TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/17 L512 2222148-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.01.2020
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Entscheidungsdatum

17.01.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §66 Abs1
FPG §70 Abs3
NAG §55 Abs3

Spruch

L512 2222148-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marlene JUNGWIRT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. der islamischen Republik Pakistan, vertreten durch Rechtsanwältin Mag.a. Susanne SINGER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich, vom XXXX , zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 66 Abs. 1, 70 Abs. 3 FPG und § 55 Abs. 3 NAG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz als "BF" bezeichnet), ein Staatsangehöriger der islamischen Republik Pakistan, (in weiterer Folge "Pakistan" genannt) heiratete am XXXX in XXXX eine bulgarische Staatsbürgerin.

Am XXXX stellten der BF in XXXX einen Antrag auf ein Visum C (Zweck: Tourismus) für die Schengen Staaten. Dem Antrag wurde stattgegeben, das Visum war vom XXXX gültig.

Der BF reiste zu einem unbekannten Datum ins österreichische Bundesgebiet ein.

Der BF meldeten sich am XXXX an der Adresse XXXX mit Hauptwohnsitz an.

Am 13.02.1017 stellte die Frau des BF als Selbstständige einen Antrag auf Ausstellung einer Anmeldebescheinigung für EWR-Bürger beim XXXX sowie einen Antrag auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte.

Am 13.02.2017 stellte der BF ebenso einen Antrag auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte.

Seitens der zuständigen Polizeiinspektion wurden Erhebungen gegen den BF und seine Ehefrau wegen des Verdachts des Eingehens und Vermittlung von Aufenthaltsehen und -partnerschaften ohne Bereicherung (§ 117 Absatz 1 FPG) durchgeführt. Ein diesbezüglicher Abschlussbericht vom XXXX wurde an die Staatsanwaltschaft XXXX übermittelt.

Die Staatsanwaltschaft XXXX stellte das Verfahren wegen § 117 Absatz 1 FPG am XXXX ein.

Der Antrag des BF auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte wurde am XXXX genehmigt und hat der BF seine Aufenthaltskarte am XXXX persönlich übernommen.

Die Ehegattin des BF hat mit XXXX ihre Selbständigkeit aufgegeben und wurde nach Ermittlungen des städtischen Erhebungsdienstes vom Wohnsitz amtlich abgemeldet.

Der XXXX hat am 22.10.2018 eine Stellungnahme gemäß § 25 NAG beim BFA eingeholt. XXXX ersuchte um Prüfung aufenthaltsbeendender Maßnahmen für den BF.

Vor einem Organwalter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (kurz: BFA) wurde der BF am 11.02.2019 einvernommen.

Er gab unter anderem an, er sei gesund. Er sei im XXXX ins österreichische Bundesgebiet eingereist. Seitdem sei er mehrmals für kurze Zeitspannen in Pakistan sowie in Bulgarien gewesen. Er sei unbescholten und sei nie eine Anzeige gegen seine Person erstattet worden. Er arbeite bei XXXX . Er wohne zusammen mit einem anderen pakistanischen Staatsangehörigen in einer Mietwohnung und teile sich mit diesem die Miete in der Höhe von XXXX ,--. Der BF sei verheiratet und habe keine Kinder. Der BF habe seine Frau XXXX kennengelernt und habe diese am XXXX geheiratet. Diese würde sich zurzeit in Bulgarien befinden. Sie sei seit 9 Monaten nicht mehr im österreichischen Bundesgebiet, da sie wieder in Bulgarien leben wollte. Seit April 2018 würden sie nicht mehr zusammenwohnen. Er habe im XXXX den letzten Kontakt mit seiner Frau gehabt, dies per Telefon. Der BF habe keine Familienangehörigen in Österreich. Die Eltern, eine Schwester und ein Bruder des BF würden in Pakistan leben. Ein Bruder des BF leben in XXXX . Der BF sei in Bulgarien nicht amtlich gemeldet. Der BF bekomme keine staatliche Unterstützung, sei in keinem Verein oder ehrenamtlich tätig. Er habe Freunde von der Arbeit. Er gehe ins Fitnessstudio. Der BF habe einen Deutschkurs besucht, habe diesen jedoch aufgrund seiner Dienstzeiten nicht abschließen können. Der BF möchte sich für einen Kurs im XXXX anmelden. Im März 2019 habe er vor nach Pakistan zu reisen, da der XXXX heirate.

I.2. Mit Bescheid des BFA vom XXXX , wurde der BF gemäß § 66 Absatz 1 FPG 2005 iVm § 55 Absatz 3 NAG aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen. Gemäß 70 Absatz 3 FPG 2005 wurde dem BF ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit dieser Entscheidung erteilt.

Begründend wurde dargelegt, dass der BF zwar die Eigenschaft als Arbeitnehmer gemäß § 51 Abs 1 Z 1 und Z 2 NAG erfülle, jedoch sei die Ehe nicht für die erforderlichen drei Jahre aufrechterhalten worden. Es liege auch kein überwiegendes Verschulden des Freizügigkeitsberechtigten oder eine besondere Obsorgeverpflichtung in Österreich vor, die einen der Ausnahmetatbestände des § 54 Abs 5 NAG darstellen würden. Mit dem Verzug seiner Ehegattin sei das abgeleitete Aufenthaltsrecht des BF erloschen.

I.3. Gegen diesen Bescheid wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.

I.4. Hinsichtlich des Verfahrensherganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

II.1.1. Der Beschwerdeführer

Der Beschwerdeführer ist ein männlicher, pakistanischer Staatsangehöriger. Der BF ist ein gesunder, arbeitsfähiger Mann mit bestehenden familiären und privaten Anknüpfungspunkten im Herkunftsstaat und einer - wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich - gesicherten Existenzgrundlage. Die Eltern, eine Schwester und ein Bruder des BF leben in Pakistan. Der BF hat zu diesen Familienangehörigen regelmäßig Kontakt. Der BF besuchte seine Familie in Pakistan zuletzt XXXX . Ein weiterer Bruder des BF lebt in XXXX .

Die Identität des BF steht fest.

Der BF hat keine Verwandten in Österreich. Der BF lebt in Österreich mit einem pakistanischen Staatsangehörigen in einer Mietwohnung. Mit diesem teilt er sich die Miete.

Der BF hat Deutschkurse besucht. Der BF ist der deutschen Sprache mächtig.

Der BF ging seit XXXX mit Unterbrechungen einer Beschäftigung als Arbeiter nach.

Der BF hat Freunde und Bekannte in Österreich. Er geht in ein Fitnessstudio.

Bevor der BF ins österreichische Bundesgebiet einreiste, war er in Pakistan sowie in Bulgarien aufhältig.

Der BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

Der BF war im Besitz eines C-Visums für die Schengen Staaten gültig vom XXXX bis XXXX . Das genaue Einreisedatum in das österreichische Bundesgebiet kann nicht festgestellt werden. Der BF reiste jedenfalls im XXXX nach Österreich ein. Der BF hat am XXXX seinen Hauptwohnsitz in Österreich angemeldet.

Der BF hat am XXXX eine bulgarische Staatsangehörige geheiratet. Der BF ist mit seiner Ehegattin nach Österreich gezogen und hat bis XXXX mit seiner Ehegattin eheliches Verhältnis geführt und mit ihr zusammengelebt. Der BF lebt seit XXXX alleine im österreichischen Bundesgebiet, seine Ehegattin lebt seit XXXX in Bulgarien. Mit Urteil vom XXXX wurde die Ehe geschieden.

2. Beweiswürdigung:

II.2.1. Das erkennende Gericht hat durch den vorliegenden Verwaltungsakt Beweis erhoben. Der festgestellte Sachverhalt steht aufgrund der außer Zweifel stehenden Aktenlage in Verbindung mit dem Beschwerdeschreiben des BF fest und ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.

II.2.2. Die Feststellungen zur Person des BF (Staatsangehörigkeit, familiäre und private Anknüpfungspunkte in Pakistan) ergeben sich - vorbehaltlich der Feststellungen zur Identität - aus seinen in diesem Punkt nicht widerlegten Angaben sowie seinen Sprach- und Ortskenntnissen.

Aufgrund der Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments (pakistanischer Reisepass) konnte die Identität des BF festgestellt werden.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit des BF, konkret, dass der BF an keiner lebensbedrohlichen Krankheit leidet, ergibt sich aus den eigenen Angaben des BF vor dem BFA. Das BFA wies zutreffend darauf, dass der BF keinerlei gesundheitlichen Beschwerden anführte.

Der Sachvortrag des BF bezüglich seiner privaten und familiären Interessen in Österreich und in Bulgarien wurden von der belangten Behörde als den Tatsachen entsprechend angesehen, da diese Ausführungen einerseits mit den amtlich zur Verfügung stehenden Informationen, wie Einsicht in das Zentrale Melderegister (ZMR), das Strafregister der Republik Österreich (SA), sowie das Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR), im Einklang stehen und zudem keine Zweifel an den Angaben des BF aufkamen. Der BF hat ebenso durch Unterlagen sein Vorbringen bestätigt.

Die Rechtsvertretung ist im Beschwerdeschreiben den Feststellungen der Behörde nicht entgegengetreten. Soweit mit der Stellungnahme vom 08.01.2020 Teilnahmebestätigungen des BF an Deutschkursen vorgelegt werden, werden diese integrativen Maßnahmen der rechtlichen Beurteilung zu Grunde gelegt.

Bezugnehmend auf die Ausführungen, dass der BF vor dem BFA darlegte, seine Frau sei nach Bulgarien zurückgekehrt, da diese dort erneut leben wollte und sie - ein Kind von einem anderen Mann erwarte, der BF jedoch nicht ausschließe, dass dies sein Kind sei - ist, anzuführen, dass der BF keinerlei Unterlagen vorlegte bzw. auch nicht darlegte, wonach seine Ehefrau bereits entbunden hat bzw. dass es sich um das Kind des BF handelt. Sofern der BF weiters darlegt, es sei noch nicht klar, ob die Beziehung zur Ehegattin weitergeführt oder aufgelöst werde, ist nunmehr auf die Stellungnahme der rechtsfreundlichen Vertretung vom 08.01.2020 zu verweisen. Mit der Vorlage einer Kopie des Scheidungsurteils wird festgestellt, dass die Ehe mit Urteil vom XXXX geschieden wurde.

3. Rechtliche Beurteilung:

II.3.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter, Anzuwendendes Verfahrensrecht

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

II.3.2. Abweisung des Antrags gemäß § 66 FPG 2005

II.3.2.1. Die hier maßgebliche Bestimmung des § 66 FPG lautet:

"§ 66 (1) EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige können ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

(2) Soll ein EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigter Drittstaatsangehöriger ausgewiesen werden, hat das Bundesamt insbesondere die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seiner Bindung zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen.

(3) Die Erlassung einer Ausweisung gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, die Ausweisung wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

§ 54 NAG lautet:

(1) Drittstaatsangehörige, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern (§ 51) sind und die in § 52 Abs. 1 Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen erfüllen, sind zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt. Ihnen ist auf Antrag eine Aufenthaltskarte für die Dauer von fünf Jahren oder für die geplante kürzere Aufenthaltsdauer auszustellen. Dieser Antrag ist innerhalb von vier Monaten ab Einreise zu stellen. § 1 Abs. 2 Z 1 gilt nicht.

(2) Zum Nachweis des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts sind ein gültiger Personalausweis oder Reisepass, die Anmeldebescheinigung oder die Bescheinigung des Daueraufenthalts des zusammenführenden EWR-Bürgers sowie folgende Nachweise vorzulegen:

1. nach § 52 Abs. 1 Z 1: ein urkundlicher Nachweis des Bestehens der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft;

2. nach § 52 Abs. 1 Z 2 und 3: ein urkundlicher Nachweis über das Bestehen einer familiären Beziehung sowie bei Kindern über 21 Jahren und Verwandten des EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie ein Nachweis über die tatsächliche Unterhaltsgewährung.

(3) Das Aufenthaltsrecht der Angehörigen gemäß Abs. 1 bleibt trotz Tod des EWR-Bürgers erhalten, wenn sie sich vor dem Tod des EWR-Bürgers mindestens ein Jahr als seine Angehörigen im Bundesgebiet aufgehalten haben und nachweisen, dass sie die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Z 1 bis 2 erfüllen.

(4) Das Aufenthaltsrecht von minderjährigen Kindern eines unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgers, die Drittstaatsangehörige sind, bleibt auch nach dem Tod oder nicht bloß vorübergehenden Wegzug des EWR-Bürgers bis zum Abschluss der Schulausbildung an einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule erhalten. Dies gilt auch für den Elternteil, der Drittstaatsangehöriger ist, sofern dieser die Obsorge für die minderjährigen Kinder tatsächlich wahrnimmt.

(5) Das Aufenthaltsrecht der Ehegatten oder eingetragenen Partner, die Drittstaatsangehörige sind, bleibt bei Scheidung oder Aufhebung der Ehe oder Auflösung der eingetragenen Partnerschaft erhalten, wenn sie nachweisen, dass sie die für EWR-Bürger geltenden Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Z 1 und 2 erfüllen und

1. die Ehe bis zur Einleitung des gerichtlichen Scheidungs- oder Aufhebungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet;

2. die eingetragene Partnerschaft bis zur Einleitung des gerichtlichen Auflösungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet;

3. ihnen die alleinige Obsorge für die Kinder des EWR-Bürgers übertragen wird;

4. es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, insbesondere weil dem Ehegatten oder eingetragenem Partner wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Interessen ein Festhalten an der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft nicht zugemutet werden kann, oder

5. ihnen das Recht auf persönlichen Umgang mit dem minderjährigen Kind zugesprochen wird, sofern das Pflegschaftsgericht zur Auffassung gelangt ist, dass der Umgang - solange er für nötig erachtet wird - ausschließlich im Bundesgebiet erfolgen darf.

(6) Der Angehörige hat diese Umstände, wie insbesondere den Tod oder Wegzug des zusammenführenden EWR-Bürgers, die Scheidung der Ehe oder die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft, der Behörde unverzüglich, bekannt zu geben.

(7) Liegt eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30), eine Zwangsehe oder Zwangspartnerschaft (§ 30a) oder eine Vortäuschung eines Abstammungsverhältnisses oder einer familiären Beziehung zu einem unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger vor, ist ein Antrag gemäß Abs. 1 zurückzuweisen und die Zurückweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass der Antragsteller nicht in den Anwendungsbereich des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts fällt.

§ 55 NAG lautet:

Nichtbestehen, Fortbestand und Überprüfung des Aufenthaltsrechts für mehr als drei Monate

(1) EWR-Bürgern und ihren Angehörigen kommt das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52, 53 und 54 zu, solange die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

(2) Der Fortbestand der Voraussetzungen kann bei einer Meldung gemäß §§ 51 Abs. 3 und 54 Abs. 6 oder aus besonderem Anlass wie insbesondere Kenntnis der Behörde vom Tod des unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgers oder einer Scheidung überprüft werden.

(3) Besteht das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52 und 54 nicht, weil eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt, die Nachweise nach § 53 Abs. 2 oder § 54 Abs. 2 nicht erbracht werden oder die Voraussetzungen für dieses Aufenthaltsrecht nicht mehr vorliegen, hat die Behörde den Betroffenen hievon schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wurde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist unverzüglich, spätestens jedoch gleichzeitig mit der Mitteilung an den Antragsteller, zu befassen. Dies gilt nicht in einem Fall gemäß § 54 Abs. 7. Während eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist der Ablauf der Frist gemäß § 8 VwGVG gehemmt.

(4) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung (§ 9 BFA-VG), hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dies der Behörde mitzuteilen. Sofern der Betroffene nicht bereits über eine gültige Dokumentation verfügt, hat die Behörde in diesem Fall die Dokumentation des Aufenthaltsrechts unverzüglich vorzunehmen oder dem Betroffenen einen Aufenthaltstitel zu erteilen, wenn dies nach diesem Bundesgesetz vorgesehen ist.

(5) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung von Drittstaatsangehörigen, die Angehörige sind, aber die Voraussetzungen nicht mehr erfüllen, ist diesen Angehörigen ein Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" quotenfrei zu erteilen.

(6) Erwächst eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft, ist ein nach diesem Bundesgesetz anhängiges Verfahren einzustellen. Das Verfahren ist im Fall der Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung fortzusetzen, wenn nicht neuerlich eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt wird."

II.3.2.2. Aufgrund des Wegzugs der Ehegattin des BF im April 2018 ist diese nicht mehr in Ausübung ihres Freizügigkeitsrechts im österreichischen Bundesgebiet aufhältig. Der Wegzug der Ehegattin brachte somit das abgeleitete Aufenthaltsrecht des BF zum Erlöschen (vgl. EuGH 16.7.2015, K. Singh ua, C-218/14).

Auf die Sonderkonstellation des § 54 Abs. 5 NAG 2005, Scheidung oder Aufhebung der Ehe oder Auflösung der eingetragenen Partnerschaft betreffend, kann sich der Fremde bei aufrechter Ehe, nicht berufen (vgl. EuGH 16.7.2015, K. Singh ua, C-218/14). Im gegenständlichen Verfahren war somit eine Prüfung der Voraussetzungen im Sinne des § 54 Abs. 5 NAG 2005 nicht gestattet bzw. ist eine Auseinandersetzung mit den Erläuterungen zu § 54 Abs 5 NAG im Beschwerdeschreiben nicht vonnöten. Daran ändert auch die nunmehrige Scheidung des BF nichts, da der BF zum Zeitpunkt der Erlöschung des abgeleiteten Aufenthaltsrechtes sich noch in aufrechter Ehe befand.

Wird durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben eines Fremden eingegriffen, so ist sie gemäß § 66 Abs. 1 FPG nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei Beurteilung dieser Frage ist eine gewichtende Gegenüberstellung der öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung mit dem persönlichen Interesse des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich vorzunehmen.

Vom Begriff des 'Familienlebens' in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern zB auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.3.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 6.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt.

Es kann nämlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, welche miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben iSd Art. 8 EMRK besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation abhängig.

Artikel 8 EMRK schützt das Privatleben umfassend und sichert dem Einzelnen einen Bereich,

innerhalb dessen er seine Persönlichkeit frei entfalten kann.

Bei der Einschätzung der persönlichen Interessen ist auf die Auswirkungen, die eine Ausweisung auf die familiären oder sonstigen Bindungen des Fremden hätte, Bedacht zu nehmen (VwGH 15.12.2011, 2010/18/0248).

Der BF ist mit einer bulgarischen Staatsangehörigen verheiratet, die sich nicht mehr in Österreich befindet. Der BF hat keine Verwandten in Österreich.

Der BF verfügt über keine familiären Bindungen in Österreich und wurden diesbezüglich auch keine anderen Ausführungen in der Beschwerde getroffen.

Da somit im gegenständlichen Fall ein Eingriff in das Familienleben des BF zu verneinen ist, bleibt zu prüfen, ob mit der Ausweisungsentscheidung ein Eingriff in dessen Privatleben einhergeht.

Der BF reiste im XXXX legal nach Österreich ein. Der BF hat am XXXX seinen Hauptwohnsitz in Österreich angemeldet. Der BF ist mit seiner Ehegattin nach Österreich gezogen und hat bis XXXX mit seiner Ehegattin eheliches Verhältnis geführt und mit ihr zusammengelebt. Der BF lebt seit XXXX alleine im österreichischen Bundesgebiet, seine Ehegattin lebt seit XXXX in Bulgarien. Der BF lebt in Österreich mit einem pakistanischen Staatsangehörigen in einer Mietwohnung. Der BF hat Der BF hat Deutschkurse besucht. Der BF ist der deutschen Sprache mächtig. Der BF ging seit XXXX mit Unterbrechungen einer Beschäftigung als Arbeiter nach. Der BF hat Freunde und Bekannte in Österreich. Er geht in ein Fitnessstudio. Der BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

Soweit der BF über private Bindungen in Form von Freunden und Bekannten in Österreich verfügt, ist darauf hinzuweisen, dass diese zwar durch eine Rückkehr nach Pakistan gelockert werden, es deutet jedoch nichts darauf hin, dass er hierdurch gezwungen wird, den Kontakt zu jenen Personen, mit denen er in Österreich verbunden ist, gänzlich abzubrechen, sondern steht ihm die Möglichkeit offen, die Kontakte anderweitig (telefonisch, elektronisch, brieflich, durch kurzfristige Urlaubsaufenthalte) aufrecht zu erhalten, wobei er zudem nicht konkret geltend machte, dass er über intensive soziale Kontakte im Bundesgebiet verfügte.

Der BF hält sich bereits seit XXXX in Österreich auf, sodass diese Dauer zu seinen Gunsten berücksichtigt wird, ebenso der Umstand, dass er wirtschaftlich insoweit integriert ist, als er durch seine Erwerbstätigkeiten selbst für sein Auskommen sorgen kann.

Der BF ist gesund und arbeitsfähig, sodass sich daraus keine besondere Schutzwürdigkeit ergibt.

Der BF lebte überwiegend in Pakistan, dort wurde er sozialisiert und ist mit den gesellschaftlichen und kulturellen Gegebenheiten dort vertraut, weshalb er sich auch nach seiner Abwesenheit wieder in die Gesellschaft dort eingliedern wird können. Der BF war auch, als er sich in Österreich befand, mehrmals in seiner Heimat. Es ist daher auszugehen, dass die Bindungen an seinen Herkunftsstaat weiterhin bestanden bzw. bestehen.

Der BF ist der deutschen Sprache mächtig. Diesbezüglich ist auf die höchstgerichtliche Judikatur zu verweisen, wonach selbst ein Fremder, der perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, über keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale verfügt und diesen daher nur untergeordnete Bedeutung zukommt (Erk. d. VwGH vom 6.11.2009, 2008/18/0720; 25.02.2010, 2010/18/0029).

Bei einer gewichtenden Gegenüberstellung des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen, dem nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt, mit den gegenläufigen privaten Interessen hat sich bei einer Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalls ein Überwiegen des öffentlichen Interesses an der Aufenthaltsbeendigung ergeben, zumal keine außergewöhnlichen besonderen Bindungen im Bundesgebiet hervorgekommen sind.

Im Lichte dieser nach § 9 BFA-VG iVm Art. 8 Abs. 2 EMRK gebotenen Abwägung hat sich somit insgesamt nicht ergeben, dass vorhandene familiäre oder nachhaltige private Bindungen des BF in Österreich das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts überwiegen würden. Nach Maßgabe einer Interessenabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist die belangte Behörde somit im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts im Bundesgebiet das persönliche Interesse am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die Ausweisung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt.

II.3.3. Zu Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides:

Der mit "Ausreiseverpflichtung und Durchsetzungsaufschub" betitelte § 70 FPG lautet:

"§ 70. (1) Die Ausweisung und das Aufenthaltsverbot werden spätestens mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar; der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige hat dann unverzüglich auszureisen. Der Eintritt der Durchsetzbarkeit ist für die Dauer eines Freiheitsentzuges aufgeschoben, auf den wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung erkannt wurde.

(Anm.: Abs. 2 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)

(3) EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen ist bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

(4) Der Durchsetzungsaufschub ist zu widerrufen, wenn

1. nachträglich Tatsachen bekannt werden, die dessen Versagung gerechtfertigt hätten;

2. die Gründe für die Erteilung weggefallen sind oder

3. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige während seines weiteren Aufenthaltes im Bundesgebiet ein Verhalten setzt, das die sofortige Ausreise aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gebietet."

In Ermangelung einer im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit gelegenen Ausreisenotwendigkeit, war dem BF eine Frist zur freiwilligen Ausreise im Ausmaß von einem Monat zu erteilen, sodass der angefochtene Bescheid auch in diesem Umfang zu bestätigen war.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

II.3.4. Absehen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-Verfahrensgesetz kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Im gegenständlichen Fall ist der Sachverhalt aufgrund der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde und der eingebrachten Stellungnahme geklärt, da ohnedies von den Angaben des Beschwerdeführers zum Sachverhalt ausgegangen wurde (vgl. VwGH 17.11.2016, Ra 2016/21/0316; 28.05.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018; 22.11.2006, 2005/20/0406 uva.).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Aus den dem gegenständlichen Erkenntnis entnehmbaren Ausführungen geht hervor, dass das ho. Gericht in seiner Rechtsprechung im gegenständlichen Fall nicht von der bereits zitierten einheitlichen Rechtsprechung des VwGH, insbesondere zu dem durch Art. 8 EMRK geschützten Recht auf ein Privat- und Familienleben, abgeht. Entsprechende einschlägige Judikatur wurde bereits zitiert.

Schlagworte

Aufenthaltsrecht Ausweisung Ehe EWR-Bürger Interessenabwägung öffentliche Interessen Privat- und Familienleben Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L512.2222148.1.00

Im RIS seit

12.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

12.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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