TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/23 L524 2134930-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.01.2020
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Entscheidungsdatum

23.01.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

L524 2134930-1/27E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Veronika SANGLHUBER LL.B. über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA Irak, vertreten durch RA Dr. Gerhard MORY, Wolf-Dietrich-Str. 19, 5020 Salzburg, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.08.2016, Zl. 1079656003-150928901/BMI-BFA_SZB_RD, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 13.01.2020, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG und dem FPG, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 24.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der am selben Tag erfolgten Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer an, er sei sunnitischer Moslem und stamme aus Mossul. Er sei verheiratet und habe zwei Töchter. Sein Vater und fünf Geschwister würden noch im Irak leben. Vor ca. einem Jahr habe er den Ausreiseentschluss gefasst und am 13.07.2015 sei er legal von Erbil in die Türkei geflogen. Hinsichtlich seines Fluchtgrundes brachte er vor, dass es zu viele Probleme im Land gebe. In Mossul sei ihm sein LKW vom IS weggenommen und nicht mehr zurückgegeben worden. Er sei bedroht worden, so dass er keine Arbeit mehr gefunden habe. Außerdem würden in seiner Stadt der IS und die irakische Armee gegeneinander kämpfen. Im Falle einer Rückkehr habe er Angst, vom IS umgebracht zu werden.

2. Bei der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 12.04.2016 gab der Beschwerdeführer an, dass seine Frau, seine beiden Töchter, sein Vater, ein Bruder und seine zwei Schwestern im zweistöckigen Haus des Vaters in Mossul leben würden. Zwei Brüder würden in ihrem LKW leben. Der Beschwerdeführer besitze Agrarland, das sich ca. zwei Kilometer vom Haus entfernt befinde. Die Grundschule habe er von 1992 bis 1997 besucht. Er habe zunächst eine Garage gehabt und Ersatzteile verkauft und danach als LKW-Fahrer gearbeitet. Im Monat habe er ca. 1.000 bis 3.000 Dollar verdient. Zum Leben habe er ca. 800 Dollar benötigt. Seit August 2014 habe er sich nicht mehr in Mossul aufgehalten. Am 13.07.2015 sei er von Erbil nach Istanbul geflogen und weiter nach Österreich gereist.

Zu seinem Fluchtgrund gab er an, dass sich mehrere seiner Arbeitskollegen dem IS angeschlossen hätten. Einer dieser Arbeitskollegen habe ihn mehrmals angerufen und ihm gesagt, dass auch er sich dem IS anschließen solle, was er aber abgelehnt habe. Der Arbeitskollege sei beim Beschwerdeführer zu Hause gewesen und habe im August 2014 seinen Bruder entführt. Daraufhin sei der Beschwerdeführer nicht mehr nach Hause zurückgekehrt. Es sei dann sein LKW und sein Land verlangt worden. Bei der Polizei habe er gemeldet, dass der IS seinen LKW habe. Im November 2014 habe die Firma, bei der er gearbeitet habe, zugesperrt. Daraufhin habe er in Suleymania ein Restaurant eröffnet. Nach drei Monaten seien Peschmerga gekommen und hätten verlangt, dass er zusperre. Im Jänner 2015 habe er in der Peschmergazentrale gemeldet, dass er zugesperrt habe. Er sei dann von ihnen mit einem Auto außerhalb Kurdistans gebracht worden und ihm sei gesagt worden, er dürfe nie mehr nach Kurdistan zurückkehren. Danach habe er ca. sieben Monate mit einem Freund, der auch LKW-Fahrer sei, in Bagdad gearbeitet. Am 08.07.2015 sei er mit seinem LKW in einer Garage gewesen. Plötzlich seien bewaffnete Leute gekommen, hätten einen anderen LKW-Fahrer mitgenommen und nach drei Stunden seine Leiche zurückgebracht. Auf der Leiche sei ein Zettel gelegen, auf dem gestanden sei, dass dies jedem so ergehen werde, der hier in Bagdad arbeite und von auswärts, aus Kurdistan oder den südlichen Provinzen, sei. Ein Freund habe den Beschwerdeführer abgeholt, nach Erbil gebracht und dann sei er ausgereist.

3. Mit Bescheid des BFA vom 24.08.2016, Zl. 1079656003-150928901/BMI-BFA_SZB_RD, wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Irak zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde.

5. Dem Beschwerdeführer wurden mit Schreiben vom 05.11.2019 Berichte zur Lage im Irak übermittelt, zu denen er eine Stellungnahme abgab.

6. Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde am 13.01.2020 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, an der nur der Beschwerdeführer als Partei sowie sein Rechtsvertreter teilnahmen. Ein Vertreter der belangten Behörde nahm nicht teil. Dem Beschwerdeführer wurde die Gelegenheit eingeräumt, sein Fluchtvorbringen zu schildern. Hinsichtlich der dem Beschwerdeführer übermittelten Länderberichten gab der Beschwerdeführer keine weitere Stellungnahme ab. Der Rechtsvertreter verwies auf die schriftliche Stellungnahme.

II. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist irakischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Araber an und ist sunnitischer Moslem. Der Beschwerdeführer lebte ab 1995 mit seinen Eltern und seinen Geschwistern in einem Haus in der Nähe des XXXX in XXXX in Ostmossul. Auch seine Ehefrau und seine zwei Töchter lebten in diesem Haus. Die Mutter des Beschwerdeführers ist 2007 verstorben.

Derzeit leben in diesem Haus der Vater, die Ehefrau und die Tochter des Beschwerdeführers sowie die drei verheirateten Brüder des Beschwerdeführers mit deren Familien. Die drei Brüder arbeiten als LKW-Fahrer. Der Beschwerdeführer hat zwei Schwestern, die verheiratet sind und bei ihren Ehemännern in Mossul leben. Eine Schwester lebt in Westmossul, die andere Schwester lebt in Ostmossul. Sechs Onkel und neun Tanten des Beschwerdeführers leben ebenso im Mossul; einige im Westen und einige im Osten der Stadt. Der Beschwerdeführer steht mit seinen Verwandten in Kontakt. Mit seinen Kindern telefoniert er etwa ein Mal pro Woche.

Der Beschwerdeführer besuchte fünf Jahre die Grundschule. Danach arbeitete er bis ca. 2003 bei seinem Vater in der Werkstatt. Im Anschluss daran war der Beschwerdeführer ca. drei Jahre als Baggerfahrer tätig. Die folgenden neun bis zehn Jahre arbeitete er als LKW-Fahrer. Danach führte der Beschwerdeführer in Sulaimaniya ein Restaurant. Der Beschwerdeführer spricht Arabisch, Kurdisch, Türkisch und Farsi.

Der Beschwerdeführer verließ am 13.07.2015 legal über den Flughafen Erbil den Irak und reiste danach schlepperunterstützt illegal in Österreich ein, wo er am 24.07.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Fluchtgrund, dass er aufgefordert worden sei, sich dem IS anzuschließen, er dies verweigert habe, sein Bruder deswegen entführt und wieder freigelassen worden sei, er seinen LKW und ein Grundstück dem IS übergeben habe, er in Sulaimaniya von Peschmerga aufgefordert worden sei, sein Restaurant zuzusperren, er von Peschmerga aus Kurdistan gebracht worden und ihm gesagt worden sei, er dürfe nicht mehr nach Kurdistan zurückkehren, in Bagdad ein Arbeitskollege getötet worden sei, auf dessen Leiche ein Zettel mit einer Drohung hinterlassen worden sei und der Beschwerdeführer daraufhin den Irak verlassen habe, wird der Entscheidung mangels Glaubhaftigkeit nicht zugrunde gelegt.

Der Beschwerdeführer besuchte einen Werte- und Orientierungskurs, ein Sprachtraining, einen Deutschkurs für Asylwerbende (Anfänger), einen Deutschkurs A1/2 und einen Deutschkurs B1 und hat die ÖSD-Zertifikate A1 und A2 bestanden. Im Dezember 2015 nahm er an zwei Auftritten eines Chores teil. Er engagierte sich im Februar/März 2016 freiwillig in einem Notquartier der Caritas. Er verfügt über Unterstützungsschreiben. Der Beschwerdeführer hat österreichische Bekannte und lebt bei einer österreichischen Familie.

Der Beschwerdeführer war vom 08.12.2017 bis 17.04.2018 und von 07.12.2018 bis 26.04.2019 als Küchengehilfe tätig. Für den Beschwerdeführer wurde vom 16.05.2019 bis 27.09.2019 neuerlich eine Beschäftigungsbewilligung als Küchengehilfe erteilt. Wann konkret der Beschwerdeführer in diesem Zeitraum als Küchenhilfe tätig war, konnte nicht festgestellt werden. Seit 15.12.2019 arbeitet der Beschwerdeführer als Küchenhilfe. Dieses Dienstverhältnis ist mit 31.03.2020 befristet.

Der Beschwerdeführer ist gesund. Der Beschwerdeführer bezog von Juli 2015 bis Dezember 2017, von Juni 2018 bis Dezember 2018 und von Oktober 2019 bis Dezember 2019 Leistungen aus der Grundversorgung. Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

Zur Lage im Irak werden folgende Feststellungen getroffen:

Im Juni 2014 startete der sog. Islamische Staat Irak (IS) oder Da'esh, einen erfolgreichen Angriff auf Mossul, die zweitgrößte Stadt des Irak. Der IS übernahm daraufhin die Kontrolle über andere Gebiete des Irak, einschließlich großer Teile der Provinzen Anbar, Salah al-Din, Diyala und Kirkuk. Im Dezember 2017 erklärte Premierminister Haider al-Abadi den endgültigen Sieg über den IS, nachdem die irakischen Streitkräfte die letzten Gebiete, die noch immer an der Grenze zu Syrien unter ihrer Kontrolle standen, zurückerobert hatten. Der IS führt weiterhin kleine Angriffe vorwiegend auf Regierungstruppen und Sicherheitspersonal an Straßenkontrollpunkten aus. Am 25. September 2017 hat die kurdische Regionalregierung (KRG) ein unverbindliches Referendum über die Unabhängigkeit der kurdischen Region im Irak sowie über umstrittene Gebiete, die unter Kontrolle der KRG stehen, abgehalten. Das Referendum wurde für verfassungswidrig erklärt. Bei den nationalen Wahlen im Mai 2018 gewann keine Partei die Mehrheit, obwohl die meisten Stimmen und Sitze an die Partei des schiitischen Klerikers Muqtada al-Sadr gingen, ein ehemaliger Anti-US-Milizenführer.

Genaue, aktuelle offizielle demographische Daten sind nicht verfügbar. Die letzte Volkszählung wurde 1987 durchgeführt. Das US-Außenministerium schätzt die Bevölkerung im Irak auf rund 39 Millionen. Araber (75 Prozent) und Kurden (15 Prozent) bilden die beiden wichtigsten ethnischen Gruppen. Andere Ethnien sind Turkmenen, Assyrer, Yazidis, Shabak, Beduinen, Roma und Palästinenser. 97 Prozent der Bevölkerung sind Muslime. Schiiten machen 55 bis 60 Prozent der Bevölkerung aus und umfassen Araber, Shabak und Faili-Kurden. Der Rest der Bevölkerung besteht hauptsächlich aus Sunniten, einschließlich der sunnitischen Araber, die schätzungsweise 24 Prozent der Gesamtbevölkerung des Irak ausmachen. Die meisten Kurden sind auch Sunniten und machen etwa 15 Prozent der nationalen Bevölkerung aus. Die schiitischen Gemeinden leben in den meisten Gebieten des Irak, konzentrieren sich jedoch im Süden und Osten. Die Mehrheit der Bevölkerung von Bagdad sind Schiiten, insbesondere Vororte wie Sadr City, Abu Dashir und Al Dora. Sunniten leben hauptsächlich im Westen, Norden und im Zentralirak. Die Anzahl der in Bagdad als gemischt betrachteten Gebiete nimmt ab. In einigen Bezirken Bagdads gibt es immer noch bedeutende sunnitische Gemeinden, darunter Abu Ghraib. Die Bezirke A'adamia, Rusafa, Za'farania, Dora und Rasheed haben kleinere Gebiete sunnitischer Gemeinschaften. Gemischte sunnitische-schiitische Gemeinden leben in den Bezirken Rusafa und Karada, kleinere gemischte Gemeinden auch in den Bezirken Doura, Rasheed, Karkh, Mansour und Kadhimiya.

Der Konflikt mit dem IS hat die Wirtschaft des Irak erheblich geschwächt. Die irakische Wirtschaft ist weiterhin stark vom Öl abhängig und ihr wirtschaftliches Vermögen hängt eng mit den globalen Ölpreisen zusammen. Die Weltbank prognostiziert, dass sich die Wirtschaft durch den Wiederaufbau nach Konflikten und die Verbesserung der Sicherheitslage erholen wird.

Die Verfassung garantiert das Recht auf Gesundheitsfürsorge und es gibt ein staatliches Gesundheitswesen und Behandlungsmöglichkeiten sind vom Staat bereitzustellen. Der Irak verfügt über öffentliche und private Krankenhäuser. Die medizinische Grundversorgung erfolgt sowohl in privaten als auch in öffentlichen Kliniken. Die Gesundheitsinfrastruktur hat unter jahrzehntelangen Konflikten gelitten. Das Gesundheitswesen ist begrenzt, insbesondere in von Konflikten betroffenen Gebieten und in Gegenden mit einer großen Anzahl von Binnenvertriebenen.

Die Verfassung sieht eine obligatorische Grundschulausbildung vor. Für Kinder in der Region Kurdistan besteht die Schulpflicht bis zum Alter von 15 Jahren. Der Irak war einst regional führend in der Bildung, aber jahrelange Konflikte haben zu sinkenden Bildungsergebnissen geführt. Kinder, die sich derzeit in der Schule befinden, werden ca. 10,1 Jahre Schulunterricht erhalten. Die durchschnittliche Schulzeit der derzeit über 25-Jährigen lag bei 6,6 Jahren. Mädchen hatten mit 9,7 Jahren eine niedrigere erwartete Schulzeit, verglichen mit Knaben mit 11,5 Jahren. Rund 80 Prozent der Iraker im Alter von über 15 Jahren sind gebildet. Wohlhabende Familien in Bagdad haben Zugang zu höherer Bildung von privaten und internationalen Schulen. Die privaten Schulgebühren in Bagdad betragen durchschnittlich rund 1.300 USD pro Monat.

Der öffentliche Sektor ist bei weitem der größte Arbeitgeber und der private Sektor ist unterentwickelt. Während die Regierung den größten Teil ihrer Einnahmen aus Ölexporten erwirtschaftet, beschäftigt die Ölindustrie nur wenige Mitarbeiter. Die Regierung beschäftigt schätzungsweise 40 Prozent der irakischen Arbeitskräfte. Im UNDP-Bericht 2016 wurde eine Arbeitslosenquote von 16,9 Prozent, die Jugendarbeitslosigkeit auf 35,1 Prozent geschätzt.

Die KRG ist eine autonome Regionalregierung mit Sitz in Erbil, die von der irakischen Verfassung anerkannt ist. Die KRG ist für die Verwaltung der Provinzen Erbil, Sulaymaniyah und Dahuk zuständig. Die kurdische Regionalversammlung hat 111 Sitze, von denen fünf für Christen und fünf für Turkmenen reserviert sind. Mindestens dreißig Prozent der Sitze müssen von Frauen besetzt werden. Der Verfassungsentwurf der Region Kurdistan verbietet Diskriminierung aufgrund von Sprache, Alter, Behinderung und Geschlecht. Die Region Kurdistan hat eine eigene Unabhängige Menschenrechtskommission, die zumindest teilweise mit der föderalen Hochkommission für Menschenrechte zusammenarbeitet. Die Region Kurdistan ist stabiler als andere Gebiete des Irak. Das kann an der größeren Kapazität der kurdischen Sicherheitskräfte und der geringeren ethnischen und religiösen Vielfalt in der Region liegen.

Die irakische Verfassung garantiert grundlegende Menschenrechte einschließlich Rechtsstaatlichkeit, Gleichheit vor dem Gesetz, Chancengleichheit, Privatsphäre und Unabhängigkeit der Justiz. Die Verfassung verbietet Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Zugehörigkeit, der Nationalität, der Herkunft, der Hautfarbe, der Religion, der Meinung, des wirtschaftlichen oder sozialen Status.

Die Verfassung macht den Islam zur offiziellen Religion des Staates. Es garantiert die Glaubens- und Religionsfreiheit für alle Personen, einschließlich Christen, Yazidis und Sabäer-Mandäer. Auf der Scharia beruhende Regelungen verbieten zwar eine Konversion vom islamischen Glauben, doch ist keine Strafverfolgung hierfür bekannt. Nach irakischem Recht wird ein Kind unter 18 Jahren automatisch zum Islam konvertiert, wenn auch einer seiner nicht-muslimischen Eltern konvertiert ist.

Nach der Absetzung von Saddam Hussein und der (von Sunniten dominierten) Ba'ath-Partei aus der Regierung fühlten sich viele Sunniten ausgegrenzt. Das US-Außenministerium und internationale Menschenrechtsgruppen berichten von regierungsnahen Streitkräften, die sunnitische Männer anzugreifen versuchen, die aus IS-kontrollierten Gebieten fliehen und verhindern, dass Sunniten die von der Regierung kontrollierten Gebiete verlassen. Außerhalb der vom IS kontrollierten Gebiete wurden Sunniten in der Form belästigt und diskriminiert, dass sie bei Kontrollpunkten in aufdringlicher Weise kontrolliert wurden und Dienste minderer Qualität in sunnitischen Gebieten bereitgestellt werden. Sunniten sind außerhalb von Gebieten, die kürzlich vom IS kontrolliert wurden, aufgrund ihrer Religion einem geringen Risiko gesellschaftlicher Gewalt ausgesetzt. In Gebieten, in denen sie eine Minderheit sind, sind Sunniten einem mäßigen Risiko von Diskriminierung durch die Behörden und der Gesellschaft ausgesetzt. Das Risiko der Diskriminierung variiert je nach lokalem Einfluss und Verbindungen.

Bei der Einreise in den Irak über die internationalen Flughäfen, einschließlich der Region Kurdistan, werden Personen, die illegal ausgereist sind, nicht festgenommen. Es werden jene Iraker bei der Rückkehr festgenommen, die eine Straftat begangen haben und gegen die ein Haftbefehl erlassen worden war. Um den Irak zu verlassen, sind gültige Dokumente (in der Regel ein Pass) und eine entsprechende Genehmigung (z. B. ein Visum) für die Einreise in das vorgesehene Ziel erforderlich. Eine illegale Ausreise aus dem Irak ist rechtswidrig, jedoch sind keine Strafverfahren gegen Einzelpersonen wegen illegaler Ausreise bekannt. Iraker, die einen irakischen Pass verloren haben oder nicht haben, können mit einem laissez-passer in den Irak einreisen. Die Einreise mit einem laissez passer-Dokument ist üblich und Personen, die damit einreisen, werden weder gefragt, wie sie den Irak verlassen haben, noch werden sie gefragt, warum sie keine anderen Dokumente haben. Dem britischen Innenministerium zufolge können Grenzbeamte am Flughafen Bagdad ein Schreiben ausstellen, um die Verbringung an den Herkunftsort oder die Umsiedlung einer Person im Irak zu erleichtern. (Australian Government - Department of Foreign Affairs and Trade, Country Information Report Iraq, 09.10.2018)

Um in die Provinzen Erbil und Sulaimaniya einzureisen, wird kein Sponsor benötigt. Bestimmungen bezüglich einer erforderlichen Bürgschaft, um in die Verwaltungsbezirke Erbil und Sulaimaniya auf dem Luftweg oder über Binnengrenzen einzureisen, wurden Anfang 2019 aufgehoben. In den Provinzen Erbil und Sulaimaniya müssen Personen, die nicht aus der Autonomen Region Kurdistan stammen, den lokalen Asayish in jenem Viertel aufsuchen, in dem sie sich niederlassen möchten, um eine Aufenthaltskarte zu erhalten. Sie brauchen keinen Sponsor. Ledige arabische und turkmenische Männer benötigen jedoch eine feste Anstellung und müssen einen Unterstützungsbrief ihres Arbeitgebers einreichen, um eine erneuerbare Aufenthaltskarte für ein Jahr zu erhalten. All jene, die keine feste Anstellung haben, erhalten lediglich eine erneuerbare Aufenthaltskarte, die für einen Monat ausgestellt ist. Besitzern einer einmonatigen Aufenthaltskarte fällt es aufgrund ihrer kurzen Aufenthaltserlaubnis schwer, eine feste Anstellung zu finden. (UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus dem Irak fliehen, Mai 2019)

Im Irak ging die Zahl der Sicherheitsvorfälle (zB Schießereien, IED's, Angriffe auf Checkpoints, Entführungen, Selbstmordattentate, Autobomben) von Jänner bis Dezember 2018 um etwa 60% zurück. Zu Beginn des Jahres waren es 224 Vorfälle. Im März gab es einen Anstieg der Vorfälle, die sich vor allem in Anbar, Diyala, Kirkuk und Salah ad-Din ereigneten. Im April sanken sie auf 139. Von Juni bis Oktober gab es Schwankungen, beginnend in Diyala und Kirkuk, danach in Ninewa und schließlich in Anbar, Bagdad, Kirkuk und Ninewa. Seit dem Rückzug des sog. Islamischen Staates gab es in den letzten beiden Monaten des Jahres die wenigsten Vorfälle, die jemals im Land verzeichnet wurden.

Im Jänner 2018 gab es insgesamt 13 "Mass Casualty Bombings", davon 7 Selbstmordattentate (ein Attentat in Bagdad) und 6 Autobomben. Im Verlauf des Jahres bewegten sich diese Vorfälle zwischen 1 und 8. Im Mai ereignete sich ein Selbstmordattentat in Bagdad. Weitere Vorfälle ereigneten sich in Ramadi, Kirkuk, Tikrit, Fallujah und Mossul.

In Anbar gab es 2018 durchschnittlich 12 Vorfälle pro Monat. Die meisten Attacken gab es im März. Die Gewalt nahm dann ab und erreichte nach einer Steigerung im September und Oktober mit 17 bzw. 16 Attacken ihren Tiefststand im November mit 6 Attacken. Es gab sehr wenige Konfrontationen mit den Sicherheitskräften oder Angriffe auf Checkpoints. Es gab insgesamt 10 Selbstmordattentate und Autobomben in der ganzen Provinz, das ist die dritthöchste Rate im Irak.

In Babil gab es im Jänner 2018 den Höchststand der Vorfälle, nämlich 10. Im restlichen Jahr bewegte sich die Anzahl er Vorfälle zwischen 1 und 5, nur im Juni gab es 8. Fast alle Angriffe erfolgten im Nordosten, entlang der Grenze zu Anbar. Es gab durchschnittlich 4 Angriffe in der Provinz Babil. Verglichen mit den anderen Provinzen ist dies der geringste Wert. Beispielsweise gab es in Diyala rund 38 Angriffe.

Auch Bagdad, das früher ein Hauptangriffsziel war, entwickelte sich zu einem Nebenschauplatz. Im Jänner gab es 71 Vorfälle. Diese Zahl sank kontinuierlich und lag bei 13 Vorfällen im Juni. Danach erfolgte wieder ein Anstieg und es gab im September 47 Vorfälle. Seither kam es wieder zu einem Rückgang und 13 Vorfällen im November 2018. Bei fast allen Angriffen handelte es sich um kleinere Vorfälle wie Schießereien und IED's. Die meisten Vorfälle ereigneten sich auch in Städten im äußern Norden.

In Diyala gab es rund 30 Vorfälle pro Monat, nur im März und Juni lag die Zahl bei 54 bzw. 51. Es gab Schießereien mit den Sicherheitskräften und Übergriffe auf Kontrollpunkte.

In Kirkuk gab es im März, Juni und Oktober die meisten Angriffe. Im November und Dezember sank die Zahl auf 18 bzw. 16 Angriffe. Im Vergleich dazu lag der Durchschnitt bei 36 Angriffen pro Monat. Ähnlich wie in Diyala gab es ein konstantes Muster von Schießereien mit Sicherheitskräften, Angriffe auf Checkpoints und Mukhtars und Entführungen.

In der Provinz Ninewa gab es durchschnittlich 20 Vorfälle pro Monat. Im Februar und März sowie im Juli und August gab es einen Anstieg der Angriffe. Im Juni sank die Anzahl auf nur 9. Vor allem in der ersten Jahreshälfte gab es regelmäßig Schießereien mit den Sicherheitskräften.

In Salah al-Din stieg im März und im Juni die Zahl der Angriffe auf 35 und 36, sank danach aber stetig ab und erreichte im Dezember nur mehr 8 Angriffe. Ebenso gab es im ersten Halbjahr mehr Schießereien und Entführungen im Vergleich zum zweiten. (Joel Wing, Musings on Iraq, 15.01.2019)

In der ersten Septemberwoche 2019 gab es 39 sicherheitsrelevante Vorfälle. Dabei betrifft ein solcher Vorfall den Fund eines Massengrabs mit 13 Toten im Süden von Mossul. Die meisten Vorfälle, nämlich 14, ereigneten sich in Diyala. Neun Vorfälle ereigneten sich in Ninewa, sieben in Bagdad, fünf in Salah al-Din, zwei in Kirkuk und jeweils einer in Anbar und Babil. (Musings on Iraq, 17.09.2019)

In der zweiten Septemberwoche 2019 ereigneten sich weniger Vorfälle als in der Vorwoche, nämlich insgesamt 30. Zwei dieser Vorfälle waren Leichenfunde. Diese Woche ereigneten sich die meisten Vorfälle, nämlich elf, in Kirkuk. In Diyala waren es neun Vorfälle. Ein Vorfall war in Anbar. Dabei handelt es sich um den Fund eines Massengrabs mit 15 Toten. Jeweils drei Vorfälle entfielen auf Bagdad, Ninewa und Salah al-Din. Einer der drei Vorfälle in Ninewa betraf den Fund von neun Leichen in der Altstadt von West-Mossul. Bei den anderen zwei Vorfällen handelte es sich um Sprengfallen im Gebiet Hamam al-Alil, 27 Kilometer südlich von Mossul. Von den drei Vorfälle in Salah al-Din war einer eine Schießerei, die zur Folge hatte, dass die Autobahn von Tuz Kurmatu nach Bagdad kurze Zeit gesperrt war. Während es in der ersten Septemberwoche in Bagdad eine Reihe von Sprengfallen gab, kehrte in der zweiten Septemberwoche wieder Normalität ein, mit nur drei Schießereien im Norden und Westen. (Musings on Iraq, 23.09.2019)

Nach einem Anstieg der Angriffe Anfang September 2019 sind diese Mitte des Monats wieder auf einen Mittelwert zurückgegangen. Während es im August außerhalb von Diyala kaum Angriffe gab, fanden im September im gesamten Zentralirak welche statt. Es gab in der dritten Septemberwoche 2019 28 sicherheitsrelevante Vorfälle im gesamten Irak. Acht Vorfälle in Bagdad, fünf in Kirkuk, vier in Diyala. Zwei Vorfälle fanden in Ninewa statt und jeweils ein Vorfall in Anbar, Babil, Kerbala und Salah al-Din. Jener Vorfall in Kerbala war eine der selten vorkommenden Autobomben. Dabei gab es zwölf Tote und fünf Verletzte. Ninewa und Salah al-Din, die früher die Hauptfronten des IS waren, sind jetzt nur noch zweitrangig. Im Vergleich dazu sind die Vorfälle in Diyala und Kirkuk weiterhin hoch. (Musings on Iraq, 01.10.2019)

In der ersten Oktoberwoche 2019 gab es nur drei Zwischenfälle in Anbar, Diyala und Ninewa. In der zweiten Oktoberwoche gab es 14 Vorfälle, davon fünf in Diyala, drei in Kikruk, jeweils zwei in Ninewa und Salah al-Din und jeweils einen in Anbar und Babil. Im Zentralirak ist der IS am aktivsten. Ninewa und Salah al-Din sind weniger wichtiger für den IS. In Kirkuk und Diyala findet die meiste Gewalt statt. In Bagdad gab es im September die meisten Angriffe. Anfang Oktober gab es wegen der in Bagdad stattgefundenen Proteste keine Angriffe. (Musings on Iraq, 22.10.2019)

Es gibt kaum noch Autobomben im Irak. In Diyala gab es bis Mitte Oktober 2019 keine einzige Autobombe. In Kirkuk gab es im Jänner 2019 die einzige Autobombe des Jahres. In Ninewa gab es drei Autobomben und zwar im Februar, März und Mai. In Salah al-Din gab es vier Autobomben im Jänner, März, April und August. Früher wurden vom IS routinemäßig Autobomben in städtischen Gebieten eingesetzt. Jetzt kommen diese kaum noch vor und zeigen, dass der IS schwer angeschlagen ist.

Bis Mitte Oktober 2019 gab es in Ninewa zwei Attacken auf Checkpoints, die sich beide im Februar ereigneten. In Salah al-Din gab es vier Attacken auf Checkpoints und zwar im Jänner, Mai, Juli und September. In Kirkuk gab es zwölf Attacken (vier im Jänner, eine im März, drei im Mai, zwei im Juni und zwei im September). In Diyala gab es mit 46 die meisten Attacken und bis auf Oktober in jedem Monat. (Musings on Iraq, 01.10.2019 und 22.10.2019)

Nach der Befreiung vom "Islamischen Staat" kehrt die Kultur in die irakische Stadt Mossul zurück. Die Kultur ist zurück in der zweitgrößten Stadt des Irak. Und das "Ich bin Iraker - ich lese"-Festival ist nur eine von vielen Kulturveranstaltungen. Das Motto des Festivals ist an eine traditionelle arabische Redewendung angelehnt: "Ägypter schreiben, Libanesen publizieren, Iraker lesen." Kunst und Kultur haben unter dem IS - oder Daesh, so die arabische Abkürzung - stark gelitten. Statuen von Dichtern und Schriftstellern wurden niedergerissen, Kunstwerke und Musikinstrumente zerstört und die Universitätsbibliothek in Brand gesteckt - viele wertvolle Bände sind für immer verloren. Bücher wurden verboten, nicht-religiöse Kunst war tabu, Musiker und andere Künstler kamen ums Leben. Marwan Tariq unterrichtet an der Universität von Mossul. Er findet auch, dass Fortschritte gemacht wurden. "Die Situation nach Daesh ist schon besser als vor ihrer Ankunft." Tariq war einer der ersten, der den stark bombardierten Campus der Universität wieder betrat, nachdem der IS im vergangenen Jahr verjagt worden war. Der Schaden in seinem Institut war gewaltig. "Alles, was eine Verbindung zur Kunst hatte, wurde zerstört: Klaviere, Uds (arabische Lauten), Gitarren, aber auch Gemälde und Skulpturen", berichtet er. Die Künstler in Mossul haben einen Weg gefunden, ihre neu gewonnene Freiheit zu feiern. Im Mai 2017, als auf der anderen Seite des Tigris, der die Stadt teilt, noch gekämpft wurde, haben Al-Barudi und Tariq eine Kunstausstellung in Ost-Mossul mitorganisiert. Dort wurden Bilder und Gemälde an den rußgeschwärzten Überresten eines Universitätsgebäudes zu den Klängen lang verbotener Musik ausgestellt. Außerdem gab es eine Aktion von Studenten, Dozenten und Freiwilligen, bei der Bücher gerettet wurden, die das Feuer in der Universitätsbibliothek überstanden hatte. Nach dem Brand in der Bibliothek hat Al-Barudi gemeinsam mit Studenten und anderen Freiwilligen rund 6.000 Bücher aus der Asche bergen können. Der Historiker Omar Mohammed, international bekannt als der Blogger "Mosul Eye", startete einen Aufruf, woraufhin tausende Bücher aus dem Ausland geschickt wurden, um die verlorenen zu ersetzen. Die Musik ist ebenfalls nach Mossul zurückgekehrt. Während der Kunstausstellung hört man die Klänge der Ud, ein Bassist spielt an zerstörten Stätten wie der Al-Nuri-Moschee mit ihrem berühmten Hadba-Minarett. Hier rief IS-Führer Abu Bakr al-Baghdadi nicht nur das "Kalifat" aus, die Terrororganisation zerstörte die Moschee noch, kurz bevor sie aus Mossul vertrieben wurde. Auch in dem ersten Literaturcafé Mossuls, geführt von Fahad Sabah und Harith Yassin, spielt die Musik. Sie haben es erst kürzlich eröffnet und möchten nicht nur jung und alt, Mann und Frau einen ruhigen Platz zum Lesen und Arbeiten bei einer Tasse Kaffee oder Tee bieten, sondern auch Konzerte und öffentliche Literaturdiskussionen veranstalten. Im Café, wo gefüllte Bücherregale und Porträts von Schriftstellern, Musikern und Künstlern die Atmosphäre bestimmen, bestätigt Sabah, dass die Kultur nach Mossul zurückgekehrt ist. "Schon vor Daesh war ein öffentlicher Diskurs aus Angst vor den Extremisten und ihren Drohungen unmöglich. Jetzt ist die Gesellschaft viel offener. Unser Café ist nur ein Beispiel", sagt er. "Sieh dir an, was wir tun und wer hier reinkommt. Wir betreiben den ersten öffentlichen Raum, in dem sich Männer und Frauen wie zu Hause fühlen." (Mossul feiert kulturelles Comeback, qantara.de, 10.09.2018)

2014 wurde Mossul, die zweitgrößte Stadt des Irak, von IS-Kämpfern eingenommen. Im Oktober 2016 begann die irakische Armee gemeinsam mit kurdischen Peschmerga, konfessionellen Milizen und aus der Luft unterstützt von Bombern der internationalen Anti-IS-Koalition eine Großoffensive zur Rückeroberung der Stadt. Neun Monate dauerten die erbitterten Kämpfe. Am Ende waren rund 10.000 Zivilisten tot, mehrere Tausend Soldaten und Kämpfer gefallen. Die historische Altstadt, einst das pulsierende Herz der Stadt, lag weitgehend in Trümmern. Die Stadt hat zwei Schlachten erlebt: eine im Osten, wo sich die Schäden in Grenzen hielten und eine im Westen, wo die Zerstörungen verheerend waren. Im Osten ist das Leben schon wieder recht normal. Der Wiederaufbau geht im Westen nur sehr langsam voran.

Internationale Organisationen wie die UN, die Unesco oder die deutsche GIZ helfen dabei, die Wunden der Stadt zu heilen. Es entstehen neue Wasseraufbereitungsanlagen, die immer mehr Menschen mit sauberem Trinkwasser versorgen. An der Universität von Mossul lernen inzwischen 38.000 Studenten. Die Studentenschaft ist wieder multiethnisch, wie sie es früher auch war. Kurden, Jesiden, Christen und Muslime studieren gemeinsam. Das kulturelle Leben kehrt in die Stadt zurück. Manche sprechen schon von einer kulturellen Blüte, wie sie Mossul seit Jahrzehnten nicht erlebt hat. Im Spätsommer kamen Tausende Menschen zu einem Bücherfestival zusammen. In der Stadt entstehen Literaturcafés, in denen nicht nur gelesen, sondern auch diskutiert wird. Es gibt Freilichtkonzerte und Lesungen. Musiker spielen auf den Straßen zwischen zerschossenen Gebäuden - undenkbar zu Zeiten des IS. (Wie sich Mossul von der Terrorherrschaft erholt, t-online.de, 20.02.2019)

Im Juni 2019 wurden die letzten Betonblöcke um die Grüne Zone in Bagdad, der Regierungsbezirk, abgebaut. Die Bevölkerung hat jetzt freien Zugang zu den gut zehn Quadratkilometern, die bis dahin No-Go-Zone war: Der "Hochsicherheitstrakt" im Zentrum von Bagdad ist Vergangenheit. Mit der Öffnung der Grünen Zone hat Iraks Premierminister Adel Abdul Mahdi sein Versprechen eingelöst, das er bei seinem Amtsantritt im Oktober letzten Jahres gegeben hat. Der Bezirk soll ein normales Stadtviertel von Bagdad werden. Seit November wurde Schritt für Schritt abgebaut: Checkpoints aufgelöst, Stacheldraht entfernt, Betonblöcke auf Tieflader geladen und abgefahren. Hundertausende sollen es gewesen sein. Allein in den letzten zwei Monaten hat Bagdads Stadtverwaltung 10.000 Mauerteile abfahren lassen, wie ein Angestellter berichtet. Die Betonblöcke wurden zum Militärflughafen Al-Muthana im Zentrum von Bagdad gefahren und dort abgekippt. Einige von ihnen finden Wiederverwertung in einem Ring, der derzeit um Bagdad gezogen wird, um Terroristen vor dem Eindringen zu hindern. Andere dienen dem Hochwasserschutz. Wieder andere werden als Baumaterial für Silos verwendet. (Mauerfall in Bagdad: Das Ende der Grünen Zone, Wiener Zeitung, 05.06.2019)

Die meisten der Schutzmauern, die in den letzten zehn Jahren errichtet wurden, um öffentliche und private Gebäude zu sichern, wurden abgerissen. Stattdessen finden sich dort jetzt Parks und Grünflächen. Im Zuge der Veränderungen wurde in Bagdad auch das erste Frauencafé eröffnet. Dort können sich Frauen ohne Begleitung von Männern treffen und ihre Kopftücher und die lange Abaya ablegen, die auf den Straßen so verbreitet sind.

Im Café "La Femme" werden Wasserpfeifen angeboten und von einer Frau zubereitet. Es werden alkoholfreie Champagnercocktails, Softgetränke und Snacks serviert. Bisher haben sich noch keine Männer in dieses weibliche Heiligtum gewagt - obwohl sich das Café in einem Hochhaus zusammen mit anderen Restaurants, einer Sporthalle für Männer und nur einem Aufzug befindet. Der Kundenkreis von Adel-Abid umfasst vor allem Frauen aus der Mittel- und Oberschicht. Für ihre jungen Kundinnen organisiert sie reine Frauenfeste zu Geburtstagen, Verlobungen und Abschlussfeiern. Die ältere Generation trinkt lieber Kaffee und hört den alten irakischen Sängern zu, die auf der Musikanlage bevorzugt gespielt werden.

Frauen können jetzt Unternehmen führen. Da der "Islamische Staat" verdrängt und die gegenwärtige politische Stabilität zu spüren ist, fordern irakische Frauen immer mehr ihren Anteil am öffentlichen Raum der Stadt. In Mansour, dem Stadtviertel, in dem sich "La Femme" befindet, sind die meisten Cafés und Restaurants heute gemischt, und auch Frauen rauchen dort Wasserpfeife.

Der frische Wind des Wandels hat auch das Straßenbild verändert. Frauen kleiden sich wieder bunter, anstatt sich hinter schwarzen Schleiern zu verstecken. Die Entwicklung geht so weit, dass junge Frauen sich immer seltener ein Kopftuch umbinden.

Ehen zwischen Sunniten und Schiiten erleben ein Comeback im Irak; unter den Jugendlichen in Bagdad sind sie sogar zum neuen Standard geworden. So wie bei Merry al-Khafaji, die kürzlich Mustafa al-Ani geheiratet hat. Gemeinsam sitzen die beiden Mittzwanziger bei einer Wasserpfeife in einem beliebten Bagdader Garten, sie trägt ihr dunkles Haar offen und ein grünes T-Shirt mit Jeans. Traditionell wählen Eltern die Partner ihrer Kinder, aber Merry al-Khafaji und Mustafa al-Ani lernten sich in dem Telekommunikationsunternehmen kennen, für das sie beide arbeiten. Mittlerweile entwickeln sich immer mehr Liebesbeziehungen bei der Arbeit, im Studium oder in Workshops.

Auch soziale Medien haben eine starke Wirkung. Sie eröffnen jungen Menschen einen neuen Weg, neue Freunde in der konservativen irakischen Gesellschaft zu finden. (Die neuen Freiheiten von Bagdad, qantara.de 01.07.2019)

Im Juni 2019 wurde das neue deutsch-irakische Beratungszentrum für Jobs, Migration und Reintegration in Bagdad eröffnet. Es ist das zweite seiner Art im Irak neben dem Beratungszentrum in Erbil, das seine Arbeit bereits im April 2018 aufgenommen hatte. Im Mittelpunkt der Arbeit des Beratungszentrums steht die Schaffung attraktiver und langfristiger Bleibeperspektiven. Zu den angebotenen Leistungen gehören Bildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen sowie die Unterstützung bei Existenzgründungen. Das Zentrum steht Rückkehrenden ebenso offen wie Binnenvertriebenen und der lokalen Bevölkerung und fördert damit auch die Stärkung des irakischen Privatsektors. In den kommenden Jahren soll das Beratungszentrum schrittweise in die lokalen Strukturen überführt werden, um den langfristigen und nachhaltigen Betrieb zu sichern. (Neues deutsch-irakisches Beratungszentrum in Bagdad eröffnet, BMZ 13.06.2019)

Mitglieder rivalisierender irakischer Motorrad-Clubs, die in Leder mit Nieten und schwarzen Baskenmützen gekleidet waren, tanzten Breakdance und ließen mit ihren tätowierten Armen Neon-Leuchtstäbe kreisen. Der Tanzkreis des Mongols Motorcycle Club war einer von mehreren bei der ?Riot Gear Summer Rush', einer Automobilshow samt Konzert in einem Sportstadion im Herzen von Bagdad. Die Szene hatte etwas ganz anderes als jene Bilder, die üblicherweise aus der Stadt der Gewalt und des Chaos ausgestrahlt wurden. Aber fast zwei Jahre, nachdem der Irak den islamischen Staat besiegte, hat die Hauptstadt ihr Image stillschweigend verändert. Seit die Explosionsschutzwände - ein Merkmal der Hauptstadt seit der US-geführten Invasion im Jahr 2003, bei der Saddam Hussein gestürzt wurde - gefallen sind, hat sich eine weniger restriktive Lebensweise etabliert. "Wir haben diese Party veranstaltet, damit die Leute sehen können, dass der Irak auch über diese Art von Kultur verfügt und dass diese Menschen das Leben und die Musik lieben", sagte Arshad Haybat, ein 30-jähriger Filmregisseur, der die Riot Gear Events Company gründete. Riot Gear hat bereits zuvor ähnliche Partys im Irak veranstaltet, aber dies war die erste, die für die Öffentlichkeit zugänglich war. Der Tag begann damit, dass junge Männer importierte Musclecars und Motorräder vorführten. Bei Einbruch der Dunkelheit wurde die Show zu einer lebhaften Veranstaltung für elektronische Tanzmusik (EDM). Das irakische Hip-Hop-Kollektiv "Tribe of Monsters" spielte eine Mischung aus EDM- und Trap-Musik, während junge Männer Verdampfer in ihren Händen hielten und neben Blitzlichter und Rauchmaschinen tanzten, während sie ihre Bewegungen live auf Snapchat und Instagram übertrugen. Es war eine berauschende Mischung aus Bagdads aufkeimenden Subkulturen: Biker, Gamer und EDM-Enthusiasten. Was die meisten gemeinsam hatten, war, dass sie im Irak noch nie einer solchen Veranstaltung beigewohnt hatten. Obwohl von jungen Männern dominiert, nahmen auch viele Frauen an der Veranstaltung teil. Einige von ihnen tanzten in der Nähe der Hauptbühne. Die Veranstalter stellten jedoch sicher, dass eine "Familiensektion" zur Verfügung stand, damit Frauen, Familien und Liebespaare auch abseits der wilden Menschenmenge tanzen konnten. (Tanzpartys kehren nach Bagdad zurück, mena-watch, 22.08.2019)

Ab 01. Oktober 2019 kam es in zahlreichen Städten und Provinzen im Irak zu Demonstrationen, die sich gegen Korruption und Misswirtschaft richten. Die Proteste gingen nicht von einer bestimmten politischen Gruppe aus. Die zumeist jungen Demonstranten wiesen jede politische Vereinnahmung von sich. Angesichts der gewaltsamen Proteste versucht die irakische Regierung, die Protestierenden mit einem sozialen Maßnahmenpaket zu beruhigen. Unter anderem sollen im ganzen Land 100.000 neue Wohnungen gebaut werden, wie Ministerpräsident Adil Abd al-Mahdi nach einer Sitzung des Kabinetts am 06.10.2019 sagte. Zudem sollen 150.000 arbeitslose Irakerinnen und Iraker in Weiterbildungsprogrammen gefördert werden. (Zeit.de, 06.10.2019, Über hundert Menschen sterben bei Protesten gegen die Regierung)

Im Irak haben erneut Tausende Menschen gegen die Regierung protestiert. Landesweit starben mindestens 42 Menschen. Bereits Anfang des Monats waren bei tagelangen Protesten in Bagdad und anderen Regionen des Landes fast 150 Zivilisten getötet worden. Mehr als 3.000 Menschen wurden verletzt, auch acht Einsatzkräfte kamen ums Leben. (Zeit.de, 25.10.2019, 42 Tote bei neuen regierungskritischen Protesten)

Die Zahl der Binnenvertriebenen (IDP's) wird seit April 2014 aufgezeichnet, jene der Rückkehrer seit April 2015. Seit Juni 2017 sinkt die Zahl der IDPs kontinuierlich. Zum 30.06.2019 wurden 1,6 Millionen IDPs (267.858 Familien), verteilt auf 18 Gouvernements und 106 Distrikte identifiziert. Die Zahl der IDPs sinkt kontinuierlich in einem stetig langsamen Tempo. Im Mai und Juni wurde ein Rückgang von 57.960 IDPs, mit den drei größten Gouvernements Ninewa (-22.674), Salah al-Din (-11.856) und Sulaymaniyah (-7.104), verzeichnet. Die Zahl der Rückkehrer liegt bei 4,3 Millionen (717.523 Familien) in 8 Gouvernements und 38 Distrikten. Im Mai und Juni 2019 kehrten die meisten nach Ninewa (17.502 Personen), Anbar (2.136) und Salah al-Din (14.778) zurück. Während der letzten sechs Monate wurde ein Rückgang an IDPs von 195.684 Personen verzeichnet. Die meisten davon in Ninewa (-97.392, -17%), Salah al-Din (-32.262, -23%) und Anbar (-11.598, -19%). Im selben Zeitraum wurde ein Anstieg von 139.818 Rückkehrern dokumentiert. Die größten Anstiege wurden in Ninewa (63.762, 4%), Salah al-Din (44.742, 8%) und Anbar (14.850, 1%) verzeichnet. Nahezu alle Familien (95%, 4.105.140 Personen) kehrten an ihren vor der Vertreibung gewöhnlichen Wohnsitz zurück, der sich in einem guten Zustand befand. Zwei Prozent (71.010) leben in anderen privaten Einrichtungen (gemietete Häuser, Hotels, Gastfamilien). Drei Prozent der Rückkehrer (128.988) leben in kritischen Unterkünften (informelle Siedlungen, religiöse Gebäude, Schulen, unfertige, aufgegebene oder zerstörte Gebäude). Von den zuletzt Genannten leben die meisten in den Distrikten Mossul (29.658), Tikrit (9.462) und Tal Afar (9.222). Seit Dezember 2018 wird ein Rückgang der in kritischen Unterkünften lebenden Rückkehrer (-3.786) in allen Gouvernements, außer Anbar und Kirkuk, verzeichnet. (Displacement Tracking Matrix, Round 110, Juli 2019)

III. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, zu seiner Herkunft, zu seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, zu seiner Schulbildung und seiner beruflichen Tätigkeit im Irak, zu seiner illegalen Einreise sowie zu seiner Antragstellung zur Erlangung internationalen Schutzes ergeben sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers im gesamten Verfahren und den Verwaltungsakten. Die Feststellungen zu seinen Sprachkenntnissen ergeben sich aus einem Lebenslauf des Beschwerdeführers (OZ 8).

Die Feststellung zur Ausreise über den Flughafen Erbil ergibt sich aus den Angaben des Beschwerdeführers und dem entsprechenden Ausreisestempel im Reisepass des Beschwerdeführers (AS 181).

Die Feststellung, dass sich das Haus der Familie in der Nähe des XXXX in XXXX befindet, stützt sich auf die eigenen Angaben des Beschwerdeführers vor dem BFA (Seite 5 des Einvernahmeprotokolls). Der Beschwerdeführer behauptete, dass das Viertel XXXX auf der linken Seite Mossuls (damit ist der Westteil der Stadt gemeint) sei, stimmt mit den tatsächlichen Gegebenheiten nicht überein. Das XXXX befindet sich, wie eine Recherche auf Google Maps und ein Bericht über dieses Krankenhaus ergeben, im Ostteil der Stadt Mossul. Es erfolgte daher die Feststellung, dass sich das Viertel XXXX in Ostmossul befindet.

Die Feststellungen betreffend den Besuch eines Werte-und Orientierungskurses und von Deutschkursen, die Absolvierung von Deutschprüfungen, das freiwillige Engagement bei der Caritas, die Teilnahme an zwei Auftritten eines Chors und die Unterstützungsschreiben ergeben sich aus den diesbezüglichen Bestätigungen.

Die Feststellungen zur Tätigkeit als Küchenhilfe und zur Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung ergeben sich aus Bestätigungen des Arbeitgebers und dem AMS-Bescheid sowie einem Schreiben des HR-Managers jener Gastronomiebetrieben, für die der Beschwerdeführer tätig war.

Die Feststellungen zur strafrechtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers und zum teilweisen Bezug von Leistungen aus der Grundversorgung, ergeben sich aus einem Strafregisterauszug und einem GVS-Auszug.

Der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Fluchtgrund ist aus folgenden Erwägungen nicht glaubhaft:

Der Beschwerdeführer war nicht in der Lage, sein Fluchtvorbringen in der Erstbefragung, der Einvernahme vor dem BFA und der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht übereinstimmend zu schildern.

In der Erstbefragung gab er als Fluchtgrund nur an, dass ihm sein LKW vom IS weggenommen worden sei und er bedroht worden sei, so dass er keine Arbeit mehr gefunden habe. Außerdem verwies er auf den Krieg in Mossul (Seite 5 des Protokolls der Erstbefragung). Vor dem BFA brachte der Beschwerdeführer ebenso noch vor, dass ihm der IS seinen LKW weggenommen habe. Darüber hinaus behauptete er aber noch, dass er auch aufgefordert worden sei, sich dem IS anzuschließen und sein Bruder seinetwegen entführt worden sei. Außerdem schilderte er einen Vorfall mit Peschmerga in Sulaimaniya und einen Vorfall in Bagdad, bei dem ein Kollege des Beschwerdeführers getötet worden sei und auf dessen Leiche ein Drohzettel hinterlassen worden sei (Seiten 9 und 10 des Einvernahmeprotokolls). Der Beschwerdeführer behauptete zwar vor dem BFA, dass er auch in der Erstbefragung angegeben habe, aber nicht aufgeschrieben worden sei, es wäre von ihm verlangt worden, für den IS zu arbeiten, er sich geweigert hätte und daraufhin sein Bruder entführt und ihm sein LKW weggenommen worden sei (Seite 4 des Einvernahmeprotokolls). Diesbezüglich ist darauf hinzuweisen, dass gemäß § 15 AVG, soweit nicht Einwendungen erhoben wurden, eine gemäß § 14 AVG aufgenommene Niederschrift über den Verlauf und den Gegenstand der betreffenden Amtshandlung vollen Beweis liefert, wobei der Gegenbeweis der Unrichtigkeit des bezeugten Vorganges zulässig bleibt. Fallbezogen sind Einwendungen des Beschwerdeführers weder aktenkundig, noch wird behauptet, der Beschwerdeführer hätte Einwendungen im Sinn des § 14 Abs. 3 AVG erhoben. Es bestehen daher keine Zweifel an der Richtigkeit der Niederschrift der Erstbefragung. Es ist somit auf Grund der Steigerung des Vorbringens nicht glaubhaft, dass es die fluchtauslösenden Ereignisse tatsächlich gegeben hat.

Der Beschwerdeführer schilderte die einzelnen Vorfälle nur vage und zudem in der mündlichen Verhandlung anderes als noch vor dem BFA, weshalb ihm eine Glaubhaftmachung nicht gelungen ist:

Zur Aufforderung, sich dem IS anzuschließen, gab der Beschwerdeführer vor dem BFA an, dass ein Arbeitskollege, XXXX , ihn mehrmals angerufen und aufgefordert habe sich, dem IS anzuschließen. Er sei auch beim Beschwerdeführer zu Hause gewesen und habe nach ihm gefragt. Er habe dann den Bruder des Beschwerdeführers entführt, weil der Beschwerdeführer nicht zu Hause gewesen sei (Seite 9 des Einvernahmeprotokolls). In der mündlichen Verhandlung sprach der Beschwerdeführer dagegen nicht mehr davon, dass dies alles sein Kollege XXXX getan habe, sondern er sprach mehrfach von mehreren Arbeitskollegen. Die Kollegen hätten von ihm verlangt, dass er sich dem IS anschließe und die Kollegen hätten ihn einige Male zu Hause angerufen, aber nicht erreicht. Die Kollegen seien dann zu ihm nach Hause gekommen und hätten den Bruder des Beschwerdeführers mitgenommen (Seite 7 des Verhandlungsprotokolls).

In der mündlichen Verhandlung dazu befragt, wer diese Arbeitskollegen seien, die ihn aufgefordert hätten, sich dem IS anzuschließen, nannte der Beschwerdeführer XXXX , dessen zwei Brüder sowie die drei Söhne des ältesten Bruders. Er führt auch aus, dass alle sechs Personen gewollt hätten, dass er sich dem IS anschließe. Der Beschwerdeführer wurde daraufhin aufgefordert, zu schildern, wie dies konkret abgelaufen sei. Er konnte daraufhin aber keine plastische Schilderung geben, so dass angenommen werden könnte, er berichte von tatsächlich Erlebtem. Er gab nämlich nur folgendes an: "Es war telefonisch, sie verlangten von mir, dass ich mit dem IS zusammen kämpfen soll. Ich lehnte das ab." (Seite 8 des Verhandlungsprotokolls). Diese knappe Schilderung erweckte nicht den Eindruck, als erzähle der Beschwerdeführer von tatsächlichen Gegebenheiten. Es ist daher nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer tatsächlich aufgefordert worden sei, sich dem IS anzuschließen.

Die in der mündlichen Verhandlung aufgestellte Behauptung, dass sechs Personen von ihm verlangt hätten, sich dem IS anzuschließen, relativierte der Beschwerdeführer auf weitere Befragung. Als der Beschwerdeführer gefragt wurde, ob er von allen sechs Personen angerufen worden sei, meinte er, nur XXXX habe ihn angerufen. Auf die weitere Frage, weshalb er dann gesagt habe, dass alle sechs Personen gewollt hätten, dass er sich dem IS anschließe, behauptete er nun, er hätte damit gemeint, dass alle sechs für den IS gekämpft hätten (Seite 8 des Verhandlungsprotokolls). Dieses Aussageverhalten des Beschwerdeführers zeigt, dass er sein Vorbringen aufbauschte, was gegen eine Glaubhaftmachung spricht.

Schließlich konnte der Beschwerdeführer nicht einmal konkret angeben, wann er von XXXX angerufen und aufgefordert worden sei, sich dem IS anzuschließen. Es war ihm nicht einmal möglich, das Jahr nennen. Er erklärte, dass es 2014 oder 2015 gewesen sei. Der Beschwerdeführer brachte auch vor, dass XXXX drei Mal bei ihm zu Hause gewesen sei. Auch diesbezüglich war der Beschwerdeführer nicht in der Lage konkrete Daten zu nennen (Seite 8 des Verhandlungsprotokolls). Auch diese äußerst vagen Ausführungen lassen das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht glaubhaft erscheinen.

Auch zur vorgebrachten Entführung seines Bruders konnte der Beschwerdeführer keine konkreten Daten angeben. So meinte er, dass sein Bruder mitgenommen worden sei, als XXXX das dritte Mal beim Beschwerdeführer zu Hause gewesen sei. Der Bruder sei dann drei Tage festgehalten und danach freigelassen worden. Der Beschwerdeführer vermutete bloß, dass dies im August gewesen sei (Seiten 8 und 9 des Verhandlungsprotokolls). Dass der Beschwerdeführer hinsichtlich eines derart gravierenden Ereignisses, wie es die Entführung des Bruders ist, welches darüber hinaus auch mit dem Beschwerdeführer in Zusammenhang steht, nur vermuten kann, wann dies gewesen sei, kann nicht nachvollzogen werden und spricht nicht dafür, dass das Behauptete nicht tatsächlich passiert ist.

Der Beschwerdeführer behauptete, als sein Bruder entführt worden sei, habe er selbst sich im Iran aufgehalten (Seite 8 des Verhandlungsprotokolls). Diesbezüglich ist darauf hinzuweisen, dass sich eine Kopie des Reisepasses des Beschwerdeführers im Akt befindet. Daraus gehen die dem Beschwerdeführer erteilten Visa für den Iran sowie die konkreten Grenzübertritte hervor. Demnach verfügte der Beschwerdeführer über ein vom 16.06.2014 bis 14.09.2014 gültiges Visum für den Iran, hielt sich aber im August 2014 nicht im Iran auf, da für diesen Zeitraum keine Ein- und Ausreisestempel vorahnden sind. Dies lässt sich mit den Behauptungen des Beschwerdeführers nicht in Einklang bringen und spricht daher ebenso dagegen, dass die behauptete Entführung des Bruders stattgefunden hat.

Der Beschwerdeführer gab vor dem BFA und dem Bundesverwaltungsgericht übereinstimmend an, dass er zugestimmt habe, dem IS seinen LKW und ein Grundstück zu geben, damit sein Bruder nicht getötet werde. In der mündlichen Verhandlung dazu befragt, wie genau die Übergabe des LKWs und des Grundstücks an den IS abgelaufen ist, konnte er keine konkreten Schilderungen abgeben. Die Ausführungen des Beschwerdeführers dazu erschöpften sich in dem Satz: "Mein anderer Bruder gab das dem IS.". Auch wann genau die Übergabe war, konnte der Beschwerdeführer nicht sagen. Er gab bloß an, dass es drei Tage nach der Geiselnahme des Bruders war. Er vermutete wiederum nur, dass es im August gewesen sei (Seite 10 des Verhandlungsprotokolls). Auch wenn der Beschwerdeführer selbst nicht dabei war, so kann angenommen werden, dass er mit seinem Bruder darüber gesprochen hat, dass die Übergabe an den IS erfolgt ist und wie sie abgelaufen ist. Der Beschwerdeführer müsste daher in der Lage sein, zur Übergabe etwas konkretere Angaben zu machen als nur vorbringen zu können, dass ein anderer Bruder das dem IS gegeben habe. Es ist daher auch auf Grund dieser äußerst knappen und vagen Ausführungen nicht glaubhaft, dass tatsächlich der LKW und ein Grundstück an den IS übergeben worden sein sollen.

Der Beschwerdeführer brachte vor dem BFA auch vor, dass er nach der Übergabe seines LKW an den IS zur Polizei in Sulaimaniya gegangen sei und dort angezeigt habe, dass ihm der IS den LKW abgenommen habe und er das Kennzeichen seines LKW nicht verlängern könne (Seite 9 des Einvernahmeprotokolls). Der Beschwerdeführer legte dazu vor dem BFA auch die Fotografie einer Anzeigenbestätigung vor (AS 111). Diese vermag jedoch das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht zu stützen. Die Bestätigung enthält nämlich keinerlei Logo oder Siegel, wie es bei Schreiben von irakischen Behörden üblich ist. Es ist ein einfaches Dokument, das mittels Textverarbeitungsprogramm erstellt wurde und könnte somit von jedermann hergestellt worden sei. Auffällig war in der mündlichen Verhandlung, dass der Beschwerdeführer, als er die Ereignisse mit seinem Bruder und die Übergabe des LKWs und des Grundstücks an den IS schilderte, von sich aus nicht erwähnte, dass er bei der Polizei eine Anzeige erstattet habe (Seiten 7 und 8 des Verhandlungsprotokolls). Erst als dem Beschwerdeführer seine diesbezüglichen Angaben vor dem BFA vorgehalten wurden, sprach er von der Anzeige und den Umständen hierfür. Allerdings erklärte er hier nicht mehr, wie noch vor dem BFA, dass er das Kennzeichen nicht hätte verlängern können, sondern sprach davon, dass er das Kennzeichen habe abmelden müssen, damit er keine Probleme bekomme (Seite 11 des Verhandlungsprotokolls). Diese unterschiedliche Darstellung und die Tatsache, dass der Beschwerdeführer vor dem Bundesverwaltungsgericht erst von der Anzeige sprach, als er konkret darauf angesprochen wurde, lassen es nicht glaubhaft erscheinen, dass der Beschwerdeführer tatsächlich Anzeige erstattet hat.

Vor dem BFA erklärte der Beschwerdeführer, dass die Firma, für die er als LKW-Lenker tätig gewesen sei, im November 2014 wegen der wirtschaftlichen Lage zugesperrt habe (Seite 9 des Einvernahmeprotokolls). Auch vor dem Bundesverwaltungsgericht erklärte er, dass die Firma geschlossen worden sei. Der Beschwerdeführer konnte aber weder den Monat noch das Jahr angeben, wann dies gewesen sei. Er brachte vor, dass es entweder 2015 oder 2014 gewesen sei und erklärte schließlich, dass er sich nicht mehr erinnern könne. Danach führte der Beschwerdeführer aus, dass er nur wenig geschlafen habe und seit mehreren Wochen durcharbeite. Über weiteres Befragen gab der Beschwerdeführer aber an, dass dies nicht der Grund dafür sei, dass er sich nicht mehr erinnern könne, sondern vielmehr, dass alles schon fünf Jahre her sei und es daran liege (Seite 10 des Verhandlungsprotokolls). Es ist nachvollziehbar, dass die Erinnerung im Laufe der Zeit verblasst, doch handelt es sich hier nicht um Nebensächlichkeiten im Vorbringen des Beschwerdeführers, sondern vielmehr um Ereignisse, die mit seiner Ausreise aus dem Irak zusammenhängen. Insofern sind seine Wissenslücken nicht nachvollziehbar. Der Beschwerdeführer wurde danach noch von seinem Vertreter zur Schließung der Firma befragt, woraufhin er nun erklärte, es sei im selben Jahr gewesen, als sein Bruder entführt worden sei. Außerdem brachte er nun vor, dass die Firma "im Sommer" geschlossen worden sei. Über weiteres Befragen gab er an, dass die Firma "zwischen August und Oktober" zugesperrt habe. Nachdem ihm der Vertreter seine Angaben vor dem BFA vorhielt, wo er erklärte, die Firma habe im November 2014 zugesperrt, behauptete der Beschwerdeführer nun, dass die Firma "im November" zugesperrt habe (Seite 11 des Verhandlungsprotokolls). Dieses Aussageverhalten des Beschwerdeführers, in kurzer Folge unterschiedliche Zeiten zu nennen, wann die Firma geschlossen worden sei und insbesondere der Umstand, dass er nach Vorhalt seiner Angaben vor dem BFA diese als der Wahrheit entsprechend darzustellen versucht, lässt den Schluss zu, dass die behauptete Schließung der Firma nicht stattgefunden hat.

Der Beschwerdeführer legte auch eine Arbeitsbestätigung der Firma, für die er als LKW-Fahrer gearbeitet habe, vor (AS 119). Aus dieser geht als Arbeitsende der 11.11.2014 hervor (OZ 17). Demzufolge hat der Beschwerdeführer die Arbeit im November 2014 beendet, was nun mit seinen Angaben vor dem BFA übereinstimmt. In der mündlichen Verhandlung erklärte der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als LKW-Fahrer für diese Firma, dass er in Syrien, im Iran, in der Türkei, in Jordanien und im Irak gefahren sei (Seite 6 des Verhandlungsprotokolls). Auf Nachfrage erklärte er, dass er nach der Schließung der Firma nicht mehr im Iran gewesen sei. Er sei nur beruflich im Iran gewesen (Seite 11 des Verhandlungsprotokolls). Mit dieser Behauptung nicht in Einklang zu bringen ist jedoch, dass er zufolge der Ein- und Ausreisestempel in seinem Reisepass am 12.11.2014 vom Irak in den Iran und am 23.11.2014 vom Iran zurück in den Irak gefahren ist (AS 151 und 181). Auch diese Unstimmigkeiten lassen das Vorbringen des Beschwerdeführers, dass die Firma geschlossen worden sei, nicht glaubhaft erscheinen.

In der Stellungnahme zu den dem Beschwerdeführer übermittelten Länderberichten erstattete der Beschwerdeführer ein neues Vorbringen (OZ 19). Demnach habe XXXX gegenüber einem nun in Deutschland aufhältigen Freund bzw. ehemaligen Arbeitskollegen des Beschwerdeführers damit gedroht, den Beschwerdeführer zu töten. Das Vorbringen in der Stellungnahme war von unkonkreten Angaben und vagen Vermutungen gekennzeichnet. XXXX habe dem Beschwerdeführer damals die Stelle als LKW-Fahrer verschafft und XXXX sei der Ansicht, der Beschwerdeführer müsse ihm daher dankbar sein und wäre daher damals verpflichtet gewesen, wie von ihm gewünscht, dem IS beizutreten. Der Beschwerdeführer habe im Jänner 2017 einen Arbeitskollegen bzw. Freund in Österreich getroffen (der eben nun in Deutschland sei), mit diesem Fotos gemacht und dieser Arbeitskollege bzw. Freund habe diese Fotos im Jänner 2017 auf Facebook gepostet. Im März 2017 habe der Arbeitskollege bzw. Freund Bilder von Kämpfen um die Befreiung Mossuls gepostet und danach habe sich XXXX bei ihm über Facebook gemeldet. Dabei habe XXXX auch geschrieben, dass er wisse, dass er und der Beschwerdeführer sich in Österreich befänden und glücklich seien und er dafür sorgen würde, dass sie getötet würden, wenn sie in den Irak zurückkehren bzw. werde er sie selbst töten. Als der Arbeitskollege bzw. Freund diese Nachricht gelesen habe, habe er die Drohbotschaft des XXXX sofort gelöscht und den Facebookaccount geblockt. In der Stellungnahme wird bloß vermutet, dass XXXX jetzt als Polizist in Bagdad arbeite (OZ 19).

In der Stellungnahme war von einer Drohung des XXXX gegenüber einem zunächst in Österreich, dann in Deutschland aufhältigen Arbeitskollegen bzw. Freund die Rede. In der mündlichen Verhandlung sprach der Beschwerdeführer von Drohungen, die er auch vorgelegt hätte und behauptete weiter, dass auch der Freund, der zunächst in Österreich war, einen Drohbrief bekommen habe (Seite 16 des Verhandlungsprotokolls). Damit steigerte der Beschwerdeführer sein Vorbringen, was gegen eine Glaubhaftmachung spricht. Der Beschwerdeführer hat auch nicht, wie behauptete, die Drohungen vorgelegt. Dazu wäre er gar nicht in der Lage gewesen, da in der Stellungnahme vorgebracht wurde, dass der Arbeitskollege bzw. Freund die Drohung sofort gelöscht habe. Es gibt somit keinen schriftlichen Beleg über die angebliche Bedrohung. Dem Beschwerdeführer wurde in der mündlichen Verhandlung auch vorgehalten, dass er seinen Angaben in der Stellungnahme zufolge, gar keine Belege über die Drohungen vorlegen habe könne. Dazu äußerte sich der Beschwerdeführer nicht. Er wich dem Vorhalt aus und schilderte nur das Zustandekommen der Bilder mit dem Freund. Auch dies spricht nicht dafür, dass die angebliche Bedrohung tatsächlich stattgefunden hat.

Der Beschwerdeführer konnte in der mündlichen Verhandlung nicht einmal konkret angeben, wann diese Drohung durch XXXX erfolgt sei. Er stellte auch hier bloß die Vermutung auf, dass es 2018 gewesen sei (Seite 17 des Verhandlungsprotokolls). Es kann nicht nachvollzogen werden, dass der Beschwerdeführer etwas derart Einschneidendes, wie es eine Drohung mit dem Umbringen ist, nicht zeitlich genauer eingrenzen kann. Wäre der Beschwerdeführer tatsächlich bedroht worden, muss davon ausgegangen werden, dass sich der Beschwerdeführer merkt, wann das war. Auch dass der Beschwerdeführer nicht sofort nach der erfolgten Bedrohung dies dem Bundesverwaltungsgericht mitgeteilt hat oder Anzeige bei der Polizei erstattet hat, sondern erst in einer Stellungnahme im November 2019, deren Abgabe ihm anlässlich der Übermittlung von Berichten zur Lage im Irak eingeräumt wurde, davon berichtet, spricht nicht dafür, dass es die Bedrohung tatsächlich gegeben hat.

Dem Beschwerdeführer ist es schon nicht gelungen, jenes Vorbringen glaubhaft zu machen, dass er von XXXX aufgefordert worden sei, sich dem IS anzuschließen, weshalb das darauf aufbauende Vorbringen hinsichtlich einer einem Freund gegenüber geäußerten Drohung, er werde bei einer Rückkehr in den Irak getötet, ebenso wenig glaubhaft ist. Es war daher nicht erforderlich, dem Antrag auf Einvernahme des Freundes als Zeugen nachzukommen. In der mü

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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