwalt, Bauingenieur und Landwirt. Die Schwestern sind Hausfrauen.

Die bP hat nicht angegeben, dass das Verhältnis zur in der Türkei lebenden Familie zerrüttet ist.

1.4. Ausreisemodalitäten

Sie reiste ihren Angaben nach am 05.06.2019 auf der Ladefläche eines LKWs versteckt bis nach Österreich. Sie hat in keinem der als sicher geltenden Staaten, die sie auf dem Weg durchreiste, um internationalen Schutz angesucht. Ihr Reise-und Aufenthaltsziel war Österreich. Mit dem Schlepper hat sie in Istanbul in einem öffentlichen Kaffeehaus Kontakt aufgenommen.

Sie reiste nicht rechtmäßig in das Bundesgebiet ein und stellte am 12.06.2019 gegenständlichen Antrag.

1.5. Gesundheitszustand

Die bP hat im Verfahren keine aktuell behandlungsbedürftige Erkrankung dargelegt.

1.6. Privatleben / Familienleben in Österreich

Art, Dauer, Rechtmäßigkeit des bisherigen Aufenthaltes:

Die bP begab sich mit Unterstützung einer kriminellen Schlepperorganisation und ohne Vorhandensein eines Einreise- bzw. Aufenthaltstitels im Juni 2019 in das Bundesgebiet und stellte am 12.06.2019 gegenständlichen Antrag.

Dadurch erlangte die bP eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gem. AsylG, die nach Antragsabweisung durch die Beschwerdeerhebung verlängert wurde.

Da ihr in diesem Verfahren weder der Status eines Asylberechtigten noch jener eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen war, erweist sich die Einreise als rechtswidrig und stellt grds. gem. § 120 Abs 1 u. Abs 7 FPG eine Verwaltungsübertretung dar.

Familiäre Anknüpfungspunkte in Österreich:

Die bP hat in Österreich eine Schwester, die österr. Staatsangehörige ist. Eine über das übliche Maß hinausgehende Bindung wurde nicht dargelegt. Weiters leben zwei Neffen im Bundesgebiet.

Schutzwürdigkeit des Privatlebens / Die Frage, ob das Privatleben / Familienleben zu einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstaates bewusst waren / Grad der Integration

Deutschkenntnisse: ihren Angaben nach hat sie sich für einen Deutschkurs angemeldet, der am 09.09.2019 begonnen hat. Sie versteht ihren eigenen Angaben nach den Dialekt noch nicht, aber einzelne Wörter.

Rund zwei Wochen nach der Asylantragstellung hat sich die bP in Österreich wirtschaftlich an einem Unternehmen beteiligt. Mit Schriftsatz vom 30.09.2019 gibt sie in der Beschwerde dazu an, dass sie seit 21. Juni 2019 in Österreich gemeldet ist und seit dem 1. Juli 2019 als unbeschränkt haftender Gesellschafter mit einer Gewinnbeteiligung von 30 % die XXXX OG mit dem Sitz am XXXX , unbeschränkt und selbstständig vertrete.

Alle Gebühren und Abgaben betreffend ihrer Selbständigkeit werden von ihr fristgerecht und in vollem Ausmaß beglichen.

Derzeit besucht sie einen Deutschkurs. Sie hat sich in Österreich eine Existenz aufgebaut und sie hat all ihre Freunde und Verwandte hier. Österreich zu verlassen ist für sie keine Option.

Gemeinnützige Tätigkeiten wurden nicht vorgebracht.

Von 12.-18.06.2019 bezog sie Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung.

Die vorgebrachten privaten und familiären Anknüpfungspunkte wurden allesamt in einer Zeit des prekären Aufenthaltes begründet.

Bindungen zum Herkunftsstaat:

Die beschwerdeführende Partei ist im Herkunftsstaat geboren, absolvierte dort ihre Schulzeit, kann sich im Herkunftsstaat - im Gegensatz zu Österreich - problemlos verständigen und hat ihr überwiegendes Leben in diesem Staat verbracht. Sie kennt die dortigen Regeln des Zusammenlebens. Die überwiegenden Familienangehörigen sowie ihre beiden minderjährigen Kinder leben in der Türkei.

Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die beschwerdeführende Partei als von ihrem Herkunftsstaat entwurzelt zu betrachten wäre.

Strafrechtliche/verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen:

In der Datenbank des österreichischen Strafregisters scheinen keine Vormerkungen wegen rk. gerichtlicher Verurteilungen auf.

Das Vorliegen von rk. Verwaltungsstrafen wurde dem BVwG nicht mitgeteilt und ergibt sich auch nicht aus dem Akteninhalt.

Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts:

Da der bP weder der Status einer Asylberechtigten noch der einer subsidiär schutzberechtigten Person zukommt, stellt die rechtswidrige Einreise gegenständlich auch grds. eine Verwaltungsübertretung dar (vgl. § 120 Abs 7 FPG).

Verfahrensdauer:

Die bP stellte am 12.06.2019 gegenständlichen Antrag. Das Bundesamt entschied mit Bescheid vom 14.09.2019 darüber und ergeht mit heutigem Erkenntnis die Entscheidung über die Beschwerde.

1.7. Zu den behaupteten ausreisekausalen Geschehnissen / Erlebnissen im Zusammenhang mit staatlichen bzw. nichtstaatlichen Akteuren und der zu erwartenden Rückkehrsituation stellte des Bundesamt fest und folgt das BVwG diesen Feststellungen:

"Es konnte nicht festgestellt werden, dass Sie in der Türkei politisch tätig waren.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass Sie in der Türkei Mitglied der HDP waren.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass Sie in der Türkei von den dortigen Behörden bedroht oder verfolgt werden.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass Sie in der Türkei aufgrund Ihrer kurdischen Volksgruppenzugehörigkeit bedroht oder verfolgt werden.

Festgestellt wird, dass Sie in Ihrem Heimatstaat weder vorbestraft noch inhaftiert waren, keine Probleme mit den Behörden hatten und auch keine staatlichen Fahndungsmaßnahmen gegen Sie bestehen.

Es konnte auch aus den sonstigen Umständen keine Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, festgestellt werden.

Asylausschluss- und Endigungsgründe liegen nicht vor.

Zu Ihrer Situation im Fall Ihrer Rückkehr:

Es konnte nicht festgestellt werden, dass Sie im Falle einer Rückkehr in die Türkei aufgrund Ihrer kurdischen Volksgruppenzugehörigkeit einer Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt sind.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass Sie im Falle einer Rückkehr in die Türkei einer Bedrohung oder Verfolgung durch die türkischen Behörden ausgesetzt sind.

Sie verfügen über familiäre Anknüpfungspunkte und ein soziales Netz in der Türkei.

Sie sind in XXXX geboren und auch aufgewachsen. Sie sind im arbeitsfähigen Alter. Sie besuchten dort 11 Jahre die Schule und haben bis zu Ihrer Ausreise in der Landwirtschaft und als LKW-Fahrer gearbeitet. Sie können diese Tätigkeiten nach wie vor ausüben, um Ihren Lebensunterhalt in der Türkei zu bestreiten.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass Sie im Falle Ihrer Rückkehr in die Türkei in eine die Existenz bedrohende Notlage geraten würden.

Sie können in die Türkei zurückkehren, ohne einer Gefährdung ausgesetzt zu sein."

Als Beweismittel legte sie beim Bundesamt vor:

"[...]

- Türkischer Personalausweis (echt)

- Türkischer Führerschein (echt)

- Anmeldebestätigung Deutschkurs

- Kopie Ihres Reisepasses

- Meldezettel Türkei (Kopie)

- Sozialversicherungsauszug Türkei (Kopie)

- Grundbuchsauszug Türkei (Kopie)

- Zulassungsbescheid (Kopie)

- Auszug Familienregister (Kopie)

[...]"

1.8. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat:

Das Bundesamt traf im Folgenden Feststellungen zum Herkunftsstaat Türkei auf Basis des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation (und den darin genannten Quellen) mit letzte Kurzinformation vom 21.08.2019. Daraus ergibt sich im Wesentlichen für diesen konkreten Fall zusammenfasst Folgendes:

In der Türkei fand in der Nacht vom 15. auf den 16.07.2016 ein Putschversuch statt. Eine Reihe von Putschisten aus dem Militär hatte v. a. in Ankara und Istanbul mit Hilfe von Kampfflugzeugen, Helikoptern und Panzern versucht, die staatliche Kontrolle zu übernehmen

sowie StP Erdogan zu stürzen. Der Putschversuch konnte rasch niedergeschlagen werden und war am 16.07.2016 beendet. Die AKP-Regierung hatte viele Bürger der Türkei in der Putschnacht mit Hilfe von Aufrufen der Imame über die Lautsprecher der Moscheen mobilisieren können, sich den Putschisten auf den Straßen entgegen zu stellen. Während des Putschversuchs kamen nach offiziellen Angaben 282 Personen ums Leben.

Die türkische Regierung hat die Gülen-Bewegung als terroristische Organisation eingestuft, die sie "FETÖ" oder auch "FETÖ/PDY" nennt ("Fethullahistische Terrororganisation / Parallele Staatliche Struktur").

Personen, die im Verdacht stehen die terroristische Organisation PKK zu unterstützten müssen mit Strafverfolgung rechnen. Einzelne exponierte Funktionäre (zB Bürgermeister) bzw. exponierte Mitglieder der HDP, wurden zuletzt wegen Verbreitung von Terrorpropaganda und der Mitgliedschaft zu einer Terrororganisation verdächtigt, ihrer Ämter enthoben und wurden strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet.

Türkische Staatsbürger nichttürkischer Volkszugehörigkeit sind alleine aufgrund ihrer Abstammung keinen staatlichen Repressionen unterworfen. Die Ausweispapiere enthalten keine Aussage zur ethnischen Zugehörigkeit

Die Kurden (ca. 20% der Bevölkerung) leben v.a. im Südosten des Landes sowie, bedingt durch Binnenmigration und Mischehen, in den südlich und westlich gelegenen Großstädten

(Istanbul, Izmir, Antalya, Adana, Mersin, Gaziantep). Mehr als 15 Millionen türkische Bürger haben einen kurdischen Hintergrund und sprechen einen der kurdischen.

Neben den offiziell anerkannten religiösen Minderheiten gibt es u.a. folgende ethnische Gruppen, wobei die Angaben zu Zahlenstärken recht unzuverlässig sind: Kurden (13 bis 15 Mio.), Roma (zwischen 2 und 5 Mio.), Tscherkessen (geschätzt rd. 2 Mio.), Bosniaken (bis zu

2 Mio.), Krimtataren (geschätzt rd. 1 Mio.), Araber (vor dem Syrienkrieg 800 000 bis 1 Mio.),

Lasen (zw. 50 000 und 500 000), Georgier (rd. 100 000), Uighuren (rd. 50 000), Armenier (mind. 40 000), Syriaken (zw. 20 000 und 30 000) und andere Gruppen in kleiner und schwer zu bestimmender Anzahl (div. zentralasiatische und kaukasische Volksgruppen, Turkomanen, Pomaken, Albaner und andere).

Der private Gebrauch der kurdischen Sprache ist in Wort und Schrift seit Anfang der 2000er Jahre keinen Restriktionen ausgesetzt, der amtliche Gebrauch ist allerdings eingeschränkt.

Unterricht in kurdischer Sprache ist an öffentlichen Schulen seit 2012 und an privaten seit 2014 möglich (Wahlpflichtfach "Lebendige Sprachen und Mundarten"). Außerdem wurde die Möglichkeit geschaffen, dass Dörfer im Südosten ihre kurdischen Namen zurückerhalten.

Die verfassungsrechtliche Festschreibung von Türkisch als einziger Nationalsprache bleibt jedoch erhalten. Seit einigen Jahren existiert im Südosten eine lebendige kurdischsprachige

Medienlandschaft (TV, Funk, Print, Online). Viele - regierungskritische - Medien wurden jedoch seit 2015 von der Regierung verboten.

Für eine Rückkehr zum politischen Verhandlungsprozess zwischen der Regierung und der

PKK gibt es aktuell keine Anzeichen.

Erhebliche Diskriminierungen der Roma u.a. auf den Gebieten Bildung, Beschäftigung, Gesundheit und Wohnen bestehen fort.

Dem Auswärtigen Amt und türkischen Menschenrechtsorganisationen ist in den letzten Jahren

kein Fall bekannt geworden, in dem ein aus Deutschland in die Türkei zurückgekehrter Asylbewerber im Zusammenhang mit früheren Aktivitäten - dies gilt auch für exponierte Mitglieder und führende Persönlichkeiten terroristischer Organisationen - gefoltert oder misshandelt worden ist. Zu demselben Ergebnis kommen andere EU-Staaten und die USA.

Wenngleich es Mängel im Sicherheits-und Rechtschutzsystem gibt, kann nicht davon gesprochen werden, dass für die Bevölkerung generell keine wirksamen Schutzmechanismen vorhanden wären oder, dass dazu kein Zugang möglich wäre.

Es ergibt sich auf Grund der Berichtslage und dem aktuellen Amtswissen (www.ecoi.net) nicht, dass im Herkunftsstaat der beschwerdeführenden Partei eine Lage herrschen würde, die für eine Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit (infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes) mit sich bringen würde.

Es kann auf Grund der aktuellen Berichtslage und dem aktuellen Amtswissen nicht festgestellt werden, dass derzeit quasi jede Person mit dem Persönlichkeitsprofil der beschwerdeführenden Partei (insbes. ethnische, konfessionelle Zugehörigkeit) in der Türkei einer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohenden Verfolgung aus asylrelevanten Motiven unterliegen würde.

Es kann ebenso nicht festgestellt werden, dass für solche Personen in der Türkei eine allgemeine Sicherheitslage herrschen würde, wonach sie per se einer realen Gefahr einer Gefährdung der persönlichen Unversehrtheit ausgesetzt wären

Es kann auf Grund der Berichtslage und dem aktuellen Amtswissen nicht festgestellt werden, dass aktuell in der Türkei eine derart schlechte Versorgungslage herrschen würde, dass nicht das zur Existenz unbedingt Notwendige erlangbar wäre.

Die Gesundheitsversorgung ist grds. gewährleistet und zugänglich.

2. Beweiswürdigung

Einleitend ist anzuführen, dass die im Verfahren aufgenommenen Niederschriften mit den Aussagen der bP vollen Beweis iSd § 15 AVG über den Verlauf und Gegenstand der Amtshandlung bilden und mit diesem Inhalt als zentrales Beweismittel der Beweiswürdigung unterzogen werden können.

Die bP trat den Gegenbeweis der Unrichtigkeit des darin bezeugten Vorganges nicht an.

Ad 1.1.1. - 1.1.6.:

Die Feststellungen ergeben sich im Wesentlichen stimmig aus den persönlichen Angaben der bP in den Einvernahmen beim Bundesamt, den von ihr vorgelegten Bescheinigungsmitteln, den Beschwerdeangaben sowie dem sonstigen Akteninhalt des Bundesamtes.

Ad 1.1.7. Behauptete ausreisekausale Geschehnisse / Erlebnisse im Zusammenhang mit staatlichen bzw. nichtstaatlichen Akteuren und der zu erwartenden Rückkehrsituation:

Das Bundesamt führte im angefochtenen Bescheid dazu im Rahmen der Beweiswürdigung Folgendes aus:

"[...]

Bei der Erstbefragung vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 12.06.2019 gaben Sie befragt nach Ihren Fluchtgründen an, ein Freund von Ihnen wäre bei Kämpfen im Gebirge getötet worden und nach seinem Begräbnis wären Sie von der Zivilpolizei für eine Stunde angehalten und befragt worden. Man hätte Sie gefragt warum Sie diesen Freund unterstützt hätten und wären dann wieder entlassen worden. Aus Angst vor einer weiteren Festnahme wären Sie nach Österreich geflüchtet.

In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Außenstelle Linz am 05.09.2019 gaben Sie im Wesentlichen dieselben Gründe an, fügten jedoch noch hinzu, dass die Kurden in der Türkei keine Rechte hätten und Sie die HDP unterstützt hätten, indem Sie bei den Wahlen die Stimmzettel gezählt hätten.

Zu der von Ihnen angesprochenen Anhaltung durch die Zivilpolizei ist anzumerken, dass diese nach Ihren eigenen Angaben ohne Konsequenzen beendet wurde. Laut Ihren Angaben hätte es sich dabei lediglich um eine Befragung gehandelt hat. Weitere Konsequenzen hätte es nicht gegeben und Sie konnten bis zu Ihrer Ausreise ohne Probleme weiter in der Türkei leben. Dies lässt den Schluss zu, dass die staatlichen Stellen Ihres Heimatlandes Sie nicht als politisch gefährlich eingestuft haben. Ihre Festnahme ohne weitere konkrete Anschuldigung kann daher nicht zur Asylgewährung führen (VwGH vom 31.03.1993, Zl.: 92/01/0717).

Gefragt nach Ihren angeblichen politischen Tätigkeiten, gaben Sie an, Sie hätten lediglich in den Wahllokalen die Stimmen gezählt. Offizielles Mitglied der HDP wären Sie nicht. Warum der türkische Staat ein derart großes Interesse an Ihrer Person haben sollte ist für die Behörde nicht nachvollziehbar.

Zu einer etwaigen Gruppenverfolgung türkischer Staatsangehöriger, kurdischer Bevölkerungszugehörigkeit ist auszuführen, dass Angehöriger einer Minderheit zu sein bzw. Zugehörigkeit eines Asylwerbers zu einer ethnischen oder religiösen Volksgruppe alleine, sowie deren schlechte allgemeine Situation nicht geeignet ist, eine Asylgewährung zu rechtfertigen.

Das Asylgesetz verlangt vielmehr die begründete Furcht vor einer konkreten gegen den Asylwerber selbst gerichteten Verfolgungshandlung aus den in der GFK angeführten Gründen.

Allgemeine geringfügige Benachteiligungen die noch nicht das Ausmaß einer Gruppenverfolgung angenommen haben richten sich nicht speziell gegen Ihre Person und können daher nicht zur Asylgewährung führen.

Zusammenfassen gelang es Ihnen nicht, eine Sie persönlich treffende Bedrohung oder Verfolgung in der Türkei glaubhaft zu schildern. Ihre angeblichen Tätigkeiten für die HDP beschränkten sich auf das zählen von Stimmen. Ein offizielles Mitglied seinen Sie laut eigenen Angaben auch nie gewesen, deshalb ist es für die ho. Behörde nicht nachvollziehbar warum Sie eine Bedrohung oder Verfolgung durch den türkischen Staat zu befürchten hätten, weswegen Ihnen aufgrund der oben getätigten Beweiswürdigung die Glaubwürdigkeit abgesprochen werden musste.

Demgemäß konnte die Behörde auch nicht davon ausgehen, dass Sie im Falle einer Rückkehr in die Türkei einer individuellen Gefährdung oder Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt wären.

Für die Behörde steht daher fest, dass es keine individuelle Verfolgungsgefahr für Ihre Person gibt.

Betreffend die Feststellungen zu Ihrer Situation im Fall Ihrer Rückkehr:

Die Feststellungen zu Ihrer Situation im Fall der Rückkehr ergeben sich aus Ihren eigenen Angaben in Ihrem Asylverfahren.

Gefragt nach Problemen im Falle Ihrer Rückkehr gaben sie lediglich an, Sie würden es nicht wissen, es könnte "alles Mögliche passieren". Hierzu ist nochmals anzumerken, dass es nicht nachvollziehbar ist, warum die türkischen Behörden gerade an Ihnen ein derart großes Interesse haben sollten. Danach gefragt gaben Sie nur an, dass man als Kurde Probleme bekommen würde.

Sie selbst gaben an, dass immer noch angehörige Ihrer Familie, nämlich Ihre Eltern und Ihre Geschwister, weiterhin in der Türkei, auch in XXXX , aufhältig sind. Es ist Ihnen auch zumutbar, sich in einer anderen Provinz der Türkei niederzulassen, sollten Sie nicht mehr nach XXXX zurückgehen wollen.

Für die erkennende Behörde stellt sich die Situation für zurückkehrende kurdische Asylwerber - sofern in ihrer Person keine Besonderheiten vorliegen - bei ihrer Einreise in die Türkei wie folgt dar:

Nach Aussagen von Vertretern in der Türkei tätigen Flüchtlingsbetreuungsorganisationen sind für aus dem Ausland in die Türkei zurückgeschobene Personen keine systematischen Repressalien der türkischen Behörden nachweisbar, wie auch ein entsprechendes Monitoring von zurückgeschobenen Personen durch die einschlägigen Flüchtlingsbetreuungs-organisationen ergeben hat. Alleine die Tatsache der Asylantragstellung ist strafrechtlich nicht relevant. Nur weil Sie um politisches Asyl angesucht haben, drohen Ihnen keine staatlichen Repressionen.

Weiters wird ausgeführt, dass es nicht ausreichend wahrscheinlich ist, dass Sie im Falle einer Rückkehr in Ihr Heimatland mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit Repressionen zu rechnen hätten, zumal Sie im Besitz türkischen Personalausweises sind und damit Ihre türkische Staatsangehörigkeit nachweisen können, womit Sie nicht mit weiter gehenden behördlichen Maßnahmen durch die türkischen Behörden zu rechnen haben, die behördlichen Maßnahmen daher diesfalls auf die bei Grenzübertritten regelmäßig und üblicher Weise vorgenommen Routinekontrollen beschränkt bleiben (vgl. Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 06.11.2000, Zl.217.046/0-IV/11/00).

Im vorliegenden Fall wird darauf hingewiesen, dass Sie im Falle Ihrer Rückkehr in Ihre Heimat nicht um Ihr Leben fürchten müssen. Im Zuge des Verfahrens ergaben sich keine Hinweise auf etwaige Repressionen für Ihre Person aufgrund Ihres Antrages auf internationalen Schutz und ergeben sich auch aus den Länderfeststellungen zu Ihrem Heimatland keine Informationen über eine gezielte Verfolgung von abgewiesenen Asylwerbern. Das Bundesamt geht daher davon aus, dass mit Ihrer Rückkehr in die Türkei daher keine Probleme verbunden sind.

Die Sicherheitslage in der Türkei kann teilweise als angespannt bezeichnet werden und ist die Türkei einer gewissen terroristischen Bedrohung durch Gruppierungen wie den Islamischen Staat oder die PKK konfrontiert. Die allgemeine Lage in der Türkei stellt sich aber trotz der durch den jüngst vorangegangenen Putschversuch geänderten Lage, nicht dergestalt dar, dass jeder Rückkehrer alleine aufgrund seiner Anwesenheit im Land einer substantiellen Gefahr ausgesetzt wäre. Darüber hinaus konnten Sie keinen individuellen Zusammenhang mit den aktuellen Ereignissen in der Türkei herstellen. Eine individuelle Gefährdung Ihrer Person, der zufolge gerade Sie von dieser Sicherheitslage betroffen wären, konnte alles in allem nicht festgestellt werden.

Sie wurden in XXXX geboren und haben dort fast Ihr gesamtes Leben verbracht. Sie haben dort die Schule besucht und waren bis zu Ihrer Ausreise berufstätig. Es kann Ihnen auch zugemutet werden, sollten Sie sich nicht in Ihrer Heimatprovinz niederlassen wollen, sich in einer anderen Provinz in der Türkei niederzulassen. Es wird auch darauf hingewiesen, dass Familienangehörige von Ihnen weiterhin ohne Probleme in der Türkei leben können. Bei einer Rückkehr in die Türkei könnten Sie von Ihrer Familie, zumindest anfänglich, finanziell unterstützt werden. Auch verfügen Sie über dementsprechende soziale Anknüpfungspunkte in Ihrer Heimat, um sich in Ihrem Heimatland wieder einzugewöhnen und sich einzuleben.

Soweit Ihre Rückkehrsituation in Betracht zu ziehen ist, wird angeführt, dass Sie sich in Ihrer Heimat niederlassen können.

Aufgrund der vorhandenen sozialen Anknüpfungspunkte in der Türkei und der Tatsache, dass Sie den Großteil Ihres Lebens in der Türkei verbracht haben und dort immer ein Auslangen gefunden haben, ist davon auszugehen, dass Sie im Falle einer Rückkehr in Ihr Heimatland nicht in eine die Existenz bedrohende Notlage geraten würden und für Ihren Lebensunterhalt aufkommen können.

[...]"

Die vom BFA vorgenommene Beweiswürdigung ist im Wesentlichen im Sinne der allgemeinen Denklogik und der Denkgesetze in sich schlüssig und stimmig und das BVwG schließt sich dieser an.

Zusammengefasst vertritt auch das Verwaltungsgericht die Ansicht des Bundesamtes, dass nicht hervorkam, dass die bP zum Zeitpunkt der Ausreise einer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohenden Verfolgungsgefahr aus einem asylrelevanten Motiv ausgesetzt war oder sonstige, für das Verfahren relevante reale Gefährdungslagen gegeben waren oder sie im Falle der Rückkehr nunmehr eine solche mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit bzw. real zu gegenwärtigen hätte.

Im Übrigen wird die Beweiswürdigung des BFA in der Beschwerde auch nicht substantiiert bekämpft, weshalb das Bundesverwaltungsgericht nicht veranlasst war das Ermittlungsverfahren zu wiederholen bzw. zu ergänzen (vgl. zB. VwGH 20.1.1993, 92/01/0950; 14.12.1995, 95/19/1046; 30.1.2000, 2000/20/0356; 23.11.2006, 2005/20/0551 ua.).

Das Bundesamt hat sich hinlänglich mit der entscheidungswesentlichen Lage in der Türkei auseinander gesetzt, hat das Parteiengehör zu den Länderberichten gewahrt und ist die bP diesen im Verfahren vor dem Bundesamt nicht konkret entgegen getreten. Auch in der Beschwerde legte die bP selbst keine Bescheinigungsmittel vor, aus denen sich aus aktueller Sicht eine andere Beurteilung der für diesen Fall relevanten Lage ergeben würde. Die von ihr behauptete "mögliche" Verfolgungsgefahr wegen ihrer Nähe zur HDP ist rein spekulativ und somit nicht hinreichend für eine Schutzgewährung.

Das BVwG vermag auch nicht zu erkennen, dass die Befragung der bP mangelhaft gewesen sei und hat sie selbst im Zuge der Einvernahme am Ende dargelegt, dass sie alle Gründe vorgebracht hat und wollte dem nichts mehr hinzufügen.

Aus den Aussagen der bP ergibt sich auch, dass die Teilnahme am Begräbnis und die Bekanntschaft zum Toten letztlich ohne relevante Konsequenzen blieb.

Ad 1.1.8. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat:

Die getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat ergeben sich aus den angeführten herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen, die einer Analyse der Staatendokumentation entstammen. Die bP ist diesen in Verfahren vor dem Bundesamt gar nicht und in der Beschwerde nicht konkret und substantiiert entgegen getreten bzw. ergibt sich daraus kein anderes, für diesen Fall entscheidendes, Lagebild.

3. Rechtliche Beurteilung

Nichtzuerkennung des Status als Asylberechtigte/r

§ 3 AsylG

(1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn

1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder

2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

(4) Einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, kommt eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu. Die Aufenthaltsberechtigung gilt drei Jahre und verlängert sich um eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird. Bis zur rechtskräftigen Aberkennung des Status des Asylberechtigten gilt die Aufenthaltsberechtigung weiter. Mit Rechtskraft der Aberkennung des Status des Asylberechtigten erlischt die Aufenthaltsberechtigung.

(4a) Im Rahmen der Staatendokumentation (§ 5 BFA-G) hat das Bundesamt zumindest einmal im Kalenderjahr eine Analyse zu erstellen, inwieweit es in jenen Herkunftsstaaten, denen im Hinblick auf die Anzahl der in den letzten fünf Kalenderjahren erfolgten Zuerkennungen des Status des Asylberechtigten eine besondere Bedeutung zukommt, zu einer wesentlichen, dauerhaften Veränderung der spezifischen, insbesondere politischen, Verhältnisse, die für die Furcht vor Verfolgung maßgeblich sind, gekommen ist.

(4b) In einem Familienverfahren gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 gilt Abs. 4 mit der Maßgabe, dass sich die Gültigkeitsdauer der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach der Gültigkeitsdauer der Aufenthaltsberechtigung des Familienangehörigen, von dem das Recht abgeleitet wird, richtet.

(5) Die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder auf Grund eines Antrags auf internationalen Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, ist mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Flüchtling im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist eine Person, die aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder die sich als Staatenlose infolge solcher Ereignisse außerhalb des Landes befindet, in welchem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte, und nicht dorthin zurückkehren kann oder wegen der erwähnten Befürchtungen nicht dorthin zurückkehren will.

Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern, ob eine vernunftbegabte Person nach objektiven Kriterien unter den geschilderten Umständen aus Konventionsgründen wohlbegründete Furcht erleiden würde (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380). Dies trifft auch nur dann zu, wenn die Verfolgung von der Staatsgewalt im gesamten Staatsgebiet ausgeht oder wenn die Verfolgung zwar nur von einem Teil der Bevölkerung ausgeübt, aber durch die Behörden und Regierung gebilligt wird, oder wenn die Behörde oder Regierung außerstande ist, die Verfolgten zu schützen (VwGH 4.11.1992, 92/01/0555 ua.).

Gemäß § 2 Abs 1 Z 11 AsylG 2005 ist eine Verfolgung jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art 9 Statusrichtlinie. Demnach sind darunter jene Handlungen zu verstehen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art 15 Abs 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist (Recht auf Leben, Verbot der Folter, Verbot der Sklaverei oder Leibeigenschaft, Keine Strafe ohne Gesetz) oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon - wie in ähnlicher beschriebenen Weise - betroffen ist.

Nach der auch hier anzuwendenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Verfolgung weiters ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; 14.10.1998, Zl. 98/01/0262). Die Verfolgungsgefahr muss nicht nur aktuell sein, sie muss auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194).

Verfolgung kann nur von einem Verfolger ausgehen. Verfolger können gemäß Art 6 Statusrichtlinie der Staat, den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschende Parteien oder Organisationen oder andere Akteure sein, wenn der Staat oder die das Staatsgebiet beherrschenden Parteien oder Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung zu gewähren.

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes müssen konkrete, den Asylwerber selbst betreffende Umstände behauptet und bescheinigt werden, aus denen die von der zitierten Konventionsbestimmung geforderte Furcht rechtlich ableitbar ist (vgl zB vom 8. 11. 1989, 89/01/0287 bis 0291 und vom 19. 9 1990, 90/01/0113). Der Hinweis eines Asylwerbers auf einen allgemeinen Bericht genügt dafür ebenso wenig wie der Hinweis auf die allgemeine Lage, zB. einer Volksgruppe, in seinem Herkunftsstaat (vgl VwGH 29. 11. 1989, 89/01/0362; 5. 12. 1990, 90/01/0202; 5. 6. 1991, 90/01/0198; 19. 9 1990, 90/01/0113).

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Konvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes befindet.

Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:

Der Antrag war nicht bereits gemäß §§4, 4a oder 5 AsylG zurückzuweisen.

Nach Ansicht des BVwG sind die dargestellten Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status als Asylberechtigter, nämlich eine glaubhafte, im Falle der Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat aus einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK angeführten Grund nicht gegeben.

Wie sich aus den Erwägungen ergibt, ist es der bP nicht gelungen eine solche aus ihrer dargelegten Ausreisemotivation und Rückkehrbefürchtung glaubhaft zu machen. Um unnötige Wiederholungen zu vermeiden wird im Konkreten auf die oa. beweiswürdigende Auseinandersetzung mit dem diesbezüglichen Vorbringen verwiesen.

Auch die allgemeine Lage ist im Herkunftsstaat aktuell nicht dergestalt, dass sich konkret für die beschwerdeführende Partei eine begründete Furcht vor einer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohenden asylrelevanten Verfolgung ergeben würde.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Nichtzuerkennung des Status als subsidiär Schutzberechtigte/r

§ 8 AsylG

(1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,

1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.

(3a) Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen, so hat eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.

(4) Einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, ist vom Bundesamt oder vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

(5) In einem Familienverfahren gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 gilt Abs. 4 mit der Maßgabe, dass die zu erteilende Aufenthaltsberechtigung gleichzeitig mit der des Familienangehörigen, von dem das Recht abgeleitet wird, endet.

(6) Kann der Herkunftsstaat des Asylwerbers nicht festgestellt werden, ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen. Diesfalls ist eine Rückkehrentscheidung zu verfügen, wenn diese gemäß § 9 Abs. 1 und 2 BFA-VG nicht unzulässig ist.

(7) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten erlischt, wenn dem Fremden der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird.

Art. 2 EMRK lautet:

"(1) Das Recht jedes Menschen auf das Leben wird gesetzlich geschützt. Abgesehen von der Vollstreckung eines Todesurteils, das von einem Gericht im Falle eines durch Gesetz mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechens ausgesprochen worden ist, darf eine absichtliche Tötung nicht vorgenommen werden. (2) Die Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie sich aus einer unbedingt erforderlichen Gewaltanwendung ergibt: a) um die Verteidigung eines Menschen gegenüber rechtswidriger Gewaltanwendung sicherzustellen; b) um eine ordnungsgemäße Festnahme durchzuführen oder das Entkommen einer ordnungsgemäß festgehaltenen Person zu verhindern; c) um im Rahmen der Gesetze einen Aufruhr oder einen Aufstand zu unterdrücken.

Während das 6. ZPEMRK die Todesstrafe weitestgehend abgeschafft wurde, erklärt das 13. ZPEMRK die Todesstrafe als vollständig abgeschafft.

Art. 3 EMRK lautet:

"Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden."

Zur Auslegung von Art 3 EMRK wird auf die in BVwG v. 11.10.2018, L504 2135461-2 mwN dargestellten Ausführungen verwiesen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. zB VwGH 26.06.2019, Ra 2019/20/0050) ist bei der Beurteilung einer möglichen Verletzung des Art. 3 EMRK eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen.

Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung festgehalten, dass, wenn im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage herrscht, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vorliegen, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können nur besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaats im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen. Der EuGH hat dazu festgehalten, dass das "Vorliegen einer solchen Bedrohung ... ausnahmsweise als gegeben angesehen werden" kann, "wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt (...) ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls in die betroffene Region ?allein durch ihre Anwesenheit' im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein" (vgl. EuGH 17.2.2009, C-465/07, Elgafaji, Rn. 35). Auch wenn der EuGH in dieser Rechtsprechung davon spricht, dass es sich hiebei um "eine Schadensgefahr allgemeinerer Art" handelt (Rn. 33), so betont er den "Ausnahmecharakter einer solchen Situation" (Rn. 38), "die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass die fragliche Person dieser Gefahr individuell ausgesetzt wäre" (Rn. 37). Diesen Ausnahmecharakter betonte der EuGH in seiner jüngeren Rechtsprechung, Urteil vom 30. Jänner 2014, C-285/12, Diakite, Rn.

30.

Eine schwierige Lebenssituation, insbesondere bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht, die ein Fremder im Fall der Rückkehr in sein Heimatland vorfinden würde, reicht nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für sich betrachtet nicht aus, um die Verletzung des nach Art. 3 EMRK geschützten Rechts mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit annehmen zu können oder um eine innerstaatliche Fluchtalternative zu verneinen (vgl. zum Ganzen VwGH 27.5.2019, Ra 2019/14/0153, mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung).

Weiters hat nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Allgemeinen kein Fremder ein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (vgl. VwGH 23.3.2017, Ra 2017/20/0038 bis 0040; 6.11.2018, Ra 2018/01/0106, jeweils mwN).

Ohne entsprechendes Vorbringen des Asylwerbers oder ohne sich aus den Angaben konkret ergebende Anhaltspunkte ist die Behörde / das Bundesverwaltungsgericht nicht verpflichtet jegliche nur denkbaren Lebenssachverhalte ergründen zu müssen (vgl. VwGH 10.8.2018, Ra 2018/20/0314, mwN). Wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand handelt (zB ihre familiäre [VwGH 14.2.2002, 99/18/0199 ua], gesundheitliche [VwSlg 9721 A/1978; VwGH 17.10.2002, 2001/20/0601; 14.6.2005, 2005/02/0043], oder finanzielle [vgl VwGH 15.11.1994, 94/07/0099] Situation), von dem sich die Behörde nicht amtswegig Kenntnis verschaffen kann (vgl auch VwGH 24.10.1980, 1230/78), besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht und Darlegungslast des Asylwerbers (VwGH 18.12.2002, 2002/18/0279).

Dies entspricht der sich insbes. aus § 15 AsylG ergebenden Mitwirkungsverpflichtung sowie aus der Verfahrensförderungspflicht des § 39 Abs 2a AVG, wonach jede Partei ihr Vorbringen so rechtzeitig und vollständig zu erstatten hat, dass das Verfahren möglichst rasch durchgeführt werden kann.

Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:

Im gegenständlichen Fall ergibt sich aus dem Ermittlungsverfahren bzw. dem Vorbringen keine glaubhaft, reale und entscheidungsrelevante individuelle Bedrohung die über die bloße Möglichkeit hinausgehen würde.

Die beschwerdeführende Partei hat im Verfahren keine relevante Erkrankungen dargelegt, weshalb sich daraus kein Rückkehrhindernis ergibt.

Unter Berücksichtigung der individuellen Situation der beschwerdeführenden Partei ist festzuhalten, dass hinsichtlich der Lebensbedingungen in ihrem Herkunftsstaat von einer lebensbedrohenden Notlage, welche bei einer Rückkehr die reale Gefahr einer unmenschlichen Behandlung iSd Art 3 EMRK indizieren würde, aus Sicht des BVwG nicht gesprochen werden kann. Dies wurde von der bP weder konkret dargelegt noch kann dies amtswegig festgestellt werden.

Bei der bP handelt es sich um einen gesunden, arbeitswilligen und erwerbsfähigen Mann der in der Türkei aufgewachsen ist und dort auch über familiäre Anknüpfungspunkte verfügt. Die bP verfügt in Österreich auch über eine Unternehmensbeteiligung.

Auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ergibt sich somit kein "reales Risiko", dass es derzeit durch die Rückführung der beschwerdeführenden Partei in den Herkunftsstaat zu einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe kommen würde.

Die Lage in der Herkunftsregion bzw. im Herkunftsstaat der bP ist aktuell nicht so, dass die bP real Gefahr laufen würde wegen der Sicherheitslage bei einer Rückkehr einer ernsthaften Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit ausgesetzt zu sein.

Es kam im Verfahren nicht hervor, dass konkret für die beschwerdeführende Partei im Falle einer Rückverbringung in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr bestünde, als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts ausgesetzt zu sein.

Dies wäre nur dann der Fall, wenn im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage herrschen würde, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, und stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat vorliegen. Dies wäre dann der Fall, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können aber besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände (Gefährdungsmomente) dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaates im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder 3 MRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen. In diesem Fall kann das reale Risiko der Verletzung von Art. 2 oder 3 MRK oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Person infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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