TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/15 L521 2220300-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.01.2020
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Entscheidungsdatum

15.01.2020

Norm

BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs5
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3
FPG §55
VwGVG §13

Spruch

L521 2220300-1/29E

Schriftliche Ausfertigung des am 11.12.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter MMag. Mathias Kopf, LL.M. über die Beschwerde des XXXX , Staatsangehörigkeit Türkei, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH als Mitglieder der ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, 1170 Wien, Wattgasse 48, und WEH Rechtsanwalt GmbH in 6900 Bregenz, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.05.2019, Zl. 194986907-180563492, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 11.12.2019 beschlossen und zu Recht erkannt:

A)

I. Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.

II. Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass das wider die beschwerdeführende Partei ausgesprochene Einreiseverbot auf die Dauer von vier Jahren erhöht wird.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Türkei, begründete erstmals am 25.02.2004 einen Wohnsitz im Bundesgebiet. Er hält sich seither - von Urlaubsaufenthalten in der Türkei abgesehen - im Bundesgebiet auf. Der Beschwerdeführer verfügt über einen bis zum 07.01.2020 gültigen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU".

Am XXXX schloss der Beschwerdeführer in XXXX die Ehe mit der österreichischen Staatsangehörigen XXXX . Aus der Ehe ging bislang ein Sohn hervor.

2. Mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 03.11.2015 zu XXXX wurde der Beschwerdeführer der Vergehen der falschen Beweisaussage und der Begünstigung gemäß §§ 288 Abs. 1 und 4, 299 Abs. 1 StGB schuldig erkannt und zu einer unbedingten Geldstrafe von 200 Tagessätzen zu je 7,00 EUR (1.400,00 EUR) verurteilt.

Außerdem wurde der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 19.12.2017 zu XXXX des Verbrechens des Suchtgifthandels gemäß §§ 28a Abs. 1 2., 3. und 5. Fall, §§ 27 Abs. 1 Z. 1 1. und 2. Fall sowie 27 Abs. 2 SMG schuldig erkannt und zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt.

Der Beschwerdeführer wurde schließlich mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Geschworenengericht vom 19.10.2017 zu XXXX des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach den §§ 15, 142 Abs. 1 und 143 Abs. 1 zweiter Fall StGB schuldig erkannt und im Instanzenzug mit Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck XXXX gemäß §§ 31 und 40 StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 19.12.2017, XXXX , zu einer Zusatzstrafe von vier Jahren und zwei Monaten verurteilt.

Die sohin verhängte unbedingte Freiheitsstrafe von fünf Jahren verbüßte der Beschwerdeführer in den Justizanstalten Feldkirch und Innsbruck. Mit Beschluss des Landesgerichtes Feldkirch vom 18.09.2019 wurde der Beschwerdeführer nach Verbüßung von zwei Dritteln der Freiheitsstrafe gemäß § 46 Abs. 1 StGB iVm § 152 Abs. 1 Z. 2 StVG am 29.10.2019 bedingt entlassen, eine Probezeit von drei Jahren bestimmt und für die Dauer der Probezeit Bewährungshilfe angeordnet.

3. Mit dem hier angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.05.2019, Zl. 194986907-180563492, wurde wider den Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 5 FPG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I.) sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in die Türkei gemäß § 46 FPG 2005 zulässig sei (Spruchpunkt II.). Gemäß § 53 Abs. 1 und 3 FPG 2005 wurde wider den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.) und gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 2005 eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise eingeräumt (Spruchpunkt IV.).

Begründend führte das Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei wegen des Verbrechens des versuchten schweren Raubes sowie wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels rechtskräftig verurteilt worden. Der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet stelle aufgrund seines bisherigen Verhaltens und dem von ihm verübten schweren Verbrechen eine gegenwärtige und schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar.

Ungeachtet der vor der Erlassung des angefochtenen Bescheides erfolgten Bewilligung des elektronisch überwachten Hausarreste könne von einem Wegfall der vom Beschwerdeführers ausgehenden Gefahr nach der Rechtsprechung erst nach einem maßgeblichen Zeitraum des Wohlverhaltens in Freiheit ausgegangen werden. Eine positive Zukunftsprognose sei angesichts der gravierenden Delinquenz nicht möglich.

In Anbetracht der Strafffälligkeit erweise sich ein Eingriff in die familiären Bindungen des Beschwerdeführers - dieser sei mit einer österreichischen Staatsangehörigen verheiratet und habe seinen minderjährigen Sohn, auch seine Eltern und ein Bruder würden sich im Bundesgebiet aufhalten - als vertretbar. In einer Gesamtbeurteilung erweise sich ein Einreiseverbot in der Dauer von zwei Jahren als gerechtfertigt und notwendig.

4. Mit Verfahrensanordnungen vom 16.05.2019 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig eine Rechtsberatungsorganisation für das Beschwerdeverfahren beigegeben und der Beschwerdeführer ferner gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG darüber informiert, dass er verpflichtet sei, ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen.

5. Gegen den der seinerzeitigen rechtsfreundlichen Vertretung des Beschwerdeführers am 17.05.2019 zugestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl richtet sich die gegenständliche Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

In dieser wird inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids sowie Verletzung von Verfahrensvorschriften moniert und (erkennbar) beantragt, den angefochtenen Bescheid ersatzlos zu beheben. Eventualiter wird die Aufhebung bzw. Verkürzung des wider den Beschwerdeführer verhängten Einreiseverbotes bzw. die Verlängerung der Frist für eine freiwillige Ausreise bis zum 31.12.2021 beantragt. Ferner begehrt der Beschwerdeführer, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

In der Sache bringt der Beschwerdeführer vor, er befinde sich derzeit in Strafhaft, die in Form des elektronisch überwachten Hausarrestes vollzogen werde. Er habe sich in der Haft "überhaupt nichts zu Schulden .. kommen lassen". Die Annahme einer negativen Zukunftsprognose stehe in diametralem Wiederspruch zur Bewilligung des elektronisch überwachten Hausarrestes, zumal die Justizanstalt Feldkirch von einer günstigen Prognose ausgehe und schon deshalb nicht davon auszugehen sei, dass der Beschwerdeführer eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle. Das "Erstgericht hätte daher die ?Fußfessel'-Entscheidung heranzuziehen gehabt und ist die Behörde auch dahin gebunden", sodass die Annahme einer vom Beschwerdeführer ausgehenden schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit unrichtig sei.

Das belangte Bundesamt habe darüber hinaus die strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers unzulässigerweise "zweimal herangezogen", nämlich zur Begründung der Rückkehrentscheidung und zur Begründung des Einreiseverbotes. Darüber hinaus würden in Ansehung des Beschwerdeführers aufgrund der Verhängung einer Zusatzstrafe lediglich zwei Vorstrafen vorliegen.

Im Hinblick auf das Familienleben des Beschwerdeführers wird ausgeführt, dass seine Ehegattin nunmehr schwanger sei und seine gesamte Familie hinter ihm stehen würde und bei der Resozialisierung unterstützend wirken würde. Dem Beschwerdeführer müsse jedenfalls zugestanden werden, die Geburt seines zweiten Kindes zu erleben und seiner Ehegattin während der Schwangerschaft beizustehen. Er sei im Bundesgebiet bestens integriert und verfüge über keine Bindungen mehr zur Türkei. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot stelle sich daher als unverhältnismäßiger Eingriff in das Familienleben des Beschwerdeführers dar.

Darüber hinaus würde der Beschwerdeführer mit einer sofortigen Ausreise gegen seine im Rahmen des gewährten Strafaufschubes nach § 39 Abs. 1 SMG auferlegten Verpflichtungen verstoßen.

Schließlich wird in der Beschwerde Unzuständigkeit der bescheiderlassenden Behörde vorgebracht, da der Beschwerdeführer im Bundesland XXXX wohnen würde und nicht nachvollziehbar sei, weshalb das "Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Kärnten" zuständig sein solle. Der Beschwerdeführer sei dadurch in seinem Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt.

6. Die Beschwerdevorlage langte am 21.06.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Die Rechtssache wurde in weiterer Folge der nun zur Entscheidung berufenen Abteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zugewiesen.

7. Zur Vorbereitung der für den 11.12.2019 anberaumten mündlichen Verhandlung wurden der rechtsfreundlichen Vertretung des Beschwerdeführers mit Note des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.11.2019 aktuelle Länderdokumentationsunterlagen zur allgemeinen Lage in der Türkei zur Wahrung des Parteiengehörs übermittelt und die Möglichkeit eingeräumt, dazu innerhalb einer Frist schriftlich Stellung zu nehmen.

8. Mit Eingabe vom 19.11.2019 gab die seinerzeitige rechtsfreundliche Vertretung des Beschwerdeführers die Auflösung des Vollmachtsverhältnisses bekannt.

9. Am 11.12.2019 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung im Beisein des Beschwerdeführers, seiner nunmehrigen rechtsfreundlichen Vertretung, eines Vertreters des belangten Bundesamtes und eines gerichtlich beeideten Dolmetschers für die türkische Sprache durchgeführt. Im Verlauf dieser Verhandlung wurde dem Beschwerdeführer Gelegenheit gegeben, seinen Standpunkt umfassend darzulegen und es wurden die Vorgänge betreffend die Bewilligung und den zwischenzeitlich erfolgten Widerruf des elektronisch überwachten Hausarrestes ebenso erörtert, wie die zwischenzeitlich vom Landeskriminalamt XXXX aufgenommenen neuen Ermittlungen wider den Beschwerdeführer.

Darüber hinaus wurde die Ehegattin des Beschwerdeführers, XXXX , als Zeugin einvernommen.

Im Anschluss an die mündliche Verhandlung wurde das gegenständliche Erkenntnis samt den wesentlichen Entscheidungsgründen mündlich verkündet und seitens des Beschwerdeführers mit Eingabe vom 12.12.2019 die Zustellung einer schriftlichen Ausfertigung des Erkenntnisses beantragt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer führt den im Spruch angeführten Namen, er ist Staatsangehöriger der Türkei und Angehöriger der türkischen Volksgruppe. Der Beschwerdeführer wurde am XXXX in der Provinz XXXX in der Türkei geboren und lebte dort bis zur Ausreise. Er besuchte in der Provinz XXXX die Grundschule, anschließend die Hauptschule und dann ein Lyzeaum. Von der Verpflichtung zur Ableistung des Wehrdienstes in der Türkei befreite sich der Beschwerdeführer durch die Zahlung eines Geldbetrages.

Der Beschwerdeführer ist Moslem und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam.

Der Beschwerdeführer ist gesund und steht - von therapeutischen Maßnahmen zur Behandlung seiner Suchtmittelabhängigkeit - nicht in medizinischer Behandlung.

In den Jahren 2014, 2015 und 2016 besuchte der Beschwerdeführer mehrmals pro Jahr die Türkei für Urlaubs- und Freizeitaufenthalte.

1.2. Der Beschwerdeführer erlangte zuletzt am 08.01.2015 einen von der Bezirkshauptmannschaft XXXX ausgestellten und bis zu 07.01.2020 gültigen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt-EU".

Der Beschwerdeführer stellte keinen Antrag auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft. Bei einer Vorsprache wurden ihm von der Antragstellung aufgrund schlechter Deutschkenntnisse abgeraten.

1.3. Der Beschwerdeführer hat freien Zugang zum Arbeitsmarkt. Er war zunächst vom 31.05.2006 bis zum 16.02.2007 (mit mehrere kurzen Unterbrechungen) bei der XXXX als Arbeiter beschäftigt. Im Anschluss war der Beschwerdeführer vom 14.03.2007 bis zum 15.02.2007 und vom 25.02.2007 bis zum 27.06.2008 bei der XXXX als Arbeiter beschäftigt. Im Zeitraum vom 24.02.2008 bis zum 13.01.2009 bezog er (mit mehrere kurzen Unterbrechungen) Arbeitslosengeld. Vom 14.01.2009 an bis zum 22.01.2016 war der Beschwerdeführer bei der XXXX als Arbeiter beschäftigt. Das Dienstverhältnis endete im Einvernehmen, da der Beschwerdeführer eine körperlich weniger anstrengende Tätigkeit forderte, ihm eine solche innerhalb des Unternehmens aber nicht angeboten wurde.

In der Folge bezog der Beschwerdeführer bis zum 10.07.2016 Krankengeld und dann vom 11.07.2016 bis zum 19.01.2017 (mit mehrere kurzen Unterbrechungen) Arbeitslosengeld. Am 19.01.2017 wurde der Beschwerdeführer aufgrund eines Haftbefehls des Landesgerichtes Feldkirch festgenommen und in weiterer Folge die Untersuchungshaft verhängt.

Zuletzt war der Beschwerdeführer vom 18.04.2019 bis zum 21.06.2019 bei der XXXX als Arbeiter beschäftigt. Seit dem 30.10.2019 bezieht er Arbeitslosengeld.

Der Beschwerdeführer verfügt über eine Einstellungszusage als vollzeitbeschäftigter Autoaufbereiter bei der XXXX ab dem 06.01.2020. Eigenen Angaben wird der Beschwerdeführer am 12.12.2019 bei der XXXX als Arbeiter erwerbstätig sein, wobei er die Aushändigung des Arbeitsvertrages bei Dienstantritt erwartet.

1.4. Nach der Einreise in das Bundesgebiet im Jahr 2004 lernte der Beschwerdeführer seine nunmehrige Ehegattin, die österreichisch Staatsangehörige XXXX , kennen und schloss mit ihr am XXXX vor dem Standesamt XXXX die Ehe.

Der gemeinsame Sohn XXXX wurde am XXXX geboren, er ist österreichischer Staatsangehöriger, lebt gemeinsam mit dem Beschwerdeführer und seiner Ehegattin im gemeinsamen Haushalt in der Stadtgemeinde XXXX und besucht derzeit die Pflichtschule.

Die Ehegattin des Beschwerdeführers ist schwanger, der voraussichtliche Geburtstermin ist der 07.02.2020. Sie ist bei der XXXX, einem Unternehmen für Hotelreinigung und Hoteldienstleistungen, beschäftigt und wurde zuletzt in einem Hotel in der Stadtgemeinde XXXX als Objektleiterin für ein monatliches Nettoentgelt von ca. 1.900,00 eingesetzt. Per 13.12.2019 beginnt in Ansehung der Ehegattin des Beschwerdeführers das Beschäftigungsverbot gemäß § 3 MSchG.

Im Bundesgebiet leben die Eltern des Beschwerdeführers und sein Bruder XXXX sowie eine Tante und mehrerer Cousins. In der Bundesrepublik Deutschland leben ebenfalls eine Tante des Beschwerdeführers und mehrerer Cousins. In der Türkei verfügt der Beschwerdeführer über zwei weitere Brüder, mit denen er eigenen Angaben zufolge keinen Kontakt pflegt, sowie zwei weitere Tanten.

Der Beschwerdeführer lebt mit seiner Ehegattin und dem gemeinsamen Sohn in einem Wohnhaus in der Stadtgemeinde XXXX , Burgstraße 10. In diesem Wohnhaus leben außerdem die Eltern des Beschwerdeführers. Eigentümerin des Wohnhauses ist die Ehegattin des Beschwerdeführers. Der Erwerb der Liegenschaft erfolgte mittels der Aufnahme eines Darlehens, derzeit haftet die Darlehensschuld im Betrag von ca. EUR 320.000,00 aus. Die monatliche Rate beträgt ca. EUR 2.000,00.

Zur Aufbringung der Rate ist das Erdgeschoß des Wohnhauses vermietet, der Beschwerdeführer und seine Ehegattin müssen deshalb einen monatlichen Teilbetrag von nur EUR 500,00 für die Begleichung der Rate aufwenden. Der Beschwerdeführer lebt mit seiner Familie im ersten Obergeschoß, seine Eltern - die ebenfalls zur Finanzierung der Rate beitragen - im zweiten Obergeschoß. Der Beschwerdeführer und seine Eltern haften darüber hinaus für die Darlehensschuld als Bürgen.

Die Ehegattin des Beschwerdeführers hat außerdem Verbindlichkeiten im Betrag von ca. EUR 20.000,00, die aus der Anschaffung eines Fahrzeuges der Marke BMW resultieren (der Beschwerdeführer besitzt keinen Führerschein).

Der Beschwerdeführer besuchte nach seiner Einreise Deutschkurse im zur Erfüllung der Integrationsvereinbarung erforderlichen Ausmaß. Zuletzt nahm er während der Anhaltung in Strafhaft an einem Deutschkurs teil. Prüfungen über Kenntnisse der deutschen Sprache auf einem bestimmten Niveau legte der Beschwerdeführer nicht ab. Der Beschwerdeführer verfügt für den Alltagsgebrauch hinreichende Wortschatzkenntnisse der deutschen Sprache, die er infolge seines langjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet erworben hat. Mit seiner Familie verkehrt er überwiegend in türkischer Sprache.

Ein vereinsmäßiges Engagement des Beschwerdeführers ist nicht feststellbar.

1.5. Der Beschwerdeführer ist ein gesunder, arbeits- und anpassungsfähiger Mensch mit im Herkunftsstaat erworbener grundlegender Schulbildung und im Bundesgebiet erworbener langjähriger Berufserfahrung als Arbeiter in Verpackungsunternehmen.

Der Beschwerdeführer verfügt in seinem Herkunftsstaat über eine - wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich - gesicherte Existenzgrundlage sowie über familiäre Anknüpfungspunkte in seiner Herkunftsregion in Gestalt seiner dort lebenden Brüder und Tanten. Dem Beschwerdeführer ist die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zur Sicherstellung seines Auskommens in der Türkei möglich und zumutbar.

1.6. Der Beschwerdeführer verfügt über ein türkisches Reisedokument im Original.

1.7. Der Beschwerdeführer begann im Jahr 2016 mit dem Konsum von Kokain. Sein Cousin XXXX sprach ihn zu dieser Zeit beim gemeinsamen Besuch von Veranstaltungen der "Osmanen-Germania" in Vorarlberg auf den Konsum und Verkauf von Kokain an. In der Folge begann der Beschwerdeführer zunächst unregelmäßig Kokain auf Partys und beim abendlichen Ausgang zu konsumieren, wobei sich die Intensität bis zur Festnahme und Verhängung der Untersuchungshaft auf den täglichen Konsum von Kokain steigerte.

Da der Beschwerdeführer den Konsum mit seinem eigenen Einkommen nicht finanzieren konnte, begann er mit dem Verkauf von Kokain, dass er zunächst von seinem Cousin und anschließend auch von anderen Personen bezog.

Nach der Verhängung der Untersuchungshaft setzte der Beschwerdeführer den Konsum von Kokain in der Justizanstalt Feldkirch in unregelmäßigen Abständen fort, wobei er dieses von Mithäftlingen erwarb. Seit der Verlegung in die Justizanstalt Innsbruck ist der Beschwerdeführer abstinent. Er ist derzeit bei der Beratungsstelle "Die Faehre" in der Stadtgemeinde Dornbirn seit dem 07.11.2019 in Betreuung. Die seither durchgeführten Harntests verliefen allesamt negativ.

1.8. Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 03.11.2015 zu XXXX wurde der Beschwerdeführer der Vergehen der falschen Beweisaussage und der Begünstigung gemäß §§ 288 Abs. 1 und 4, 299 Abs. 1 StGB schuldig erkannt und zu einer unbedingten Geldstrafe von 200 Tagessätzen zu je 7,00 EUR (1.400,00 EUR) rechtskräftig verurteilt.

Demnach hat der Beschwerdeführer am 05.06.2015 in Hohenems (I) in einem polizeilichen Ermittlungsverfahren bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache durch die Behauptung, wisse nicht, wie die Person heiße, mit welcher sich der Unfall ereignet habe, er könne nicht sagen, wem hinten hineingefahren sei, falsch ausgesagt und (II) durch diese Handlung den XXXX , der die mit Strafe bedrohte Handlung tatsächlich begangen hatte, der Verfolgung absichtlich entzogen.

Bei der Strafzumessung berücksichtiget das Landesgericht Feldkirch als mildernd die Unbescholtenheit und die geständige Verantwortung, als erschwerend das Zusammentreffen zweier Vergehen.

Dem Beschwerdeführer wurde die Begleichung der Geldstrafe durch Ratenzahlung bewilligt.

1.9. Der Beschwerdeführer wurde ferner mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 19.12.2017 zu XXXX des Verbrechens des Suchtgifthandels gemäß §§ 28a Abs. 1 2., 3. und 5. Fall, §§ 27 Abs. 1 Z. 1 1. und 2. Fall sowie 27 Abs. 2 SMG schuldig erkannt und zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt.

Demnach hat der Beschwerdeführer im Zeitraum Mai 2016 bis 19.01.2017

(I) Suchtgift in einer die Grenzmenge mehrfach übersteigenden Menge, nämlich im Zuge einer Fahrt gemeinsam mit dem abgesondert verfolgten XXXX 100 Gramm Kokain aus Deutschland und im Zuge zweier grenzüberschreitender Transport gemeinsam mit dem abgesondert verfolgten XXXX 25 Gramm Kokain aus der Schweiz, mithin insgesamt ca. 125 Gramm Kokain, nach Vorarlberg aus- und eingeführt, wobei er an ein Suchtmittel gewöhnt war und die Straftaten vorwiegend deshalb begangen hat, um sich für seinen persönlichen Gebrauch Suchtmittel oder Mittel zu deren Erwerb zu verschaffen;

(II) in Vorarlberg Suchtgift in einer die Grenzmenge mehrfach übersteigenden Menge, nämlich ca. 80 Gramm Kokain und 50 Gramm Cannabis durch Verkäufe und Übergaben an verschiedene Drogenabnehmer anderen überlassen, wobei er an ein Suchtmittel gewöhnt war und die Straftaten überwiegend deshalb begangen hat, um sich für seinen persönlichen Gebrauch Suchtmittel oder Mittel zu deren Erwerb zu verschaffen;

(III) in Vorarlberg Suchtgift erworben und besessen, wobei er die Straftaten ausschließlich zum persönlichen Gebrauch begangen hat, und zwar unbestimmte Mengen Kokain (aus Inlandsbezügen), konsumiert.

Ein aus Suchtgiftgeschäften erlangter Geldbetrag von Euro 3.900,00 wurde er gemäß § 20 Abs. 3 StGB für verfallen erklärt.

Bei der Strafzumessung berücksichtigte das Landesgericht Feldkirch als mildernd die geständige Verantwortung, als erschwerend das Zusammentreffen mehrere Vergehen und die Begehung in Mittäterschaft.

Einer dagegen erhobenen Berufung gab das Oberlandesgericht Innsbruck mit Urteil vom 10.04.2018, XXXX , keine Folge.

Mit rechtskräftigem Beschluss des Landesgerichtes Feldkirch vom 04.10.2018 zu XXXX wurde dem Antrag des Beschwerdeführers auf Strafaufschub gemäß § 39 Abs. 1 SMG Folge gegeben und die verhängte Freiheitsstrafe von zehn Monaten für die Dauer von zwei Jahren ab dem Zeitpunkt der Entlassung aus der zu diesem Zeitpunkt in Vollzug stehenden Freiheitstrafe aufgrund des Urteils des Landesgerichtes Feldkirch vom 19.10.2017, XXXX (siehe dazu unten 1.10.) aufgeschoben und dem Beschwerdeführer die Verpflichtung auferlegt, sich einer ambulanten, hochfrequenten psychologischen Beratung und Betreuung oder eines Psychotherapie zu unterziehen.

1.10. Der Beschwerdeführer wurde schließlich mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 19.10.2017, XXXX , des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach den §§ 15, 142 Abs. 1 und 143 Abs. 1 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Demnach hat der Beschwerdeführer gemeinsam mit XXXX und XXXX am 21.10.2016 im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter den XXXX in Feldkirch mit Gewalt bzw. durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben und unter Verwendung einer Waffe fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld und Suchtgift, mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wegzunehmen bzw. abzunötigen versucht, indem er sich gemeinsam mit den Mittäter mit übergezogenen Masken und der XXXX mit einer Pistole der Marke Beretta F92 zum Haus des XXXX begaben und nach erfolglosem Aufbrechen der Terrassentür, XXXX mit der Pistole in der Hand, den sich im Haus befindlichen XXXX durch die verglaste Terrassentür zum Öffnen der Terrassentür aufforderten, wobei der Raubplan scheiterte, weil XXXX die Terrassentür nicht öffnete, um Hilfe schrie, ins Obergeschoss des Hauses rannte und im ganzen Haus und vor dem Haus die Beleuchtung einschaltete, woraufhin die Angreifer flüchteten.

Ausweislich des Urteils des Landesgerichtes Feldkirch wurde der Mittäter des Beschwerdeführers, XXXX , auch des Verbrechens des versuchten Mordes nach §§ 15,75 StGB schuldig erkannt. Demnach hat XXXX im Zuge der Flucht nach dem versuchten schweren Raub einen Dritten zu töten versucht, indem er mit der Pistole drei Schüsse aus wenigen Metern Entfernung auf ihn abfeuerte, wobei er den flüchtenden Dritter jedoch verfehlte.

Bei der Strafzumessung berücksichtigte das Landesgericht Feldkirch als mildernd, dass es beim Versuch blieb, als erschwerend die Mitherrschaft beim Raub. Der Beschwerdeführer wurde vom Landesgericht Feldkirch zunächst zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt.

Der Beschwerdeführer erhob dagegen Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe. Dieser Berufung wurde mit Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 11.04.2018, XXXX, teilweise Folge gegeben und der Beschwerdeführer gemäß §§ 31 und 40 StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 19.12.2017, XXXX , zu einer Zusatzstrafe von vier Jahren und zwei Monaten verurteilt. Das Oberlandesgericht Innsbruck hält in der Berufungsentscheidung fest, dass ein Geständnis oder eine wesentlich zur Wahrheitsfindung beitragen der Verantwortung des Beschwerdeführers nicht vorgelegen sei. Der Milderungsgrund einer untergeordneten Tatbeteiligung, ebenso wenig in Betracht, wie eine verminderte Dispositionsfähigkeit des Beschwerdeführers vorgelegen habe. Auch könne nicht davon die Rede sein, dass der Beschwerdeführer die Tat unter Einwirkung eines Dritten, nämlich des XXXX , verübt habe. Insgesamt berücksichtigte das Oberlandesgericht Innsbruck bei der Strafzumessung unter Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 19.12.2017, XXXX , als mildernd ein teilweises Geständnis und der Umstand, dass eine Tat beim Versuch blieb, als erschwerend das Zusammentreffen eines Verbrechens mit mehreren Vergehen, die Begehung der Straftaten in Mittäterschaft und der rasche Rückfall.

1.11. Der Beschwerdeführer verbüßte die wider ihn verhängte Freiheitsstrafe zunächst im Wege der Anrechnung der Verwahrungs- und Untersuchungshaft vom 19.01.2017 bis zum 11.04.2018 und sodann in Strafhaft vom 11.04.2018 an bis zunächst zum 18.04.2019. Vom 19.11.2018 an wurde die Freiheitsstrafe im Wege des gelockerten Vollzuges vollzogen, während der Anhaltung in Strafhaft befand sich der Beschwerdeführer überwiegend in der Justizanstalt Innsbruck.

Mit Ordnungsstrafverfügung vom 21.01.2019 wurde der Beschwerdeführer wegen des unerlaubten Besitzes eines Mobiltelefons mit einer Geldbuße in der Höhe von EUR 70,00 belegt. Zwei weitere Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten war dann am 04.04.2018 bzw. am 07.06.2018 eingestellt.

Mit an die Leitung der Justizanstalt Feldkirch gerichtete Eingabe vom 31.10.2018 beantragte der Beschwerdeführer die Bewilligung des weiteren Vollzugs der restlichen Freiheitsstrafe in elektronisch überwachten Hausarrest. Ein zeitlich vorangehender Antrag wurde wegen mangelnder zeitlicher Voraussetzungen nicht bewilligt, nähere Feststellungen dazu sind nicht möglich. Der Beschwerdeführer brachte zur Begründung seines Antrages vor, im Haus seiner Ehegattin zur Wohnung und monatlich EUR 500,00 an Kreditrückzahlungen und EUR 70,00 an Stromkosten tragen zu müssen. Er verhalte sich in der Haft mustergültig und habe keine Ordnungswidrigkeiten zu vertreten. Er sei zu erwarten, dass er nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe bedingt entlassen werde. Er könne bei der XXXX als Autoreiniger tätig sein und bei Vollbeschäftigung ca. EUR 1.500,00 brutto ins Verdienen bringen.

Anlässlich einer niederschriftlichen Einvernahme am 21.03.2019 wurde der Beschwerdeführer von der Leiterin der Justizanstalt Feldkirch im Wege der Ausfolgung von Broschüren über seine Pflichten während des Vollzugs der restlichen Freiheitsstrafe durch elektronisch überwachten Hausarrest belehrt. Der Beschwerdeführer erklärte, mit den besprochenen Bedingungen der Lebensführung einverstanden zu sein und diese einhalten zu können.

Mit Bescheid der Leiterin der Justizanstalt Feldkirch vom 09.04.2019 wurde dem Beschwerdeführer aufgrund des Antrags vom 31.10.2019 der weitere Vollzug der mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 19.10.2017, XXXX , verhängten Freiheitsstrafe in Form des elektronisch überwachten Hausarrestes voraussichtlich ab dem 18.04.2019 bewilligt. Dem Beschwerdeführer wurden unter einem die sich aus der von ihm unterfertigten Einverständniserklärung ergebenden Pflichten als Bedingungen seiner Lebensführung während des elektronisch überwachten Hausarrestes auferlegt, ferner wurde dem Beschwerdeführer Betreuung durch eine in der Sozialarbeit erfahrene Person gewährt und der Beschwerdeführer schließlich zur Absolvierung eines Anti-Gewalt-Trainings und zur Durchführung einer ambulanten Drogentherapie verpflichtet.

Der Beschwerdeführer trat den elektronisch überwachten Hausarrest am 18.04.2019 an.

Am 21.06.2019 wurde die dem Beschwerdeführer erteilte Bewilligung widerrufen und seine Überstellung in den Normalvollzug in der Justizanstalt Feldkirch angeordnet.

Dem dazu erlassenen Bescheid der Leiterin der Justizanstalt Feldkirch vom 24.06.2019 zufolge wurde der Beschwerdeführer erstmals am 14.05.2019 nachweislich und schriftlich ermahnt, daher die Justizanstalt Feldkirch nicht unmittelbar über einen Gerichtstermin in Kenntnis gesetzt habe, sondern diese Informationen erst über Urgenz im Wege seines Bewährungshelfers nachgereicht habe. Am 29.05.2019 wurde der Beschwerdeführer neuerlich nachweislich und schriftlich ermahnt, daher gegen eine im Bewilligungsbescheid auferlegte Weisung verstoßen habe. Demnach habe am 13.05.2019 nicht am vorab geplanten Anti-Gewalt-Training teilgenommen und keine ärztliche Bestätigung über die angeblich an diesem Tag erlittene Migräne beigebracht. Die Behauptung, bereits in Haft an Migräne gelitten zu haben und deshalb behandelt worden zu sein, habe nach Einsichtnahme in die elektronische Krankengeschichte nicht verifiziert werden können. Mit der Mahnung wurde der Beschwerdeführer ferner darüber informiert, bei einem nochmaligen Verstoß gegen seine Pflichten wieder in den Normalvollzug überstellt zu werden.

Am 18.06.2019 sei der Justizanstalt Feldkirch im Wege der Überwachungszentrale eine Änderung des Aufsichtsprofiles des Beschwerdeführers zur Kenntnis gebracht worden. Der Beschwerdeführer habe gegenüber der Überwachungszentrale bekannt gegeben, am 18.06.2019 und am 19.06.2019 aufgrund von Krankheit seiner Beschäftigung nicht nachgehen zu können. Trotz Aufforderung der Überwachungszentrale, entsprechende Bestätigungen beizubringen, habe der Beschwerdeführer die Bestätigung über den Arzttermin und die entsprechende Krankmeldung erst nach Urgenz der Justizanstalt Feldkirch und nicht unaufgefordert beigebracht. Am 19.06.2019 sei der Justizanstalt Feldkirch ferner im Wege der Bewährungshilfeorganisation zur Kenntnis gebracht worden, dass der Beschwerdeführer eigenmächtig und ohne Rücksprache mit der Justizanstalt Feldkirch mit 01.07.2019 eine neue Arbeitsstelle antreten wolle.

Aufgrund der Vorfälle sei der Beschwerdeführer am 19.06.2019 telefonisch zu einem Gespräch in der Justizanstalt Feldkirch am 21.06.2019 um 11:00 Uhr geladen worden. Zu diesem Gespräch sei der Beschwerdeführer nicht pünktlich erschienen und habe auf telefonische Nachfrage mitgeteilt, sich zu Hause aufzuhalten, da er davon ausgegangen sei, dass die Organe der Justizanstalt Feldkirch zu ihm nach Hause kommen würden. Bei seiner Einvernahme - nachdem der Beschwerdeführer schließlich doch in der Justizanstalt Feldkirch erschienen sei - habe er nicht angeben können, weshalb er die Krankmeldung für den 18.06.2019 nicht unverzüglich selbst beigebracht habe. In rechtlicher Hinsicht folgte, dass der Beschwerdeführer wiederholt gegen die ihm auferlegten Bedingungen zur Lebensführung verstoßen habe und aus seinem Verhalten abzuleiten sei, dass er nicht in der Lage bzw. nicht gewillt sei, sich an die Regeln und Vorgaben des elektronisch überwachten Hausarrestes zu halten.

Zuletzt habe der Beschwerdeführer auch gegenüber der Bewährungshilfeorganisation unwahre Behauptungen getätigt, nämlich, dass der beabsichtigte Wechsel des Arbeitsplatzes mit der Justizanstalt Feldkirch abgesprochen sei, was nicht der Wahrheit entsprochen habe. Die Bewilligung der Anhaltung in elektronisch überwachten Hausarrest sei deshalb zu widerrufen.

Der Beschwerdeführer bekämpfte diesen Bescheid mit Beschwerde an das Landesgericht Innsbruck, wobei der Beschwerde keine Folge gegeben wurde.

Vom 21.06.2019 an verbüßte der Beschwerdeführer die wider ihn verhängte Freiheitsstrafe in der Justizanstalt Feldkirch. Mit Beschluss des Landesgerichtes Feldkirch vom 18.09.2019 wurde der Beschwerdeführer nach Verbüßung von zwei Dritteln der Freiheitsstrafe gemäß § 46 Abs. 1 StGB iVm § 152 Abs. 1 Z. 2 StVG am 29.10.2019 bedingt entlassen, eine Probezeit von drei Jahren bestimmt und für die Dauer der Probezeit Bewährungshilfe angeordnet. Der Beschwerdeführer lebt seither im gemeinsamen Haushalt mit seiner Ehegattin und seinem Sohn.

1.12. Die Leitung der Justizanstalt Feldkirch berichtet, dass der Beschwerdeführer nach wie vor in Kontakt zur Suchtgiftszene steht und diese Kontakte auch während der Verbüßung der wider ihn verhängten Freiheitsstrafe bestanden haben.

Der Beschwerdeführer ist nach Einschätzung der Justizanstalt Feldkirch aufgrund seines Verhaltens während des Strafvollzuges und insbesondere während des elektronisch überwachten Hausarrestes nicht in der Lage, sich längerfristig und verbindlich an Regeln und Vorgaben zu halten.

Die andauernden Kontakte zur Suchtgiftszene zeige, dass trotz einer spürbaren Freiheitsstrafe und des Vollzugs von zwei Dritteln der Freiheitsstrafe sowie der Anordnung von Bewährungshilfe beim Beschwerdeführer kein nachhaltiger Sinneswandel eingetreten sei.

Am 09.12.2019 wurde der Beschwerdeführer vor dem Landeskriminalamt Vorarlberg als Beschuldigter einvernommen. Der Einvernahme mussten Dolmetscher für die türkische Sprache aufgrund der unzureichenden Sprachkenntnisse des Beschwerdeführers beigezogen werden.

Ausweislich der Niederschrift wurde das Mobiltelefon des Beschwerdeführers im Zeitraum 07.06.2019 bis 09.06.2019 mit gerichtlicher Bewilligung überwacht. Aufgrund der durchgeführten Ermittlungen werde der Beschwerdeführer beschuldigt, im Juni 2019 über eine Vertrauensperson an einen verdeckten Ermittler 700g Kokain zum Preis von EUR 32.000,00 angeboten zu haben.

Der Beschwerdeführer legte dazu freiwillig dar, der XXXX (siehe oben 1.9.) habe sich nach ihm bei seiner Ehegattin erkundigt und ihn dann täglich an seinem Arbeitsplatz besucht. Er habe ihm dann seine Mobiltelefonnummer gegeben. XXXX habe sich erkundigt, ob er für ihn Kokain beschaffen könne. Da er dem XXXX nicht geglaubt habe, dass dieser über eine so hohe Geldsumme verfüge, habe er sich das Geld zeigen lassen. Dabei sei der XXXX von einer fremden Person begleitet worden. Er habe im Gefolge dieser Ereignisse den XXXX kontaktiert, den er in der Justizanstalt Feldkirch kennengelernt habe. Diesem habe er mitgeteilt, dass jemand Kokain kaufen wolle. Der XXXX habe mitgeteilt, wenn die Person Geld habe, solle er sie zu ihm schicken und dass er Kokain auftreiben könne. Er habe den Kontakt hergestellt, hätte davon aber selbst nichts gehabt.

Im Detail stellte sich die Einvernahme des Beschwerdeführers in ihren entscheidungswesentlichen Passagen wie folgt dar (der Schriftzug Entwurf konnte vom Landeskriminalamt Vorarlberg aufgrund technischer Probleme nicht entfernt werden):

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Das Landeskriminalamt Vorarlberg beabsichtigt, dem Beschwerdeführer aufgrund der durchgeführten Ermittlungen bei der Staatsanwaltschaft Feldkirch wegen des Verdachts des Verbrechens nach § 28a Abs. 4 SMG anzuzeigen.

1.13. Zur aktuellen Lage in der Türkei werden folgende Feststellungen unter Heranziehung der abgekürzt zitierten und gegenüber dem Beschwerdeführer vollständig offengelegten Quellen getroffen:

1. Politische Lage

Die Türkei ist eine Präsidialrepublik und laut Art. 2 ihrer Verfassung ein demokratischer, laizistischer und sozialer Rechtsstaat auf der Grundlage öffentlichen Friedens, nationaler Solidarität, Gerechtigkeit und der Menschenrechte sowie den Grundsätzen ihres Gründers Atatürk besonders verpflichtet. Staats- und Regierungschef ist seit Einführung des präsidialen Regierungssystems per 9.7.2018 der Staatspräsident, der die politischen Geschäfte führt (AA 3.8.2018).

Der Präsident wird für eine Amtszeit von fünf Jahren direkt gewählt und kann bis zu zwei Amtszeiten innehaben, mit der Möglichkeit einer dritten Amtszeit, wenn während der zweiten Amtszeit vorgezogene Präsidentschaftswahlen ausgerufen werden. Erhält kein Kandidat in der ersten Runde die absolute Mehrheit der gültigen Stimmen, findet zwei Wochen später eine Stichwahl zwischen den beiden stimmenstärksten Kandidaten statt. Die 600 Mitglieder der Großen Türkischen Nationalversammlung, ein Einkammerparlament, werden durch ein proportionales System mit geschlossenen Parteienlisten bzw. unabhängigen Kandidaten in 87 Wahlkreisen für eine Amtszeit von fünf Jahren gewählt. Wahlkoalitionen sind erlaubt. Es gilt eine 10%-Hürde für Parteien bzw. Wahlkoalitionen, die höchste unter den Staaten der OSZE und des Europarates. Die Verfassung garantiert die Rechte und Freiheiten, die den demokratischen Wahlen zugrunde liegen, nicht ausreichend, da sie sich auf Verbote zum Schutze des Staates beschränkt und der Gesetzgebung diesbezügliche unangemessene Einschränkungen erlaubt. Im Rahmen der Verfassungsänderungen 2017 wurde die Zahl der Sitze von 550 auf 600 erhöht und die Amtszeit des Parlaments von vier auf fünf Jahre verlängert (OSCE/ODIHR 25.6.2018).

In der Verfassung wird die Einheit des Staates festgeschrieben, wodurch die türkische Verwaltung zentralistisch aufgebaut ist. Es gibt mit den Provinzen, den Landkreisen und den Gemeinden (belediye/mahalle) drei Verwaltungsebenen. Die Gouverneure der 81 Provinzen werden vom Innenminister ernannt und vom Staatspräsidenten bestätigt. Den Landkreisen steht ein vom Innenminister ernannter Regierungsvertreter vor. Die Bürgermeister und Dorfvorsteher werden vom Volk direkt gewählt, doch ist die politische Autonomie auf der kommunalen Ebene stark eingeschränkt (bpb 11.8.2014).

Am 16.4.2017 stimmten bei einer Beteiligung von 85,43% der türkischen Wählerschaft 51,41% für die von der regierenden AKP initiierte und von der rechts-nationalistischen Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP) unterstützte Verfassungsänderung, welche ein exekutives Präsidialsystem vorsah (OSCE 22.6.2017, vgl. HDN 16.4.2017). Die gemeinsame Beobachtungsmisson der OSZE und der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (PACE) kritisierte die ungleichen Wettbewerbsbedingungen beim Referendum. Der Staat hat nicht garantiert, dass die WählerInnen unparteiisch und ausgewogen informiert wurden. Zivilgesellschaftliche Organisationen konnten an der Beobachtung des Referendums nicht teilhaben. Einschränkungen von grundlegenden Freiheiten aufgrund des bestehenden Ausnahmezustands hatten negative Auswirkungen. Im Vorfeld des Referendums wurden Journalisten und Gegner der Verfassungsänderung behindert, verhaftet und fallweise physisch attackiert. Mehrere hochrangige Politiker und Beamte, darunter der Staatspräsident und der Regierungschef setzten die Unterstützer der Nein-Kampagne mit Terrorsympathisanten oder Unterstützern des Putschversuchs vom Juli 2016 gleich (OSCE/PACE 17.4.2017).

Die oppositionelle Republikanische Volkspartei (CHP) und die pro-kurdische Demokratische Partei der Völker (HDP) legten bei der Obersten Wahlkommission Beschwerde ein, dass 2,5 Millionen Wahlzettel ohne amtliches Siegel verwendet worden seien. Die Kommission wies die Beschwerde zurück (AM 17.4.2017). Gegner der Verfassungsänderung demonstrierten in den größeren Städten des Landes gegen die vermeintlichen Manipulationen (AM 18.7.2017). Die OSZE kritisiert eine fehlende Bereitschaft der türkischen Regierung zur Klärung von Manipulationsvorwürfen (FAZ 19.4.2017).

Bei den vorgezogenen Präsidentschaftswahlen am 24.6.2018 errang Amtsinhaber Recep Tayyip Erdogan 52,6% der Stimmen, sodass ein möglicher zweiter Wahlgang obsolet wurde. Der Kandidat der oppositionellen Republikanischen Volkspartei (CHP), Muharrem Ince, erhielt 30.6%. Der seit November 2016 inhaftierte ehemalige Ko-Vorsitzende der Demokratischen Partei der Völker (HDP), Selahattin Demirtas, erhielt 8,4% und die Vorsitzende der neu gegründeten Iyi-Partei, Meral Aksener, erreichte 7,3%. Die übrigen Mitbewerber lagen unter einem Prozent. Bei den gleichzeitig stattfindenden Parlamentswahlen erhielt die regierende AK-Partei 42,6% der Stimmen und 295 der 600 Sitze im Parlament. Zwar verlor die AKP die absolute Mehrheit, doch durch ein Wahlbündnis mit der rechts-nationalistischen Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP) unter dem Namen "Volksbündnis", verfügt sie über eine Mehrheit im Parlament. Die kemalistisch-sekuläre CHP gewann 22,6% bzw. 146 Sitze und ihr Wahlbündnispartner, die national-konservative iyi-Partei, eine Abspaltung der MHP, 10% bzw. 43 Mandate. Drittstärkste Partei wurde die pro-kurdische HDP mit 11,7% und 67 Mandaten (HDN 26.6.2018). Zwar hatten die Wähler und Wählerinnen eine echte Auswahl, doch bestand keine Chancengleichheit zwischen den Kandidaten und Parteien. Der amtierende Präsident und seine Partei genossen einen beachtlichen Vorteil, der sich auch in einer übermäßigen Berichterstattung der staatlichen und privaten Medien zu ihren Gunsten widerspiegelte. Zudem missbrauchte die regierende AKP staatliche Verwaltungsressourcen für den Wahlkampf. Der restriktive Rechtsrahmen und die unter dem geltenden Ausnahmezustand gewährten Machtbefugnisse schränkten die Versammlungs- und Meinungsfreiheit auch in den Medien ein. Internationale Wahlbeobachter der ODIHR-Beobachtermission konstatieren in ihrem vorläufigen Bericht vielfältige Verstöße gegen den Fairnessgrundsatz (u.a. ungleicher Medienzugang, Wahl unter Ausnahmezustand) die aber die Legitimität des Gesamtergebnisses insgesamt nicht in Frage stellen. Der Wahlkampf fand freilich in einem stark polarisierten politischen Umfeld statt (OSCE/ODIHR 25.6.2018).

Am 23.6.2019 fand in Istanbul die Wiederholung der Bürgermeisterwahl statt. Diese ist von nationaler Bedeutung, da ein Fünftel der türkischen Bevölkerung in Istanbul lebt und die Stadt ein Drittel des Bruttonationalproduktes erwirtschaftet. Zudem hatte Staatspräsident Erdogan mehrmals erklärt, wer Istanbul regiere, regiere die Türkei (NZZ 23.6.2019). Bei der ersten Wahl am 31. Marz hatte der Kandidat der oppositionellen Republikanischen Volkspartei (CHP), Ekrem Imamoglu, mit einem hauchdünnen Vorsprung von 13.000 Stimmen gewonnen. Die regierende AKP hatte jedoch das Ergebnis angefochten, sodass die Hohe Wahlkommission am 6. Mai schließlich die Wahl, wegen formaler Fehler bei der Besetzung einiger Wahlkomitees, annullierte (FAZ 23.6.2019, vgl. Standard 23.6.2019). Imamoglu gewann die wiederholte Wahl mit 54% bzw. mit einem Vorsprung von fast 800.000 Stimmen auf den Kandidaten der AKP, Ex-Premierminister Binali Yildirim, der 45% erreichte (Anadolu 23.6.2019). Die CHP loste damit die AKP nach einem Vierteljahrhundert von der Macht in Istanbul ab (FAZ 23.6.2019).

Bei den Lokalwahlen vom 30.3.2019 hatte die AKP von Staatspräsident Erdogan bereits die Hauptstadt Ankara (nach 20 Jahren), sowie die Großstädte Adana, Antalya und Mersin an die Opposition verloren. Ein wichtiger Faktor war der Umstand, dass die pro-kurdische HDP auf eine Kandidatur im Westen des Landes verzichtete (Standard 1.4.2019) und deren inhaftierter Vorsitzende, Selahattin Demirtas, auch bei der Wahlwiederholung seine Unterstützung für Imamoglu betonte (NZZ 23.6.2019). Zuletzt hat die türkische Regierung drei pro-kurdische Bürgermeister abgesetzt. Die Bürgermeister von Diyarbakir, Mardin und Van im Südosten der Türkei, die der oppositionellen pro-kurdischen Demokratischen Partei der Völker (HDP) angehören und bei den Kommunalwahlen im März in ihre Ämter gewählt worden sind, wurden am 19.8.2019 ihrer Ämter enthoben. Gegen die drei Bürgermeister wird wegen der Verbreitung von Terrorpropaganda und der Mitgliedschaft in einer Terrororganisation ermittelt (ZO 19.8.2019, vgl. DW 20.8.2019). Innenminister Süleyman Soylu beschuldigte die Bürgermeister, die Gemeinden in eine vom Rest des Landes getrennte Verwaltungsstruktur umwandeln zu wollen und ehemalige Gemeindeangestellte wieder zu beschäftigen, die aufgrund ihres Engagements, ihrer Zugehörigkeit und ihrer Beziehung zu einer terroristischen Vereinigung vormals bereits aus ihren Ämtern entfernt worden waren (HDN 20.8.2019). Die entlassenen Bürgermeister, wurden alle durch staatlich ernannte Treuhänder ersetzt (MEE 19.8.2019). Türkische Sicherheitskräfte haben mit Wasserwerfern, Tränengas und Schlagstöcken Proteste gegen die Amtsenthebung der drei Bürgermeister im Südosten des Landes sowie in Istanbul verhindert bzw. aufgelöst. Laut Innenministerium wurden in Diyarbakir, Mardin, Van sowie in 26 weiteren Provinzen bei Razzien am 19.8.2019 418 Personen wegen angeblicher Verbindungen zur PKK festgenommen (DW 20.8.2019, vgl. MEE 19.8.2019, Ahval 20.8.2019).

Die Entlassung der Bürgermeister hat Kritik seitens der EU und des Europarates ausgelöst, da ihre Entlassung die Ergebnisse der Wahlen vom 31. März in Frage stelle (Ahval 20.8.2019, vgl. CoE 20.8.2019, EU 19.8.2019). Kritik kam auch vom ehemaligen AKP-Regierungschef, Ahmet Davutoglu und dem CHP-Bürgermeister von Instanbul, Ekrem Imamoglu (MEE 19.8.2019).

Der Präsident hat die Befugnis hochrangige Regierungsbeamte zu ernennen und zu entlassen, die nationale Sicherheitspolitik festzulegen und die erforderlichen Durchführungsmaßnahmen zu ergreifen; den Ausnahmezustand auszurufen; Präsidialerlässe zu Exekutivangelegenheiten außerhalb des Gesetzes zu erlassen; das Parlament indirekt aufzulösen, indem er Parlaments- und Präsidentschaftswahlen ausruft; das Regierungsbudget aufzustellen; Vetogesetze zu erlassen; und vier von 13 Mitgliedern des Rates der Richter und Staatsanwälte und zwölf von 15 Richtern des Verfassungsgerichtshofes zu ernennen. Die traditionellen Instrumente des Parlaments zur Kontrolle der Exekutive, wie z. B. ein Vertrauensvotum und die Möglichkeit mündlicher Anfragen an die Regierung, sind nicht mehr möglich. Nur schriftliche Anfragen können an Vizepräsidenten und Minister gerichtet werden. Wenn drei Fünftel des Parlamentes zustimmen, kann dieses eine parlamentarische Untersuchung mutmaßlicher strafrechtlicher Handlungen des Präsidenten, der Vizepräsidenten und der Minister im Zusammenhang mit ihren Aufgaben einleiten. Der Grundsatz des Vorrangs von Gesetzen vor Präsidialerlässen ist im neuen System verankert. Präsident darf keine Dekrete in Bereichen erlassen, die durch die Verfassung der Legislative vorbehalten sind. Der Präsident hat das Recht, gegen jedes Gesetz ein Veto einzulegen, obgleich das Parlament mit absoluter Mehrheit ein solches Veto außer Kraft setzen kann, während das Parlament nur beim Verfassungsgericht die Nichtigkeitserklärung von Präsidialerlässen beantragen kann (EC 17.4.2018).

Unter dem Ausnahmezustand wurde die Schlüsselfunktion des Parlaments als Gesetzgeber eingeschränkt, da die Regierung auf Verordnungen mit "Rechtskraft" zurückgriff, um Fragen zu regeln, die nach dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren hätten behandelt werden müssen. Das Parlament erörterte nur eine Handvoll wichtiger Rechtsakte, insbesondere das Gesetz zur Änderung der Verfassung und umstrittene Änderungen seiner Geschäftsordnung. Nach den sich verschärfenden politischen Spannungen im Land wurde der Raum für den Dialog zwischen den politischen Parteien im Parlament weiter eingeschränkt. Die oppositionelle Demokratische Partei der Völker (HDP) wurde besonders an den Rand gedrängt, da viele HDP-ParlamentarierInnen wegen angeblicher Unterstützung terroristischer Aktivitäten verhaftet und zehn von ihnen ihres Mandates enthoben wurden (EC 17.4.2018).

Nach dem Ende des Ausnahmezustandes am 18.7.2018 verabschiedete das türkische Parlament ein Gesetzespaket mit Anti-Terrormaßnahmen, das vorerst auf drei Jahre befristet ist (NZZ 18.7.2018; vgl. ZO 25.7.2018). In 27 Paragrafen wird geregelt, wie der Staat den Kampf gegen den Terror auch im Normalzustand weiterführen will. So behalten die Gouverneure einen Teil ihrer Befugnisse aus dem Ausnahmezustand. Sie dürfen weiterhin Menschen, bei denen der Verdacht besteht, dass sie "die öffentliche Ordnung oder Sicherheit stören", bis zu 15 Tage lang den Zugang zu bestimmten Orten und Regionen verwehren und die Versammlungsfreiheit einschränken. Grundsätzlich darf es wie im Ausnahmezustand nach Einbruch der Dunkelheit keine Demonstrationen im Freien mehr geben. Zusätzlich können sie Versammlungen mit dem Argument verhindern, dass diese "den Alltag der Bürger nicht auf extreme und unerträgliche Weise erschweren dürfen". Der neue Gesetzestext regelt im Detail, wie Richter, Sicherheitskräfte oder Ministeriumsmitarbeiter entlassen werden können. Außerdem will die Regierung wie während des Ausnahmezustandes die Pässe derer, die wegen Terrorverdachts aus dem Staatsdienst entlassen oder suspendiert werden, ungültig machen. Auch die Pässe ihrer Ehepartner können weiterhin annulliert werden (ZO 25.7.2018). Auf der Plus-Seite der gesetzlichen Regelungen steht die weitere Verkürzung der Zeit in Polizeigewahrsam ohne richterliche Anordnung von zuletzt sieben auf nun maximal vier Tage. Innerhalb von 48 Stunden nach der Festnahme sind Verdächtige an den Ort des nächstgelegenen Gerichts zu bringen. In den ersten Monaten nach dem Putsch konnten Bürger offiziell bis zu 30 Tage in Zellen verschwinden, ohne einen Richter zu sehen (NZZ 18.7.2018).

In der Nacht vom 15.7. auf den 16.7.2016 kam es zu einem versuchten Staatsstreich durch Teile der türkischen Armee. Insbesondere Istanbul und Ankara waren von bewaffneten Auseinandersetzungen betroffen. In Ankara kam es u.a. zu Angriffen auf die Geheimdienstzentrale und das Parlamentsgebäude. In Istanbul wurde der internationale Flughafen vorrübergehend besetzt. Der Putsch scheiterte jedoch. Kurz vor Mittag des 16.7.16 erklärte der türkische Ministerpräsident Yildirim, die Lage sei vollständig unter Kontrolle (NZZ 17.7.2016). Mehr als 300 Menschen kamen ums Leben (Standard 18.7.2016). Sowohl die regierende islamisch-konservative Partei AKP als auch die drei im Parlament vertretenen Oppositionsparteien - CHP, MHP und die pro-kurdische HDP - hatten sich gegen den Putschversuch gestellt (SD 16.7.2016). Unmittelbar nach dem gescheiterten Putsch wurden 3.000 Militärangehörige festgenommen. Gegen 103 Generäle wurden Haftbefehle ausgestellt (WZ 19.7.2016a). Das Innenministerium suspendierte rund 8.800 Beamte, darunter 7.900 Polizisten, über 600 Gendarmen sowie 30 Provinz- und 47 Distriktgouverneure (HDN 18.7.2016). Über 150 Höchstrichter und zwei Verfassungsrichter wurden festgenommen (WZ 19.7.2016a; vgl. HDN 18.7.2016). Die Vereinigung der österreichischen Richterinnen und Richter zeigte sich tief betroffenen über die aktuellen Entwicklungen in der Türkei. Laut Richtervereinigung dürfen in einem demokratischen Rechtsstaat Richterinnen und Richter nur in den in der Verfassung festgelegten Fällen und nach einem rechtsstaatlichen und fairen Verfahren versetzt oder abgesetzt werden (RIV 18.7.2016).

Staatspräsident Erdogan und die Regierung sahen den im US-amerikanischen Exil lebenden Führer der Hizmet-Bewegung, Fethullah Gülen, als Drahtzieher der Verschwörung und forderten dessen Auslieferung (WZ 19.7.2016b). Präsident Erdogan und Regierungschef Yildirim sprachen sich für die Wiedereinführung der 2004 abgeschafften Todesstrafe aus, so das Parlament zustimmt (TS 19.7.2016; vgl. HDN 19.7.2016). Neben zahlreichen europäischen Politikern machte daraufhin auch die EU-Außenbeauftragte, Federica Mogherini, klar, dass eine EU-Mitgliedschaft der Türkei unvereinbar mit Einführung der Todesstrafe ist. Zudem sei die Türkei Mitglied des Europarates und somit an die europäische Menschrechtskonvention gebunden (Spiegel 19.7.2016).

Seit der Einführung des Ausnahmezustands wurden über 150.000 Personen in Gewahrsam genommen, 78.000 verhaftet und über 110.000 Beamte entlassen, während nach Angaben der Behörden etwa 40.000 wieder eingestellt wurden, etwa 3.600 von ihnen per Dekret (EC 17.4.2018). Justizminister Abdulhamit Gül verkündete am 10.2.2017, dass rund 38.500 Mitglieder der Gülen-Bewegung, 10.000 der Arbeiterpartei Kurdistan (PKK) und rund 1.350 Mitglieder des sogenannten Islamischen Staates in der Türkei in Untersuchungshaft genommen oder verurteilt wurden. 2017 wurden von Staatsanwälten mehr als vier Millionen Untersuchungen eingeleitet. Laut Gül verhandelten die Obersten Strafgerichte 2017 mehr als sechs Millionen neue Fälle (HDN 12.2.2017). Die türkische Regierung hat Ermittlungen gegen insgesamt 612.347 Personen in der gesamten Türkei eingeleitet, weil sie in den letzten zwei Jahren angeblich "bewaffneten terroristischen Organisationen" angehört haben. Das Justizministerium gibt an, dass allein 2017 Ermittlungen gegen 457.425 Personen eingeleitet wurden, die im Sinne von Artikel 314 des Türkischen Strafgesetzbuches (TCK) als Gründer, Führungskader oder Mitglieder bewaffneter Organisationen gelten (TP 10.9.2018, vgl. SCF 7.9.2018). Mit Stand 29.8.2018 waren rund 170.400 Personen entlassen und 81.400 Personen in Gefängnissen inhaftiert (TP 29.8.2018).

Sowohl die türkische Regierung, Staatspräsident Erdogan als auch die Kurdische Arbeiterpartei (PKK) erklärten Ende Juli 2015 angesichts der bewaffneten Auseinandersetzungen den seit März 2013 bestehenden Waffenstillstand bzw. Friedensprozess für beendet (Spiegel 25.7.2015; vgl. DF 28.7.2015). Hinsichtlich des innerstaatlichen Konfliktes forderte das EU-Parlament einen sofortigen Waffenstillstand im Südosten der Türkei und die Wiederaufnahme des Friedensprozesses, damit eine umfassende und tragfähige Lösung zur Kurdenfrage gefunden werden kann. Die kurdische Arbeiterpartei (PKK) sollte die Waffen niederlegen, terroristische Vorgehensweisen unterlassen und friedliche und legale Mittel nutzen, um ihren Erwartungen Ausdruck zu verleihen (EP 14.4.2016; vgl. Standard 14.4.2016). Die Europäische Kommission bekräftigt das Recht der Türkei die Kurdische Arbeiterpartei (PKK), die weiterhin in der EU als Terrororganisation gilt, zu bekämpfen. Allerdings müssten die Anti-Terrormaßnahmen angemessen sein und die Menschenrechte geachtet werden. Die Lösung der Kurdenfrage durch einen politischen Prozess ist laut EK der einzige Weg, Versöhnung und Wiederaufbau müssten ebenfalls von der Regierung angegangen werden. (EC 9.11.2016).

2. Sicherheitslage

Die innenpolitischen Spannungen und die bewaffneten Konflikte in den Nachbarländern Syrien und Irak haben Auswirkungen auf die Sicherheitslage. In den größeren Städten und in den Grenzregionen zu Syrien kann es zu Demonstrationen und Ausschreitungen kommen. Im Südosten des Landes sind die Spannungen besonders groß, und es kommt immer wieder zu Ausschreitungen und bewaffneten Zusammenstößen. Der nach dem Putschversuch vom 15.7.2016 ausgerufene Notstand wurde am 18.7.2018 aufgehoben. Allerdings wurden Teile der Terrorismusabwehr, welche Einschränkungen gewisser Grundrechte vorsehen, ins ordentliche Gesetz überführt. Die Sicherheitskräfte verfügen weiterhin über die Möglichkeit, die Bewegungs- und Versammlungsfreiheit einzuschränken sowie kurzfristig lokale Ausgangssperren zu verhängen. Trotz erhöhter Sicherheitsmaßnahmen besteht das Risiko von Terroranschlägen jederzeit im ganzen Land. Im Südosten und Osten des Landes, aber auch in Ankara und Istanbul haben Attentate wiederholt zahlreiche Todesopfer und Verletzte gefordert, darunter Sicherheitskräfte, Bus-Passagiere, Demonstranten und Touristen (EDA 19.9.2018).

Im Juli 2015 flammte der Konflikt zwischen Sicherheitskräften und PKK wieder militärisch auf, der Lösungsprozess kam zum Erliegen. Die Intensität des Konflikts innerhalb des türkischen Staatsgebiets hat aber seit Spätsommer 2016 nachgelassen (AA 3.8.2018).

Mehr als 80% der Provinzen im Südosten des Landes waren zwischen 2015 und 2016 von Attentaten der PKK, der TAK und des sogenannten IS, sowie Vergeltungsoperationen der Regierung und bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen der PKK und den türkischen Sicherheitskräften betroffen (SFH 25.8.2016). Ein hohes Sicherheitsrisiko (Sicherheitsstufe 3 des BMEIA) gilt in den Provinzen Agri, Batman, Bingöl, Bitlis, Diyarbakir, Gaziantep, Hakkari, Kilis, Mardin, Sanliurfa, Siirt, Sirnak, Tunceli und Van - ausgenommen in den Grenzregionen zu Syrien und dem Irak. Gebiete in den Provinzen Diyarbakir, Elazig, Hakkari, Siirt und Sirnak können von den türkischen Behörden und Sicherheitskräften befristet zu Sicherheitszonen erklärt werden. Ein erhöhtes Sicherheitsrisiko (Sicherheitsstufe 2) gilt im Rest des Landes (BMEIA 9.10.2018).

1,6 Millionen Menschen in den städtischen Zentren waren während der Kämpfe 2015-2016 von Ausgangssperren betroffen. Die türkischen Sicherheitskräfte haben in manchen Fällen schwere Waffen eingesetzt. Mehre Städte in den südöstlichen Landesteilen wurden zum Teil schwer zerstört (CoE-CommDH 2.12.2016). Im Jänner 2018 veröffentlichte Schätzungen für die Zahl der seit Dezember 2015 aufgrund von Sicherheitsoperationen im überwiegend kurdischen Südosten der Türkei Vertriebenen, liegen zwischen 355.000 und 500.000 (MMP 1.2018).

Die Türkei musste von Sommer 2015 bis Ende 2017 eine der tödlichsten Serien terroristischer Anschläge ihrer Geschichte verkraften. Sie war dabei einer dreifachen Bedrohung durch Terroranschläge der PKK bzw. ihrer Ableger, des sogenannten Islamischen Staates sowie - in sehr viel geringerem Ausmaß - auch linksextremistischer Gruppierungen wie der Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front (DHKP-C) ausgesetzt (AA 3.8.2018).

Neben Anschlägen der PKK und ihrer Splittergruppe TAK wurden mehrere schwere Anschläge dem sog. Islamischen Staat zugeordnet. Bei einem Selbstmordanschlag auf eine Touristengruppe im Zentrum Istanbuls wurden im Jänner 2016 zwölf Deutsche getötet. Die Regierung gab dem IS die Schuld für den Anschlag (Zeit 17.1.2017). Am 28. Juni 2016 kamen bei einem Terroranschlag auf den Istanbuler Flughafen Atatürk über 40 Menschen ums Leben. Die Behörden gingen von einer Täterschaft des sog. Islamischen Staates (IS) aus (Standard 30.6.2016). Am 20.8.2016 riss ein Selbstmordanschlag des sog. IS auf eine kurdische Hochzeit in Gaziantep mehr als 50 Menschen in den Tod (Standard 22.8.2016). Mahmut Togrul, lokaler Parlamentarier der HDP, sagte, dass die Hochzeitsgäste größtenteils Unterstützer der HDP gewesen seien, weshalb der Anschlag nicht zufällig, sondern als Racheakt an den Kurden zu betrachten sei (Guardian 22.8.2016). In einer Erklärung warf die HDP der Regierung vor, sie habe Warnungen vor Terroranschlägen durch den sog. IS ignoriert. Vielmehr habe die Regierungspartei AKP tatenlos zugesehen, wie sich die Terrormiliz IS gerade in der grenznahen Stadt Gaziantep ausgebreitet hat (tagesschau.de 21.8.2016). Ein weiterer schwerer Terroranschlag des sog. IS erfolgte in der Silvesternacht 2016/17. Während eines Anschlags auf den Istanbuler Nachtclub Reina wurden 39 Menschen getötet, darunter 16 Ausländer (Zeit 17.1.2017).

Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Mitgliedern bewaffneter Gruppen wurden weiterhin im gesamten Südosten gemeldet. Nach Angaben des türkischen Verteidigungsministeriums wurden vom 2. bis 3. Juli 2015 und 11. Juni 2017 im Rahmen von Sicherheitsoperationen 10.657 Terroristen "neutralisiert" (OHCHR 3.2018). Die Sicherheitslage im Südosten ist weiterhin angespannt, wobei 2017 weniger die urbanen denn die ländlichen Gebiete betroffen waren (EC 17.4.2018). In den Jahren 2017 und 2018 wurden außerdem keine großflächigen Ausgangssperren im Südosten der Türkei mehr verhängt, die Untersuchung anhaltender Vorwürfe über Menschenrechtsverletzungen während der 24-stündigen Ausgangssperren im Südosten der Türkei in den Jahren 2015 und 2016 kam jedoch ebenfalls nicht voran (AI 22.02.2018).

Es ist weiterhin von einem erhöhten Festnahmerisiko auszugehen. Behörden berufen sich bei Festnahmen auf die Mitgliedschaft in Organisationen, die auch in der EU als terroristische Vereinigung eingestuft sind (IS, PKK), aber auch auf Mitgliedschaft in der so genannten "Gülen-Bewegung", die nur in der Türkei unter der Bezeichnung "FETÖ" als terroristische Vereinigung eingestuft ist. Auch geringfügige, den Betroffenen unter Umständen gar nicht bewusste oder lediglich von Dritten behauptete Berührungspunkte mit dieser Bewegung oder mit ihr verbundenen Personen oder Unternehmen können für eine Festnahme ausreichen. Öffentliche Äußerungen gegen den türkischen Staat, Sympathiebekundungen mit von der Türkei als terroristisch eingestuften Organisation

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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