Entscheidungsdatum
23.04.2020Norm
ABGB §1332Spruch
I403 2230373-1/2E
I403 2230373-2/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
I. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Montenegro, vertreten durch: Mag. Susanne SINGER, Ringstraße 9, 4600 Wels, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 12.03.2020, Zl. 214424408/190954707, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 33 VwGVG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BESCHLUSS
II. Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von Ljah KURTI, geb. 26.05.1987, StA. Montenegro, vertreten durch: Mag. Susanne SINGER, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 03.01.2020, Zl. 214424408/190954707:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG iVm § 31 VwGVG iVm § 7 Abs. 4 VwGVG als verspätet zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Antragsteller, ein Staatsbürger Montenegros, hat seit 1998, als er 11 Jahre alt war, seinen Hauptwohnsitz in Österreich, wo auch seine Eltern und Geschwister leben. Er wurde insgesamt zwölfmal strafrechtlich verurteilt, davon teilweise zu Geldstrafen, aber auch zu unbedingten Freiheitsstrafen bis zu sieben Monaten.
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 03.01.2020 wurde gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG iVm § 9 BFA-VG erlassen (Spruchpunkt I). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Montenegro zulässig ist (Spruchpunkt II). Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 4 FPG nicht gewährt (Spruchpunkt III.) Einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung wurde gemäß § 18 Absatz 2 Ziffer 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG wurde gegen den Antragsteller zudem ein auf die Dauer von sechs Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt V.).
Der Bescheid wurde durch Hinterlegung am 20.01.2020 zugestellt.
Am 06.03.2020 wurden ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur rechtzeitigen Beschwerdeerhebung gegen den Bescheid vom 03.01.2020 und ein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gestellt, sowie Beschwerde erhoben und wurde auf die der Rechtsanwältin Mag. Susanne Singer erteilte Vollmacht verwiesen. Inhaltlich wurde vorgebracht, dass der Antragsteller bis zum 20.12.2019 in Linz gemeldet gewesen sei, dass er sich an dieser Adresse aber nicht aufgehalten habe, sondern sich nur die Post dorthin habe schicken lassen. Es sei nur seine “Meldeadresse“ gewesen, er sei dort jedoch nicht wohnhaft gewesen. Ab Jahresende 2019 sei er in die Wohnung in Steyr gezogen, in der seine Eltern und sein Bruder leben. Er habe auch selbst „in Erwartung einer behördlichen Entscheidung die Post soweit ihm möglich, täglich und regelmäßig durchgesehen, er kann jedoch nicht ausschließen, dass fallweise die Post auch von den anderen Familienmitgliedern erledigt wurde und eine allfällige Verständigung in diesem Zusammenhang untergegangen ist.“ Er habe erst am 21.02.2020 und damit nach Rechtskraft Kenntnis von dem Bescheid erhalten, als ihm dieser von der Polizei persönlich übergeben worden sei. Es handle sich um ein unabwendbares Ereignis und einen minderen Grad des Versehens, daher werde die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zugleich wurde Beschwerde gegen den Bescheid vom 03.01.2020 erhoben und diese näher begründet.
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 12.03.2020 wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 06.03.2020 gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG abgewiesen und dem Antrag gemäß § 33 Abs. 4 VwGVG die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt. Dies wurde damit begründet, dass der Beschwerdeführer seit dem 20.12.2019 nachweislich an der Meldeadresse gemeldet sei, an welcher am 20.01.2020 eine Hinterlegungsanzeige hinterlassen worden sei, weil der Beschwerdeführer nicht persönlich anzutreffen gewesen sei. Der Bescheid sei in weiterer Folge nicht behoben worden und am 18.02.2020 in Rechtskraft erwachsen.
Am 14.04.2020 wurde gegen den Bescheid vom 12.03.2020 Beschwerde erhoben. Inhaltlich wurde argumentiert, dass die belangte Behörde die persönliche Situation des Antragstellers nicht berücksichtigt habe. Er sei seit etwa zehn Jahren suchtkrank und lange Zeit obdachlos gewesen und habe im Dezember 2019 bei seinen Eltern einen Wohnsitz angemeldet. Man wisse nicht, ob der Antragsteller, der sich aktuell in einem Substitutionsprogramm befinde, tatsächlich bei seinen Eltern gewohnt habe. Aufgrund des im Oktober 2019 von der belangten Behörde eingeräumten Parteiengehörs sei ihm aber bewusst gewesen, dass ein behördliches Schriftstück einlangen werde und habe er sich wohl auch deswegen bei seinen Eltern angemeldet. Der Antragsteller habe seine Eltern und seinen ebenfalls an dieser Adresse wohnenden Bruder darauf hingewiesen, dass er ein wichtiges Schriftstück erwarte und selbst, soweit es ihm möglich gewesen sei, die Post regelmäßig durchgesehen.
In der Folge legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht am 20.04.2020 und den Verwaltungsakt am 23.04.2020 zur Entscheidung vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der Bescheid vom 03.01.2020, mit welchem die belangte Behörde gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung und ein Einreiseverbot erließ, wurde dem Antragsteller durch Hinterlegung am 20.01.2020 zugestellt. Nachdem er nicht persönlich angetroffen wurde, wurde eine Verständigung über die Hinterlegung hinterlegt. Als Beginn der Abholfrist wurde der 20.01.2020 vermerkt.
1.2. Der Bescheid wurde vom Beschwerdeführer nicht behoben, weshalb dieser nach Ablauf der Abholfrist, am 12.02.2020, an die belangte Behörde retourniert wurde.
1.3. Innerhalb der vierwöchigen Rechtsmittelfrist wurde gegen diesen Bescheid keine Beschwerde erhoben, weshalb dieser mit 18.02.2020 in Rechtskraft erwuchs.
1.4. Am 21.02.2020 wurde dem Antragsteller der Bescheid vom 03.01.2020 von der Polizei übergeben. Eine Beschwerde samt Wiedereinsetzungsantrag wurden der belangten Behörde am 06.03.2020 übermittelt.
1.5. Der Antragsteller ist seit dem 20.12.2019 an der Adresse seiner Eltern und seines Bruders ( XXXX gemeldet.
1.6. Der Antragsteller konnte nicht glaubhaft machen, dass er aufgrund eines unabwendbaren Ereignisses keine Kenntnis von der Hinterlegungsanzeige erlangte und es ihm somit unmöglich gewesen wäre, früher Kenntnis vom Bescheid zu erlangen.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellungen des für diese Entscheidung maßgeblichen Sachverhalts basieren auf den im Rahmen des Ermittlungsverfahrens erhobenen Beweisen durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde sowie in den Gerichtsakt.
2.2. Die Feststellung, dass der Bescheid vom 03.01.2020 dem Antragsteller am 20.01.2020 durch Hinterlegung zugestellt wurde, ergibt sich durch die im Akt befindliche Verständigung über die Hinterlegung. Es ist von der sich aus der Beurkundung auf dem Rückschein ergebenden Ordnungsgemäßheit der Zustellung gemäß § 17 Abs. 3 Zustellgesetz auszugehen.
2.3. Die Feststellung, dass der Bescheid vom 03.01.2020 innerhalb der zweiwöchigen Abholfrist nicht behoben wurde, beruht auf der Tatsache, dass der Bescheid dem BFA mit dem Hinweis "zurück nicht behoben" am 12.02.2020 retourniert wurde.
2.4. Die Feststellung, dass der Bescheid am 18.02.2020 in Rechtskraft erwuchs, gründet sich auf den vorliegenden Behördenakt.
2.5. Die Feststellung, dass der Antragsteller am 21.02.2020 Kenntnis von dem Bescheid vom 03.01.2020 erlangte, ergibt sich aus seinen unwidersprochen gebliebenen Angaben.
2.6. Dass der Antragsteller das Fristende zur Einbringung eines Rechtsmittels versäumt hat, ergibt sich aus der Zustellung und seiner Beschwerde samt Wiedereinsetzungsantrag vom 06.03.2020.
2.7. Die Feststellung hinsichtlich des Hauptwohnsitzes ergibt sich aus einem Auszug aus dem Zentralen Melderegister.
2.8. Dass es dem Antragsteller nicht gelungen ist, glaubhaft darzulegen, dass er nur aufgrund eines minderen Grades an Verschulden nicht rechtzeitig von der Hinterlegung des Bescheides vom 03.01.2020 Kenntnis erlangt habe, wurde bereits von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid dargelegt:
Glaubhaft machen bedeutet, das Ereignis als wahrscheinlich darzutun, wodurch zum Ausdruck gelangen soll, dass es Sache des Antragstellers ist, das Vorliegen des Wiedereinsetzungsgrundes nicht nur zu behaupten, sondern die Behörde auch davon zu überzeugen, dass seine Behauptungen wahrscheinlich den Tatsachen entsprechen (vgl. VwGH 30.01.2001, 98/18/0225 zur gleichlautenden Bestimmung des § 71 AVG).
Der belangten Behörde ist beizupflichten, wenn diese anführt, dass davon auszugehen sei, dass „der gelbe Hinterlegungsschein für die persönliche Abholung eines behördlichen Dokuments bei ausreichender Sorgfalt und regelmäßigem Durchsehen der einlangenden Post sehr wohl an die adressierte Person gelangt. Es fällt in weiterer Folge in Ihre persönliche Sorgfaltspflicht das Dokument von der nächstgelegenen Postfiliale fristgereicht abzuholen, zumal diese Frist ausreichend lang ist. Es kann daher nicht festgestellt werden, dass Sie kein Verschulden oder auch nur ein minderer Grad des Versehens im Sinn von leichter Fahrlässigkeit trifft. Die Behörde geht von einem vorhersehbaren und abwendbaren Ereignis und dem Vorliegen von grober Fahrlässigkeit als Verschuldensform aus.“
Soweit im Antrag auf Wiedereinsetzung erklärt wird, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass „fallweise die Post auch von den anderen Familienmitgliedern erledigt wurde und eine allfällige Verständigung in diesem Zusammenhang untergegangen ist“, reicht dies nicht aus, um aufzuzeigen, dass der Antragsteller aufgrund eines unabwendbaren Ereignisses die Hinterlegungsanzeige nicht erhalten hat.
2.9. Wenn in der Beschwerde gegen den Bescheid, mit dem der Antrag auf Wiedereinsetzung abgewiesen wird, ergänzend vorgebracht wird, dass nicht klar sei, ob der Antragsteller, der sich aktuell in einem Substitutionsprogramm befinde, tatsächlich bei seinen Eltern gewohnt habe, so ist dem erstens entgegenzuhalten, dass auf nach Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist geltend gemachte Wiedereinsetzungsgründe und neue, den Wiedereinsetzungsgrund untermauernde Argumente nicht einzugehen ist (vgl. die Rechtsprechungsnachweise bei Hengstschläger/Leeb, AVG § 71 Rz 115, 117 und VwGH vom 23.04.2015, Zl. 2012/07/0222) und wird zudem dadurch für den Antragsteller nichts gewonnen, würde dies doch nur bedeuten, dass er seinen Verpflichtungen nach dem Meldegesetz nicht nachgekommen ist, so dass jedenfalls von keinem minderen Grad des Versehens ausgegangen werden könnte. Eine konkrete längere Abwesenheit von seiner Meldeadresse wurde nicht behauptet.
Der Vorhalt in der Beschwerde gegen den Bescheid, mit dem der Antrag auf Wiedereinsetzung abgewiesen wird, dass die belangte Behörde die persönliche Situation des Antragstellers, konkret seine langjährige Suchterkrankung, zu wenig berücksichtigt habe, geht ebenfalls ins Leere, wurde doch im Antrag auf Wiedereinsetzung behauptet, dass der Antragsteller sich gerade in Erwartung eines wichtigen behördlichen Schriftstücks wieder bei seinen Eltern gemeldet habe. Der Antragsteller war daher durchaus in der Lage, die Relevanz eines eingeschriebenen Schreibens zu erkennen. Es liegen auch keine Hinweise auf eine eingeschränkte oder fehlende Handlungsfähigkeit des Antragstellers vorliegen.
Der Antragsteller unterließ es in seinem Antrag, ein unabwendbares Ereignis darzulegen; soweit er nur vage darauf verwies, dass er es nicht ausschließe, „dass ein allenfalls gelber Zettel hinsichtlich einer Hinterlegung untergegangen ist“, reicht dies nicht aus, um ein unabwendbares Ereignis aufzuzeigen.
2.10. Im gegenständlichen Fall war zu beurteilen, ob es dem Antragsteller gelungen war, glaubhaft zu machen, dass er durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist zur Erhebung einer Beschwerde einzuhalten und ihn kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft. Wie bereits dargelegt, kann es allerdings nicht als unvorhergesehenes Ereignis angesehen werden, wenn man eine Hinterlegungsanzeige übersieht oder sich nur sporadisch an der als Hauptwohnsitz gemeldete Adresse aufhält. Begründete längere Ortsabwesenheiten im relevanten Zeitraum, wie Urlaube oder stationäre Krankenhausaufenthalte, wurden vom Antragsteller nicht vorgebracht.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Beschwerde gegen den Bescheid vom 12.03.2020
Zu I. A) Abweisung der Beschwerde
§ 33 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz lautet:
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
(1) Wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis – so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat – eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
(2) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung eines Vorlageantrags ist auch dann zu bewilligen, wenn die Frist versäumt wurde, weil die anzufechtende Beschwerdevorentscheidung fälschlich ein Rechtsmittel eingeräumt und die Partei das Rechtsmittel ergriffen hat oder die Beschwerdevorentscheidung keine Belehrung zur Stellung eines Vorlageantrags, keine Frist zur Stellung eines Vorlageantrags oder die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.
(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. In den Fällen des Abs. 2 ist der Antrag binnen zwei Wochen
1. nach Zustellung eines Bescheides oder einer gerichtlichen Entscheidung, der bzw. die das Rechtsmittel als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.
2. nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Stellung eines Antrags auf Vorlage Kenntnis erlangt hat,
bei der Behörde zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.
(4) Bis zur Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden. § 15 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. Die Behörde oder das Verwaltungsgericht kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.
(4a) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung eines Antrags auf Ausfertigung einer Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4 ist auch dann zu bewilligen, wenn die Frist versäumt wurde, weil auf das Erfordernis eines solchen Antrags als Voraussetzung für die Erhebung einer Revision beim Verwaltungsgerichtshof und einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof nicht hingewiesen wurde oder dabei die zur Verfügung stehende Frist nicht angeführt war. Der Antrag ist binnen zwei Wochen
1. nach Zustellung einer Entscheidung, die einen Antrag auf Ausfertigung der Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4, eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof oder eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.
2. nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit eines Antrags auf Ausfertigung der Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4 Kenntnis erlangt hat,
beim Verwaltungsgericht zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen. Über den Antrag entscheidet das Verwaltungsgericht.
(5) Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.
(6) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrags findet keine Wiedereinsetzung statt.
Als Ereignis ist jedes Geschehen ohne jede Beschränkung auf Vorgänge in der Außenwelt anzusehen. Gehindert wird eine Person ebenso durch eine alltägliche Erkrankung wie durch eine Naturkatastrophe, durch eine eigene menschliche Unzulänglichkeit ebenso wie durch Gewalteinwendungen von außen. Unvorhergesehen ist aber ein Ereignis dann, wenn die Partei es tatsächlich nicht einberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme von zumutbarer Aufmerksamkeit und Vorsicht nicht erwarten konnte (vgl. VwGH 26.08.1998, 96/09/0093).
Ein Ereignis ist dann unabwendbar, wenn es durch einen Durchschnittsmenschen objektiv nicht verhindert werden konnte. Es ist als unvorhergesehen zu werten, wenn die Partei es tatsächlich nicht miteinberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf die zumutbare Aufmerksamkeit und Vorsicht nicht erwarten konnte. Anders als das Tatbestandsmerkmal des "unabwendbaren" erfasst jenes des "unvorhergesehenen" Ereignisses die subjektiven Verhältnisse der Partei, sodass nicht der objektive Durchschnittsablauf, sondern der konkrete Ablauf der Ereignisse maßgebend ist (vgl. VwGH 15.09.2005, 2004/07/0135).
Zustellungsmängel bilden grundsätzlich keinen Wiedereinsetzungsgrund, weil bei mangelhafter Zustellung die (versäumte) Frist nicht zu laufen beginnt (VwGH, 13.12.2018, Ra 2018/18/0302). Daher ist zunächst zu prüfen, ob der Bescheid vom 03.01.2020 zugestellt wurde.
§ 17 Zustellgesetz lautet
Hinterlegung
(1) Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.
(2) Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.
(3) Das hinterlegte Dokument ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.
(4) Die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung ist auch dann gültig, wenn die im Abs. 2 genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde.
Nach § 2 Z 4 Zustellgesetz ist „Abgabestelle“ die Wohnung oder sonstige Unterkunft, die Betriebsstätte, der Sitz, der Geschäftsraum, die Kanzlei oder auch der Arbeitsplatz des Empfängers, im Falle einer Zustellung anlässlich einer Amtshandlung auch deren Ort, oder ein vom Empfänger der Behörde für die Zustellung in einem laufenden Verfahren angegebener Ort. Im gegenständlichen Fall verfügte die belangte Behörde die Zustellung an den im ZMR festgelegten Hauptwohnsitz des Antragstellers. Aufgrund des Umstandes, dass er am 20.01.2020 nicht in der Abgabestelle angetroffen wurde, wurde eine Verständigung von der Hinterlegung hinterlassen. Die durch den dritten Satz des § 17 Abs 3 Zustellgesetz normierte Zustellwirkung wird nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht durch Abwesenheit von der Abgabestelle schlechthin, sondern nur durch eine solche Abwesenheit von der Abgabestelle ausgeschlossen, die bewirkt, dass der Empfänger wegen seiner Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte (VwGH, 20.12.2017, Ra 2017/03/0052). Eine solche Abwesenheit (etwa im Sinne eines Urlaubs oder eines stationären Krankenhausaufenthaltes) wurde vom Antragsteller nicht dargelegt.
Sohin ist der Zustellvorgang rechtmäßig erfolgt und hat eine Hinterlegung der Postsendung gemäß § 17 ZustG stattgefunden; wenn der Empfänger dennoch keine Kenntnis vom Zustellvorgang erlangt hat, kann diese Unkenntnis von der ordnungsgemäßen Hinterlegung eines Schriftstückes nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geeignet sein, einen Wiedereinsetzungsgrund zu begründen, allerdings nur dann, wenn sie nicht auf einem Verschulden beruht, welches den minderen Grad des Versehens übersteigt (vgl. etwa VwGH, 29.01.2004, 2001/20/0425 oder VwGH, 13.12.2018, Ra 2018/18/0302).
Wie weiter oben dargelegt wurde, trifft den Antragsteller allerdings ein Verschulden, welches einen minderen Grad des Versehens übersteigt. Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht in besonders nachlässiger Weise außer Acht gelassen hat (zB Beschluss des VwGH, 11.09.2013, 2013/02/0152 oder vom 10.11.2015, Ra 2015/19/0222). Der Antragsteller hat keinen Grund genannt, warum es nicht in seinem Verschulden liegen sollte, dass er die Hinterlegungsanzeige nicht bekommen bzw. sich mit dieser nicht an die Post gewandt hat. Die Hinterlegungsanzeige wurde an der Abgabeeinrichtung des Antragstellers hinterlegt, er war nicht länger ortsabwesend und machte auch sonst nichts konkret geltend, warum es ihm nicht möglich gewesen sein sollte, die Hinterlegungsanzeige zu erhalten und den Bescheid abzuholen. Soweit er es „für nicht auszuschließen“ hält, „dass ein allenfalls gelber Zettel hinsichtlich einer Hinterlegung untergegangen ist“, reicht dies nicht aus, um ein unabwendbares Ereignis glaubhaft zu machen.
In der Regel kann Krankheit nicht von vornherein als Wiedereinsetzungsgrund gewertet werden, vielmehr begründet nur eine die Dispositionsfähigkeit ausschließende Erkrankung einen Wiedereinsetzungsgrund. Soweit in der Beschwerde auf die Suchterkrankung des Antragstellers hingewiesen wurde, reicht dies nicht aus, um von einer die Dispositionsfähigkeit ausschließenden Erkrankung auszugehen.
Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass es dem Antragsteller nicht gelungen ist, dem Gericht glaubhaft darzulegen, dass er die Verständigung der Hinterlegung ohne sein Verschulden nicht rechtzeitig erhalten hat. Der Eintritt der Fristversäumnis ist im konkreten Fall in der Sphäre des Antragstellers gelegen. Mangels Vorliegen der Voraussetzungen der Gewährung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist der belangten Behörde inhaltlich beizupflichten und war der Beschwerde somit der Erfolg zu versagen.
Zu I. B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Das Gericht konnte sich bei seiner Entscheidung auf die angeführte ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stützen, weshalb keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.
3.2. Beschwerde gegen den Bescheid vom 03.01.20120
Zu II. A) Zurückweisung der Beschwerde
Gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG vier Wochen. Sie beginnt in den Fällen des Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG (= Parteibeschwerde) dann, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung.
§ 32 AVG bestimmt:
§ 32. (1) Bei der Berechnung von Fristen, die nach Tagen bestimmt sind, wird der Tag nicht mitgerechnet, in den der Zeitpunkt oder das Ereignis fällt, wonach sich der Anfang der Frist richten soll.
(2) Nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen enden mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Fehlt dieser Tag im letzten Monat, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monats.
Wie im Sachverhalt samt Beweiswürdigung dargelegt, konnte der Bescheid vom 03.01.2020 dem Antragsteller an dessen Abgabestelle nicht zugestellt werde, weshalb der Zusteller eine Verständigung über eine Hinterlegung hinterließ. In dieser Verständigung wird der 20.01.2020 als der Tag genannt, an dem das Dokument erstmals zur Abholung beim Postamt bereitgehalten wird.
Gemäß § 17 Abs. 3 ZustG gilt daher der Bescheid am Montag, 20.01.2020 als zugestellt und begann die Rechtsmittelfrist daher an diesem Tag zu laufen.
Unter Berücksichtigung der Frist von vier Wochen endete die Rechtsmittelfrist am Montag, 17.02.2020 und ist der Bescheid vom 03.01.2020 am 18.02.2020 in Rechtskraft erwachsen.
Die Beschwerde, welche zusammen mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand am 06.03.2020 bei der belangten Behörde eingebracht wurde, erweist sich sohin als verspätet, sodass die Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 1 VwGVG iVm § 7 Abs. 4 VwGVG als verspätet zurückzuweisen war.
Zu II. B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Das Gericht konnte sich bei seiner Entscheidung auf die angeführte ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stützen, weshalb keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.
Schlagworte
Abgabestelle Beschwerdefrist Einreiseverbot Fahrlässigkeit Fristablauf Fristüberschreitung Fristversäumung Meldeadresse minderer Grad eines Versehens Rechtskraft der Entscheidung Rechtsmittelfrist Rückkehrentscheidung Sorgfaltspflicht Suchterkrankung unabwendbares Ereignis unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis Verschulden verspätete Beschwerde Verspätung Wiedereinsetzungsantrag Wohnsitz Zustellung durch Hinterlegung ZustellwirkungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:I403.2230373.1.00Im RIS seit
12.10.2020Zuletzt aktualisiert am
12.10.2020