TE Bvwg Beschluss 2020/1/11 I401 2214569-4

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Veröffentlicht am 11.01.2020
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Entscheidungsdatum

11.01.2020

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
AVG §68 Abs1
BFA-VG §22
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

I401 2214569-4/6E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard AUER in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle West, vom 04.02.2020, IFA-Zahl/Verfahrenszahl: XXXX , erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX , geb. XXXX , StA. Nigeria, beschlossen:

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 22 BFA-VG rechtmäßig.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Der Fremde, ein aus dem Bundesstaat XXXX stammender Staatsangehöriger von Nigeria, stellte am 12.11.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Befragt zu seinen Fluchtgründen, gab er an, er sei schwul und er habe in einem Pornofilm mit Schwulen und Lesben mitgespielt. Die Leute, die in diesem Film mitgespielt hätten, seien verhaftet und eingesperrt worden. Damit ihm nicht dasselbe passiere, habe er flüchten müssen.

Mit Bescheid vom 18.01.2017 wurde dieser Antrag, ohne in die Sache einzutreten, gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Polen für die Prüfung des Antrages gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen den Fremden gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Polen gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Die vom Fremden dagegen erhobene Beschwerde wurde mit in Rechtskraft erwachsenem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 06.02.2017, W105 2146302-1/4E, als unbegründet abgewiesen.

Auf Grund des unbekannten Aufenthaltes des Fremden konnte dessen Überstellung nach Polen innerhalb der dafür in der Dublin-Ill-Verordnung festgelegten Überstellungsfrist nicht durchgeführt werden.

2. Der Fremde stellte am 04.09.2018 einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz.

Er begründete ihn damit, bisexuell zu sein. Im Jahr 2016 seien einige Videos mit Sexspielen von ihm aufgetaucht. Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vom 06.11.2018 äußerte der Fremde, Nigeria verlassen zu haben, weil er homosexuell sei und Pornofilme gedreht habe. Sein Vater sei inhaftiert worden und sei in weiterer Folge verstorben.

Mit (durch Hinterlegung am 04.12.2018 zugestellten) Bescheid wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vom 29.11.2018 den Antrag des Fremden auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria als unbegründet ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist, gewährte keine Frist für die freiwillige Ausreise, erkannte einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung ab und erließ gegen ihn ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot.

Die vom Fremden am 18.01.2019 erhobene Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom 28.01.2019 als verspätet zurückgewiesen.

Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zur Rechtzeitigkeit der erhobenen Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 14.06.2019, I401 2214569-2/10E, die Beschwerde als verspätet zurück. Gleichzeitig wurde mit diesem Beschluss (zu I401 2214569-3/2E) der mit Schriftsatz vom 15.03.3019 gestellte Antrag des Fremden auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht bewilligt. Dieser Beschluss erwuchs in Rechtskraft.

3. Am 15.01.2020 stellte der Fremde den dritten Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag erklärte er, von September 2019 bis Jänner 2020 in Slowenien gewesen zu sein.

Den Asylantrag habe er gestellt, weil er homosexuell sei. Außerdem habe er an einem Pornofilm mitgewirkt und in weiterer Folge jemanden erschossen. Da er einen homosexuellen Pornofilm veröffentlicht habe, sei er von der Regierung verfolgt worden. Wegen seiner Handlungen sei sein Vater inhaftiert worden. Der Vater sei nach der Entlassung aus der Haft verstorben. Seine Familie wolle ihn nicht mehr sehen.

Bei seiner am 23.01.2020 erfolgten Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle West (in der Folge als Bundesamt bezeichnet), gab der Fremde an, dass sich an den von ihm im Vorverfahren angegebenen Ausreisegründen und Problemen, die er in Nigeria gehabt habe, nichts geändert habe. Die Probleme gebe es immer noch.

Der Fremde bestätigte seine bei der Erstbefragung gemachten Angaben, dass er in Nigeria jemanden erschossen und er diesen Umstand in den Vorverfahren nicht erwähnt habe. Bei dieser Auseinandersetzung sei er am linken Knie verletzt worden und habe dabei auch seinen Vater verloren. Er habe diesen Umstand nicht bereits im ersten Verfahren erwähnt, weil er gedacht habe, die Polizei (zu ergänzen: in Nigeria) werde das nicht herausfinden. Die Polizei habe seinen Freund festgenommen und dieser habe die Wahrheit erzählt. Von der Festnahme des Freundes habe er von seinem Bruder, der das erste und letzte Mal mit ihm gesprochen habe, erfahren. Sein Bruder habe zu ihm gesagt, dass er keinen Kontakt mehr mit ihm haben und ihn auch nicht mehr sehen wolle. Wenn er zurückkomme, werde sein Bruder ihm große Probleme bereiten; er würde ihn zur Polizei bringen. Das Telefonat, welches er vor zwei Jahren mit seinem Bruder geführt habe, habe er nicht angegeben, weil er danach nicht gefragt worden sei.

Befragt, warum er bei seiner im November 2018 erfolgten Einvernahme diesen Telefonanruf und die Tatsache, die Polizei habe herausgefunden, dass er jemanden erschossen habe, nicht erwähnt habe, erklärte der Fremde, er sei nur danach gefragt worden, ob er Kontakt zu seinem Bruder gehabt habe, worauf er geantwortet habe, dass das schon lange her gewesen sei.

Nach der Antragstellung auf Asyl habe er Österreich verlassen. Er sei von September 2019 bis 15.01.2020 in Slowenien gewesen.

Zur in Aussicht genommenen Zurückweisung des Antrags auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache und Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes habe der Fremde angegeben, er wolle in Österreich bleiben. Er sei derzeit ein Mensch ohne Familie und in einer blöden Situation. Er wisse nicht, wie es weitergehen solle.

Am 04.02.2020 wurde der Fremde erneut vom Bundesamt einvernommen, wobei nach Abschluss der Vernehmung sowie nach Unterbrechung und Fortsetzung der Amtshandlung das Bundesamt mit dem am 04.02.2020 mündlich verkündeten Bescheid den faktischen Abschiebeschutz des Fremden gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben hat.

Die Rechtsmittelbelehrung enthält den Hinweis, dass diese Beurkundung als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gelte und die Verwaltungsakten unverzüglich von Amts wegen dem Bundesverwaltungsgericht zur Überprüfung übermittelt würden und dies als Beschwerde gelte.

Mit dem am 07.02.2020 bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes eingelangten Schreiben übermittelte das Bundesamt die den Fremden betreffenden Akten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Die Vorlage des Aktes durch das Bundesamt gilt gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 bereits als Beschwerde.

Zu Spruchpunkt A):

1. Feststellungen:

Neben dem unter Punkt I. dargestellten Verfahrensgang wird ergänzend festgestellt:

Der volljährige, aus dem Bundesstaat XXXX , Nigeria, stammende Fremde ist ledig und kinderlos. Er bekennt sich zum christlichen Glauben. Er gehört der Volksgruppe der I(g)bo an. Seine Identität steht fest.

Der Fremde kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach. Er reiste freiwillig aus Österreich aus und hielt sich in der Zeit vom 13.09.2019 bis 15.01.2020 in Slowenien auf. Er stellte dort ebenfalls einen Asylantrag und ist im Besitz einer bis 13.04.2020 gültigen (Identifikations- bzw. Asyl-) Karte der Republik Slowenien.

Er ist gesund und erwerbsfähig. Er verfügt über eine zehn- bzw. zwölfjährige Schulbildung und war in Nigeria als Fliesenleger tätig.

In Nigeria verfügt der Fremde über familiäre Anknüpfungspunkte; es leben (zumindest) seine Mutter, zwei Schwestern und ein Bruder noch dort.

In Österreich leben keine Verwandten des Fremden und es bestehen keine maßgeblichen privaten und familiären Beziehungen.

Er nahm in der Zeit vom 01.12. bis 31.12.2016 an einem Kurs Deutsch Niveaus A0 / A1 sowie am 11.08.2017 am „11. European Glow of Love“ teil, besuchte in der Zeit vom 27.09. bis 29.10.2018 regelmäßig einen Deutschkurs der Caritas Kärnten, auf dem Basiskenntnisse / Niveau A1 vermittelt wurden, und übte vom 12.10. bis 31.10.2018 in der Gemeinde Krumpendorf gemeinnützige Tätigkeiten aus.

Der Fremde ging in Österreich keiner regelmäßigen Beschäftigung nach und bezieht derzeit keine Leistungen aus der Grundversorgung.

Er war in der Zeit vom 12.11.2016, das ist der Tag, an dem er den ersten Antrag auf internationalen Schutz gestellt hatte, bis 16.01.2020 in Österreich nicht mit einem Wohnsitz gemeldet. Erst ab dem zuletzt angeführten Datum ist er, derzeit im Anhaltezentrum V, mit Hauptwohnsitz gemeldet.

Der Fremde ist strafrechtlich unbescholten.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Fremde in Nigeria aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt wurde oder werden wird.

Er weist kein schützenswertes Privat- oder Familienleben in Österreich auf. Er leidet an keinen schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen und ist arbeitsfähig.

Wie aus den umfangreichen, vom Bundesamt in den Vorverfahren sowie im gegenständlichen Verfahren getroffenen aktuellen Länderfeststellungen zu Nigeria hervorgeht, liegt für den Fremden bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat die reale Gefahr einer Verletzung der Artikel 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention nicht vor.

Auch ist für den Fremden als Zivilperson im Fall einer Rückkehr keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes zu erwarten. Ebenso wird er im Fall seiner Rückkehr nach Nigeria mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner sonstigen existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein.

Im gesamten Verfahren, auch nicht in jenem vor dem Bundesverwaltungsgericht, sind Umstände bekannt geworden, die diesen Feststellungen zur Lage in Nigeria entgegenstünden.

2. Beweiswürdigung:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens durch die Einsichtnahme in den Akt des Bundesamtes und die Gerichtsakte des Bundesverwaltungsgerichtes sowie in den zu überprüfenden Bescheid Beweis erhoben.

Da die nigerianische Botschaft in Wien am 02.08.2019 ein bis 01.11.2019 gültiges Heimreisezertifikat ausgestellt hatte, steht die Identität des Fremden fest.

Dass er auch in Slowenien einen Asylantrag gestellt hat, fußt auf der sich im erstinstanzlichen Akt (in Kopie) befindenden, bis 13.04.2020 gültigen (Identifikation-) Karte der Republik Slowenien.

Die Feststellungen zur Person, der Herkunft sowie zu den Lebensumständen des Fremden gründen sich auf seine diesbezüglich glaubhaften Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und vor dem Bundesamt im Rahmen seiner Asylverfahren, wie auch die Feststellung zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit des Fremden. Auch aus der Aktenlage sind keinerlei Hinweise auf lebensbedrohliche gesundheitliche Beeinträchtigungen ableitbar.

Seine Angaben zu seinem Schulbesuch und zur vor seiner Ausreise aus Nigeria ausgeübten Tätigkeit als Fliesenlager sind glaubhaft.

Die Feststellung zur Unbescholtenheit des Fremden leitet sich aus einem aktuellen Strafregisterauszug der Republik Österreich ab.

Dass er erst seit 16.01.2020, ab 05.02.2020 im Anhaltezentrum V, mit Hauptwohnsitz gemeldet ist, geht auf einen Auszug aus dem Zentralen Melderegister vom 07.02.2020 zurück.

Den im vorangegangenen Asylverfahren vorgelegten Unterlagen kann die vom Fremden ausgeübte ehrenamtliche Tätigkeit in der Dauer von ca. drei Wochen sowie der regelmäßige Besuch von Deutschkursen entnommen werden. Zertifikate über eine bestandene Deutschprüfung legte er nicht vor.

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat des Fremden wurden dem „Länderinformationsblatt“ zu Nigeria entnommen. Bezüglich der Erkenntnisquellen zur Lage im Herkunftsstaat wurden sowohl Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie beispielsweise dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten und unabhängigen Nichtregierungsorganisationen, wie zB der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, herangezogen.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Die Länderfeststellungen, welche das Bundesamt seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, zeigen keine Verschlechterung der allgemeinen Situation in Nigeria im Vergleich zur vorangehenden in Rechtskraft erwachsenen materiellen Entscheidung des Bundesamtes bzw. zum Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.06.2019, mit dem die vom Fremden erhobene Beschwerde als verspätet zurückgewiesen wurde.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zur anzuwendenden Rechtslage:

3.1.1. § 12a Abs. 1 und 2 AsylG 2005 (in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017) lauten:

„Faktischer Abschiebeschutz bei Folgeanträgen

§ 12a. (1) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn

1.       gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde,

2.       kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt,

3.       im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben, und

4.       eine Abschiebung unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK (§ 9 Abs. 1 bis 2 BFA-VG) weiterhin zulässig ist.

(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn

1.       gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,

2.       der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3.       die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.“

Der § 22 Abs. 10 AsylG 2005 (in der Fassung BGBl. I Nr. 24/2016) lautet:

„Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 ergehen mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakten sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden.“

3.1.2. § 22 BFA-Verfahrensgesetz (in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2013) lautet:

„Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes

§ 22. (1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden.“

3.1.3. Voranzustellen ist, dass der Fremde einen weiteren Asyl- bzw. einen Folgeantrag im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005 gestellt hat und kein Fall des § 12a Abs. 1 Asylgesetz 2005 vorliegt.

Das Vorliegen einer aufrechten Rückkehrentscheidung ist notwendiges Tatbestandselement des § 12a Abs. 2 AsylG 2005. Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht, es sei denn, es wurde ein darüber hinaus gehender Zeitraum gemäß § 53 Abs. 2 und 3 FPG festgesetzt.

Gegenständlich besteht gegen den Fremden auf Grund des in Rechtskraft erwachsenen Bescheides des Bundesamtes eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG. Mit dem die erhobene Beschwerde als verspätet zurückweisenden Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.06.2019 wurde die - den Antrag des Fremden auf internationalen Schutz bzw. bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abweisende - Entscheidung des Bundesamtes bestätigt, sodass feststeht, dass ihm in Nigeria keine asylrelevante Verfolgung droht.

Eine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts ist nicht eingetreten. Bereits den ersten und zweiten Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes stützte der Fremde - wie auch den gegenständlichen Folgeantrag - darauf, homosexuell zu sein sowie in Pornofilmen mitgespielt bzw. - davon abweichend - Pornofilme gedreht zu haben. Es ergibt sich auch aus dem nunmehrigen Vorbringen kein gegenüber den Vorfahren geänderter Sachverhalt im Sinn neuer zu beachtender Fluchtgründe. Der Fremde hielt sein bisher getätigtes Vorbringen weiter aufrecht und brachte - wiederholend - vor, dass sein Vater, der wegen der Handlungen des Fremden inhaftiert worden sei, nach der Entlassung verstorben sei.

Dass der Fremde - wie er nunmehr geltend macht - bei einer Auseinandersetzung einen Mann erschossen haben soll, was die nigerianische Polizei später herausgefunden habe, ist als gesteigertes Fluchtvorbringen zu werten, zumal er ausführte, diesen Umstand nicht schon früher angegeben zu haben, weil er nicht danach gefragt worden sei. Eine Person, die einem erhöhten Gefährdungspotential ausgesetzt war, wird in der Regel jede sich ihr bietende Gelegenheit nützen, im (ersten) sicheren Aufnahmestaat, wo sie vor Verfolgung sicher ist, ihre „wahren“ Fluchtgründe umfassend darzulegen. Gründe, warum der Fremde diese ihm bekannten Behauptungen nicht bereits in den vorangegangenen Asylverfahren habe erstatten können, legte er nicht dar.

Auch die Situation in Nigeria hat sich seit den vorangegangenen Entscheidungen nicht geändert. Es gab diesbezüglich auch kein Vorbringen des Fremden.

Im vorangegangenen Verfahren hat das Bundesamt bereits ausgesprochen, dass der Fremde bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keiner realen Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre oder für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bestehen würde (§ 50 FPG). In der Begründung des Bescheides des Bundesamtes wird ausgeführt, dass der Fremde keine Gefährdung seiner Person glaubhaft machen konnte. Es sei nicht anzunehmen, dass er im Falle einer Rückkehr einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt sein würde. Auch aus der allgemeinen Situation im Heimatland bzw. der zu erwartenden Rückkehrsituation alleine ließe sich eine solche nicht ableiten.

Auch gibt es dafür, dass dem Fremden im Falle einer Rückkehr nach Nigeria die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre (zur „Schwelle“ des Art. 3 EMRK vgl. das Erk. VwGH vom 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059), im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte, zumal der Fremde an keiner schweren gesundheitlichen Beeinträchtigung leidet. Es ist daher kein Grund ersichtlich, warum der Fremde seinen Lebensunterhalt nach seiner Rückkehr nicht bestreiten können sollte.

Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch keine Umstände bekannt geworden, die es nahelegen würden, dass, bezogen auf den Fremden, ein „reales Risiko“ einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw. der Todesstrafe besteht.

Der Fremde führt in Österreich kein im Sinne des Art. 8 EMRK geschütztes Familienleben. Auch wenn das Bundesverwaltungsgericht den Umstand nicht verkennt, dass der Fremde (in der Vergangenheit) Integrationsbemühungen gezeigt hat, so sind diese doch für sich alleine nicht ausreichend, um eine Integration von maßgeblicher Intensität zu begründen.

Der neuerliche Antrag bzw. Folgeantrag des Fremden auf internationalen Schutz vom 15.01.2020 wird voraussichtlich zurückzuweisen sein, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist.

Somit sind die Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AsylG 2005 gegeben, sodass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes nicht rechtswidrig war.

Da § 22 Abs. 10 AsylG 2005 dies ausdrücklich vorsieht, war die vorliegende ohne Durchführung einer Verhandlung zu treffende Entscheidung nicht mit Erkenntnis, sondern mit Beschluss zu erledigen.

Zu Spruchpunkt B) - Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an eine Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Da die in der vorliegenden Entscheidung maßgeblichen Rechtsfragen klar sind und keiner Auslegung bedürfen, geht das Bundesverwaltungsgericht nicht vom Vorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG aus.

Schlagworte

aufrechte Rückkehrentscheidung faktischer Abschiebeschutz faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung rechtmäßig Folgeantrag Identität der Sache Privat- und Familienleben real risk reale Gefahr

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:2214569.4.01

Im RIS seit

12.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

12.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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