TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/20 W182 2178901-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.04.2020
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Entscheidungsdatum

20.04.2020

Norm

AsylG 2005 §55 Abs1
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W182 2178901-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. PFEILER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Mongolei, vertreten durch RA Mag. Michael-Thomas REICHENVATER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.11.2017, Zl. 791584802/151973000, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird stattgegeben, der bekämpfte Bescheid behoben und XXXX gemäß § 55 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" auf die Dauer von 12 Monaten erteilt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. I Nr. 1/1930 idgF, nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) ist Staatsangehöriger der Mongolei, gehört der mongolischen Volksgruppe an und reiste am 22.12.2009 illegal ins Bundesgebiet ein. Am selben Tag stellte er hier unter Nennung einer Alias-identität bzw. eines falschen Geburtsdatums, demzufolge er noch minderjährig gewesen wäre, und unter Vortäuschung einer chinesischen Staatsangehörigkeit einen Antrag auf internationalen Schutz. Der BF begründete seinen Antrag im Wesentlichen damit, dass seine Eltern ohne Angabe von Gründen in der Inneren Mongolei (China) von Polizisten festgenommen worden seien. Da er befürchtet habe, ebenfalls verhaftet zu werden, habe er das Herkunftsland verlassen.

Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies das Bundesasylamt den Antrag des BF auf internationalen Schutz mit Bescheid vom 20.09.2010 gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm den Status eines Asylberechtigten ebenso wie gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 den Status eines subsidiär Schutzberechtigten nicht zu (Spruchpunkt II.) und verband diese Entscheidung gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 mit einer Ausweisung in die Mongolei (Spruchpunkt III.). Das Bundesasylamt ging davon aus, dass der BF seine Identität verschleiern wolle, wobei eine mongolische Staatsangehörigkeit des BF festgestellt und sein Geburtsdatum aufgrund der Ergebnisse der Altersuntersuchungen neu festgestellt wurde. Das Fluchtvorbringen des BF wurde als nicht glaubwürdig bewertet.

Einer dagegen erhobenen Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 20.12.2010, Zahl C13 415.792-1/2010/2E, stattgegeben, der bekämpfte Bescheid gemäß § 66 Abs. 2 AVG behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen. Die Entscheidung wurde im Wesentlichen mit mangelhaften Ermittlungen des Bundesasylamts insbesondere in Bezug auf die Frage der Staatsbürgerschaft bzw. des Herkunftsstaates des BF sowie wegen einer willkürlichen Festsetzung seines Geburtsdatums durch die Behörde begründet.

In einer Einvernahme beim Bundesasylamt am 07.11.2012, stellte der BF richtig, mongolischer Staatsbürger zu sein, aber in China eine Mittelschule besucht zu haben. Er befürchte bei einer Rückkehr in die Mongolei festgenommen zu werden, da seine Eltern im September 2009 verhaftet worden seien.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 04.01.2013, Zahl: 09 15.848-BAL, wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), ihm der Status eines Asylberechtigten ebenso wie gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Mongolei nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.) und die Entscheidung gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 mit einer Ausweisung in die Mongolei (Spruchpunkt III.) verbunden. In Spruchpunkt IV. wurde einer Beschwerde gegen diesen Bescheid gemäß § 38 Abs. 1 AsylG 2005 die aufschiebende Wirkung aberkannt. Das Bundesasylsamt ging von der Unglaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens aus.

Eine dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 18.03.2013, Zl. C13 415.792-2/2013/5E, in allen Spruchpunkten abgewiesen, wobei begründend im Wesentlichen ausgeführt wurde, dass das Fluchtvorbringen des BF sich als nicht glaubhaft erwiesen habe.

1.2. Am 04.07.2013 stellte der BF bei der Niederlassungsbehörde einen Antrag auf eine Rot-Weiß-Rot Karte plus. Der Antrag wurde von der genannten Behörde mit 03.04.2014 zurückgewiesen.

2.1. Am 11.12.2015 stellte der BF unter Offenlegung seiner Identität und Vorlage eines mongolischen Reisepasses beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) den gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK "Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens" gem. § 55 Abs. 1 AsylG 2005.

2.2. Nach Einvernahmen beim Bundesamt am 07.09.2016, 29.11.2016 sowie am 03.10.2017 wurde der Antrag des BF vom 11.12.2015 mit dem im Spruch gennannten Bescheid des Bundesamtes gemäß § 55 AsylG 2005 abgewiesen. Darin wurde zur Person des BF im Wesentlichen festgestellt, dass er mongolischer Staatsangehöriger sei und bis zur Stellung des gegenständlichen Antrages eine falsche Identität, ein falsches Geburtsdatum sowie eine falsche Staatsangehörigkeit angegeben habe. Mit dem nunmehrigen Antrag habe er seinen mongolischen Reisepass vorgelegt und stehe seine Identität nunmehr fest. Zu seinen Privat- und Familienleben wurde ausgeführt, dass er einen Bruder und eine Schwester in Österreich habe und immer wieder unterstandslos sowie ohne finanzielle Mittel sei. Der BF halte sich seit 2009 in Österreich auf, sei in diesem Zeitraum allerdings mehrmals ohne Meldeadresse gewesen. Er habe angegeben, in Österreich nur unzureichend über finanzielle Mittel zu verfügen, wobei er hin und wieder bei seinem Bruder Unterkunft nehme und finanzielle Zuwendungen von ihm erhalte. Der BF sei jedoch nicht gewillt, sich bei seinem Bruder gegebenenfalls behördlich anzumelden. Seine Intention sei laut eigenen Angaben eine Arbeitsaufnahme und ein Verbleib in Österreich. Weder in der Antragsbegründung noch in seinen weiteren Stellungnahmen und Befragungen habe der BF behauptet, in Österreich ein Familien- oder Privatleben zu führen, dass als besonders schützenswert anzusehen sei. Beim OLG Wien sei ein Gerichtsverfahren gegen den BF anhängig. Weiters würden Anzeigen gegen ihn vorliegen. Er habe mit seinem Verhalten mehrfach gezeigt, dass er nicht gewillt sei sich an die österreichische Rechtsordnung zu halten. Unter Zugrundelegung dieser Feststellungen und Erwägungen kam das Bundesamt zum Schluss, dass in Abwägung zwischen den öffentlichen Interessen und den Interessen des BF ein Eingriff in sein Privat- und Familienleben zulässig sei.

Mit Verfahrensanordnung des Bundesamtes vom 02.11.2017 wurde den BF eine namentlich genannte Organisation als Rechtsberatung amtswegig zur Seite gestellt.

2.3. Gegen den Bescheid des Bundesamtes wurden binnen offener Frist Beschwerde wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhoben. Darin wurde u.a. ausgeführt, dass mit Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom XXXX .2017 zu XXXX das Ersturteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX .2017, Zl. XXXX , wonach der BF in Zusammenhang mit § 120 Abs. 2 FPG wegen Erschleichung von Leistungen verurteilt worden sei, aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen worden sei. Es gelte sohin die Unschuldsvermutung. Der BF halte sich seit 2009 im Bundesgebiet auf und sei als sozial integriert anzusehen. Er pflege zu seinen im Bundesgebiet aufhältigen Geschwistern einen engen familiären Kontakt. Es stehe fest, dass die Interessen des BF an einem weiteren Verbleib in Österreich höher seien als jene der Republik selbst. Der BF sei gerichtlich unbescholten. Dass er derzeit keiner geregelten Beschäftigung nachgehe, könne ihm nicht zum Nachteil gereichen, sondern sei dies auf die maßgeblichen Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes zurückzuführen. Faktum sei, dass der BF von seinen Verwandten auch finanziell unterstützt werde. Ihm sei es möglich, bei Erteilung eines Aufenthaltstitels umgehend einer geregelten Beschäftigung nachzugehen. Ein bezughabender Arbeitsvorvertrag sei im Verfahren bereits zur Vorlage gebracht worden. Im gegenständlichen Fall habe die Behörde in Wahrheit überhaupt keine Interessensabwägung vorgenommen, auch wenn eine solche Interessensabwägung in einem Satz erwähnt werde. Vergleichbare Fälle würden dokumentieren, dass den jeweiligen Antragstellern auch der Aufenthaltstitel aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt worden sei, so dass mit der gegenständlichen Entscheidung jedenfalls eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung von Fremden untereinander evident sei.

Anlässlich der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 11.02.2020, zu der ein Vertreter des Bundesamtes entschuldigt nicht erschienen ist, wurde Beweis aufgenommen durch Einvernahme des BF, seiner Schwester sowie eines weiteren Zeugens im Beisein seines rechtsfreundlichen Vertreters und eines Dolmetschers der mongolischen Sprache, weiters durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt des Bundesamtes sowie in den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes, wobei das Bundesamt lediglich schriftlich die Abweisung der Beschwerde beantragte.

Vom BF wurde in der Verhandlung im Wesentlichen vorgebracht, dass sich in Österreich seine Schwester und sein älterer Bruder aufhalten. Seine Schwester sei in Österreich verheiratet und habe fünf Kinder, um deren Betreuung sich auch der BF kümmere. Seit Dezember 2019 wohne er auch offiziell bei seiner Schwester. Der BF habe bis etwa 2016 bei seinem Bruder, danach in XXXX und seit 2019 bei seiner Schwester gewohnt. Seine Schwester verfüge über eine Rot-Weiß-Rot Karte plus, sein Bruder halte sich aufgrund eines Studentenvisums in Österreich auf. Sein Bruder sei gleichfalls in Österreich verheiratet und habe zwei Töchter. Der BF habe viel Kontakt zu seinen Nichten und Neffen. Er habe keine staatlichen Leistungen bezogen, sondern habe im Wesentlichen von der Unterstützung seiner Geschwister gelebt. Einer legalen Beschäftigung habe er nicht nachgehen dürfen. Er habe in Österreich auch keine Freundin oder Lebensgefährten. In seiner Freizeit sei er in einem Basketballteam aktiv. Er habe in Österreich einen großen Freundes- und Bekanntenkreis. Der BF konnte ein vom Österreichischen Integrationsfond am 12.07.2013 ausgestelltes Sprachzertifikat A2 vorlegen, wobei er in der Beschwerdeverhandlung zumindest entsprechende Deutschkenntnisse dartun konnte. Der BF habe in der Mongolei die Schule besucht, wobei er zuletzt auch in China in einer Privatschule gewesen sei. Er habe keine Berufsausbildung. Er sei mit 19 Jahren nach Österreich gekommen. In der Mongolei würden sich seine Eltern sowie ein Bruder aufhalten. Der BF habe Kontakt zu ihnen.

Der BF konnte einen Arbeitsvorvertrag vom 01.01.2020 als Hilfskraft in einem Mobiltelefonshop im Ausmaß von 40 Wochenstunden mit einer monatlichen Entlohnung von 1.300,- ? brutto vorlegen.

Dazu gab der als Zeuge befragte Inhaber eines Franchise-Unternehmens an, dass der Schwager des BF mit seinem Mobiltelefonshop Franchisenehmer seines Unternehmens sei und der BF eine entsprechende unternehmensinterne Ausbildung als Service-Techniker erhalten werde.

Die Schwester des BF bestätigte als Zeugin befragt im Wesentlichen die Angaben des BF.

In der Verhandlung wurden dem BF aktuelle Länderfeststellungen zum Herkunftsstaat zu Kenntnis gebracht und ihm diesbezüglich eine Frist von zwei Wochen für eine schriftliche Stellungnahme eingeräumt.

2.4. In einer schriftlichen Stellungnahme des BF vom 21.02.2020 wurde - neben Ausführungen zu den Länderfeststellungen - neuerlich auf den über zehnjährigen Aufenthalt des BF in Österreich, seine engen familiären Bindungen, seine Deutschkenntnisse sowie den Arbeitsvorvertrag hingewiesen. Weiters wurde auf eine Reihe von stattgebenden Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichtes in gleichgelagerten Fällen hingewiesen. Dem Schreiben war zudem eine gekürzte Urteilsausfertigung des Landesgerichtes XXXX vom XXXX .2017, Zl. XXXX , beigefügt, wonach der BF im Zusammenhang mit § 120 Abs. 2 FPG freigesprochen wurde.

2.5. Laut einer Abfrage am Stichtag scheinen im Strafregister der Republik Österreich hinsichtlich des BF keine Verurteilungen auf.

Aus einen am Stichtag abgerufenen Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem über die Gewährleistung der vorübergehenden Grundversorgung für Hilfs und schutzbedürftige Fremde in Österreich (GVS) geht hervor, dass der BF - mit Ausnahme der Beanspruchung einer Leistung aus der Krankenversicherung im November 2012 - nur bis zum November 2010 Leistungen aus der Grundversorgung bezogen hat.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF ist Staatsangehöriger der Mongolei. Seine Identität steht fest. Er ist am 22.12.2009 illegal ins Bundesgebiet eingereist, hat am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, wobei das Verfahren rechtskräftig mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 18.03.2013, Zl. C13 415.792-2/2013/5E, mit dem Ergebnis abgeschlossen wurde, dass der Antrag als unbegründet abgewiesen und eine Ausweisung gegen den BF ausgesprochen wurde. Der BF hat in diesem Verfahren seine wahre Identität verschleiert.

Der BF ist trotz rechtskräftiger Ausweisung illegal im Bundesgebiet verblieben und wurde sein Antrag vom Juli 2013 auf Ausstellung einer Rot-Weiß-Rot Karte plus von der Niederlassungsbehörde im April 2014 zurückgewiesen. Unter Offenlegung seiner wahren Identität und Vorlage eines mongolischen Reisepasses hat der BF beim Bundesamt am 11.12.2015 den verfahrensgegenständlichen Antrag gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 gestellt.

Der unbescholtene BF hält sich seit über 10 Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet auf. Er ist gesund und arbeitsfähig. Er lebt seit 2019 bei seiner Schwester, wobei sich auch ein Bruder im Bundesgebiet aufhält. Die Schwester des BF ist verheiratet, hat fünf Kinder und verfügt über eine bis Juni 2022 gültige Rot-Weiss-Rot - Karte plus. Der Bruder ist gleichfalls verheiratet, hat zwei Kinder und hält sich aktuell aufgrund eines Aufenthaltstitels Familiengemeinschaft mit Studierender in Österreich auf.

Der BF hat im Wesentlichen bis November 2010 Grundversorgung bezogen und wurde dann von seinen Geschwistern unterstützt. Er unterstützt seine Schwester bei der Betreuung seiner Nichten und Neffen. Er ist bislang in Österreich keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen, konnte aber für den Fall der Erteilung eines Aufenthaltstitels einen Arbeitsvorvertrag für eine Vollzeitbeschäftigung nachweisen.

Der BF konnte ein vom Österreichischen Integrationsfond am 12.07.2013 ausgestelltes Sprachzertifikat A2 nachweisen sowie in der Beschwerdeverhandlung bei der Beantwortung von Fragen darüber hinausreichende Deutschkenntnisse dartun.

Im Herkunftsland halten sich die Eltern sowie ein Bruder des BF auf.

Hinsichtlich der Situation im Herkunftsland ist festzustellen, dass sich die allgemeine Lage hinsichtlich der im Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz behandelten Aspekte nicht wesentlich geändert hat.

Im Übrigen wird der Verfahrensgang der Entscheidung zugrundegelegt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Identität und Herkunft des BF stützen sich auf dessen Angaben in der Beschwerdeverhandlung sowie den vorgelegten Reisepass. Auch das Bundesamt ging im bekämpften Bescheid vom Zutreffen der Identität des BF aus, weshalb kein Grund bestand, daran zu zweifeln.

Die Feststellungen zum Asylverfahren des BF, zur Verwendung einer Alias-Identität, zur rechtskräftigen Ausweisungsentscheidung, zu seinem unrechtmäßigen Aufenthalt sowie dem Verfahren vor der Niederlassungsbehörde ergeben sich aus den entsprechenden vom Bundesamt zur im Spruch genannten Zahl vorgelegten Verwaltungsakten sowie dem Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 20.12.2010, Zahl C13 415.792-1/2010/2E.

Die Feststellungen zur privaten und familiären Situation des BF in Österreich bzw. im Herkunftsland ergeben sich aus den glaubwürdigen Angaben des BF sowie seiner Schwester in der Beschwerdeverhandlung. Die Feststellungen zu den Sprachkenntnissen des BF ergeben sich aus den vorgelegten A2-Zertifikat sowie dem persönlichen Eindruck vom BF in der Beschwerdeverhandlung. Im Zusammenhang mit dem vorgelegten Arbeitsvorvertrag und unter Zugrundelegung der glaubwürdigen Angaben des in er Beschwerdeverhandlung als Zeugen befragten Inhaber eines Franchise-Unternehmens wird grundsätzlich auch von einer Selbsterhaltungsfähigkeit des BF auszugehen sein.

Die Feststellungen zur Unbescholtenheit des BF ergeben sich aus den aktuell eingeholten, im Akt aufliegenden Strafregisterauszug. Zu den vom Bundesamt im bekämpften Bescheid angeführten Anzeigen bzw. Gerichtsverfahren ist festzustellen, dass es in diesem Zusammenhang zu keinen Verurteilungen gekommen ist bzw. das angesprochene Verfahren beim OLG Wien letztendlich zu einem Freispruch des BF geführt hat. Die Feststellungen zum Nicht-Bezug von Leistungen aus der Grundversorgung ergeben sich aus dem aktuell eingeholten Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem über die Gewährleistung der vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde in Österreich.

Die Feststellungen zur ununterbrochenen über 10-jährigen Aufenthaltsdauer ergeben sich aus den Abfragen beim Zentralen Melderegister sowie den glaubhaften Angaben des BF in der Beschwerdeverhandlung, wobei auch das Bundesamt offenbar von einem ununterbrochenen Aufenthalt ausgegangen ist. Aus der ZMR Abfrage ergeben sich - mit Ausnahme des Zeitraumes zwischen Mai 2011 und Oktober 2012 - kaum langandauernde Lücken, die etwa auf ein Untertauchen des BF hindeuten würden.

Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsland ergeben sich aus einem Abgleich der im Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 20.12.2010, Zl. C13 415.792-1/2010/2E, zitierten Länderberichte und den in der Beschwerdeverhandlung dargetanen Länderdokumenten (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des Bundesamtes - Mongolei, 25.09.2018; USDOS Country Report on Human Rights Practices - Mongolia 2018, 13.03.2019; Amnesty International, Human Rights in Asia Pacific, Review of 2019, Mongolia, 30.01.2020).

Die Aufnahme weiterer Beweise war wegen Entscheidungsreife nicht mehr erforderlich.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn (Z 1) der der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder (Z 2) die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Letztere Variante traf unter Berücksichtigung der in ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 VwGVG vertretenen Ansicht über den prinzipiellen Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auf die gegenständliche Konstellation zu (vgl. dazu etwa VwGH 28.07.2016, Zl. Ra 2015/01/0123).

Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es gemäß § 27 VwGVG den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs.1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen. Gemäß § 9 Abs.1 VwGVG hat die Beschwerde u.a. (Z 3) die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, sowie (Z 4) das Begehren zu enthalten. In den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, wurde zu § 27 VwGVG ausgeführt: "Der vorgeschlagene § 27 legt den Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes fest. Anders als die Kognitionsbefugnis einer Berufungsbehörde (vgl. § 66 Abs. 4 AVG) soll die Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichtes durch den Inhalt der Beschwerde beschränkt sein."

Zu Spruchteil A):

3.2.1. Gesetzliche Grundlagen zur Erteilung eines Aufenthaltstitels und Erlassung einer Rückkehrentscheidung:

Der mit " Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK " betitelte § 55 AsylG idgF lautet:

"§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und,

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

Gemäß § 9 Abs. 4 Z 1 IntG idgF ist das Modul 1 der Integrationsvereinbarung erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß § 11 vorlegt.

Gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl I Nr 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Art. 8 Abs. 2 EMRK erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen. In diesem Sinne wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

3.2.2. Bei dieser Interessenabwägung sind - wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird - insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren sowie die Frage zu berücksichtigen, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (vgl. VfGH 29.09.2007, B 1150/07-9; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; VwGH 26.01.2006, 2002/20/0423).

Zu den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 8 EMRK entwickelten Grundsätzen zählt unter anderem auch, dass das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens, das Vorhandensein einer "Familie" voraussetzt.

In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen neben den zwischen Ehegatten und ihren minderjährigen Kindern ipso iure zu bejahenden Familienleben bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.6.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 7.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.3.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.7.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.2.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 5.7.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Als Kriterien hiefür kommen in einer Gesamtbetrachtung etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes, die Intensität und die Dauer des Zusammenlebens bzw. die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht. Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 6.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Sich bei der Prüfung allein auf das Kriterium der Abhängigkeit zu beschränken, greift jedenfalls zu kurz (vgl. VwGH vom 26.1.2006, Zl. 2002/20/0423).

Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg Lettland, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Für den Aspekt des Privatlebens spielt auch die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung grundsätzlich keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Peter Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, in ÖJZ 2007, 852ff.). Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Interessenabwägung gemäß Art. 8 EMRK ist jedoch bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen. Nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, wurden etwa Aufenthaltsbeendigungen ausnahmsweise auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen. Diese Rechtsprechung zu Art. 8 EMRK ist auch für die Erteilung von Aufenthaltstiteln relevant (VwGH 10.11.2015, Zl. 2015/19/0001; VwGH 26.03.2015, Zl. 2013/22/0303; VwGH 16.12.2014, Zl. 2012/22/0169; VwGH 19.11.2014, Zl. 2013/22/0270; VwGH 10.12.2013, Zl. 2013/22/0242). Diese Judikatur wurde auch auf Aufenthalte ausgedehnt, die beinahe zehn Jahre erreichen (vgl. etwa VwGH 09.09.2014, Zl. 2013/22/0247 zu einem Aufenthalt von über neuneinhalb Jahren).

Auch der Gesichtspunkt des § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG 2014 ("Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren") darf - insbesondere bei einem mehr als zehn Jahre dauernden Inlandsaufenthalt - nicht in unverhältnismäßiger Weise in den Vordergrund gestellt werden. Dies betrifft konkret auch Fallkonstellationen, in welchen der Fremde trotz rechtskräftiger Ausweisung der Ausreiseverpflichtung keine Folge geleistet hat und unrechtmäßig im Bundegebiet verblieben ist. Dazu führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass es sich hierbei um Gesichtspunkte handle, "die - in mehr oder weniger großem Ausmaß - typischerweise auf Personen zutreffen, die nach negativer Erledigung ihres Antrags auf internationalen Schutz einen mehr als zehnjährigen inländischen und zuletzt jedenfalls unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet aufweisen". Diese Umstände sprechen sohin per se nicht gegen die Anwendbarkeit der Fälle einer Aufenthaltsdauer von mehr als zehn Jahren betreffenden Rechtsprechungslinie und kommt ihnen für sich genommen noch kein entscheidungswesentliches Gewicht zu (vgl. etwa VwGH 19.12.2019, Ra 2019/21/0243). Dies gilt umso mehr, wenn sich den vorgelegten Akten auch keine behördlichen Versuche entnehmen lassen, die dem Fremden auferlegte Ausreiseverpflichtung durchzusetzen (vgl. etwa VwGH 23.01.2020, Zl. Ra 2019/21/0378). Letzteres wird auch für unrichtige Identitätsangaben zutreffen, wobei diesen aber auch nur insofern Bedeutung zukommt, als sie für die besonders lange Aufenthaltsdauer kausal waren (vgl. etwa VwGH 04.08.2016, Zl. Ra 2015/21/0249). Andererseits wurde die Rechtsprechungsrichtlinie vom Verwaltungsgerichtshof selbst auf Fälle ausgedehnt, in denen ein Inlandsaufenthalt von zusammengerechnet mehr als zehnjähriger Dauer aufgrund einer Abschiebung einmalig für etwa sechs Monate unterbrochen wurde (vgl. dazu etwa VwGH 15.01.2020, Zl. Ra 2017/22/0047).

Weiters kann auch bei einem mehr als zehn Jahre dauernden Inlandsaufenthalt das Vorliegen einer strafgerichtlichen Verurteilung (vgl. VwGH 30.06.2016, Zl. Ra 2016/21/0165; VwGH 10.11.2015, Zl. Ro 2015/19/0001; VwGH 03.09.2015, Zl. Ra 2015/21/0121; VwGH 25.04.2014, Zl. Ro 2014/21/0054), Verstöße gegen Verwaltungsvorschriften (wie etwa das Ausländerbeschäftigungsgesetz; vgl. VwGH 16.10.2012, Zl. 2012/18/006; VwGH 25.04.2014, Zl. Ro 2014/21/0054), eine zweifache Asylantragstellung (vgl. VwGH B 20.07.2016, Zl. Ra 2016/22/0039; VwGH Ra 2014/22/0078) sowie die Missachtung melderechtlicher Vorschriften (vgl. VwGH 31.01.2013, 2012/23/0006) das öffentliche Interesse an der Verweigerung eines Aufenthaltstitels verstärken.

Bei der Beurteilung des Grades der Integration des Fremden ist insbesondere die Selbsterhaltungsfähigkeit, die schulische und berufliche Ausbildung, die Beschäftigung und die Kenntnisse der deutschen Sprache zu berücksichtigen (vgl. dazu etwa VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/22/0023). Hierbei ist im Sinne der dargestellten Rechtsprechungsrichtlinie bei der Beurteilung, ob der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, ein bescheidenerer Maßstab anzusetzen. In entsprechenden Konstellationen ist hierbei auch gerade die Frage einer zukünftig erwartbaren Selbsterhaltungsfähigkeit durch eine erlaubte Beschäftigung einzubeziehen und dabei auf den hypothetischen Fall der Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels, der die Ausübung einer unselbständigen Tätigkeit grundsätzlich gestattet, abzustellen (vgl. dazu etwa VwGH 19.12.2019, Zl. Ra 2019/21/0282).

3.2.3. Der BF hält sich in Österreich ununterbrochen seit Dezember 2009 auf. Er war zum Aufenthalt in Österreich anfangs nur auf Grund eines Antrages auf internationalen Schutz, der sich als nicht begründet erwiesen hat, berechtigt. Seit rechtskräftigem Abschluss seines Asylverfahrens im März 2013 ist der BF trotz durchsetzbarer Ausweisungsentscheidung illegal im Bundesgebiet verblieben. Ihm ist zudem vorzuhalten, dass er sich ursprünglich einer falschen Identität bedient hat, andererseits hat er den Behörden seine wahre Identität unter Vorlage eines Reisepasses bereits 2015 preisgegeben. Sohin kann aber auch nicht gesagt werden, dass dieses missbräuchliche Verhalten des BF für die lange Aufenthaltsdauer ausschlaggebend war.

In Österreich halten sich rechtmäßig eine Schwester, ein Bruder sowie zahlreiche Nichten und Neffen auf, zu denen der BF einen engen Kontakt pflegt. So lebt er seit Ende 2019 mit seiner Schwester im gemeinsamen Haushalt, hat auch mit seinem Bruder in Österreich bereits zusammengelebt und wurde von beiden über die ganze Zeit seines Aufenthaltes auch materiell - sei es durch finanzielle Mittel oder Sachleistungen - unterstützt. Hierzu ist ergänzend anzumerken, dass der BF ab November 2010, also noch während seines Asylverfahrens- im Wesentlichen keine Leistungen aus der Grundversorgung mehr in Anspruch genommen hat. Ihm konnte auch keine illegale Beschäftigung nachgewiesen werden. Der BF unterstützt seine Schwester tatkräftig bei der Betreuung ihrer fünf Kinder. Sohin ist im Ergebnis aber von einer ausgeprägten Bindung des BF zu seinen in Österreich aufhältigen Familienangehörigen auszugehen.

Der BF hat jedoch auch den Bezug zum Herkunftsland, wo er aufgewachsen ist und sich seine Eltern und ein weiterer Bruder aufhalten, nicht völlig verloren. Unabhängig davon ist aber den persönlichen und sozialen Beziehungen des BF zu seinen in Österreich aufhältigen Geschwistern, Nichten und Neffen zumindest im Hinblick auf sein Privatleben unter den dargetanen besonderen Verhältnissen ein entsprechendes Gewicht beizumessen. Zusätzlich verfügt der BF auch über einen großen inländischen Freundeskreis.

Der unbescholtene BF konnte in der Verhandlung entsprechend gute Deutschkenntnisse dartun und ein Sprachzertifikat A2 vorlegen. Weiters ist bei Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels von der Selbsterhaltungsfähigkeit des BF, der wie bereits ausgeführt, im Wesentlichen seit 2011 keine staatlichen Leistungen mehr bezogen hat und einen Arbeitsvorvertrag für eine Vollzeitbeschäftigung vorlegen konnte, auszugehen.

In einer Gesamtbetrachtung all dieser Umstände kann unter Einbeziehung der oben umrissenen Judikaturlinie des Verwaltungsgerichtshofes in Summe nicht mehr erkannt werden, dass in der vorliegenden Konstellation dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften im Hinblick auf Art. 8 EMRK Vorzug gegenüber dem subjektiven Interesse des BF am Verbleib im Inland zu geben ist (vgl. dazu insbesondere auch VwGH 04.02.2020, Zl. Ra 2020/14/0002; VwGH 26.03.2015, Zl. 2013/22/0303).

3.2.4. Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist (Z 1) und der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 ASVG) erreicht wird (Z 2). Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist gemäß Abs. 2 eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung ist gemäß § 9 Abs. 4 IntG idgF ist u.a. erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige (Z 1) einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß § 11 vorlegt oder (Z 2) einen gleichwertigen Nachweis gemäß § 11 Abs. 4 über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung vorlegt.

Gemäß § 11 Abs. 1 IntG wird die Integrationsprüfung zur Erfüllung des Moduls 1 bundesweit nach einem einheitlichen Maßstab vom Österreichischen Integrationsfonds durchgeführt. Nach § 11 Abs. 2 IntG umfasst die Prüfung Sprach- und Werteinhalte. Mit der Prüfung ist festzustellen, ob der Drittstaatsangehörige über vertiefte elementare Kenntnisse der deutschen Sprache zur Kommunikation und zum Lesen und Schreiben von Texten des Alltags auf dem Sprachniveau A2 gemäß dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen und über Kenntnisse der grundlegenden Werte der Rechts- und Gesellschaftsordnung der Republik Österreich verfügt. Der Prüfungserfolg ist mit "Bestanden" oder "Nicht bestanden" zu beurteilen. Zur erfolgreichen Absolvierung der Prüfung muss sowohl das Wissen über Sprach- sowie über Werteinhalte nachgewiesen werden. Wiederholungen von nicht bestandenen Prüfungen sind zulässig. Die Wiederholung von einzelnen Prüfungsinhalten ist nicht zulässig. In seinem Erkenntnis vom 04.08.2016, Zl. Ra 2016/210203, betonte der Verwaltungsgerichtshof, dass hinsichtlich der Beurteilung der Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG (nunmehr §§ 9 ff Integrationsgesetz) eine formalistische Sichtweise anzuwenden sei und die Vorlage eines der in § 9 der Integrationsvereinbarungs-Verordnung (aF) aufgezählten Zertifikate nicht im Rahmen der freien Beweiswürdigung ersetzt werden könne.

Gemäß § 81 Abs. 36 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2017 idgF, gilt das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG als erfüllt, wenn Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 68/2017 vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 68/2017 erfüllt haben oder von der Erfüllung ausgenommen waren. Gemäß § 14a Abs. 4 Z 2 NAG idF BGBl. I Nr. 38/2011 ist das Modul 1 der Integrationsvereinbarung erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige einen allgemein anerkannten Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse gemäß § 14 Abs. 2 Z 1 vorlegt; laut § 14 Abs. 2 Z 1 leg.cit. dient das Modul 1 dem Erwerb von Kenntnissen der deutschen Sprache zur vertieften elementaren Sprachverwendung.

Der BF erfüllt sohin durch das in Vorlage gebrachte am 12.07.2013 vom ÖIF ausgestellte Zertifikat über die Absolvierung einer Deutschprüfung auf dem Niveau A2 das Modul 1 der Integrationsvereinbarung.

Das Bundesamt hat dem BF die Aufenthaltstitel gemäß § 58 Abs. 7 AsylG 2005 auszufolgen, der BF hat hieran gemäß § 58 Abs. 11 AsylG 2005 mitzuwirken. Der Aufenthaltstitel gilt gemäß § 54 Abs. 2 AsylG 2005 zwölf Monate lang, beginnend mit dem Ausstellungsdatum.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben (vgl. dazu insbesondere die unter den Punkten II.3.2.2. f. zitierte Judikatur).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Aufenthaltsberechtigung plus Aufenthaltsdauer Deutschkenntnisse familiäre Situation Integration Integrationsvereinbarung Interessenabwägung Privat- und Familienleben

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W182.2178901.1.00

Im RIS seit

12.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

12.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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