TE Vwgh Erkenntnis 1997/10/29 95/09/0120

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Veröffentlicht am 29.10.1997
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
67 Versorgungsrecht;

Norm

AVG §45 Abs3;
KOVG 1957 §18 Abs1;
KOVG 1957 §18 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Fuchs, Dr. Blaschek und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des J in S (vertreten durch den bevollmächtigten Vertreter beim Vorarlberger Kriegsopferverband Werner Melter, p.A. Bregenz, Bahnhofstraße 39) gegen den Bescheid der Schiedskommission beim Bundessozialamt Vorarlberg vom 6. April 1995, Zl. OB: 910-007293-005 SK/B-1/94, betreffend Einstellung der Pflege- und Schwerstbeschädigtenzulage nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung von Aufwandersatz wird abgewiesen.

Begründung

Der im Jahr 1924 geborene Beschwerdeführer bezieht aufgrund des Berufungsbescheides der Schiedskommission beim Landesinvalidenamt für Vorarlberg vom 15. Februar 1988 (erstinstanzlicher Bescheid 12. August 1987) mit Wirkung ab 1. April 1987 eine Beschädigtengrundrente nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz 1957 (KOVG) entsprechend einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) nach den §§ 7 und 8 KOVG von 100 %.

Mit Bescheid vom 29. Februar 1988 gewährte das Landesinvalidenamt für Vorarlberg dem Beschwerdeführer gemäß den §§ 18 und 51 KOVG eine Pflegezulage in der Höhe der Stufe I. Diese Pflegezulage betrage ab 1. Mai 1987 monatlich S 5.338,--. Zur Begründung wurde ausgeführt, am 26. August 1987 habe der bevollmächtigte Vertreter des Beschwerdeführers die Gewährung der Pflegezulage beantragt, weil die Dienstbeschädigung in funktioneller Hinsicht der Amputation beider Unterschenkel entspreche. Als Dienstbeschädigung seien beim Beschwerdeführer folgende Gesundheitsschädigungen anerkannt:

"Verlust des linken Unterschenkels im mittleren Bereich, oberflächlicher Knochendefekt im Bereich des linken Schläfenbeines, Verlust der 2. Zehe nach Granatsplitterverletzung, Schmerzhaftigkeit und mäßige Bewegungseinschränkung im rechten Kniegelenk mit röntgenologisch nachweisbaren arthrotischen Veränderungen nach offener Kniegelenksverletzung sowie leichte Bewegungseinschränkung und Schmerzhaftigkeit im oberen Sprunggelenks- und Fußwurzelbereich, mehrfache Narben an der rechten Kniegelenksgegend, Stecksplitter im distalen Wadenbeinbereich rechts."

Nach dem ärztlichen Sachverständigengutachten - so die weitere Begründung im Bescheid vom 29. Februar 1988 - vom 11. Jänner 1988 entsprächen "Ihre Dienstbeschädigungen in funktioneller Hinsicht dem Verlust beider Unterschenkel". Nach § 18 KOVG werde zur Beschädigtenrente eine Pflegezulage gewährt, wenn der Beschädigte infolge der Dienstbeschädigung so hilflos sei, daß er für lebenswichtige Verrichtungen der Hilfe einer anderen Person bedürfe. Gemäß § 18 Abs. 3 Z. 8 KOVG gebühre bei Verlust beider Unterschenkel eine Pflegezulage in Höhe der Stufe I. Für andere Schädigungen an Gliedmaßen, die diesen Verlust in funktioneller Hinsicht gleichzuhalten seien, gebühre die Pflegezulage in gleicher Höhe.

Mit Bescheid vom 6. März 1988 erkannte das Landesinvalidenamt für Vorarlberg dem Beschwerdeführer von Amts wegen gemäß § 11a KOVG zur Beschädigtenrente eine Schwerstbeschädigtenzulage zu (diese betrage ab 1. Mai 1987 monatlich S 1.229,--). In der Begründung wird dazu im wesentlichen festgehalten, nach § 11a Abs. 5 KOVG sei Empfängern einer Pflegezulage nach § 18 Abs. 3 Z. 8 KOVG die Schwerstbeschädigtenzulage im Ausmaß des nach § 11a Abs. 4 lit. a KOVG vorgesehenen Betrages zu leisten.

Mit Bescheid vom 23. November 1994 stellte das Bundessozialamt Vorarlberg die dem Beschwerdeführer gewährte Pflegezulage gemäß §§ 18 und 52 KOVG ein. In der Begründung ist davon die Rede, am 19. November 1993 sei beim Beschwerdeführer eine Implantation einer PCA-Knieprothese am rechten Knie erfolgt. Nach dem amtswegig eingeholten und am 3. November 1994 erstatteten fachärztlichen Sachverständigengutachten sei es nunmehr zu einer wesentlichen Befundänderung der am rechten Kniegelenk anerkannten Dienstbeschädigung gekommen; die Schädigungen an den unteren Gliedmaßen seien in funktioneller Hinsicht nicht mehr dem Verlust beider Unterschenkel gleichzusetzen. Da somit nach dem amtswegig durchgeführten Ermittlungsverfahren aufgrund der festgestellten Befundänderung am rechten Kniegelenk die Voraussetzungen für den Bezug einer Pflegezulage nicht mehr vorlägen, sei diese Leistung mit Ablauf des Monates einzustellen gewesen, der auf die Zustellung dieses Bescheides folge.

In dem im Bescheid vom 23. November 1994 erwähnten ärztlichen Sachverständigengutachten Dris. Z. vom 3. November 1994 wird die unter der laufenden Nummer

4. angegebene Dienstbeschädigung wie folgt bezeichnet:

"Schmerzhaftigkeit, mäßige Bewegungseinschränkung im rechten Kniegelenk mit Herabsetzung der Kraft und Verschmächtigung der Oberschenkelmuskulatur (Kniegelenksprothese)" und dazu die Einstufung in der Richtsatzposition 419 mit 40 % (gegenüber bisher 60 %) vorgenommen (in den übrigen Dienstbeschädigungen ergab sich keine Änderung der Einstufung). Zur Begründung wird im Sachverständigengutachten ausgeführt, im Dienstbeschädigungsleiden 4 sei es zu einer wesentlichen Änderung gekommen, weil durch die Implantation der Prothese eine wesentliche Verbesserung der Beweglichkeit eingetreten sei. Es bestehe "zwar eine Bewegungseinschränkung, insbesondere ein störendes Streckdefizit von 10 Grad, die subjektiv angegebenen Beschwerden, wie Schmerzen bei Wetterwechsel, sowie Empfindlichkeit an der Knieinnenseite (dadurch Schlafstörungen und Spannungsgefühl in der Kniekehle) sind erklärbar und durchaus glaubhaft". Die Einschätzung erfolge demzufolge nach Position 419, jedoch entsprechend dem klinischen Befund gemäß dem unteren Rahmensatz von 40 v.H. Die Schädigungen an den Gliedmaßen seien in funktioneller Hinsicht "nun nicht mehr dem Verlust beider Unterschenkel gleichzusetzen".

Mit dem am 1. Dezember 1994 dem Beschwerdeführer zugestellten Bescheid vom 21. November 1994 des Bundessozialamtes Vorarlberg erfolgte die Einstellung der zur Beschädigtenrente gewährten Schwerstbeschädigtenzulage, weil die Voraussetzungen für die Gewährung einer Pflegezulage nach § 18 Abs. 3 Z. 8 KOVG nicht mehr vorlägen.

Mit Schriftsatz vom 15. Dezember 1994 erhob der Beschwerdeführer gegen die Bescheide betreffend Einstellung der Pflegezulage und der Schwerstbeschädigtenzulage Berufung. Die Entscheidungen des Bundessozialamtes gingen von einer unvollständigen Befunderhebung des ärztlichen Sachverständigen aus. Zurückzuführen sei dies auch auf eine unvollständige Information. Im seinerzeitigen Bescheid vom 12. August 1987 seien auch Stecksplitter im distalen Wadenbereich rechts und eine leichte Bewegungseinschränkung sowie Schmerzhaftigkeit im oberen Sprunggelenksbereich als Dienstbeschädigungen anerkannt worden. Anläßlich der Kniegelenksoperation sei im Landeskrankenhaus Feldkirch auch in Erwägung gezogen worden, aufgrund der Schädigung im Sprunggelenk ebenfalls eine operative Behandlung vorzunehmen. Es "finden sich in diesem Bereich zunehmende Schwierigkeiten. Besonders betroffen ist auch die Großzehe". Es werde der Antrag gestellt, die erstinstanzlichen Bescheide aufzuheben, ein ärztliches Sachverständigengutachten erst nach ausführlicher Befunderhebung zu erstellen und die Entscheidung mit einem vollständigen Befund und Gutachten zu begründen.

Mit dem nunmehr angefochtenen (dem bevollmächtigten Vertreter des Beschwerdeführers beim Kriegsopferverband am 12. April 1995 zugestellten) Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Gemäß den §§ 11a, 18 und 52 KOVG würden die gewährte Schwerstbeschädigtenzulage und die Pflegezulage mit dem Ablauf des Monates eingestellt, der auf die Zustellung dieses Bescheides folge. Nach Schilderung des Inhaltes der erstinstanzlichen Bescheide und der Berufung wird im angefochtenen Bescheid ausgeführt, in einer von der belangten Behörde eingeholten und am 24. Februar 1994 (richtig wohl: 1995) abgegebenen gutachterlichen Stellungnahme des leitenden Arztes beim Bundessozialamt werde ausgeführt, daß bei der Beurteilung im fachärztlichen Sachverständigengutachten vom 3. November 1994 hinsichtlich der Frage, ob die an den unteren Extremitäten anerkannten Dienstbeschädigungsleiden in funktioneller Hinsicht dem Verlust beider Unterschenkel entsprächen, sowohl die anerkannte "leichte Bewegungseinschränkung und Schmerzhaftigkeit im oberen Sprunggelenks- u. Fußwurzelbereich" als auch die "Stecksplitter im distalen Wadenbereich rechts" mitberücksichtigt und inkludiert worden seien. Anläßlich des "gewährten Parteiengehörs" werde vom bevollmächtigten Vertreter des Beschwerdeführers nochmals auf eine Befunderhebung und Stellungnahme zur Schädigung am rechten Sprunggelenk und Großzehe hingewiesen. Diese Schädigungen seien ebenfalls als Dienstbeschädigungsleiden anzuerkennen. Hiezu sei festzuhalten, daß die Schädigung am rechten Sprunggelenk bereits als Dienstbeschädigung anerkannt sei. Nach gutachterlicher Ansicht des ärztlichen Sachverständigen sei aber auch bei einer Höhereinschätzung des Leidens am rechten Sprunggelenk der Gesamtleidenszustand an den unteren Extremitäten unter Berücksichtigung aller Leiden nicht dem Verlust beider Unterschenkel gleichzusetzen. Maßgebend für diese Beurteilung sei der Umstand, daß durch den "Einbau der Knieprothese" in funktioneller Hinsicht eine wesentliche Verbesserung des Zustandes eingetreten sei. Der Gesamtleidenszustand an den unteren Extremitäten sei laut der gutachterlichen Stellungnahme vom 24. Februar 1995 auch unter Berücksichtigung aller Leiden nicht dem Verlust beider Unterschenkel gleichzusetzen, weshalb die Voraussetzungen für die Gewährung einer Pflegezulage nach § 18 Abs. 3 Z. 8 KOVG und in weiterer Folge einer Schwerstbeschädigtenzulage nach § 11a Abs. 5 KOVG nicht mehr gegeben seien.

In der aktenkundigen gutachterlichen Stellungnahme des leitenden Arztes beim Bundessozialamt für Vorarlberg vom 24. Februar 1995 ist davon die Rede, daß nach Rücksprache mit Dr. Z. aus Versehen nicht der vollständige Wortlaut des DB-Leidens Nr. 4 im Gutachten wiedergegeben worden sei. Es sei aber sehr wohl in der Einschätzung dieses Leidens auch die "leichte Bewegungseinschränkung und ... Fußwurzelbereich" berücksichtigt und inkludiert worden. Nach der gutachterlichen Ansicht Dris. Z. wäre aber auch bei einer Höhereinschätzung des Leidens Nr. 4 der Gesamtzustand der unteren Extremitäten unter Berücksichtigung aller Leiden nicht dem Verlust beider Unterschenkel gleichzuhalten. Der Zustand habe sich durch den Einbau der Knieprothese wesentlich verbessert, zumindest in funktioneller Hinsicht.

In den Verwaltungsakten befindet sich weiters ein Formular über eine am 3. März 1995 seitens des Beschwerdeführers durchgeführte Akteneinsicht. Darin ist handschriftlich angemerkt: "zur Schädigung re Sprunggelenk u. Großzehe kein Befund u. Stellungnahme, als DB anzuerkennen". Der Vermerk ist (offensichtlich) von dem auch im nunmehrigen Beschwerdeverfahren einschreitenden bevollmächtigten Vertreter des Beschwerdeführers unterfertigt.

In der - gemäß § 24 Abs. 2 VwGG mit der Unterschrift eines Rechtsanwaltes versehenen - Beschwerde wird beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Als "Beschwerdepunkt" wird angeführt, die "fachärztliche Beurteilung und jene des leitenden Arztes des Bundessozialamtes stützen sich auf einen unvollständigen und daher mangelhaften Befund, so daß die Schlußfolgerung falsch ist sowohl hinsichtlich des Anspruches auf Pflegezulage als auch auf Schwerstbeschädigtenzulage. Auf die Berufungseinwendungen wurde weder von den ärztlichen Sachverständigen noch auch von der Schiedskommission eingegangen, so daß auch die Begründung der Entscheidung mangelhaft ist".

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Mit Schriftsatz vom 4. Oktober 1995 übermittelte die belangte Behörde eine Bescheidabschrift des Bundessozialamtes Vorarlberg über die Weitergewährung einer Pflegezulage in Höhe der Stufe I ab 1. Juni 1995. Nach dem Inhalt des erwähnten Bescheides erfolgte die Wiederzuerkennung der (aufgrund des angefochtenen Bescheides) mit 1. Juni 1995 eingestellten Pflegezulage deshalb, weil am 21. April 1995 ein Antrag auf Gewährung einer Pflegezulage mit der Begründung eingebracht worden sei, daß der Beschwerdeführer für lebenswichtige Verrichtungen auf fremde Hilfe und Wartung angewiesen sei (diese außergewöhnliche Pflege und Wartung sei nach einem ärztlichen Sachverständigengutachten vom 7. August 1995 auch erforderlich).

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 18 Abs. 1 KOVG wird zur Beschädigtenrente eine Pflegezulage gewährt, wenn der Beschädigte infolge der Dienstbeschädigung so hilflos ist, daß er für lebenswichtige Verrichtungen der Hilfe einer anderen Person bedarf. § 18 Abs. 3 KOVG enthält für verschiedene Verluste und Teilverluste von Gliedmaßen Einstufungen in die fünf vorgesehenen Stufen der Pflegezulage nach § 18 Abs. 4 leg. cit. § 18 Abs. 3 Z. 8 KOVG sieht dazu beim "Verlust beider Unterschenkel" die Stufe I vor.

§ 18 Abs. 3 KOVG enthält auch die Bestimmung, daß für andere Schädigungen an Gliedmaßen, die den vorangeführten Verlusten und Teilverlusten in funktioneller Hinsicht gleichzuhalten sind, die Pflegezulage in gleicher Höhe gebührt.

§ 11a Abs. 5 bestimmt u.a., daß Empfängern einer Pflegezulage eine Schwerstbeschädigtenzulage im Ausmaß nach § 11 Abs. 4 lit. a leg. cit. zu leisten ist, wenn ein Anspruch auf Pflegezulage gemäß § 18 Abs. 3 Z. 8 bis 12 KOVG gegeben ist (und sich nicht aus den Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 des § 11a KOVG ein höherer Betrag ergibt).

§ 18 Abs. 3 KOVG stellt betreffend Gewährung einer Pflegezulage für die dort genannten Verluste und Teilverluste von Gliedmaßen eine Spezialnorm dar. Bei Vorliegen der dort genannten Gesundheitsschädigungen ist damit auch ohne Rücksicht auf die tatsächlichen Auswirkungen in bezug auf eine Hilflosigkeit nach § 18 Abs. 1 leg. cit. eine Pflegezulage zuzuerkennen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Februar 1982, 81/09/0133). Ein Anspruch auf Pflegezulage gemäß § 18 Abs. 3 Z. 8 KOVG vermittelt (anders als eine Pflegezulage nach § 18 Abs. 1) ohne weiteres die Leistung einer Schwerstbeschädigtenzulage nach § 11a Abs. 5 KOVG. Wegen dieser besonderen Rechtswirkung einer Pflegezulage nach § 18 Abs. 3 Z. 8 KOVG im Hinblick auf einen Anspruch auf eine Schwerstbeschädigtenzulage nach § 11 Abs. 5 leg. cit. ist im Ergebnis auch keine Klaglosstellung des Beschwerdeführers dadurch eingetreten, daß nach dem von der belangten Behörde mit Schriftsatz vom 4. Oktober 1995 übermitteltem Bescheid wiederum eine Zuerkennung einer Pflegezulage in der Höhe der Stufe I ab 1. Juni 1995 erfolgt ist (deren Zuerkennung sich aber - nur - auf eine Hilflosigkeit nach § 18 Abs. 1 KOVG stützt).

Zu der in der Beschwerde vorgetragenen Rüge, die belangte Behörde habe nicht weiter überprüft, ob die Voraussetzungen betreffend einer notwendigen "Wartung und Pflege" des Beschwerdeführers im Hinblick auf die Zuerkennung einer Pflegezulage nach § 18 Abs. 1 (i.V.m. Abs. 2) gegeben gewesen seien, ist im übrigen folgendes zu sagen:

Betreffend Hilflosigkeit und erforderlicher Pflege und Wartung des Beschwerdeführers nach § 18 Abs. 1 KOVG ergab sich nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren kein Hinweis (der seinerzeitige Antrag auf Zuerkennung der Pflegezulage vom 26. August 1987 lautete nur auf Gewährung einer Pflegezulage, weil die Dienstbeschädigung in funktioneller Hinsicht der Amputation beider Unterschenkel entspreche). Ein diesbezügliches Vorbringen wird etwa auch in der Berufungsschrift vom 15. Dezember 1994 nicht erstattet. Die Beschwerdeausführungen zur Erfüllung der Voraussetzungen für die Zuerkennung einer Pflegezulage nach § 18 Abs. 1 KOVG unterliegen damit dem nach § 41 Abs. 1 VwGG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbot.

Im Ergebnis kommt dem Beschwerdevorbringen aber (betreffend die Einstellung einer Pflegezulage aus dem Titel des § 18 Abs. 3 Z. 8 und dem dadurch bedingten Wegfall einer Schwerstbeschädigtenzulage nach § 11a KOVG) aus nachstehenden Gründen Berechtigung zu:

Gemäß § 37 AVG (i.V.m. § 86 KOVG) ist es Zweck des Ermittlungsverfahrens, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben.

Im angefochtenen Bescheid ist zwar u.a. davon die Rede, dem Beschwerdeführer sei zur gutachterlichen Stellungnahme des leitenden Arztes vom 24. Februar 1995 Parteiengehör gewährt worden. Dies entspricht allerdings nicht der Aktenlage. Parteiengehör muß grundsätzlich in förmlicher Weise gewährt werden und aus der Aufforderung auch für die Partei erkennbar sein, daß ihr damit Gelegenheit gegeben werden soll, von durchgeführten Beweisaufnahmen Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen. Zur Durchführung des Parteiengehörs genügt es nicht, wenn der Partei der maßgebliche Sachverhalt in irgendeiner Weise bekannt wird (vgl. Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage 1996, S. 330).

Nach der Aktenlage hat der Beschwerdeführer bzw. sein bevollmächtigter Vertreter zwar am 3. März 1995 Akteneinsicht genommen und dazu auch handschriftlich einige Notizen angemerkt, es ist aber aus dem Formular über die durchgeführte Akteneinsicht in keiner Weise erkennbar, daß damit in förmlicher Weise Parteiengehör im Sinn des § 45 Abs. 3 AVG - mit der vor Abschluß des Ermittlungsverfahrens der Partei eingeräumten Möglichkeit zur entsprechenden Äußerung - gewährt worden wäre.

Damit hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit einem wesentlichen Verfahrensmangel belastet, dessen Relevanz zur (ungeachtet der tatsächlichen Höhe der Richtsatzeinschätzung) für die Zuerkennung der Pflegezulage entscheidenden Frage, ob die Dienstbeschädigungsleiden an den Gliedmaßen funktionell auch dem Verlust beider Unterschenkel gleichzuhalten sind, durch die in der Beschwerde neuerlich vorgetragene Kritik an der ärztlichen Gutachtenserstattung Dris. Z. vom 3. November 1994 zum Ausdruck gebracht wird (so keine Berücksichtigung der Arthrose am rechten Fuß, der Stecksplitter im distalen Wadenbereich rechts und der leichten Bewegungseinschränkung sowie Schmerzhaftigkeit im oberen Sprunggelenks- und Fußwurzelbereich, und Vorbringen in der Richtung, daß bei "guten Stumpfverhältnissen" die Leistungsfähigkeit des amputierten Beines wesentlich besser sei, als "funktions- und schmerzbedingt" das im Knie- und Fußgelenk geschädigte rechte Bein). Auch wäre es dem Beschwerdeführer bei Gewährung eines förmlichen Parteiengehörs möglich gewesen, einen im Rahmen der Beschwerde vorgelegten Arztbrief des Oberarztes Dr. Sp. vorzulegen, der nach dem Beschwerdevorbringen "zumindest glaubhaft gemacht" hätte, daß die Kritik "der Mangelhaftigkeit von Befund und Gutachten des Sachverständigen sehr wohl begründet war".

Der angefochtene Bescheid war daher insgesamt gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Nach § 49 Abs. 1 letzter Satz VwGG i.d.F. der mit 1. September 1997 in Kraft getretenen Novelle BGBl. Nr. 88/1997 gebührt Schriftsatzaufwand nur dann, wenn der Beschwerdeführer tatsächlich durch einen Rechtsanwalt vertreten war. Da im Beschwerdefall eine derartige Vertretung nicht vorlag, war der beantragte Schriftsatzaufwand nach § 48 Abs. 1 Z. 2 VwGG nicht zuzuerkennen.

Schlagworte

Verfahrensrecht Diverses

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995090120.X00

Im RIS seit

27.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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