TE Bvwg Beschluss 2020/4/15 I407 2207334-1

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Veröffentlicht am 15.04.2020
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Entscheidungsdatum

15.04.2020

Norm

AsylG 2005 §57
AVG §62 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1
ZustG §25
ZustG §9 Abs3

Spruch

I407 2207334-1/13E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Stefan MUMELTER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Nigeria, vertreten durch RA Edward W. DAIGNEAULT, 1160 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.06.2018, Zl. 831680905 / 170677665 EAM, beschlossen:

A)       Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unzulässig zurückgewiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.


Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer reiste zuletzt am 31.03.2017 via Wien-Schwechat in das Bundesgebiet ein. Er konnte sich mit einem abgelaufenen nigerianischen Reisepass und einem rumänischen Aufenthaltstitel ausweisen.

2. Am 22.12.2017 wurde über den Beschwerdeführer die Schubhaft verhängt, er trat in den Hungerstreik und wurde am 27.12.2017 haftunfähig aus der Schubhaft entlassen.

3. Der Beschwerdeführer wurde abermals am 18.01.2018 angehalten und wegen illegalen Aufenthalts gem. § 120 FPG zur Anzeige gebracht und festgenommen. Wiederum wurde die Haftunfähigkeit festgestellt und der Beschwerdeführer noch am selben Tag entlassen.

4. Mit Bescheid vom 22.06.2018 erteilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (i. F. belangte Behörde) dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt I.). Weiters wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt II.) und festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria zulässig sei (Spruchpunkt III.). Es wurde keine Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gewährt (Spruchpunkt IV.). Der Beschwerde wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.). Gegen den Beschwerdeführer wurde ein auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.).

5. Am 17.09.2018 nahm die rechtliche Vertretung des Beschwerdeführers Akteneinsicht in den Behördenakt.

6. Gegen den oben angeführten Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde vom 09.10.2018. Gerügt wurde, dass Zustellmängel vorliegen und die über den Beschwerdeführer verhängte Rückkehrentscheidung iVm dem Einreiseverbot rechtswidrig sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Der Beschwerdeführer verfügt über einen nigerianischen Reisepass ausgestellt am XXXX . Er ist seit dem 17.07.2018 obdachlos beim Verein XXXX gemeldet und war seit seiner Einreise in Österreich entweder in österreichischen Justizanstalten aufhältig oder ohne ordentlichen Wohnsitz.

Der Beschwerdeführer wurde wie folgt von österreichischen Strafgerichten verurteilt:

01) LG XXXX vom 16.06.2016 RK 21.06.2016

§ 27 (1) Z 1 1. 2. Fall, Abs. 2 SMG, § 15 StGB § 27 (1) Z 1 8. Fall u Abs. 3 SMG

Freiheitsstrafe 7 Monate, bedingt

02) LG XXXX vom 28.06.2017 RK 28.06.2017

§§ 27 (2a), 27 (3) SMG § 15 StGB

Freiheitsstrafe 10 Monate

Dem Rechtsanwalt Edward W. DAIGNEAULT, 1160 Wien, wurde erstmals am 21.08.2018 Vollmacht (einschließlich Zustellvollmacht) erteilt. Er hat am 17.09.2018 Akteneinsicht in den Behördenakt genommen und dadurch Kenntnis vom Bescheidinhalt erhalten.

Der Beschwerdeführer führt die Verfahrensidentität „ XXXX , geb. XXXX , StA. Nigeria“. Diese ist auch als Bescheidadressat im Bescheid genannt.

Im Anschlag an der Amtstafel (Öffentliche Bekanntmachung gem. § 25 ZustellG) wurde jedoch „ XXXX , geb. XXXX , StA. Nigeria, unbekannter Aufenthalt“ genannt.

Der bekämpfte Bescheid wurde an den Beschwerdeführer adressiert und weder von diesem noch von seinem Rechtsvertreter behoben. Dem Bescheidadressaten ist der bekämpfte Bescheid nicht tatsächlich zugekommen.

2. Beweiswürdigung

Beweise wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt der belangten Behörde und in die Beschwerde. Die Feststellung über die strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich vom 31.03.2020.

Die Feststellungen zu seinem Aufenthalt in Österreich ergeben sich aus dem dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden, am 31.03.2020 abgefragten Speicherauszug aus dem Zentralen Melderegister.

Darüber hinaus gründen sich die Feststellungen insgesamt auf den unstrittigen Akteninhalt.

3. Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da weder im BFA-VG noch im AsylG 2005 eine Senatsentscheidung vorgesehen ist, liegt gegenständlich somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 1 VwGVG trat dieses Bundesgesetz mit 1. Jänner 2014 in Kraft. Gemäß Abs. 2 leg. cit. bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu Spruchpunkt A) Zurückweisung:

Gemäß § 25 Zustellgesetz (ZustG) kann die Behörde, Zustellungen an Personen, deren Abgabestelle unbekannt ist, […], wenn es sich nicht um ein Strafverfahren handelt, kein Zustellungsbevollmächtigter bestellt ist und nicht gemäß § 8 vorzugehen ist, durch Kundmachung an der Amtstafel, daß ein zuzustellendes Dokument bei der Behörde liegt, vornehmen.

Die Behörde hat einen Vermerk an der Amtstafel angebracht, dass die Zustellung an einen anderen, aber nicht an den Bescheidadressaten erfolgen soll. Damit ist der Behörde ein unheilbarer Zustellmangel unterlaufen.

Die Erlassung eines schriftlichen Bescheides iSd § 62 Abs 1 AVG kann weder durch die bloße Einsichtnahme in ein bei der Behörde aufliegendes Schriftstück (VwSlg 7790 A/1970; 11.762 A/1985; VwGH 26. 6. 2001, 2000/04/0190; VfSlg 2812/1955; § 21 Rz 1) noch allein dadurch bewirkt werden, dass die Partei (bzw ihr Vertreter) anlässlich der Akteneinsicht (VwGH 12. 4. 1999, 98/11/0289; 28. 6. 2001, 99/11/0155) oder sonst in den Besitz einer Kopie gelangt (§ 18 Rz 26).

Eine Heilung der Zustellung konnte gemäß § 9 Abs. 3 ZustG nicht erfolgen. Die verfahrensgegenständliche Beschwerde vom 9.10.2018 richtet sich somit, weil der angefochtene Bescheid nicht rechtwirksam erlassen wurde, gegen eine Erledigung, die kein tauglicher Anfechtungsgegenstand für eine Beschwerde ist, und ist deshalb wegen offenbarer Nichtzuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes zurückzuweisen.

Das Verfahren des Beschwerdeführers ist somit weiterhin bei der belangten Behörde anhängig und noch nicht abgeschlossen. Die belangte Behörde wird daher eine korrekte Zustellung im Sinne des Zustellgesetzes vorzunehmen haben und allfällige erforderliche Ermittlungen durchzuführen haben.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchpunkt A wiedergegeben (vgl. die oben zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes).

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Aufenthaltstitel Bescheiderlassung Bescheidqualität Kundmachung Nichtbescheid Suchtmitteldelikt Unzulässigkeit der Beschwerde Unzuständigkeit BVwG Zurückweisung Zustellmangel Zustellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I407.2207334.1.01

Im RIS seit

12.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

12.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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