TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/15 I403 2124967-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.05.2020
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Entscheidungsdatum

15.05.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I403 2124963-2/2E
I403 2124967-2/3E
I403 2124961-2/2E
I403 2124959-2/2E
I403 2230401-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

1. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Ägypten, vertreten durch Rast & Musliu Rechtsanwälte, Alser Straße 23/14, 1080 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.04.2020, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

2. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Ägypten, vertreten durch Rast & Musliu Rechtsanwälte, Alser Straße 23/14, 1080 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.04.2020, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

3. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde des minderjährigen XXXX , geb. am XXXX , StA. Ägypten, gesetzlich vertreten durch die Kindesmutter XXXX , vertreten durch Rast & Musliu Rechtsanwälte, Alser Straße 23/14, 1080 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.04.2020, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

4. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde der minderjährigen XXXX , geb. am XXXX , StA. Ägypten, gesetzlich vertreten durch die Kindesmutter XXXX , vertreten durch Rast & Musliu Rechtsanwälte, Alser Straße 23/14, 1080 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.04.2020, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

5. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde der minderjährigen XXXX , geb. am XXXX , StA. Ägypten, gesetzlich vertreten durch die Kindesmutter XXXX , vertreten durch Rast & Musliu Rechtsanwälte, Alser Straße 23/14, 1080 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.04.2020, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Die Verfahren von XXXX (Erstbeschwerdeführer), seiner Ehefrau XXXX (Zweitbeschwerdeführerin) sowie ihrer gemeinsamen minderjährigen Kinder XXXX (Drittbeschwerdeführer), XXXX (Viertbeschwerdeführerin) und XXXX (Fünftbeschwerdeführerin), alle ägyptische Staatsangehörige, sind im Sinne des § 34 AsylG 2005 gemeinsam als Familienverfahren zu führen.

Der Erstbeschwerdeführer, die Zweitbeschwerdeführerin und der minderjährige Drittbeschwerdeführer reisten gemeinsam am 01.06.2015 auf dem Luftweg in das Bundesgebiet ein und stellten alle am 05.06.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Die Erstbefragungen des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes fanden jeweils am 07.06.2015 statt.

Die minderjährige Viertbeschwerdeführerin kam am 17.06.2015 in Österreich zur Welt. Für sie wurde seitens der Zweitbeschwerdeführerin am 03.08.2015 ein Antrag auf internationalen Schutz eingebracht.

Der Erstbeschwerdeführer begründete seinen verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz im Wesentlichen damit, dass er als koptischer Christ in Ägypten mehrfach von Islamisten angegriffen und mit dem Tod bedroht worden sei, nachdem er eine Koptin, welche von Islamisten entführt und zum Islam zwangskonvertiert worden sei, durch die Bezahlung eines zuvor gesammelten Lösegeldbetrages für das Christentum zurückgewonnen habe. Die Islamisten hätten überdies versucht, seinen Sohn - den Drittbeschwerdeführer - zu entführen, was er im letzten Moment habe verhindern können. Zudem sei die Wohnung der Beschwerdeführer in Kairo von Islamisten angezündet worden. Die Zweitbeschwerdeführerin bestätigte im Wesentlichen das Vorbringen des Erstbeschwerdeführers. Für den Drittbeschwerdeführer und die Zweit- und Viertbeschwerdeführerin wurden keine gesonderten Fluchtgründe geltend gemacht.

In der Folge wurden die Anträge des Erstbeschwerdeführers, der Zweitbeschwerdeführerin, des Drittbeschwerdeführers und der Viertbeschwerdeführerin auf internationalen Schutz mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA / belangte Behörde) jeweils vom 29.02.2016 hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten sowie subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Ägypten abgewiesen, gegen sie eine Rückkehrentscheidung erlassen sowie festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Ägypten zulässig sei. Die vom Erstbeschwerdeführer bzw. der Zweitbeschwerdeführerin angegebenen Gründe für das Verlassen des Herkunftsstaates wurden als nicht glaubhaft befunden und seitens des BFA die Feststellung getroffen, dass der Erstbeschwerdeführer, die Zweitbeschwerdeführerin, der Drittbeschwerdeführer sowie die Viertbeschwerdeführerin im Fall einer Rückkehr nach Ägypten keiner Gefährdung oder Verfolgung ausgesetzt seien.

Diese Bescheide vom 29.02.2016 wurden nach fristgerecht erhobener Beschwerde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.04.2016 behoben und die Angelegenheit zur Erlassung von neuen Bescheiden an das BFA zurückverwiesen. Inhaltlich wurde ausgeführt, dass seitens der belangten Behörde lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt und bloß ansatzweise ermittelt worden sei. So seien etwa nur unzureichende Feststellungen zur Situation der Kopten in Ägypten getroffen worden. Auch seien den Beschwerdeführern im Administrativverfahren keinerlei Länderfeststellungen zu Ägypten zur Kenntnis gebracht und diese insoweit in ihrem Recht auf Parteiengehör verletzt worden.

Die minderjährige Fünftbeschwerdeführerin kam am 31.03.2017 in Österreich zur Welt. Für sie wurde seitens der Zweitbeschwerdeführerin am 20.04.2017 ein Antrag auf internationalen Schutz eingebracht.

Mit den gegenständlich angefochtenen Bescheiden der belangten Behörde vom 01.04.2020 wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurden die Anträge auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Ägypten abgewiesen (Spruchpunkt II. der angefochtenen Bescheide). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde den Beschwerdeführern gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III. der angefochtenen Bescheide). Gemäß § 10 Abs. 1 Ziffer 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Ziffer 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV. der angefochtenen Bescheide). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer gemäß § 46 FPG nach Ägypten zulässig sei (Spruchpunkt V. der angefochtenen Bescheide). Die Frist für eine freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI. der angefochtenen Bescheide). Das Fluchtvorbringen der Beschwerdeführer wurde als nicht glaubhaft befunden. Es sei auch nicht davon auszugehen, dass sie im Falle einer Rückkehr nach Ägypten in eine existenzbedrohende Notsituation geraten würden. Hinsichtlich des schützenswerten Familienlebens der Beschwerdeführer wurde ausgeführt, dass in Bezug auf die Kernfamilie (Erstbeschwerdeführer, Zweitbeschwerdeführerin und die drei minderjährigen Beschwerdeführer) eine aufenthaltsbeendende Maßnahme keinen Eingriff in dieses darstellen würde, da alle Familienmitglieder insoweit ein gemeinsames Schicksal teilen würden.

Gegen die gegenständlich angefochtenen Bescheide wurde fristgerecht mit Schriftsatz vom 14.04.2020 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person und zum Fluchtvorbringen der Beschwerdeführer:

Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige von Ägypten. Es handelt sich bei den Beschwerdeführern um einen volljährigen Mann (Erstbeschwerdeführer), seine volljährige Ehefrau (Zweitbeschwerdeführerin) sowie ihre drei minderjährigen Kinder (Drittbeschwerdeführer, Viertbeschwerdeführerin und Fünftbeschwerdeführerin). Die Identität der Beschwerdeführer steht fest.

Die Beschwerdeführer sind koptische Christen und gehören der Volksgruppe der Araber an. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind in Kairo geboren und aufgewachsen. Von September 2011 bis Mai 2015 hielten sich der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin vorwiegend in Kuwait auf, wo der Erstbeschwerdeführer einer Berufstätigkeit als Verkäufer von Elektrogeräten nachging. Der Drittbeschwerdeführer wurde im Juli 2013 in Kuwait geboren. Die Viertbeschwerdeführerin wurde im Juni 2015 und die Fünftbeschwerdeführerin im März 2017 in Österreich geboren.

Der Erstbeschwerdeführer hat eine Ausbildung im Bereich Tourismus und Hotelwirtschaft abgeschlossen. Er hat als Konditor, in einer Bibliothek sowie als Verkäufer von Elektrogeräten gearbeitet. Die Zweitbeschwerdeführerin studierte Informatik und hat bis zur Verehelichung mit dem Erstbeschwerdeführer EDV in einer staatlichen Einrichtung unterrichtet. Nach der Eheschließung war sie nicht mehr berufstätig und die Familie lebte von den Einkünften des Erstbeschwerdeführers.

Die Mutter sowie eine Schwester des Erstbeschwerdeführers leben nach wie vor in Kairo, ebenso wie die Eltern und eine Schwester der Zweitbeschwerdeführerin. Die Beschwerdeführer stehen in regelmäßigem Kontakt zu ihren Angehörigen in ihrem Herkunftsstaat.

Ein Bruder des Erstbeschwerdeführers (IFA-Zl. XXXX ) lebt mit seiner Ehefrau sowie zwei Kindern ebenfalls als Asylwerber in Österreich. Deren Anträge auf internationalen Schutz wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bereits negativ entschieden und gegen sie eine Rückkehrentscheidung erlassen, die betreffenden Beschwerdeverfahren sind aktuell beim Bundesverwaltungsgericht anhängig. Die Beschwerdeführer stehen in Kontakt zum Bruder des Erstbeschwerdeführers und dessen Ehefrau und Kindern, leben jedoch in einem anderen Bundesland und besteht auch kein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis. Ansonsten haben die Beschwerdeführer keine weiteren familiären Anknüpfungspunkte in Österreich.

Keiner der Beschwerdeführer leidet an einer lebensbedrohlichen Gesundheitsbeeinträchtigung, die einer Rückkehr nach Ägypten entgegensteht. Der Erstbeschwerdeführer sowie die Zweitbeschwerdeführerin sind zudem erwerbsfähig.

Die Beschwerdeführer bestreiten ihren Lebensunterhalt in Österreich über die staatliche Grundversorgung. Der Erstbeschwerdeführer spricht Deutsch auf A1-Niveau und hat einen Integrationskurs sowie insgesamt fünf Informationsmodule besucht. Darüber hinaus hat er sich fallweise ehrenamtlich für zwei Gemeinden betätigt und haben die Beschwerdeführer in Österreich diverse Bekanntschaften geschlossen.

Der Drittbeschwerdeführer besucht in Österreich die Volksschule, die Viertbeschwerdeführerin den Kindergarten.

Die Beschwerdeführer sind strafrechtlich unbescholten.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer aus Ägypten geflüchtet sind, da der Erstbeschwerdeführer aufgrund seiner Missionstätigkeit für koptische Christen der Gefahr einer Verfolgung durch Islamisten ausgesetzt ist. Das entsprechende Vorbringen ist nicht glaubhaft.

Es besteht auch keine reale Gefahr, dass die Beschwerdeführer im Fall ihrer Rückkehr nach Ägypten einer wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein werden.

1.2. Zur Situation in Ägypten:

Die entscheidungswesentlichen Feststellungen aus dem aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Ägypten lauten:

Politische Lage

2013 übernahm Präsident Abdel Fattah Al-Sisi, damals Verteidigungsminister und Befehlshaber der Streitkräfte (FH 4.2.2019; GIZ 12.2018), die Macht durch einen Putsch und stürzte den gewählten Präsidenten Mohamed Morsi von der Partei für Freiheit und Gerechtigkeit der Muslimbrüder (FJP) (FH 4.2.2019). Al-Sisi war seit 12.8.2012 Minister für Verteidigung und Militärproduktion unter Ministerpräsident Hesham Qandil in der Regierung von Mohamed Mursi (GIZ 12.2018). Seit dem 8.6.2014 ist Abdel Fattah Al-Sisi, Präsident Ägyptens. Der Verfassung zufolge ist eine Kandidatur nur einem Zivilisten erlaubt. Al-Sisi musste aus dem Militärdienstaustreten, um bei den Wahlen antreten zu können (GIZ 12.2018). Am 17.6.2019 brach der ehemalige, erste frei gewählte Präsident Ägyptens, Mohammed Mursi, in einer Gerichtsverhandlung zusammen und starb später in einem Krankenhaus. Offizielle Todesursache ist Herzversagen (BAMF 24.6.2019).

Der Präsident wird durch Volksabstimmung für bis zu zwei Amtszeiten gewählt (FH 4.2.2019). Beiden Präsidentschaftswahlen im März 2018 gewann Präsident Abdel Fattah Al-Sisi mit 97% der gültigen Stimmen eine zweite Amtszeit (AA 24.6.2019a; vgl. AI 26.2.2019; FH 4.2.2019) und setzte sich deutlich gegen den einzig verbliebenen Gegenkandidaten Mousa Mostafa Mousa durch (AA 24.6.2019a). Die Wahlen waren durch Unterdrückung und Überwachungsbemühungen der Regierung beeinträchtigt, und die Amtszeit von Präsident Sisi ist von einem harten Vorgehen gegenabweichende Stimmen geprägt (TI 23.2.2019). Die Präsidentschaftswahl 2018 bot den Wählern keine echte demokratische Wahl und wurde unter anderem durch Einschüchterung der Wähler und Stimmenkauf beeinträchtigt (FH 4.2.2019). Vor der Abstimmung wurden lautstarke Oppositionelle inhaftiert und zum Schweigen gebracht (FH 4.2.2019). Die übrigen Kandidaten wurden im Vorfeldverhaftet oder zogen ihre Kandidatur zurück (AA 24.6.2019a). Legitime Oppositionskandidatenwurden unter Druck gesetzt, sich noch vor dem Wahlkampf zurückzuziehen. Schließlich stand Al-Sisi einem anerkannten Herausforderer gegenüber, Mousa Mostafa Mousa, dem Vorsitzenden der Oppositionspartei Al-Ghad. Mousa warb für Al-Sisi, bevor er selbst ins Rennen ging (FH 4.2.2019).

Kritische Äußerungen über Ägypten und politische Kommentare, auch in den sozialen Medien, können unter anderem als strafbare Beleidigung und Diffamierung Ägyptens oder des Staatspräsidenten bzw. als strafbares „Verbreiten falscher Gerüchte“ angesehen werden und eine Strafverfolgung nach sich ziehen (AA 1.7.2019). Bereits im Jänner 2018 verstärkten die Behörden das Vorgehen gegen Dissens und verhafteten willkürlich mindestens 113 Personen, nur weil siefriedlich ihre Meinung äußerten. Unter den Verhafteten befanden sich viele hochrangige Politiker, die den Präsidenten öffentlich kritisiert oder bei den Präsidentschaftswahlen gegen ihn kandidiert hatten. Sami Anan, der ehemalige Stabschef des Militärs, wurde im Jänner 2018 verhaftet, nachdem er seine Kandidatur angekündigt hatte. Abdelmonim Aboulfotoh, Gründer der Misr Al-Qawia-Partei, wurde im Feber 2018 in Bezug auf von ihm gegebene Medieninterviews verhaftet. Im April 2018 verurteilte ein Militärgericht Hisham Genina, den ehemaligen obersten Wirtschaftsprüfer Ägyptens, zu fünf Jahren Gefängnis, nachdem er den Präsidenten in einem Medieninterview kritisiert hatte. Im Oktober 2018 bestätigte ein Gericht eine Bewährungsstrafe von drei Monaten wegen "öffentlicher Unsittlichkeit" gegen den ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Khalid Ali und disqualifizierte ihn damit erneut von der Kandidatur (AI 26.2.2019). Die Wahl wurde durch eine geringe Wahlbeteiligung, die Nutzung staatlicher Ressourcen und Medien zur Unterstützung der Kandidatur von Al-Sisi, Einschüchterung der Wähler und Stimmenkauf beeinträchtigt. Die Wahlkommission drohte Nichtwählern mit Geldstrafen, um die Wahlbeteiligung zu erhöhen (FH 4.2.2019).

Im Feber 2019 verabschiedeten Parlamentarier in Ägypten eine Reihe von Verfassungsänderungen, welche die Macht des Präsidenten konsolidieren und gleichzeitig das Militär als die ultimative Autorität des Landes wiederherstellen soll (TI 23.2.2019). Die im April 2019in Kraft getretenen Verfassungsänderungen eröffneten mit einer Spezialklausel dem Staatspräsidenten die Möglichkeit, über die gegenwärtig festgelegten zwei Amtsperioden hinaus bis 2030 im Amt zu bleiben. Zudem sehen diese Verfassungsänderungen erhebliche Eingriffe in die Gewaltenteilung und eine weitere Stärkung der Kontrolle des Militärs über das zivile Leben vor (AA 24.6.2019a). Die vorgeschlagenen Änderungen würden die Amtszeit des Präsidenten von vier auf sechs Jahre verlängern. Präsident Sisi sollte im Jahr 2022 zurücktreten (TI 23.2.2019). Seit Amtsantritt setzt Präsident Al-Sisi den Schwerpunkt auf Reformen im Wirtschaftsbereich, um Ägypten aus der Krise zu führen (ÖB 1.2019). Arbeitsschwerpunkte der ägyptischen Regierung unter Ministerpräsident Mustafa Madbouly bleiben Stabilitätserhalt und Wirtschaftsförderung. Mit der „Egypt Vision 2030“ legte die ägyptische Regierung einen ambitionierten Entwicklungsplan vor, der sich auch an den internationalen Zielen für nachhaltige Entwicklung (SDGs) orientiert (AA 24.6.2019a). Nach Zuspitzung der Wirtschaftskrise (u.a. akuter Devisenmangel) wurden im Herbst2016 im Rahmen eines vom IWF gestützten Reformprogramms der ägyptischen Regierung die Wechselkurse freigegeben und schrittweise Subventionskürzungen (Strom, Treibstoff) vorgenommen. Das Reformprogramm zeigt mittlerweile deutliche Erfolge und Verbesserungen beiden wirtschaftlichen Eckdaten, birgt aber auch weiterhin die Gefahr sozioökonomisch bedingter Unruhen, da Maßnahmen kurz- bis mittelfristig eine starke Belastung für die Bevölkerung darstellen (starker Anstieg der Inflation und Verlust von Arbeitsplätzen) (ÖB 1.2019). Durch die Preiserhöhung kam es sporadisch zu kleinen Protesten, die von der Polizei unterdrückt wurden. Die Polizei reagierte mit Härte auf die friedlich gegen Sparmaßnahmen protestierenden Demonstranten (AI 26.2.2019).

Ein neues Gesetz, das im Juli 2018 verabschiedet wurde, erlaubt es dem Präsidenten, hochrangige Führer der Streitkräfte zu benennen, die er für begangene Vergehen vor Strafverfolgung schützen will. Der Zeitraum umfasst den 14.8.2013, als die Sicherheitskräfte und die Armee während der Auflösung der Sitzblockaden (Sit-ins) von Rabaa al-Adawiya und Nahda an einem einzigen Tag bis zu 1.000 Menschen töteten (AI 26.2.2019). Die vorgeschlagenen Änderungen würden auch die Rechtsstaatlichkeit und die Aufsicht über die Exekutive untergraben. Das Militär würde "Hüter des Staates" werden. Die Änderungen würden auch zur Auflösung der Nationalen Medienbehörde führen (TI 23.2.2019).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (1.7.2019): Ägypten - Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/aegyptensicherheit/212622, Zugriff 1.7.2019

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (24.6.2019a): Ägypten - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/-/212652, Zugriff 1.7.2019

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand Januar 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/1458483/4598_1551702084_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-aegypten-stand-januar-2019-22-02-2019.pdf, Zugriff 1.7.2019

-        AI - Amnesty International (26.2.2019): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2018 – Egypt, https://www.ecoi.net/en/file/local/2003690/MDE1299162019ENGLISH.pdf, Zugriff 1.7.2019

-        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Deutschland (24.6.2019): Briefing Notes 24.Juni 2019, Zugriff 9.7.2019

-        FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019: Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2006365.html, Zugriff 1.7.2019

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (12.2018): Ägypten - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/aegypten/geschichte-staat/, Zugriff 1.7.2019

-        ÖB - Österreichische Botschaft Kairo (1.2019): Asylländerbericht Ägypten, https://www.ecoi.net/en/file/local/2002309/ALB+%C3%84gypten+2018.pdf, Zugriff 1.7.2019

-        TI - Transparency International (13.2.2019): The alarming message of Egypt’s constitutional amendments, https://www.transparency.org/news/feature/the_alarming_message_of_egypts_constitutional_amendments, Zugriff 5.7.2019

Sicherheitslage

Die terroristische Bedrohung ist auf ägyptischem Gebiet chronisch (FD 1.7.2019b). Es besteht landesweit weiterhin ein erhöhtes Risiko terroristischer Anschläge. Diese richten sich meist gegenägyptische Sicherheitsbehörden, vereinzelt aber auch gegen ausländische Ziele und Staatsbürger (AA 1.7.2019; vgl. FD 1.7.2019a). Das Risiko besteht auch bei politischen Kundgebungen, Demonstrationen und religiösen Veranstaltungen in Ballungsräumen. Insbesondere bei christlich-orthodoxen Feiertagen ist in der Umgebung von christlichen Einrichtungen erhöhte Vorsicht geboten (BMEIA 1.7.2019). Nach der Zündung eines Sprengkörpers am 19.5.2019 in Gizeh wird empfohlen wachsam zu sein und starkfrequentierte Bereiche zu meiden (FD 1.7.2019a). In den letzten Jahren wurden mehrere Terroranschläge verübt. Nach einer Reihe von Anschlägen wurde im April 2017 für drei Monate der landesweite Ausnahmezustand ausgerufen. Dieser wird seitdem regelmäßig alle drei Monateverlängert (AA 1.7.2019; AI 26.2.2019; vgl. FD 1.7.2019). Die Maßnahme geht mit erhöhten Eingriffsbefugnissen für Sicherheitskräfte und Militär einher. Es kommt vor allem nachts zu verstärkten Kontrollen durch Sicherheitskräfte (AA 1.7.2019). Zu Demonstrationen kommt es seit der Wahl von Staatspräsident Al-Sisi im Mai 2014 kaum noch (AA 1.7.2019).Es kam auch zu einem erneuten religiös motivierten Angriff, auf einen koptischen Pilgerbus in Minya, bei dem 29 Menschen getötet wurden (FD 1.7.2019).

Seit 2016 ist es wiederholt zu Anschlägen auf koptische Christen und koptische Kirchen gekommen. Dabei gab es zahlreiche Tote und Verletzte (AA 1.7.2019). Am 28.12.2018 wurden bei der Aktivierung eines Sprengsatzes in der Nähe der Pyramiden von Gizeh vier Menschen getötet. Am 15.2.2019 versuchten die Sicherheitskräfte, drei in Kairo gefundene Sprengsätze zu entschärfen, von denen einer explodierte. Am 18.2.2019 tötete eine Person mit einem Sprengstoffgürtel drei Menschen (FD 1.7.2019b). Vor Reisen in den Norden der Sinai-Halbinsel und das ägyptisch-israelische Grenzgebiet wird gewarnt (AA 1.7.2019). Am 9.2.2019 begann die ägyptische Armee ihre umfassende Operation „Sinai 2018“ gegen militante Islamisten auf der Sinai Halbinsel (AA 24.6.2019a; AI 26.2.2019).

Es kam zu Angriffen auf Touristen am Strand und in Hotels. Ein besonders schwerer terroristischer Anschlag nach dem Freitagsgebet in einer Moschee im November 2017 im Dorf Bir el Abed im Nord-Sinai forderte mehr als 300 Menschenleben (AA 1.7.2019; vgl. AA 24.6.2019a; FD 1.7.2019b) und zahlreiche weitere verletzt (AA 1.7.2019). Bereits im August 2013 wurde im Gouvernorat Nordsinai der Ausnahmezustand verhängt und seitdem immer wieder verlängert. Es gilt auch eine nächtliche Ausgangssperre (AA 1.7.2019). Bereits Im April 2017 wurden in Folge von Anschlägen auf zwei Kirchen in Alexandria und Tanta 45 Menschen getötet und über 100 verletzt. Die Terrororganisation „Islamischer Staat“ hat sich zu den Anschlägen bekannt. Staatspräsident Al-Sisi verhängte einen Tag später den Ausnahmezustand, der seitdem alle drei Monate verlängert wurde. Die Politik der Härte und des permanenten Ausnahmezustands hat die Terrorgefahr jedoch nichtbeseitigen können (AA 24.6.2019a). Das Österreichische Außenministerium ruft für den Nordsinai ein partielles Sicherheitsrisiko (Sicherheitsstufe 5) aus wie auch für die Saharagebiete an den Grenzen zu Libyen (einschließlich Mittelmeergebiet) und zum Sudan (BMEIA 1.7.2019).

Hohes Sicherheitsrisiko (Sicherheitsstufe 3) besteht in den restlichen Gebieten der Sinai-Halbinsel, inklusive der Ostküste im Bereich von Nuweiba bis Taba sowie auch für das Innere des Südsinai (BMEIA 1.7.2019). Es kommt auch weiterhin zu terroristischen Anschlägen, zuletzt am 2.11.2018 in der ägyptischen Provinz Minya, wo sieben koptische Pilger starben, und am 28.12.2018 sowie am 19.5.2019 in der Nähe der Pyramiden von Gizeh, wo ausländische Touristen zu Tode kamen oderverletzt wurden (AA 24.6.2019a). Am 24.6.2019 kam es auf dem Sinai zu einem Gefecht zwischen der Armee und Kämpfern des Islamischen Staates (IS). Laut Auskunft des Innenministeriums seien dabei sieben Polizisten und vier Kämpfer des IS getötet worden (BAMF 1.7.2019). Vor Reisen in entlegene Gebiete der Sahara einschließlich der Grenzgebiete zu Libyen und Sudanwird gewarnt (AA 1.7.2019). Die ägyptischen Behörden haben die Grenzregionen zu Libyen und zum Sudan zu Sperrgebieten erklärt (AA 1.7.2019). Minenfelder sind häufig unzureichend gekennzeichnet, insbesondere auf dem Sinai, in einigen nicht erschlossenen Küstenbereichen des Roten Meeres, am nicht erschlossenen Mittelmeerküstenstreifen westlich von El Alamein und in Grenzregionen zu Sudan und Libyen (AA 1.7.2019).

Die Kriminalitätsrate ist in Ägypten vergleichsweise niedrig. Kleinkriminalität wie Taschendiebstähle und auch vereinzelte Übergriffe speziell auf Frauen haben etwas zugenommen (AA 1.7.2019).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (1.7.2019): Ägypten - Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/aegyptensicherheit/212622, Zugriff 1.7.3019

-        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Deutschland (1.7.2019): Briefing Notes 1 Juli 2019, Zugriff 1.7.2019

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (24.6.2019a): Ägypten - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/-/212652, Zugriff1.7.2019

-        AI - Amnesty International (26.2.2019): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2018 – Egypt, https://www.ecoi.net/en/file/local/2003690/MDE1299162019ENGLISH.pdf, Zugriff 1.7.2019

-        BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (1.7.2019): Reiseinformation, Ägypten - Sicherheit & Kriminalität, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/aegypten/, Zugriff 1.7.2019

-        FD - France diplomatique (1.7.2019a): Egypte - Dernière minute, https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/egypte/, Zugriff 1.7.2019

-        FD - France diplomatique (1.7.2019b): Egypte - Sécurité, https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/egypte/#securite, Zugriff 1.7.2019

Sicherheitsbehörden

Die primären Sicherheitskräfte des Innenministeriums sind die Polizei und die Zentralen Sicherheitskräfte. Die Polizei ist für die Strafverfolgung bundesweit verantwortlich. Die Zentralen Sicherheitskräfte sorgen für die Sicherheit der Infrastruktur und wichtigen in- und ausländischen Beamten. Zivile Behörden behielten die wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte bei (USDOS 13.3.2019). Lang andauernde Haft ohne Anklage ist auf Veranlassung der Sicherheitsbehörden weit verbreitet. Urteile in politisch motivierten Verfahren basieren in der Regel nicht auf rechtsstaatlichen Grundsätzen. Die Zahl solcher Fälle ist zuletzt im Zuge der verstärkten Repression gegen die politische Opposition stark angestiegen (AA 22.2.2019).

In den meisten Fällen hat die Regierung Vorwürfe von Menschenrechtsverletzungen, die zu einem Umfeld der Straflosigkeit beitragen, nichtumfassend untersucht. Die Regierung verfügt nicht über wirksame Mechanismen zur Untersuchung und Bestrafung von Missbrauch. Die offizielle Straffreiheit bleibt ein Problem (USDOS 13.3.2019).

Militär und Sicherheitsbehörden nehmen im Staatsgefüge eine dominierende Position ein und verfügen über weitreichende Befugnisse und Einflussmöglichkeiten. Gerade auf dem Gebiet der begrifflich sehr weit verstandenen Terrorismusbekämpfung sind die Sicherheitsbehörden der Kontrolle durch die Justiz und andere Verfassungsorgane weitgehend entzogen. Polizei und Staatsschutz (National Security Services) sind formal getrennt, unterstehen jedoch gemeinsam dem Innenministerium (AA 22.2.2019).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand Januar 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/1458483/4598_1551702084_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-aegypten-stand-januar-2019-22-02-2019.pdf, Zugriff 1.7.2019

-        USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 – Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004258.html, Zugriff 2.7.2019

Allgemeine Menschenrechtslage

Die Lage der Menschenrechte ist besorgniserregend (AA 24.6.2019a). Die im Januar 2014angenommene Verfassung enthält einen im Vergleich zu früheren Verfassungen erweiterten Grundrechtskatalog, der sowohl bürgerlich-politische wie auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte umfasst. Viele dieser Grundrechte stehen jedoch unter einem einfachen Gesetzesvorbehalt. In der Praxis werden diese Rechte immer weiter eingeschränkt, vor allem bürgerlich-politische Rechte. Allerdings hat Ägypten den Kernbestand internationaler Menschenrechtsübereinkommen ratifiziert, so etwa den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, den Pakt über wirtschaftliche und soziale Rechte, die Konvention zur Beseitigung aller Formen der Diskriminierung von Frauen, die UN-Folterkonvention und die UN-Behindertenrechtskonvention, wie auch das Übereinkommen über die Rechte des Kindes. Erhebliche Vorbehalte zu diesen Instrumenten betreffen unter anderem Bestimmungen betreffend die Gleichstellung von Mann und Frau vor dem Hintergrund islamischen Rechts (Scharia-Vorbehalt) (AA 22.2.2018).

Obwohl Ägypten alle wichtigen internationalen Menschenrechtskonventionen unterzeichnete und Personen- und Freiheitsrechte in der Verfassung geschützt sind, wurde und wird das Landregelmäßig wegen Menschenrechtsverletzungen stark kritisiert. Internationale Menschenrechtsorganisationen sowie viele der über 30 ägyptischen Menschenrechtsorganisationen veröffentlichen regelmäßig englisch- und arabischsprachige Berichte zur Menschenrechtslage in Ägypten, darunter die Egyptian Organization for Human Rights EOHR, das Nadim Zentrum für Gewaltopfer, die Egyptian Initiative for Personal Rights EIPR und das Budgetary and Human Rights Observatory (GIZ 12.2018). Das Ausmaß der ägyptischen Menschenrechtskrise weitete sich aus, da die Behörden Gegner, Kritiker, Satiriker, aktuelle und ehemalige Menschenrechts- und Arbeitsrechtsaktivisten, Journalisten, Präsidentschaftskandidaten und Überlebende sexueller Belästigung verhafteten. Die Behörden nutzten die verlängerte Untersuchungshaft, um Gegner zu inhaftieren, und schränkten und schikanierten zivilgesellschaftliche Organisationen und deren Mitarbeiter ein. Die Behördenwandten Einzelhaft, Folter und weitere Arten von Misshandlungen an und ließen Hunderte von Menschen ungestraft verschwinden. Untersuchungen von Fällen außergerichtlicher Hinrichtungen wurden unterlassen. Zivil- und Militärgerichte erließen nach unfairen Prozessen Massenurteile und verurteilten Hunderte von Menschen zum Tode. Menschen wurden aufgrund ihrer tatsächlichen oder wahrgenommenen sexuellen Orientierung verhaftet. Die Behörden hinderten Christen daran, ihren Glauben frei auszuüben, und verabsäumten es, die Verantwortlichen für sektiererische Gewalt zur Verantwortung zu ziehen. Die Streitkräfte setzten bei einer laufenden Militäroperation im Sinai verbotene Streubomben ein (AI 26.2.2019).

Die bedeutendsten Menschenrechtsprobleme waren der übermäßige Einsatz von Gewalt durch Sicherheitskräfte, Defizite in ordentlichen Gerichtsverfahren und die Unterdrückung der bürgerlichen Freiheiten. Übermäßiger Einsatz von Gewalt umfasste rechtswidrige Tötungen und Folter. Zu den prozessbedingten Problemen gehörten die übermäßige Verwendung von präventiver Haft und Untersuchungshaft. Das Problemfeld bei den bürgerlichen Freiheiten beinhaltet gesellschaftliche und staatliche Beschränkungen der Meinungs- und Medienfreiheit, sowie der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit. Andere Menschenrechtsprobleme beinhalteten das Verschwindenlassen, harte Gefängnisbedingungen, willkürliche Verhaftungen, eine Justiz, di ein einigen Fällen zu Ergebnissen kam, die nicht durch öffentlich zugängliche Beweise gestützt wurden oder die politische Motivationen zu reflektieren schienen, Straflosigkeit für Sicherheitskräfte, Begrenzung der Religionsfreiheit, Korruption, Gewalt, Belästigung und gesellschaftliche Diskriminierung von Frauen und Mädchen, einschließlich weiblicher Genitalverstümmelung, Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen, Menschenhandel, gesellschaftliche Diskriminierung religiöser Minderheiten, Diskriminierung und Verhaftungen auf der Grundlage sexueller Orientierung (USDOS 13.3.2019).Weiters gibt es glaubhafte Berichte über Folter und Misshandlungen auch mit Todesfolge in Haftanstalten der Staatssicherheit und Polizeistationen. Die Todesstrafe kommt unter Staatspräsident Al-Sisi wieder verstärkt zur Anwendung und wird seit Dezember 2017 auch vermehrt vollstreckt. Im Namen der Terrorismusbekämpfung und Sicherung der Stabilität geht die staatliche Repression mit erheblichen Verletzungen grundlegender Menschenrechte einher (AA 24.6.2019a).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (24.6.2019a): Ägypten - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/-/212652, Zugriff 11.7.2019

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand Januar 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/1458483/4598_1551702084_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-aegypten-stand-januar-2019-22-02-2019.pdf, Zugriff 11.7.2019

-        AI - Amnesty International (26.2.2019): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2018 – Egypt, https://www.ecoi.net/en/file/local/2003690/MDE1299162019ENGLISH.pdf, Zugriff 11.7.2019

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (12.2018): Ägypten - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/aegypten/geschichte-staat/, Zugriff 11.7.2019

-        USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 – Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004258.html, Zugriff 11.7.2019

Religionsfreiheit

Die Religionsfreiheit ist eingeschränkt (AA 22.2.2019). Die Verfassung von 2014 erhebt den Islam zur Staatsreligion und bestimmt die Scharia zur Hauptquelle der Verfassung. Die Grenze zwischen Staat und sunnitischer Mehrheitsreligion ist nicht klar geregelt. Die Verfassung garantiert lediglich Glaubensfreiheit uneingeschränkt. Die Freiheit des Kultes und das damit verbundene Recht zum Bau von Gotteshäusern bleiben den Offenbarungsreligionen (Muslime, Christen, Juden)vorbehalten (AA 24.6.2019a; vgl. AA 22.2.2019).Während Artikel 2 der Verfassung 2014 den Islam zur offiziellen Staatsreligion erklärt, heißt es in Artikel 64: "Glaubensfreiheit ist absolut". Die meisten Ägypter sind sunnitische Muslime. Koptische Christen bilden eine erhebliche Minderheit, und es gibt eine geringere Anzahl von schiitischen Muslimen, nicht-koptischen christlichen Konfessionen und anderen Gruppen. Religiöse Minderheiten und Atheisten sind mit Verfolgung und Gewalt konfrontiert, wobei insbesondere Kopten in den letzten Jahren zahlreiche Fälle von Zwangsvertreibung, physischen Angriffen, Bomben- und Brandanschlägen sowie Blockade des Kirchenbaus erlitten haben (FH 4.2.2019).

90 % aller Ägypter sind Muslime, fast alle von ihnen Sunniten. Sie folgen der hanafitischen Rechtstradition, die als die liberalste der vier heute verbreiteten islamischen Rechtsschulen gilt.Ca. 9 % gehören der orthodoxen ägyptischen koptischen Kirche und ca. 1 % gehören anderen christlichen Konfessionen an. Das Religionsverständnis hat sich in den letzten Jahren jedoch je nach sozialer Gruppe in unterschiedlicher Form gewandelt. Mit dem Aufstieg des politischen Islamwurde in manchen Schichten eine engere und stärker auf äußere Formen orientierte Auslegung und dem Praktizieren der islamischen Religion populär (GIZ 2.2018).Durch die Beschränkung der Glaubensfreiheit auf einzelne Religionen wird eine Unterscheidung zwischen „anerkannten“ und „nicht-anerkannten“ Religionen getroffen, die zu zahlreichen Formender Diskriminierung im Alltag führt. Darunter leiden Angehörige kleinerer Glaubensgemeinschaften. So werden die in Ägypten lebenden Schiiten nicht als gleichwertige Religionsgemeinschaft anerkannt. Gleiches gilt für die etwa 2.000 Bahai, die ebenfalls keine staatliche Anerkennung genießen. 2015 wurden einzelne christliche Kirchen angegriffen und Eigentum von Kopten zerstört (AA 22.2.2019). Im August 2016 wurde ein lange erwartetes Gesetz über den Kirchenbauverabschiedet, das dem Bau von Kirchen allerdings nach wie vor administrative Hürden in den Weg legt (AA 24.6.2019a).

Besonders in Oberägypten kommt es immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, deren Ursache häufig in Streitigkeiten auf lokaler Ebene liegen. Traditionelle Vorstellungen von (Blut-)Rache und (kollektiver) Vergeltung sind in den ländlichen Gebieten Oberägyptens nach wie vor vorherrschend. Traditionelle Streitschlichtungsmechanismen spielen auch aufgrund der Abwesenheit funktionierender staatlicher Institutionen eine große Rolle. Dabei kommt es regelmäßig zu strukturellen Benachteiligungen der Christen. Die Konversion vom Christentum zum Islam ist einfach und wird vom Staat anerkannt, während die umgekehrte Konversion vom Islam zum Christentum zu massiven Problemen für die Betroffen führt. Zwar ist die Aufgabe des islamischen Glaubens nicht im geschriebenen Recht, wohl aber nach islamischem Recht verboten. Aufgrund innerislamischer Vorschriften gegen Apostasie haben Konvertiten in Ägypten mit gesellschaftlicher Ächtung zu rechnen. Die Behörden weigern sich in solchen Fällen häufig, neue Personaldokumente auszustellen. Der Eintrag der Religionszugehörigkeit in Personaldokumenten bleibt auch für andere religiöse Minderheiten ein Einfallstor für Diskriminierung und Ungleichbehandlung (AA 22.2.2019). Seit März 2009 ist es beispielsweise den Bahais erlaubt, nationale Ausweise und Pässe zu haben, in denen das Feld „Religion“ offen bleibt, was jedoch zu vielfältigen Problemen im Alltag führt. Auch die Organisation innerhalb der sunnitischen Glaubensgemeinschaft mit dem Ministerium für religiöse Stiftungen an der Spitze und weitgehenden Durchgriffsrechten steht einer umfassenden Glaubensfreiheit im Weg. Um in den offiziellen Moscheen predigen zu können, müssen die Imame an der al-Azhar Universität ausgebildet worden sein. Das Ministerium gibt zudem die Themen und Schwerpunkte der Freitagspredigten vor. Das ägyptische Strafrecht sieht den Straftatbestand der Blasphemie und dafür bis zu fünf Jahre Haft vor. Es werden zum Teil lange Gefängnisstrafen wegen des Blasphemievorwurfs verhängt. Zudem wird in interreligiösen Auseinandersetzungen häufig der Vorwurf der Blasphemie gegen Angehörige religiöser Minderheiten vorgebracht, um diese unter Druck zu setzen und Gewalt gegen sie zu legitimieren. Christen und Angehörige anderer religiöser Minderheiten sind, vor allem in ländlichen Gebieten, immer wieder Gewaltakten und Einschüchterungen aus den Reihen der muslimischen Mehrheitsgesellschaft ausgesetzt, wobei ein genügender Schutz durch die Sicherheitsbehörden nicht gewährleistet ist (AA 22.2.2019).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (24.6.2019a): Ägypten - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/-/212652, Zugriff 9.7.2019

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand Januar 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/1458483/4598_1551702084_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-aegypten-stand-januar-2019-22-02-2019.pdf, Zugriff 9.7.2019

-        FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 – Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2006365.html, Zugriff 18.7.2019

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (2.2018): Ägypten - Gesellschaft, https://www.liportal.de/aegypten/gesellschaft/, Zugriff 9.7.2019

Religiöse Gruppen/Kopten

Kopten, die etwa 10 % der ägyptischen Gesellschaft ausmachen und in ihrer Eigenwahrnehmung keine Minderheit darstellen, sind Opfer vielfacher Diskriminierungen, die oft auch in Gewalt münden. Insbesondere während der Welle der Gewalt im August 2013, die seit Mai 2016 wiederaufflammte, wurden koptische Kirchen attackiert und Christen ermordet. Die Sicherheitskräfte griffen kaum zu ihrem Schutz ein. Im August 2016 verabschiedete das ägyptische Parlament ein einerseits lange erwartetes, andererseits hoch umstrittenes Gesetz über den Bau von Kirchen in Ägypten. Obwohl die Führungspersönlichkeiten der drei großen christlichen Kirchen dem Gesetzzugestimmt haben, lassen vage Formulierungen darin Raum für Diskriminierung in der Praxis; dem Kirchenbau sind weiterhin gesetzliche Hürden in den Weg gelegt (AA 25.2.2019).Kopten sehen sich vielfach als Opfer von Diskriminierungen, die des Öfteren auch in Gewalt münden (AA 24.6.2019a).

Es gab Vorfälle von Gewalttätigkeit und Selbstjustiz des Mobs, insbesondere sektiererische/religiös motivierte Gewalt gegen koptisch-christliche Ägypter. Anfang Juli 2018 griff ein Mob von Muslimen die Häuser der Kopten im Dorf Minbal an, nachdem ein Kopte angeblich Inhalte über Social Media, die den Islam beleidigten, veröffentlicht hatte. Nach der Gewalttat verhaftete die Polizei mehr als 90 Muslime. Die Polizei verhaftete auch den Kopten, der angeblich den Social Media Post veröffentlicht haben soll. Alle Verhafteten wurden Ende des Monats freigelassen, mit Ausnahme eines Angeklagten, der beschuldigt wurde, den Angriff angestiftet zu haben (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (24.6.2019a): Ägypten – Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/-/212652, Zugriff 9.7.2019

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand Januar 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/1458483/4598_1551702084_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-aegypten-stand-januar-2019-22-02-2019.pdf, Zugriff 9.7.2019

-        USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices2018 – Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004258.html, Zugriff 9.7.2019

Frauen

Die Verfassung verpflichtet den Staat die Gleichheit von Männern und Frauen zu gewährleisten(AA 22.2.2019; vgl. USDOS 13.3.2019), da Frauen in der ägyptischen Gesellschaft in einigen Bereichen schlechter gestellt sind als ihre männlichen Mitbürger (AA 24.6.2019a) und nicht die gleichen gesetzlichen Rechte und Chancen haben wie Männer (USDOS 13.3.2019). Gesetze und traditionelle Praktiken beeinträchtigten Frauen im Familien-, Sozial- und Wirtschaftsleben weiterhin. Frauen sehen sich auch weiterhin einer weit verbreiteten gesellschaftlichen Diskriminierung, Bedrohungen ihrer körperlichen Sicherheit und Vorurteilen am Arbeitsplatzausgesetzt, die ihren sozialen und wirtschaftlichen Fortschritt behinderten (USDOS 13.3.2019). Frauen werden auch durch Einzelvorschriften des ägyptischen Rechts diskriminiert. Insbesondere im Familienrecht kommt es zu einer systematischen Ungleichheit und auch im islamischen Erbrecht sind diskriminierende Regelungen vorhanden. Gesellschaftlich ist ein konservatives Rollenbild vorherrschend. Im öffentlichen Leben sind Frauen präsent, aber deutlichunterrepräsentiert. Bei der Beurteilung der Stellung der Frauen in der Gesellschaft ist nach der sozialen Stellung zu differenzieren. So sind die selbstbewusst und in angesehenen beruflichen Positionen oder öffentlichen Ämtern auftretenden Frauen in aller Regel Angehörige der Oberschicht (AA 22.2.2019).

Sexuelle Belästigung und häusliche Gewalt gehören weithin zur gesellschaftlichen Realität und werden oft nicht strafrechtlich verfolgt. Auch die gesetzlich verbotene Praxis der Genitalverstümmelung wird, trotz verschärfter Strafen, weiterhin von weiten Teilen der Bevölkerung und unabhängig von der Religionszugehörigkeit praktiziert (AA 24.6.2019a). Sexuelle Belästigung bleibt weit verbreitet und bleibt ein ernstes Problem (AI 26.2.2019; vgl. AA 22.2.2019; USDOS 13.3.2019). Die Behörden unternahmen begrenzt Schritte, um die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen (AI 26.2.2019; vgl. AA 22.2.2019). Die Regierung hat die Bemühungen zur Bekämpfung der sexuellen Belästigung priorisiert (USDOS 13.3.2019). Lauteiner Studie von UN Women von 2013 waren 99,3 % der befragten ägyptischen Frauen sexuellen Belästigungen und/oder Übergriffen ausgesetzt, insbesondere im familiären Umfeld. Strafvorschriften zur sexuellen Gewalt sind unzureichend und diskriminierend gegenüber Frauen und erschweren die juristische Aufarbeitung. Es besteht kein effektiver staatlicher Schutz vorsexueller Gewalt; selbst wenn es zu Verurteilungen kommt, bleiben Opfer oft lebenslänglich sozialstigmatisiert. Dem Problem der verbreiteten sexuellen Gewalt wird vorherrschend durch Wegsehen und Verschweigen begegnet. NGOs, die sich für die Rechte von Frauen und Gewaltopfern einsetzen, bemängeln das Fehlen einer Strategie der Regierung, sich dem Problem von Gewalt und Diskriminierung anzunehmen (AA 22.2.2019). Die Regierung hat es verabsäumt, Frauen und Mädchen angemessen vor sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt zu schützen und sie in einigen Fällen sogar bestraft, weil sie sich zu diesem Thema geäußert haben. Andere Frauenrechtsgruppen und Frauenrechtsaktivistinnen stehen weiterhin vor Gericht wegen ihres Frauenrechtsaktivismus (HRW 17.1.2019). Der Prozess der offiziellen Meldung sexueller Belästigung blieb für weibliche Überlebende äußerst anstrengend. Staatliche Institutionen, einschließlich Staatsanwälte und Polizeistationen, haben es verabsäumt, die Privatsphäre der Überlebenden zu respektieren; ein Mangel, der in der Vergangenheit zu Repressalien gegen Überlebende geführt hat. In einem seltenen Fall, im September 2018, verurteilte ein Gericht einen Mann zu zwei Jahren Gefängnis, weil er zwei Frauen sexuell belästigt hatte. Die Behörden haben jedoch auch zwei Frauen verfolgt, die sich gegen sexuelle Belästigung gewehrt haben (AI 26.2.2019).

Genitalverstümmelung ist ein ernstes Problem und ein weit verbreitetes Phänomen, auch wenn die Praxis seit 2008 illegal und rechtlich verboten ist (AA 22.2.2019; vgl. USDOS 13.3.2019). Die Höchststrafe liegt bei 15 Jahren Haft (AA 22.2.2019). Einem Bericht von UNICEF aus dem Jahr2016 zufolge befindet sich Ägypten unter den Ländern mit der höchsten FGM-Rate. Eine Umfrage der Regierung von 2015 schätzt, dass 87 % der Frauen zwischen 15 und 49 Jahren betroffen sind, im Vergleich zu 91 % im Jahr 2008. Die Anzahl der beschnittenen Mädchen zwischen 15 und 17Jahren ist von 74 % auf 61 % gesunken. FGM wird angewandt, um die Reinheit der Frau und Ehre der Familie zu bewahren. Familien aus bestimmten sozialen Schichten berichten, dass Töchter ohne FGM kaum Aussichten haben, einen Ehemann zu finden. Die Praxis ist in allen sozialen Schichten und Religionen verbreitet, besonders in den ländlichen Gegenden Oberägyptens. Im Durchschnitt wird der Eingriff im Alter von zehn Jahren durchgeführt. Im Feber 2018 haben sich 12zivilgesellschaftliche Organisationen zur Task Force gegen FGM zusammengeschlossen (AA 22.2.2019). Im Mai 2018 gab die Task Force zur Bekämpfung von Genitalverstümmelung eine Erklärung heraus, in der sie die äußerst laschen Bemühungen zur Förderung der nationalen Strategie gegen Genitalverstümmelung (2016-2020) und den unzureichenden Schutz von Leben und Gesundheit von Mädchen verurteilte (HRW 17.1.2019).

Das Gesetz verbietet Vergewaltigung. Diese wird mit einer Freiheitsstrafe von 15 bis 25 Jahren bestraft. Das Gesetz wird jedoch nicht effektiv umgesetzt. Vergewaltigung in der Ehe ist nichtstrafbar. Häusliche Gewalt bleibt weiterhin ein Problem. Das Gesetz verbietet nicht häusliche Gewalt oder Missbrauch durch den Ehegatten. Mehrere NGOs boten Beratung, Rechtshilfe und andere Dienstleistungen für Frauen an, die Opfer von Vergewaltigung und häuslicher Gewaltwaren. Das Ministerium für soziale Solidarität unterstützte neun Frauenhäuser (USDOS 13.3.2019).

Keine Gesetze beschränkten die Teilnahme von Frauen und Angehörigen von Minderheiten am politischen Prozess. Sowohl Frauen als auch Minderheiten nahmen an diesem teil. Frauen führten vier Kabinettsministerien. Jedoch gehörten keine Frauen zu den ernannten Gouverneuren der 27 Regierungsbezirke (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (24.6.2019a): Ägypten – Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/-/212652, Zugriff 9.7.2019

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand Januar 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/1458483/4598_1551702084_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-aegypten-stand-januar-2019-22-02-2019.pdf, Zugriff 9.7.2019

-        AI - Amnesty International (26.2.2019): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2018 – Egypt, https://www.ecoi.net/en/file/local/2003690/MDE1299162019ENGLISH.pdf, Zugriff 9.7.2019

-        HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 – Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002200.html, Zugriff 9.7.2019

-        USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices2018 – Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004258.html, Zugriff 9.7.2019

Kinder

Artikel 80 der Verfassung garantiert umfassende Rechte für Kinder, wie z.B. das Recht auf Gesundheit, Bildung, Familie und Unterkunft. Die Ägyptische Demographische und Gesundheitliche Umfrage hat 2014 Daten zu Kinderarbeit nach einem von UNICEF entwickelten Modul erhoben. Danach sind 7 % der Kinder zwischen sieben und 15 Jahren (ca. 1,6 Millionen) Opfer von Kinderarbeit. 2015 hat Ägypten einige Mechanismen eingeführt, um das Vorgehen der Regierung gegen Kinderarbeit besser zu koordinieren. Dazu gehört das „Nationale Koordinierungskomitee zur Bekämpfung der schlimmsten Formen von Kinderarbeit“. Verschiedene staatliche Institutionen implementieren Hilfsprogramme in Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen. Arbeitsminister Mohammad Saafan hat im Juni 2017 verkündet, dass im Vorjahr 23.316 Kinder durch staatliche Razzien aus der Kinderarbeit gerettet wurden (AA 22.2.2019).

Auch die Zahl der Straßenkinder ist hoch und nach offiziellen Angaben in den vergangenen Jahren stark angestiegen; Schätzungen gehen von bis zu einer Millionen Kindern aus (AA 22.2.2019; vgl. USDOS 13.3.2019). Straßenkinder leben in einem Zustand der völligen Schutzlosigkeit. Sie sind häufig Opfer von Ausbeutung, körperlicher Gewalt und sexuellen Übergriffen (AA 22.2.2019). Das Ministerium bot Straßenkindern Unterkünfte an (USDOS 13.3.2019). Der Bildungssektor stellt eine der größten Herausforderungen für Ägypten dar: Trotz gestiegener Investitionen ist die Infrastruktur an Bildungseinrichtungen noch lückenhaft (GIZ 2.2018). Bildung, bzw. der Besuch der Grundschule ist verpflichtend und kostenlos (AA 22.2.2019; vgl. GIZ 2.2018; USDOS 13.3.2019). Jedoch ist die Qualität der Schulbildung nicht ausreichend, um eine ausreichende Grundbildung zu gewährleisten (AA 22.2.2019; vgl. GIZ 2.2018). Die bestehende Schulpflicht wird jedoch vielfach nicht durchgesetzt (AA 22.2.2019).

Die Verfassung schreibt vor, dass die Regierung Kinder vor allen Formen von Gewalt, Missbrauch, Misshandlung sowie kommerzieller und sexueller Ausbeutung schützt. Behörden registrieren jeden Monat Hunderte von Fällen von angeblichem Kindesmissbrauch. Es gibt keine spezielle Regierungsinstitution die sich mit Kindesmissbrauch beschäftigt (USDOS 13.3.2019). Das gesetzliche Alter zur Eheschließung ist 18 Jahre. Laut UNICEF heirateten 17 % der Mädchenvor dem 18. Lebensjahr, und 2 % der Mädchen waren bereits mit 15 Jahren verheiratet. Weiters sieht das Gesetz Freiheitsstrafen von mindestens fünf Jahren und Geldstrafen von bis zu 200.000LE (11.150 $) wegen Verurteilung der kommerziellen sexuellen Ausbeutung von Kindern und Kinderpornografie vor. Die Regierung setzt das Gesetz nicht ausreichend durch (USDOS 13.3.2019). Es gibt keine Jugendstrafanstalten, die den besonderen Bedürfnissen Minderjähriger entsprechen. Immer wieder werden Minderjährige im Zuge von politischen Prozessen inhaftiert (AA 22.2.2019).

Menschenrechtsorganisationen berichteten, dass Kinder in der Inhaftierung misshandelt wurden, einschließlich Folter, Teilen von Zellen mit Erwachsenen, Verweigerung ihres Rechts auf Beratung und Unterlassung der Behörden ihre Familien zu benachrichtigen. Das Gesetz sieht Freiheitsstrafen bis fünf Jahre und Geldstrafen für kommerzielle sexuelle Ausbeutung von Kindern und Kinderpornografie vor. Die Regierung konnte das Gesetz nicht ausreichend durchsetzen (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand Januar 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/1458483/4598_1551702084_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-aegypten-stand-januar-2019-22-02-2019.pdf, Zugriff 9.7.2019

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (2.2018): Ägypten - Gesellschaft, https://www.liportal.de/aegypten/gesellschaft/, Zugriff 9.7.2019

-        USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices2018 – Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004258.html, Zugriff 9.7.2019

Bewegungsfreiheit

Das Gesetz sieht die Bewegungsfreiheit im Inland, Auslandsreisen, Auswanderung und Wiedereinbürgerung vor. Zudem darf laut Verfassung kein Bürger daran gehindert werden, das Staatsgebiet zu verlassen. Dennoch dürfen Männer, die den Wehrdienst nicht absolviert und keine Ausnahmegenehmigung erhalten haben, nicht ins Ausland reisen oder auswandern. Nationale Personalausweise belegen den Abschluss des Militärdienstes (USDOS 13.3.2019).

Die Behörden verlangten sporadisch von Bürgern im Alter von 18 bis 40 Jahren, eine Erlaubnis des Innenministeriums, um in bestimmte Länder zu reisen, um so den Beitritt zu terroristischen Gruppen zu erschweren und die Flucht von Kriminellen zu verhindern (USDOS 13.3.2019).

Die Regierung verhängte zunehmend Reiseverbote für Menschenrechtsverteidiger und politische Aktivisten, die wegen Straftaten angeklagt oder untersucht wurden. Weiters gibt es kein von der Regierung auferlegtes Exil, und die Verfassung verbietet der Regierung, Bürger auszuweisen oder Bürgern die Rückkehr ins Land zu verbieten. Einige Politiker leben freiwillig außerhalb des Landes, da sie von der Regierung mit Strafverfolgung bedroht wurden (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

-        USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices2018 – Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004258.html, Zugriff 9.7.2019

Meldewesen

Für ägyptische Staatsangehörige besteht keine zentrale Meldepflicht. Bei Forderungen gegen unbekannt verzogene ägyptische Staatsangehörige ist daher der Versuch einer Aufenthaltsermittlung nahezu aussichtslos (DBK 3.2014).

Quellen:

-        DBK - Deutsche Botschaft Kairo (03.2014): Rechtsverfolgung in Ägypten in Zivil- und Handelssachen, https://www.kairo.diplo.de/contentblob/4044670/Daten/4042325/rk_merkblatt_rechtsverfolgung.pdf, Zugriff 9.7.2019

Grundversorgung

Subventionen zur Absicherung der Grundversorgung der ägyptischen Bevölkerung haben eine lange Tradition und zehren einen erheblichen Teil des Staatshaushaltes auf. Daran ändert auch das mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) vereinbarte Reformprogramm, das Kürzungen der staatlichen Subventionen für Elektrizität, Treibstoff, aber auch für Brotgetreide einschließt, nichts. So wurde z.B. nach Kürzung von Subventionen im Sommer 2017 und damit verbundenen Preissteigerungen die Zahl der Berechtigten für Lebensmittelkarten erhöht (bisher schon ca. 70Mio. Personen) und auch der Umfang der über diese Karten zu beziehenden Güter nochmals ausgedehnt. Nicht-Ägypter haben nach hiesiger Kenntnis keinen Zugang zu diesem System (AA 22.2.2019). Im Rahmen des mit dem IWF verhandelten Reformprogramms versucht die Regierung, den notwendigen Strukturwandel in die Wege zu leiten. Das Wirtschaftswachstum lag 2017 bei 4,2 % und 2018 bei 5,3 %. Subventionen für Benzin, Diesel und Elektrizität werden von der Regierung sukzessive reduziert. Bis Juni 2021 ist eine vollständige Eliminierung aller Energiesubventionen vorgesehen (AA 24.6.2019c).

Ein weiteres Instrument der sozialen Sicherung liegt im Mietrecht begründet. Für einen Großteil von Mietverträgen, die in den 1950er und 1960er Jahren geschlossen wurden und seitdem innerhalb der Großfamilie weitergegeben wurden, gilt noch eine Mietpreisbindung, die im Altbestand zu teilweise grotesk niedrigen Mieten führt. Für neue Verträge seit ca. 1990 gelten ohnehin die Gesetze des Marktes. Im Rahmen de

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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