TE Bvwg Beschluss 2020/4/15 W268 2223959-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.04.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

15.04.2020

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §32

Spruch

W268 2223959-2/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Iris GACHOWETZ als Einzelrichterin über den Antrag von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Mongolei, auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 08.10.2019, XXXX , abgeschlossenen Verfahrens, beschlossen:

A) Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens, benannt als "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand", wird gemäß § 32 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

I.1. Zum Vorverfahren auf Gewährung von internationalem Schutz

1.1.Die Antragstellerin (im Folgenden Ast bzw. auch BF genannt), eine mongolische Staatsangehörige, stellte am 19.08.2019 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde am 20.08.2019 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt.

1.2. Im Rahmen dieser Erstbefragung gab die BF zu ihren Fluchtgründen an, dass sie in der Mongolei in einem koreanischen Restaurant sowie in einem Louis Vuitton-Geschäft gearbeitet habe. Am 20.06.2019 seien zwei Leute gekommen und hätten sie beschuldigt, von China Fälschungen von Louis Vuitton importiert bzw. verkauft zu haben. Die Personen hätten sie mitgenommen und 72 Stunden in Haft gesteckt. Sie hätten sie auch geschlagen und sie sei dann in einem Krankenhaus mit einer Kopfverletzung wieder aufgewacht. Sie habe dann einen Schlepper organisiert und sei am 07.08.2019 mit einem Reisezug Richtung Moskau auf legale Weise aus der Mongolei ausgereist. Im Falle einer Rückkehr in die Mongolei befürchte sie eingesperrt bzw. wegen Verleumdung verurteilt zu werden.

1.3. In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 28.08.2019 wiederholte die BF ihr Fluchtvorbringen und führte dazu näher aus, dass am 20.06.2019 zwei Männer in das koreanische Lokal, in welchem sie gearbeitet habe, gekommen seien und sie nach ihrem Namen gefragt hätten. Sie hätten sie aufgefordert mitzukommen und sie sei mit den Männern im Auto mitgefahren. Sie sei in einen Raum in einem Gebäude ohne Adressenschild gebracht worden und dann dort von den zwei Männern Tag und Nacht einvernommen worden. Früher habe sie in einem Shop namens XXXX von der Firma LV gearbeitet. Sie habe dort von 2012 bis 31.07.2017 gearbeitet. Die Männer hätten ihr vorgeworfen, in dem Geschäft Fälschungen von Produkten importiert und verkauft zu haben. Die BF habe jedoch nur die Waren bekommen und weitergeben. Am dritten Tag der Einvernahme habe sie einer der beiden Männer mit einem Gegenstand auf den Kopf geschlagen und die BF sei danach ohnmächtig geworden. Sie sei dann im Krankenhaus aufgewacht und habe dort vom Arzt erfahren, dass sie von zwei Männern ins Krankenhaus gebracht worden sei. Diese hätten gesagt, dass sie auf der Straße umgefallen wäre. Die Verletzung sei genäht worden und danach habe die BF noch Infusionen bekommen. In Folge sei die BF dann mit dem Taxi nach Hause in die Stadt Erdenet gefahren. Danach sei die BF in einer Privatklinik in Behandlung gewesen und die Nähte seien entfernt worden. Sie sei dann zwei bis drei Mal in die Hauptstadt gefahren und habe dort einen Schlepper gefunden, der sie im Zug bis nach Moskau begleitet habe. Die BF vermute, dass die zwei Männer vom Nachrichtendienst gewesen seien.

1.4. Das BFA wies mit Bescheid vom 03.09.2019, Zl. 1242521403-190847994, den Antrag der BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Mongolei (Spruchpunkt II.) ab. Gemäß § 57 AsylG wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung der BF gemäß § 46 FPG in die Mongolei zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 15b Abs. 1 AsylG wurde der BF aufgetragen, im Quartier AIBE BS Ost Unterkunft zu nehmen (Spruchpunkt VI.). Weiters wurde unter Spruchpunkt VII. ausgeführt, dass einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde.

1.5. Gegen diesen Bescheid erhob die BF mit Schriftsatz vom 25.09.2019 Beschwerde gegen alle Spruchpunkte. Darin wurde Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie die Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften geltend gemacht und kurz zusammengefasst ausgeführt, dass die BF wegen ihrer beruflichen Tätigkeit sowohl von privaten Personen als auch staatlichen Stellen (mongolischer Geheimdienst und Polizei) zu Unrecht beschuldigt und extremer Verfolgung ausgesetzt sei. Da es sich bei Louis Vuitton um einen internationalen Großkonzern handle, habe sich der mongolische Geheimdienst mit der Aufklärung der Angelegenheit befasst. Der BF sei nicht bewusst gewesen, ob die gelieferten Waren Originale oder Fälschungen gewesen seien. Die mongolischen Unternehmen, die ungesetzliche Geschäfte betreiben, würden meist sehr eng mit korrumpierten Beamten der Polizei und Justiz kooperieren und brutal gegen Menschen vorgehen, die ihre schmutzigen Geschäfte aufdecken würden. In der Mongolei würden tägliche Menschenrechtsverletzungen stattfinden und es seien keine fairen Gerichtsverfahren zu erwarten. Aufgrund dieser geltend gemachten Verfolgungsgründe sei der BF auch die Lebensgrundlage in der Mongolei entzogen.

1.6. Das Bundesverwaltungsgericht wies die Beschwerde des BF mit Erkenntnis vom 08.10.2019, XXXX , als unbegründet ab.

1.7. Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen aus, das Fluchtvorbringen der BF, in der Mongolei wegen des Verkaufs von gefälschten Markenwaren gesucht und strafrechtlich verfolgt zu werden, habe sich als nicht glaubhaft erwiesen (vgl. Seite 4 und 5 des Erkenntnisses). Beweiswürdigend wurde festgehalten, dass das Vorbringen wenig substantiiert und nicht plausibel sei. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass die BF ihren Herkunftsstaat verlassen habe, um eine wirtschaftliche Verbesserung ihrer Lebenssituation zu erreichen (vgl. Seite 29 des Erkenntnisses). Selbst bei hypothetischer Wahrunterstellung läge kein Konnex zu Konventionsgründen vor. Das Vorbringen sei nämlich ausschließlich im kriminellen Milieu angesiedelt (vgl. Seite 34 des Erkenntnisses). Es können keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden, dass die BF im Falle einer Rückkehr in die Mongolei Gefahr liefe, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe, oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden. Es kann ferner nicht festgestellt werden, dass die BF im Falle ihrer Rückkehr in den Herkunftsstaat in eine existenzgefährdende Notlage geraten würde und ihr die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre (vgl. Seite 5 des Erkenntnisses).

1.8. Das Erkenntnis wurde der BF am 15.10.2019 zugestellt.

I.2. Zum gegenständlichen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens

1.1. Mit Schriftsatz vom 24.10.2019 - während offener Rechtsmittelfrist - brachte die BF den gegenständlichen Antrag ein. Dieser lautet wie folgt (Fehler im Original):

"Infolge der fehlenden Auseinandersetzung der erstinstanzlichen belangten Behörde mit meinem Antrag, entstand ein wesentlicher Feststellungs- und Begründungsmangel, weshalb der BFA Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war. Leider wurden diese Verfahrensmängel in der II. Instanz auch nicht berücksichtigt. Meinem Antrag auf eine mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde nicht stattgeben. Somit hatte ich überhaupt keine Möglichkeit zu meiner Verteidigung bei einer Beschwerdeverhandlung zu äußern.

Zum Antrag auf § 71 AVG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand muss binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden. Obwohl ich vor dem BFA und auch in der Beschwerde die volle Wahrheit dargelegt habe, wurde mir kein Glauben geschenkt. Ich habe ebenfalls in der Beschwerde schriftlich ersucht, dass meine Kopfverletzung und Narben von Fachärzten untersucht wird, um feststellen zu lassen, wie und im welchem Umfang die Verletzung entstanden ist. Leider wurde meinem Antrag nicht stattgeben. Am 21.10.2019 habe ich meine Freundin, die meine Wohnung vor meiner Ausreise aus der Mongolei übernommen hat, angerufen. Mir wurde telefonisch mitgeteilt, dass eine aktuelle mit 16.10.2019 datierte polizeiliche Ladung zugestellt worden ist. Weiters wurde mir mitgeteilt, dass nach mir landesweit gefahndet wird, falls ich der polizeilichen Ladung nicht Folge leiste. Da ich nun in Österreich bin, konnte ich natürlich der Ladung nicht Folge leisten, daher bin ich mir sicher, dass die mongolische Polizei nach mir offiziell fahndet. Weswegen und warum ich zur polizeilichen Ladung am 16.10.2019 erscheinen sollte, wurde meiner Freundin nicht gesagt.

Ich bat meine Freundin diese polizeiliche Ladung mir zu schicken, damit ich beweisen kann, dass gegen mich ein strafrechtliches Verfahren läuft und im Falle einer Rückkehr in die Mongolei festgenommen und unschuldig angeklagt werden kann. Sobald ich die polizeiliche Ladung erhalte, werde ich diese dem Bundesverwaltungsgericht als Nachweis vorlegen. Die Zustellung der polizeilichen Ladung kann bis zu vier Wochen dauern.

Wegen meiner geänderten Situation in meinem Heimatland, stelle ich den Antrag das Bundesverwaltungsgericht möge meinem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand genehmigen; das Bundesverwaltungsgericht möge meinem Antrag die aufschiebende Wirkung zuerkennen."

1.2. Die Beschwerdevorlage langte am 24.10.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein und wurde in Folge der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung zugewiesen.

1.3. Hinsichtlich des Verfahrensinhaltes sowie des Inhalts der Beschwerde im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

1.4. Bis dato langte kein Beweismittel (etwa polizeiliche Ladung) beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

2. Feststellungen:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes der Beschwerdeführerin und schließlich durch Einholung von Auszügen aus ZMR, GVS und Strafregister.

2.1. Zum Verfahrensgang

Der unter Punkt 1. dargestellte Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt.

3. Beweiswürdigung:

Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und den Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichts.

4. Rechtliche Beurteilung:

1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung demnach dem jeweils nach der geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

2. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist. Fuchs hält in Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013), § 32 VwGVG, Anm. 13, fest, dass der Systematik des VwGVG folgend anzunehmen ist, dass sämtliche Entscheidungen über Wiederaufnahmeanträge - als selbstständige Entscheidungen - in Beschlussform zu erfolgen haben.

Zu A)

4.1. Abweisung des Wiederaufnahmeantrages:

Das Parteivorbringen ist nach dem objektiven Erklärungswert auszulegen (vgl. VwGH vom 24.01.1994 93/10/0192). Dabei kommt dem erkenn- und erschließbaren Ziel maßgebliche Bedeutung zu (vgl. VwGH vom 05.04.2017 Ra 2016/04/126).

Die BF brachte vor, ihrem Antrag auf Durchführung einer Beschwerdeverhandlung sei nicht stattgeben worden. Die BF habe somit überhaupt keine Möglichkeit gehabt, sich mündlich vor dem BVwG zu äußern. Ebenso habe das Bundesverwaltungsgericht antragswidrig medizinische Untersuchungen ihrer Verletzung nicht veranlasst. Die BF möchte im Ergebnis eine neuerliche Entscheidung und mündliche Verhandlung vor dem BVwG erreichen. Die Wiederholungsabsicht ergibt sich aus der Bezeichnung des eingebrachten Antrags als Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit dem kohärenten Antragsbegehren, diese gerichtlich zu bewilligen. Adressat des Parteianbringens ist ausschließlich das BVwG.

Weiters weist die Rechtsmittelbelehrung auf die Beschwerdemöglichkeit beim VfGH und Revisionsmöglichkeit an den VwGH mit Anwaltspflicht hin. Die Partei unterscheidet in ihrem Schriftsatz auch selbst zwischen dem Rechtsbehelf Beschwerde und dem gegenständlichem Antragsvorbringen. Schlussendlich bringt die Partei auch eine zweiwöchige Genehmigungsfrist ins Spiel, welche der Rechtsmittelbelehrung fremd ist.

Mangels vorliegender Fristversäumungen ist das Vorbringen daher im Sinne des erschließbaren Zieles als Antrag auf Wiederaufnahme zu werten ("falsa demonstratio non nocet").

§ 32 VwGVG regelt die Wiederaufnahme von Verfahren, die durch Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes abgeschlossen wurden. Voraussetzung für die Bewilligung ist nur mehr ein abgeschlossenes Verfahren vor dem VwG (vgl. VwGH vom 07.03.2017, Ro 2016/02/0001). Die ehemalige (weitere) Voraussetzung, dass eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof nicht mehr zulässig sein durfte, wurde vom VfGH aufgehoben (vgl. VfGH vom 12.12.2016 G 248/2016 u.a). In casu wurde das Verfahren auf internationalen Schutz mit Erkenntnis vom 08.10.2019, XXXX , - zugestellt am 15.10.2019 - abgeschlossen. Der gegenständliche Antrag ist somit formal zulässig.

Verfahren können gem. § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG aufgrund neuer Tatsachen bzw. Beweismittel wiederaufgenommen werden. Dabei muss es sich aber um Tatsachen bzw. Beweismittel handeln, die bereits im Zeitpunkt der Erlassung des Erkenntnisses vorlagen, aber erst später bekannt wurden (sog. "Nova Reperta" VwGH vom 18.01.2017 Ra 2016/18/0293). Die BF begründete den Antrag auf Wiederaufnahme ua. damit, dass die in der damaligen Bescheidbeschwerde aufgezeigten Verletzungen nicht ordnungsgemäß berücksichtigt worden wären. Diese Verletzungen waren damit schon Gegenstand des asylrechtlichen Vorverfahrens und sind nicht geeignet, eine Wiederaufnahme zu begründen. Rechtliche Beurteilungen sind weder Tatsachen noch Beweismittel (vgl. VwGH vom 13.12.2016, Ra 2016/09/0107 und RIS-Justiz RS0044756).

Zur vorgebrachten Ladung vom 16.10.2019 ist auszuführen, dass neu hervorgekommene Tatsachen und Beweise nur dann einen Grund für die Wiederaufnahme des Verfahrens darstellen, wenn sie voraussichtlich eine anderslautende Entscheidung herbeiführen könnten. Einer bloßen Ladung zur Behörde fehlt die nötige asylrelevante Eingriffsintensität (vgl. VwGH vom 07.09.2000, 2000/01/0153). Da bereits das damalige Vorbringen ebenso im nicht asylrelevanten Bereich ("kriminelles Milieu") anzusiedeln war, kommt eine Wiederaufnahme nicht in Betracht. Desweiteren gab die BF selbst an, den Grund für die polizeiliche Ladung nicht zu kennen. Das Beweismittel ist somit, für sich genommen, nicht geeignet, die tragende Beweiswürdigung im vorangegangen Verfahren in Zweifel zu ziehen (Vgl. VwGH vom 19.04.2007 2004/09/0159 zum Erfordernis der Tauglichkeit.)

Unabhängig davon ist die Ladung vom 16.10.2019 und die landesweite Verfolgung als mögliche Konsequenz erst nach Erlassung des Erkenntnisses neu entstanden. Nova Producta sind jedoch mit Folgeantrag und nicht mit Wiederaufnahme geltend zu machen (vgl. dazu VwGH 19.02.1992, 90/12/0224 ua; 25.10.1994, 93/08/0123; 25.11.1994, 94/19/0145; 18.12.1996, 95/20/0672; 07.04.2000, 96/19/2240; 20.06.2001, 95/08/0036; 17.02.2006, 2006/18/0031). Eine Wiederaufnahme kommt somit nicht in Betracht.

Aus den dargelegten Erwägungen sind die Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG nicht erfüllt, weshalb der gegenständliche Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens spruchgemäß abzuweisen ist. Aus denselben Gründen bleibt auch für eine amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens kein Raum.

II.2. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung

Da die Sachlage aufgrund der Aktenlage als erklärt erscheint, konnte eine mündliche Erörterung der Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben. Im vorliegenden Fall liegen keine widersprechenden prozessrelevanten Behauptungen vor, die es erforderlich machen würden, dass sich das Gericht im Rahmen einer mündlichen Verhandlung einen persönlichen Eindruck von der Glaubwürdigkeit von Zeugen bzw. Parteien verschafft. Vielmehr ist die hier zu beantwortende Frage, ob ein Wiederaufnahmegrund iSd § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG vorliegt, rechtlicher Natur. Art 6 Abs. 1 EMRK ist auf ein Verfahren, in dem über die Wiederaufnahme eines bereits abgeschlossenen Verfahrens entschieden wird, nicht anwendbar (vgl. VfGH 27.2.2007, B 1222/06).

Zu B)

Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die hier anzuwendenden Regelungen erweisen sich als klar und eindeutig (vgl. zur Unzulässigkeit der Revision bei eindeutiger Rechtslage trotz fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053). Im Übrigen ergeht die vorliegende Entscheidung im Rahmen der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den maßgeblichen Bestimmungen des § 69 AVG bzw. § 32 VwGVG.

Schlagworte

Beweismittel nova producta objektiver Erklärungswert Wiederaufnahmeantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W268.2223959.2.00

Im RIS seit

12.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

12.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten