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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Keine Gesetzwidrigkeit der vom Gesetz abweichenden Festlegung von Mindestabständen in einem Bebauungsplan; öffentliches Interesse an den im Sinne der Pflege des Orts- und Landschaftsbildes und der Sanierung bzw Erneuerung des Altbestandes getroffenen Festlegungen; keine Überschreitung des - bei erstmaliger Erlassung weiteren - PlanungsermessensSpruch
Der Bebauungsplan Nr. 12 "Patek-Altenschlag 11", beschlossen vom Gemeinderat der Gemeinde Helfenberg am 25. April 1992, wird nicht als gesetzwidrig aufgehoben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B1367/93 ein Verfahren über eine gemäß Art144 Abs1 B-VG eingebrachte Beschwerde anhängig, welcher folgender Sachverhalt zugrunde liegt:
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Helfenberg (Oberösterreich) vom 29. Oktober 1990 war den Eigentümern des Grundstückes Nr. 160, KG Helfenberg, A und B P, eine konsenslose Bauführung auf diesem Grundstück untersagt worden.
Am 14. August 1992 beantragten A und B P die Erteilung einer Baubewilligung zum Umbau und zur Errichtung eines Einfamilienhauses auf dem genannten Grundstück, welche mit Bescheid des Bürgermeisters von Helfenberg vom 22. Oktober 1992 erteilt wurde. Die von den Beschwerdeführern als Nachbarn gegen die Baubewilligung erhobene Berufung blieb ebenso erfolglos (abweislicher Bescheid des Gemeinderates vom 5. April 1993) wie die gegen den letztinstanzlichen Gemeindebescheid eingebrachte Vorstellung. Dieser wurde mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 23. Juni 1993 keine Folge gegeben.
In der gegen diesen Vorstellungsbescheid erhobenen Verfassungsgerichtshofbeschwerde wird (ausschließlich) die Gesetzwidrigkeit des der Baubewilligung zugrundeliegenden Bebauungsplanes vom 25. April 1992 behauptet.
2. Aus Anlaß dieser Beschwerde beschloß der Verfassungsgerichtshof am 22. Juni 1994, die Gesetzmäßigkeit des Bebauungsplanes Nr. 12 "Patek-Altenschlag 11", beschlossen vom Gemeinderat der Gemeinde Helfenberg am 25. April 1992, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 7. bis 22. September 1992, gemäß Art139 Abs1 B-VG von Amts wegen zu prüfen.
3. Im Verordnungsprüfungsverfahren verteidigten der Gemeinderat der Gemeinde Helfenberg und die Oberösterreichische Landesregierung die Gesetzmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Verordnung.
Die Beschwerdeführer im Anlaßverfahren treten in ihrer Äußerung dem entgegen.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Mit Beschluß des Gemeinderates der Gemeinde Helfenberg vom 25. April 1992 wurde der Bebauungsplan Nr. 12 "Patek-Altenschlag 11" erlassen. Die im Anlaßverfahren bekämpfte Baubewilligung stützt sich auf diesen Bebauungsplan, welcher sohin präjudiziell ist.
Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist das von Amts wegen eingeleitete Verordnungsprüfungsverfahren zulässig.
2. Der Verfassungsgerichtshof hat im Beschluß über die Einleitung des Verordnungsprüfungsverfahrens seine Bedenken wie folgt begründet:
"a) Nach dem unwidersprochen gebliebenen Beschwerdevorbringen, welches auch mit den vorgelegten Verwaltungsakten nicht in Widerspruch steht, scheinen die Eigentümer des hier maßgeblichen Baugrundstückes nach der Einstellung ihres konsenslosen Baues den Gemeinderat zur Erlassung eines Teilbebauungsplanes bewogen zu haben. Dieser - wie bereits ausgeführt lediglich das Baugrundstück umfassende - Bebauungsplan scheint es den Bauwerbern zu ermöglichen, das Bauwerk entsprechend ihren ursprünglichen Planungsabsichten zu verwirklichen (obwohl nach einer im Akt erliegenden Verhandlungsschrift vom 3. Dezember 1990 das - zum damaligen Zeitpunkt bereits begonnene - Bauwerk auf zwei Seiten mit den Abstandsbestimmungen nach der OÖ BauO nicht im Einklang stand und der Bausachverständige damals darauf hingewiesen hat, daß 'im Hinblick auf die Qualifikation der beantragten Baumaßnahme als Neubau sowie die gegebene Flächenwidmung die Erteilung einer baurechtlichen Bewilligung nach Maßgabe der Bestimmung des §32 OÖ BauO rechtlich nicht denkbar' sei und daß 'unter Rücksichtnahme auf gegebene nachbarliche Baubestände die gegenständliche Liegenschaft außerhalb eines geschlossenen bebauten Gebietes gelegen ist.').
b) Es scheint also, daß der Verordnungsgeber den Bebauungsplan der vorher bereits begonnenen Bauweise angepaßt und ausschließlich den Wünschen der Bauwerber Rechnung getragen hat. In diese Richtung deutet auch die Äußerung eines Mitgliedes des Gemeinderates in der Sitzung vom 25. April 1992, Herr P solle 'die Möglichkeit bekommen, dort zu bauen'. Der in Prüfung gezogene Bebauungsplan dürfte somit auf keinem planerischen Konzept des Gemeinderates beruhen, sondern ausschließlich den privaten Interessen der Bauwerber eines einzelnen Grundstückes gedient haben, um ihnen die Fertigstellung eines - rechtswidrig begonnenen - Bauwerkes zu ermöglichen (vgl. hiezu zB VfSlg. 5794/1968, 12171/1989).
An diesem Ergebnis scheint der Hinweis der Oberösterreichischen Landesregierung auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 19. März 1993, B755/92, offenbar nichts zu ändern, weil in diesem Erkenntnis Fragen der Planänderung gemäß §23 des Oberösterreichischen Raumordnungsgesetzes 1972 (die Änderung eines bestehenden Planes hat hier nicht stattgefunden) zu erörtern waren und die Planänderung auch keineswegs nur ein einziges Grundstück betraf. Auch dürfte es - entgegen der Auffassung der belangten Landesregierung - wohl nicht darauf ankommen, ob der Plan (wie im Falle des Erkenntnisses VfSlg. 12171/1989) einen rechtswidrig fertiggestellten Bau sanieren oder - wie hier - dessen Fertigstellung erst ermöglichen sollte.
c) Im Verordnungsprüfungsverfahren wird aber auch zu erörtern sein, ob die mit dem Bebauungsplan Nr. 12 'Patek Altenschlag 11' vorgenommenen Festlegungen etwa dem gesamten planerischen Konzept der Gemeinde Helfenberg entsprechen und im Rahmen der Planungsabsichten des Gemeinderates als zweckmäßig und sinnvoll gewertet werden können. Ebenso wird zu prüfen sein, bei welchen örtlichen Verhältnissen, insbesondere bei welcher Art der Verbauung und mit welcher Häufigkeit in der Gemeinde Helfenberg von den Abstandsvorschriften der OÖ BauO abweichende Festlegungen erfolgt sind; ob derartige Abweichungen also einem planerischen Konzept entsprechen."
3.1. Der Gemeinderat der Gemeinde Helfenberg verteidigt die Gesetzmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Verordnung wie folgt:
"Seitens der Gemeinde Helfenberg wird erklärt, daß der Bebauungsplan Nr. 12 mit den Festlegungen des planerischen Konzeptes der Gemeinde Helfenberg übereinstimmt. Der Bebauungsplan ist wie aus den beiliegend übermittelten Unterlagen eindeutig ersichtlich, den gesetzlichen Bestimmungen mit Bescheid des Amtes der OÖ. Landesregierung vom 24. Aug. 1992, BauR-P-119010/2-1992 Els, genehmigt.
Es wurde nach der Vorlage zur Verordnungsprüfung ebenfalls vom Amt der O.Ö. Landesregierung am 13.10.1992 mit der Zahl BauR-P-119010/3-1993 Els mitgeteilt, daß die Verordnungsprüfung keine Gesetzwidrigkeit ergeben hat.
Seitens der Gemeinde Helfenberg wird erklärt, daß der Bebauungsplan Nr. 12 mit den Festlegungen des planerischen Konzeptes der Gemeinde übereinstimmt.
Bereits in drei anderen Fällen, und zwar mit den Bebauungsplänen Nr. 10, 11 und 13 wurden im Hinblick auf die Abstandsvorschriften der OÖ. Bauordnung abweichende Festlegungen vorgenommen.
Es ging bei der Verordnung dieser Bebauungspläne immer darum, den Bestand der Gebäude zu erhalten bzw. eine sinnvolle Erneuerung der Gebäude zu ermöglichen.
Diese damals begonnene Linie, an der vom Gemeinderat nunmehr festgehalten wird, war auch die Grundlage den besagten Bebauungsplan Nr. 12, Patek Altenschlag zu verordnen.
Im besonderen ist es bei der Erlassung dieser Bebauungspläne immer darum gegangen, daß bestehende Objekte bzw. zu errichtende Objekte dem widmungsgemäßen Zweck beibehalten bleiben.
Es wird auch festgehalten, daß im besagten Fall der Bestand dieser dort bestehenden Wohnhäuser, Altenschlag 10 u. 11 seit eh und je gegeben war und durch diese Erlassung des Bebauungsplanes der Zustand, der immer gegeben war (diese beiden Wohnhäuser nebeneinander), nicht verändert wird bzw. wurde.
Angemerkt sei besonders, daß das alte Wohnhaus direkt an der Grundgrenze zum Nachbar E steht bzw. stand. Durch den Bebauungsplan wurde der Abstand auf 1 m verordnet.
Auf dem beiliegenden Lageplan, auf dem der Altbestand gelb gekennzeichnet ist, sowie auf Fotos (die dem Amt der OÖ. Landesregierung übermittelt wurden) ist dies klar ersichtlich.
Der besagte Bebauungsplan wurde keineswegs deswegen erlassen, um den konsenslosen bzw. begonnenen Bau zu legalisieren. Auch kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Gemeinde bzw. der Gemeinderat den Bebauungsplan, der vorher bereits begonnenen Bauweise angepaßt und ausschließlich den Wünschen der Bauwerber Rechnung getragen hat, weil wie auch aus beiliegendem Lageplan ersichtlich, der Bauwerber ursprünglich nur einen Abstand von 0,60 m zur Nachbargrundgrenze wollte!
Es ging nicht darum dem Bauwerber die Fertigstellung des Bauwerkes zu ermöglichen sondern darum, daß er an dieser besagten Stelle wieder ein ordnungsgemäßes Wohnobjekt (wie es auch früher dort war) errichten kann."
3.2. Die Oberösterreichische Landesregierung verweist zunächst auf die Äußerung der Fachabteilung örtliche Raumordnung, in der darauf hingewiesen wird, daß der Bebauungsplan Nr. 12 "Patek-Altenschlag 11" von Anfang an lediglich die Konservierung der vorhandenen Abstände des bestehenden Objektes zu den Grundgrenzen des Bauareals des Grundstückes Nr. 160 innerhalb des gewidmeten Dorfgebietes zum Inhalt und Ziel hatte.
Es treffe nicht zu, daß der in Prüfung gezogene Bebauungsplan ausschließlich den privaten Interessen der Bauwerber eines Grundstückes gedient habe, um die Fertigstellung eines rechtswidrig begonnenen Bauwerkes zu ermöglichen. Die Gemeinde habe unter Vorlage entsprechender Unterlagen (Fotografien vor und nach den Baumaßnahmen und eines Lageplanes des Altbestandes) darauf hingewiesen, daß der Bebauungsplan nicht dem vorher begonnenen Bauwerk angepaßt wurde und ausschließlich den Wünschen der Bauwerber Rechnung trage, und führt weiters aus:
"Geht man davon aus, daß es sich beim Baubewilligungsverfahren um ein Projektgenehmigungsverfahren handelt, steht auch keineswegs fest, daß mit der im Instanzenzug erteilten und bekämpften Baubewilligung auch die bereits konsenslos begonnenen Bauführungen mitbewilligt worden sind.
Dem Gemeinderat ging es vielmehr darum, daß auf dem Grundstück überhaupt wieder ein Wohngebäude errichtet werden konnte.
Diesem Umstand kommt nach Auffassung der O.ö. Landesregierung insoferne Bedeutung zu, als nach der derzeit geltenden Rechtslage zwar eine Sanierung auch in Form eines Umbaues (aber kein Neubau) jederzeit ohne Erstellung eines Bebauungsplanes möglich wäre, da aus §32 Abs2 O.ö. Bauordnung 1976, LGBl. Nr. 35/1976 in der Fassung LGBl. Nr. 82/1983, hervorgeht, daß die in dieser Bestimmung festgelegten Abstandsvorschriften nur für Neubauten und solche Zubauten, die eine Vergrößerung des Gebäudes der Länge oder Breite nach bezwecken, anzuwenden sind.
Der Gemeinderat wollte durch den in Prüfung stehenden Bebauungsplan offenbar nur die Wiederherstellung des Gebäudes auch in Form eines Neubaues anstelle einer möglicherweise wirtschaftlich nicht vertretbaren Sanierung des Altbestandes im Sinn eines 'planerischen Konzeptes' ermöglichen."
Die Oberösterreichische Landesregierung tritt auch dem Bedenken, daß der angefochtene Bebauungsplan auf keinem gesamtplanerischen Konzept beruhe, entgegen.
Es existiere zwar kein Konzept in schriftlicher Form, doch weise die Gemeinde auf eine planerische Linie hin, welche diese bereits in mehreren Fällen verfolgt habe:
"Diese 'Linie' scheint nach Auffassung der O.ö. Landesregierung im Hinblick auch auf die Fragestellung des Verfassungsgerichtshofes im Beschluß vom 22.6.1994 (Seite 4 litc), wonach zu prüfen sein werde, bei welchen örtlichen Verhältnissen, insbesondere bei welcher Art der Verbauung und mit welcher Häufigkeit in der Gemeinde von Abstandsvorschriften der O.ö. Bauordnung abweichende Festlegungen erfolgt sind, einem planerischen Konzept zumindest nahe zu kommen. Dies insbesondere auch deshalb, weil im ländlichen Raum vielfach alte Wohngebäude dem heutigen Standard an Wohnqualität ohne die Möglichkeit eines weitgehenden Neubaues nicht mehr gerecht werden dürften und andererseits der ansonsten zu befürchtende oft langsame bauliche Verfall dieser Gebäude nicht im öffentlichen Interesse, insbesondere im Interesse der Gemeinde liegen dürfte. Laut Aktenlage wurde in diesem Zusammenhang in den Gemeinderatssitzungen mehrfach auf das Interesse an der Erhaltung des Orts- und Landschaftsbildes hingewiesen."
3.3. Die Beschwerdeführer des Anlaßverfahrens halten entgegen:
"1. Die Ausführungen der OÖ Landesregierung und der Gemeinde Helfenberg sind nicht geeignet, die vom Verfassungsgerichtshof in seinem Beschluß vom 22.6.1994, B1367/93-10, geäußerten Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit des streitgegenständlichen Bebauungsplanes zu entkräften. Tatsächlich beruht der Entwurf bezogene (gemeint wohl: in Prüfung gezogene) Bebauungsplan auf keinem planerischen Konzept des Gemeinderates, sondern dient ausschließlich dem privaten Interesse der Bauwerber eines einzelnen Grundstückes, um ihnen die Fertigstellung eines - rechtswidrig begonnenen - Bauwerks zu ermöglichen (vgl. VfSlg. 5794/1968, 12171/1989).
2. Festzuhalten ist, daß das zu bebauende Grundstück lediglich zirka 160 Quadratmeter aufweist, es weist daher nicht die erforderliche Mindestgröße für einen Bauplatz nach den Bestimmungen der OÖ Bauordnung auf. Das bestehende Altgebäude wurde - konsenslos - sukzessive verändert und standen die wesentlichen Teile des Hauses bereits, als um Baubewilligung angesucht wurde. Die daraufhin durchgeführte Bauverhandlung ergab ein eindeutiges Ergebnis:
Das Baubewilligungsansuchen der Ehegatten P wurde in der Bauverhandlung des Bürgermeisters der Gemeinde Helfenberg vom 3.12.1990 negativ beurteilt. In der Verhandlungsschrift ist ausdrücklich festgehalten, daß bereits konsenslos mit Baumaßnahmen begonnen wurde, ohne daß dies durch eine entsprechende Baubewilligung gedeckt wäre.
3. Die von der Gemeinde Helfenberg angesprochenen drei anderen Fälle sind mit dem gegenständlichen Fall nicht vergleichbar. Im gegenständlichen Fall geht es auch keinesfalls darum, den Bestand eines Gebäudes zu erhalten bzw. eine sinnvolle Erneuerung eines Gebäudes zu ermöglichen. Die Behauptung der Gemeinde Helfenberg, daß im besagten Fall der Bestand der bestehenden Wohnhäuser Altenschlag 10 und 11 seit eh und je gegeben war und durch die Erlassung des Bebauungsplanes der Zustand, der immer gegeben war, nicht verändert wird bzw. wurde, wird ausdrücklich als unrichtig bestritten. Ich verweise hiezu auf den beiliegenden Grundrißplan. Die im Grundrißplan blau markierten geben den ursprünglichen Altbau wieder. Die Ehegatten P haben dann konsenslos die auf dem Plan ersichtlichen Erweiterungen vorgenommen und eine entsprechende Vergrößerung des Bauwerks vorgenommen. Dieser schwarz markierte konsenslose Zustand soll durch den gegenständlichen Bebauungsplan nunmehr sanktioniert werden, was der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes eindeutig widerspricht. Dazu kommt, daß das ursprüngliche Gebäude eingeschoßig war und der nunmehrige Bebauungsplan eine zweigeschoßige Verbauung vorsieht. Es wurden konsenslos sämtliche Originalgrundmauern weggerissen und neue Grundmauern gebaut, wobei die Grundfläche wesentlich erweitert wurde. Es ist daher ein Altgebäude, welches saniert und in seinem Bestand erhalten wurde nicht mehr vorhanden; es wurde vielmehr im wesentlichen alles neu gebaut. Während vom Altbestand lediglich zirka zwei Meter direkt an unserer Grundgrenze standen, wurde der konsenslose Bau dahingehend durchgeführt, daß nunmehr zirka zehn Meter des Bauwerkes direkt an unserer Grundgrenze zu liegen kommen. All diese Veränderungen wurden konsenslos durchgeführt und dient der gegenständliche Bebauungsplan ausschließlich der Sanierung dieser konsenswidrigen Vorgangsweise."
4. Der Verfassungsgerichtshof kann aus folgenden Erwägungen seine Bedenken nicht aufrechterhalten:
4.1. Der Bebauungsplan Nr. 12 "Patek-Altenschlag 11" der Gemeinde Helfenberg umfaßt ausschließlich das Baugrundstück Nr. 160. Für dieses Grundstück bestand noch kein Bebauungsplan und ist im geltenden Flächenwidmungsplan die Widmung "Dorfgebiet" ausgewiesen. Gemäß §16 Abs4 Oö. ROG 1972 idF LGBl. 91/1989 steht mit dieser Widmung im Einklang, daß auf solchen Flächen auch Wohngebäude errichtet werden dürfen.
Sofern sich aus baurechtlichen Vorschriften und Bebauungsplänen nichts anderes ergibt, gelten hinsichtlich der Lage und Höhe von baurechtlich bewilligungspflichtigen Gebäuden die Bestimmungen des §32 Oö. BauO 1976, idF LGBl. 103/1991. Der Bebauungsplan kann aber u.a. von den Abstandsvorschriften des Gesetzes abweichende Vorschriften treffen.
Das Grundstück Nr. 160 weist (wies) einen sehr alten Baubestand - aus einer Zeit lange vor Erlassung der Bauordnung - auf, dessen Mindestabstände von den Grundstücksgrenzen jene des §32 Oö. BauO 1976 unterschreiten (unterschritten).
Der erstmals für dieses Grundstück erlassene und nunmehr in Prüfung gezogene Bebauungsplan trägt dem historisch vorgefundenen Baubestand auf diesem äußerst kleinen Grundstück insofern Rechnung und legt an den nördlichen und westlichen Grundstücksgrenzen einen Mindestabstand von je einem Meter zu den Nachbargrundstücken fest; an der Süd- und Ostseite verläuft die Baufluchtlinie entlang der öffentlichen Verkehrsfläche bzw. des öffentlichen Gerinnes.
Bei der erstmaligen Erlassung eines Bebauungsplanes - dies trifft für das betreffende Grundstück zu - ist der Gemeinde ein viel weiterer Gestaltungsspielraum als im Falle einer Planänderung eingeräumt (Jann/Oberndorfer, Die Normenkontrolle des Verfassungsgerichtshofes im Bereich der Raumplanung (1995) 63). Es lag daher durchaus im planerischen Ermessen der Gemeinde, die vom Altbestand vorgegebenen Abstände zu den angrenzenden Grundstücken in den Bebauungsplan zu übernehmen (vgl. VfSlg. 7347/1974).
4.2. Der gegenständliche Bebauungsplan, welcher die historische Situierung des Gebäudekomplexes berücksichtigt, steht mit dem planerischen Konzept der Gemeinde in Einklang. Diese hat auch in anderen Fällen, so mit den Bebauungsplänen Nr. 10, 11 und 13, welche ebenfalls bebaute Grundstücke betreffen, von den Abstandsvorschriften der Oberösterreichischen Bauordnung abweichend geringere Mindestabstände festgelegt. Auch dort ging es darum, eine sinnvolle Erneuerung der Gebäude zu ermöglichen bzw. deren Bestand zu erhalten.
4.3. Es ist durchaus auch im öffentlichen Interesse gelegen, wenn - wie im gegenständlichen Fall - durch Sanierung bzw. Erneuerung alten Baubestandes dessen Anhebung auf zeitgemäßen Standard erfolgt. Darüber hinaus dient dies auch der Pflege des Orts- und Landschaftsbildes, die ebenfalls im öffentlichen Interesse gelegen ist.
4.4. Von den Beschwerdeführern im Anlaßverfahren wurde seinerzeit ein den Bebauungsplan selbst betreffender Einspruch nicht erhoben. Das Vorbringen - dem entsprochen wurde - bezog sich lediglich auf die Nichtbeeinträchtigung der Zufahrt bzw. des Wegerechtes sowie auf die Neueinmessung eines Grundsteines.
4.5. Auf Basis der dargestellten Rechtslage und unter Berücksichtigung des obigen Sachverhaltes wurde das Planungsermessen bei Erlassung des Bebauungsplanes nicht überschritten. Im vorliegenden Fall vermag auch der Umstand, daß der Bebauungsplan erst nach Baubeginn erlassen wurde, am Ergebnis nichts zu ändern.
Die im Einleitungsbeschluß angeführten Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit des Bebauungsplanes haben sich daher als unzutreffend erwiesen. Die geprüfte Verordnung war deshalb nicht als gesetzwidrig aufzuheben.
5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Baurecht, Raumordnung, Bebauungsplan, ErmessenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1995:V122.1994Dokumentnummer
JFT_10048799_94V00122_00